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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 287/05 
 
Urteil vom 9. August 2005 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber Hochuli 
 
Parteien 
K.________, 1950, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dominik Frey, Stadtturmstrasse 10, 5400 Baden, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
(Entscheid vom 1. März 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
K.________, geboren 1950, Mutter von drei Kindern (geboren 1968, 1973 und 1978), ist seit 1968 verheiratet und lebt seit 1991 bei ihrem Ehemann in der Schweiz, welcher seit 2002 wegen Rücken- und Gelenkschmerzen eine Invalidenrente bezieht. Sie arbeitete von 1994 bis Januar 2000 teilzeitlich als Hauswartin und von 1997 bis 30. Juni 1999 mit einem weiteren Teilzeitpensum für die Spitex in X.________. Zudem besorgte sie den Zweipersonenhaushalt. Am 23. April 2002 wurde sie von einem Auto auf dem Trottoir angefahren und erlitt dabei Verletzungen am linken Schulter- und am rechten Fussgelenk, wofür Dr. med. W.________ eine Arthrodese empfahl. Am 10. Juli 2003 meldete sich K.________ wegen seit dem Unfall anhaltenden Fussschmerzen bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Nach Durchführung einer Haushaltabklärung am 13. Januar 2004 ermittelte die IV-Stelle des Kantons Aargau auf Grund der gemischten Bemessungsmethode unter Annahme einer im Gesundheitsfall mit einem Pensum von 50 % geleisteten Erwerbstätigkeit einen Invaliditätsgrad von 14 %. In der Folge lehnte die Verwaltung das Leistungsbegehren ab (Verfügung vom 7. April 2004) und hielt mit Einspracheentscheid vom 17. Juni 2004 daran fest. 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde der K.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 1. März 2005 ab, soweit es darauf eintrat. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K.________ unter Aufhebung des kantonalen Gerichts- und des Einspracheentscheides die Zusprechung einer Invalidenrente beantragen. 
 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Invaliditätsbegriff (Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG) sowie die Bemessung der Invalidität bei erwerbstätigen (Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 IVG), nicht erwerbstätigen (Art. 28 Abs. 2bis IVG in Verbindung mit Art. 27 IVV) und teilweise erwerbstätigen Versicherten (Art. 28 Abs. 2ter IVG in Verbindung mit Art. 27bis IVV) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Hinweise auf die Bedeutung ärztlicher Angaben für die Belange der Invaliditätsschätzung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114, V 314 Erw. 3c) und die Beweiswürdigung (BGE 125 V 352 Erw. 3a) sowie die massgebenden zeitlichen Verhältnisse und Grundsätze bei der Beantwortung der Frage, ob eine versicherte Person als ganztägig oder teilweise Erwerbstätige oder als Nichterwerbstätige einzustufen ist (BGE 125 V 150 Erw. 2c, 117 V 196 ff. Erw. 4b, je mit Hinweisen; AHI 1997 S. 288 ff. Erw. 2b mit Hinweisen). Richtig wiedergegeben ist ferner die Rechtsprechung zur Verwendung von Tabellenlöhnen bei der Ermittlung des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch realisierbaren Einkommens (Invalideneinkommen; BGE 126 V 76 f. Erw. 3b mit Hinweis; AHI 2002 S. 67 Erw. 3b) und zum in diesem Zusammenhang gegebenenfalls vorzunehmenden behinderungsbedingten Abzug (AHI 1999 S. 181 Erw. 3b; siehe auch BGE 126 V 78 ff. Erw. 5; AHI 2002 S. 67 ff. Erw. 4). Darauf wird verwiesen. 
1.2 Da sich die Beschwerdeführerin bereits im Jahre 2003 bei der Invalidenversicherung zum hier strittigen Leistungsbezug angemeldet hat, ist teilweise ein Sachverhalt zu beurteilen, der sich vor dem In-Kraft-Treten der Änderungen des IVG vom 21. März 2003 und der IVV vom 21. Mai 2003 (4. IV-Revision) am 1. Januar 2004 verwirklicht hat, weshalb entsprechend den allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln für die Zeit bis 31. Dezember 2003 auf die damals geltenden Bestimmungen, ab diesen Zeitpunkten auf die Normen der 4. IV-Revision und deren Ausführungsverordnungen abzustellen ist (BGE 130 V 445 ff.). 
2. 
Der Sozialversicherungsprozess ist vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht. Danach hat das Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen. Dieser Grundsatz gilt indessen nicht uneingeschränkt; er findet sein Korrelat in den Mitwirkungspflichten der Parteien (BGE 125 V 195 Erw. 2, 122 V 158 Erw. 1a, je mit Hinweisen; vgl. BGE 130 I 183 Erw. 3.2). 
 
Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast begriffsnotwendig aus. Im Sozialversicherungsprozess tragen mithin die Parteien in der Regel eine Beweislast nur insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes auf Grund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen). 
3. 
Fest steht und unbestritten ist, dass die Versicherte gestützt auf die Beurteilung des behandelnden Arztes Dr. med. Kulstrunk trotz ihres Gesundheitsschadens eine körperlich leichte, sitzend auszuübende Tätigkeit, bei welcher die linke Hand hauptsächlich als Haltehand eingesetzt werden könnte, zumutbarerweise mit einem Pensum von 50 % (halbtags) erwerblich verwerten kann. Zu Recht werden sodann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde keine Einwände erhoben gegen die im häuslichen Aufgabenbereich unter Berücksichtigung der Beistandspflicht des Ehemannes (SVR 2004 IV Nr. 30 S. 93 Erw. 2.3) und der den versicherten Personen obliegenden Schadenminderungspflicht (vgl. BGE 130 V 99 Erw. 3.2 und 101 Erw. 3.3.3, je mit Hinweisen) ermittelte Einschränkung von 10 % gemäss Bericht zur Haushaltabklärung vom 13. Januar 2004. 
4. 
Strittig und vorweg zu prüfen ist die Statusfrage. Während Verwaltung und Vorinstanz davon ausgingen, die Beschwerdeführerin würde im Gesundheitsfall eine Erwerbstätigkeit mit einem Pensum von 50 % ausüben, macht die Versicherte geltend, ohne Gesundheitsschaden wäre sie voll erwerbstätig. 
4.1 Die IV-Stelle und das kantonale Gericht stellten auf die Angaben gemäss dem am 27. August 2003 von der Versicherten unterschriebenen "Fragebogen zur Rentenabklärung betreffend Erwerbstätigkeit / Haushalt" ab und schlossen daraus, dass die Beschwerdeführerin im hypothetischen Gesundheitsfall mit dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen) wieder mit einem Pensum von 50 % erwerbstätig wäre. Die Vorinstanz hielt dazu fest, den Selbstangaben und dem Auszug aus dem individuellen Konto (IK-Auszug) vom 18. Juli 2003 sei zu entnehmen, dass die Versicherte ihre Erwerbstätigkeit erst im Jahre 1994 aufgenommen habe, als ihre Tochter das sechzehnte Altersjahr erreicht hatte. Seither habe sie immer ein 50%-Pensum ausgeübt, zuletzt als Spitex-Angestellte. Dieses Beschäftigungsverhältnis sei seitens der Arbeitgeberin per Ende Juni 1999 unbestritten aus nicht gesundheitsbedingten Gründen aufgelöst worden. In der Folge habe sie keine Erwerbstätigkeit mehr aufgenommen. Auch wenn sie den Fragebogen nicht selber ausgefüllt habe, spreche diese Aussage der ersten Stunde dafür, dass sie als Gesunde zu 50 % erwerbstätig wäre. 
4.2 Die nach Erkenntnissen aus der Haushaltabklärung nicht Deutsch sprechende Beschwerdeführerin liess in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht darauf hinweisen, dass die Antworten auf dem von ihr am 27. August 2003 unterschriebenen Fragebogen nicht von ihr selber verfasst, sondern offensichtlich in zwei verschiedenen anderen Handschriften aufgezeichnet worden seien. Sie habe die Bedeutung dieser Fragestellung verkannt. Zudem wurde die Frage nach dem als Gesunde ausgeübten Pensum mit "ca. 50 %" beantwortet. Entgegen der Vorinstanz ist weder aus dem IK-Auszug noch aus der Anmeldung zum Leistungsbezug vom 10. Juli 2003 zu schliessen, dass die Beschwerdeführerin zwischen 1994 und 1999 ausschliesslich mit einem Pensum von 50 % als Mitarbeiterin der Spitex erwerbstätig war. Zum einen verzeichnet der IK-Auszug für die Spitex-Tätigkeit in den entsprechenden Monaten der Periode von 1997 bis 1999 eine Steigerung des durchschnittlichen AHV-beitragspflichtigen Einkommens von knapp Fr. 1'900.- auf mehr als Fr. 2'200.-, was nicht nur auf eine entsprechende Lohnerhöhung schliessen lässt, sondern gegebenenfalls auch mit einer geringfügigen Ausweitung des Arbeitspensums zusammenhängen könnte. Zum anderen ist dem IK-Auszug zu entnehmen, dass die Versicherte von 1994 bis Januar 2001 ununterbrochen ein weiteres AHV-beitragspflichtiges Erwerbseinkommen erzielte. Zudem findet sich bei den Akten weder mit Blick auf das Arbeitsverhältnis bei der Spitex noch in Bezug auf das zusätzliche, auf Grund des IK-Auszuges dokumentierte Erwerbseinkommen der üblicherweise von den IV-Stellen zur Abklärung der erwerblichen Verhältnisse eingeholte "Fragebogen für den Arbeitgeber". Gerade aus diesen von Arbeitgeberseite zu deklarierenden Angaben zur betriebsüblichen Normalarbeitszeit und zu dem im Vergleich dazu von der versicherten Person effektiv geleisteten Arbeitspensum wären zur Beantwortung der Statusfrage wichtige Aufschlüsse zu erwarten gewesen. Indem die Verwaltung auf eine genaue Abklärung der vor Eintritt des Gesundheitsschadens bestandenen erwerblichen Verhältnisse verzichtete, verletzte sie den Untersuchungsgrundsatz. Die Durchführung dieser Abklärungen war um so mehr geboten, als die Beschwerdeführerin schon vor Erlass der hier strittigen Verfügung vom 7. April 2004 mit Schreiben vom 10. März 2004 geltend machte, bereits vor dem Unfall vom 23. April 2002 mit Unterstützung des Sozialamtes der Gemeinde Y.________ auf der Stellensuche gewesen zu sein, und mit der Einsprache vom 18. Mai 2004 zudem eine Kopie der E-Mail vom 18. Mai 2004 eines Mitarbeiters des Gemeindearbeitsamtes Y.________ einreichte, womit dieser bestätigte, dass die Versicherte zwischen 29. November 2001 und dem 23. April 2002 "intensiv eine 100%-Stelle" gesucht habe. Zu Recht wird mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf eine Bestätigung der Firma "P.________ AG" verwiesen, wonach die Beschwerdeführerin zwischen 1994 bis Januar 2000 eine Hauswartstätigkeit im Umfang von etwa dreizehn Arbeitsstunden pro Monat ausgeübt habe, was einem zusätzlichen Erwerbspensum von rund 7,5 % entspreche, weshalb von einem Anteil der ausserhäuslichen Tätigkeit von mindestens 57,5 % auszugehen sei. Angesichts des von der Verwaltung vernachlässigten Untersuchungsgrundsatzes konnte unter den gegebenen Umständen weder die IV-Stelle noch die Vorinstanz mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit darauf schliessen, dass die Versicherte im Gesundheitsfall nur zu 50 % erwerbstätig wäre. 
4.3 Nach dem Gesagten ist die Sache zu ergänzenden Abklärungen sowie zur neuen Festlegung des mutmasslich ausgeübten Aufgabenbereichs und anschliessenden Neuverfügung über das Rentengesuch an die Verwaltung zurückzuweisen. Diese wird in geeigneter Form die vor Eintritt des Gesundheitsschadens gegebenen erwerblichen Verhältnisse umfassend untersuchen und hernach unter Berücksichtigung der gesamten Umstände (BGE 130 V 396 Erw. 3.3 mit Hinweisen) das Ausmass der hypothetisch im Gesundheitsfall ausgeübten Erwerbstätigkeit neu festlegen. Dabei wird sie entgegen dem bisherigen Verlauf des Verfahrens auch ausdrücklich zur Bestätigung des Gemeindearbeitsamtes Wettingen vom 18. Mai 2004 sowie zur offensichtlich zusätzlich zur Arbeit für die Spitex ausgeübten weiteren Teilerwerbstätigkeit als Hauswartin Stellung zu nehmen haben. Mit Blick auf den mit angefochtenem Entscheid bei der Invaliditätsbemessung im Rahmen des Einkommensvergleichs veranschlagten maximal zulässigen Tabellenlohnabzug von 25 % werden bei der Neuermittlung des Invaliditätsgrades unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles alle in Betracht fallenden Merkmale zu berücksichtigen sein (BGE 126 V 80 Erw. 5b/cc), also auch die Tatsache, dass sich Teilzeitarbeit bei Frauen mit einem Pensum zwischen 50 und 89 % auf allen Anforderungsniveaus proportional berechnet zu einer Vollzeittätigkeit sogar tendenziell lohnerhöhend auswirkt (vgl. vom Bundesamt für Statistik herausgegebene Lohnstrukturerhebung [LSE] für das Jahr 2002 S. 28 Tabelle 8*; Urteil C. vom 26. November 2004 Erw. 4.2, I 383/04, mit Hinweisen), weshalb zumindest dieses Kriterium keinen Abzug von dem anhand der Tabellenlöhne ermittelten Invalideneinkommen rechtfertigt. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 1. März 2005 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle des Kantons Aargau vom 17. Juni 2004 aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle des Kantons Aargau zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über das Rentengesuch neu verfüge. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle des Kantons Aargau hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Das kantonale Gericht wird die Parteikosten für das vorinstanzliche Verfahren, entsprechend dem Ausgang des Prozesses vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht, neu verlegen. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Ausgleichskasse des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 9. August 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: