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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.43/2003 /zga 
 
Urteil vom 9. Mai 2003 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiberin Scholl. 
 
Parteien 
X.________, 
Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Arnold Weber, Waisenhausstrasse 14, 9000 St. Gallen, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Fürsprecher Luigi R. Rossi, Oberer Graben 3, 9000 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Ehescheidung, 
 
Berufung gegen den Entscheid des Kantonsgerichts 
St. Gallen, II. Zivilkammer, vom 2. Dezember 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Im seit 1998 hängigen Scheidungsprozess zwischen Y.________ (Ehefrau) und X.________ (Ehemann) einigten sich die Parteien mit Teilkonvention vom 20. Juni 2001 auf das gemeinsame Beantragen der Scheidung sowie in einigen Nebenpunkten. Die Regelung der übrigen Scheidungsnebenfolgen überliessen sie dem Gericht. 
B. 
Mit Entscheid vom 12./17. Juli 2001 genehmigte das Bezirksgericht St. Gallen die Teilkonvention, verpflichtete X.________ zur Zahlung von Fr. 949'029.30 aus Güterrecht an Y.________ und wies deren Begehren um Zusprechung eines Unterhaltsbeitrags ab. Dagegen erhoben die Parteien Berufung bzw. Anschlussberufung. Mit Entscheid vom 2. Dezember 2002 setzte das Kantonsgericht St. Gallen die güterrechtliche Forderung zu Gunsten von Y.________ auf Fr. 1'903'674.75 fest und wies im Übrigen die Berufung bzw. Anschlussberufung ab, soweit es darauf eintrat. 
C. 
X.________ gelangt mit eidgenössischer Berufung an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Strittig sind insbesondere die güterrechtliche Zuordnung und Bewertung von verschiedenen Vermögenswerten. 
 
Es wurde keine Berufungsantwort eingeholt. Das Kantonsgericht hat keine Gegenbemerkungen angebracht. 
 
Auf eine gegen den gleichen Entscheid des Kantonsgerichts erhobene staatsrechtliche Beschwerde ist das Bundesgericht mit Entscheid vom heutigen Datum nicht eingetreten (Verfahren 5P.51/2003). 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von Art. 46 OG. Der erforderliche Streitwert für das Berufungsverfahren ist gegeben. Die Berufung ist rechtzeitig erhoben worden und richtet sich gegen einen Endentscheid eines oberen kantonalen Gerichts, der nicht mehr durch ein ordentliches kantonales Rechtsmittel angefochten werden kann (Art. 54 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 OG). 
1.1 Im Berufungsverfahren sind neue tatsächliche Vorbringen sowie neue Einreden ausgeschlossen (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Das Bundesgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, wenn sie nicht offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen (Art. 63 Abs. 2 OG) oder zu ergänzen sind (Art. 64 OG). Liegen solche Ausnahmen vor, so hat die Partei, die den Sachverhalt berichtigt oder ergänzt wissen will, darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen. Eine Ergänzung setzt zudem voraus, dass entsprechende Sachbehauptungen bereits im kantonalen Verfahren prozesskonform aufgestellt, von der Vorinstanz aber zu Unrecht für unerheblich gehalten oder übersehen worden sind, was wiederum näher anzugeben ist; andernfalls gelten die Vorbringen als neu und damit als unzulässig (BGE 115 II 484 E. 2a S. 485 f.; 127 III 248 E. 2c S. 252). Da der Beklagte keine der vorgenannten Ausnahmen geltend macht, sind die von ihm im bundesgerichtlichen Verfahren eingereichten Unterlagen unbeachtlich. Beweismittel nimmt das Bundesgericht im Verfahren der eidgenössischen Berufung nicht entgegen. 
 
Nachdem das Bundesgericht auf die staatsrechtliche Beschwerde gegen den nämlichen Entscheid zudem nicht eingetreten ist, ist vom Sachverhalt auszugehen, wie das Kantonsgericht ihn festgestellt hat. 
1.2 Für Kritik an der Beweiswürdigung des Sachrichters, soweit nicht Vorschriften des Bundesrechts in Frage stehen, ist die Berufung nicht gegeben (BGE 117 II 609 E. 3c S. 613; 128 III 390 E. 4.3.3 S. 398). Unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung übt der Beklagte insbesondere in Zusammenhang mit dem angeblichen Mehrvermögen der Klägerin sowie der Bewertung eines Darlehens an den Sohn der Parteien. Insoweit ist daher auf die Berufung nicht einzutreten. 
1.3 Der Beklagte beantragt unter anderem, dass die Hälfte des an den Sohn der Parteien gewährten Darlehens durch die Klägerin zu übernehmen und an ihren güterrechtlichen Anspruch anzurechnen sei. In der Berufungsschrift fehlt aber jegliche Begründung dieses Antrags. Damit kann in diesem Punkt ebenfalls nicht auf die Berufung eingetreten werden (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 106 II 36 E. 1 S. 38). 
2. 
Umstritten ist zunächst, ob die Aktien einer Gesellschaft, an welcher der Beklagte beteiligt war, bzw. der daraus erzielte Verkaufserlös, zu seinem Eigengut oder seinen Errungenschaften gehören. Gemäss unbestrittener Feststellung des Kantonsgerichts schenkte der Beklagte seiner Frau drei Aktien. Weitere 55 Stück behielt er und verkaufte sie später. Der Beklagte behauptet, diese 55 Aktien würden sein Eigengut darstellen, was sich einerseits aus dem Ehevertrag, andererseits aus dem Umstand ergebe, dass er die ursprüngliche Investition in die Gesellschaft aus Mitteln seines Eigenguts getätigt habe. 
2.1 Die Vorinstanz hat den Ehevertrag nach dem Vertrauensgrundsatz ausgelegt, nachdem eine tatsächliche Willensübereinstimmung nicht nachgewiesen werden konnte. Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei überprüfen kann (BGE 125 III 435 E. 2a/aa S. 436 f.; 127 III 248 E. 3a S. 253). Die anzuwendenden Auslegungsgrundsätze werden im angefochtenen Urteil korrekt dargelegt. Insbesondere trifft der Vorwurf des Beklagten, dass der Vertrag nicht nach seiner Systematik ausgelegt werden dürfe, wie dies das Kantonsgericht getan habe, nicht zu. Auch wenn dem klaren Wortlaut Vorrang vor weiteren Auslegungsmitteln zukommt, kann es sein, dass er sich auf Grund anderer Vertragsbedingungen, dem von den Parteien verfolgten Zweck oder weiteren Umständen als nur scheinbar klar erweist (BGE 127 III 444 E. 1b S. 445). Den wahren Sinn einer Vertragsklausel erschliesst zudem erst der Gesamtzusammenhang, in dem sie steht (BGE 101 II 323 E. 1 S. 325; 128 III 265 E. 3a S. 267). 
 
Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten ist der Wortlaut der strittigen Ehevertragsklausel keineswegs klar. Insbesondere lässt sich daraus nicht zweifelsfrei ableiten, dass die 55 Aktien des Beklagten dessen Eigengut darstellen. Es ist äusserst fraglich, ob sich der Wortlaut der Klausel überhaupt auf die Aktien des Beklagten bezieht. Vielmehr wird darin einzig klargestellt, dass sowohl die (drei) Aktien der Klägerin, wie auch der Erlös daraus, zu ihrem Eigengut gehören. 
Diese Auslegung wird, wie das Kantonsgericht richtig ausgeführt hat, vom Gesamtzusammenhang der Klausel im Vertrag unterstützt. In Ziffer 2 wird das Eigengut der Ehefrau, in Ziffer 3 dasjenige des Ehemannes aufgeführt. Die 55 Aktien des Beklagten werden darin nicht erwähnt. Dass die Aufzählungen nicht abschliessend sind und bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung weiteres Eigengut festgestellt wurde, ändert an dieser grundsätzlichen Systematik nichts. Aus dem Ehevertrag lässt sich durch Auslegung nach dem Vertrauensprinzip daher nicht entnehmen, dass es sich bei den 55 Aktien im Eigentum des Beklagten um dessen Eigengut handelt und somit liegt auch keine Bundesrechtsverletzung vor. 
2.2 Das Kantonsgericht hat in für das Bundesgericht verbindlicher Weise festgehalten, dass die Mittel für die ursprüngliche Investition in die Gesellschaft aus Erwerbseinkommen des Beklagten stammten. Auf die Kritik des Beklagten an dieser Beweiswürdigung ist nicht einzutreten. 
2.3 Nachdem das Kantonsgericht die Zugehörigkeit der Aktien zu den Errungenschaften des Beklagten für erwiesen gehalten hat, wird die Beweislastverteilung gegenstandlos (BGE 114 II 289 E. 2a S. 291). Nicht ersichtlich ist, inwieweit das Kantonsgericht das bundesrechtliche Regelbeweismass verletzt haben soll. 
3. 
Der Beklagte verlangt weiter, dass die medizinischen Apparaturen seiner Arztpraxis mindestens zu deren Nominalwert im Jahr 1955 von Fr. 150'000.-- als Eigengut anerkannt werden. Das Kantonsgericht hat die Höhe und die güterrechtliche Qualifikation der fraglichen Praxiseinrichtung offen gelassen, da bei der Auflösung der Arztpraxis kein Liquidationserlös nachgewiesen werden konnte. An diese Feststellung ist das Bundesgericht gebunden. Da folglich diese Vermögenswerte heute nicht mehr bestehen, erübrigt sich deren güterrechtliche Qualifikation. 
4. 
Weiter bringt der Beklagte vor, die Klägerin habe ihm angekündigt, er dürfe seine Ferienwohnung, an welcher sie nutzniessungsberechtigt sei, nicht mehr benützen. Daher verlange er eine Ablösung der Nutzniessung. Dadurch, dass das Kantonsgericht eine diesbezügliche Klageänderung nicht zugelassen habe, sei der Anspruch auf ein einheitliches Scheidungsverfahren verletzt worden. 
 
Der bundesrechtliche Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils bedeutet, dass der mit der Scheidungsklage befasste Richter ausschliesslich zuständig ist zur Regelung der Nebenfolgen der Scheidung (BGE 112 II 289 E. 2 S. 291; 128 III 343 E. 2b S. 345). Insbesondere ist die Verweisung der güterrechtlichen Auseinandersetzung in ein besonderes Verfahren nur zulässig, wenn die Regelung der übrigen Scheidungsfolgen, beispielsweise der zu leistende Unterhaltsbeitrag, nicht von deren Ergebnis abhängt (BGE 113 II 97 E. 2 S. 99; Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, 1999, N. 10 f. zu Art. 120 ZGB). Dieser Grundsatz steht jedoch vorliegend nicht in Frage, zumal die (im Eigengut stehende) Nutzniessung der Klägerin nicht Teil der güterrechtlichen Auseinandersetzung ist. 
5. 
Soweit der Beklagte beantragt, bei der Festsetzung der Unterhaltsbeiträge an die Klägerin sei deren erbrechtliche Anwartschaften bzw. seine Wiederverheiratung zu berücksichtigen, ist dieses Vorbringen in keiner Weise nachvollziehbar: Das Kantonsgericht hat der Beklagten keine Unterhaltsbeiträge zugesprochen und damit sind diese nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens, zumal die Klägerin gegen den kantonalen Entscheid kein Rechtsmittel erhoben hat. Der Beklagte ist in diesem Punkt durch den vorinstanzlichen Entscheid daher auch nicht beschwert. Damit kann insoweit auf die Berufung nicht eingetreten werden. 
6. 
Folglich ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beklagte kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Er schuldet der Klägerin allerdings keine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren, da keine Berufungsantwort eingeholt wurde. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird dem Beklagten auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 9. Mai 2003 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: