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[AZA 7] 
U 382/00 Bh 
 
II. Kammer 
 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber Arnold 
 
 
Urteil vom 9. September 2002 
 
in Sachen 
 
B.________, 1966, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Elda Bugada Aebli, Bahnhofplatz 9, 8001 Zürich, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
 
A.- Mit Verfügung vom 4. März 1997, bestätigt durch den Einspracheentscheid vom 4. November 1997, stellte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) die B.________ (geboren 1966) für die Folgen des am 31. August 1994 erlittenen Berufsunfalls - dem Arbeitnehmer war ein drei Meter langes Gerüstbrett auf den Unterarm gefallen - erbrachten Versicherungsleistungen (Heilbehandlung und Taggeld) per 28. Februar 1997 ein. Mit einer weiteren Verfügung vom 11. November 1998 sprach sie dem Versicherten für die Zeit ab 1. März 1997, vorbehältlich der Zeiträume vom 1. bis 7. Dezember 1997 und vom 8. Juni bis 9. August 1998, wo ein Taggeld der IV ausgerichtet worden sei, eine Invalidenrente, basierend auf einer Erwerbsunfähigkeit von 33.33 %, sowie eine Integritätsentschädigung von Fr. 4860.-, entsprechend einer Integritätseinbusse von 5 %, zu. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 19. März 1999 fest. 
 
B.- Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vereinigte die von B.________ anhängig gemachten beiden Verfahren betreffend der Einspracheentscheide vom 4. November 1997 und vom 19. März 1999 und wies die Beschwerden ab (Entscheid vom 16. August 2000). 
 
C.- B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren: 
 
"1. Es sei das kantonale Urteil aufzuheben und die Vorinstanz 
anzuweisen, die vom Beschwerdeführer beantragte 
mündliche Replik/Duplik sowie das Beweisverfahren 
(Zeugeneinvernahmen) bezüglich der behaupteten 
Voreingenommenheit des Verwaltungsarztes durchzuführen 
und danach über die Beschwerde gegen die Verfügung vom 
4. März 1997 bzw. den Einsprache-Entscheid vom 4. November 
1997 neu zu entscheiden. 
 
2. Es sei in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides 
dem Beschwerdeführer eine Invalidenrente gestützt auf 
einen höheren Erwerbsunfähigkeitsgrad zuzusprechen. 
 
3. Dem Beschwerdeführer sei die unentgeltliche Rechtspflege 
zu gewähren. 
 
4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge." 
 
Das kantonale Gericht opponiert vernehmlassungsweise dem Rückweisungsantrag. Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
D.- Mit Eingabe vom 18. Dezember 2000 bekräftigt der Beschwerdeführer seinen Standpunkt, wonach der angefochtene Entscheid in Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK ergangen sei. Am 24. September 2001 reicht er eine Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 17. August 2001 zu den Akten. Danach wurde ihm rückwirkend ab 1. Dezember 1997 gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 42 % und unter Berücksichtigung eines wirtschaftlichen Härtefalls eine halbe Invalidenrente zugesprochen. 
 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) In formellrechtlicher Hinsicht wird eine Verletzung des Anspruches auf eine öffentliche Verhandlung gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK geltend gemacht. 
 
b) Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist anwendbar, da materiellrechtlich Leistungen nach UVG im Streite liegen und es sich dabei rechtsprechungsgemäss um zivilrechtliche Ansprüche im Sinne der genannten Konventionsbestimmung handelt (BGE 122 V 50 f. Erw. 2a). Eine Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit (Satz 1; vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl/Strassburg/Arlington 1996, Rz 117 zu Art. 6 EMRK; Haefliger/Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S. 190 ff.; Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], 2. Aufl., Zürich 1999, Rz 443 ff.) ist indessen zu verneinen. 
Es mangelt bereits am rechtsprechungsgemässen Erfordernis (BGE 125 V 38 Erw. 2 mit Hinweis) eines klar und unmissverständlich gestellten Antrages auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Es genügt nicht, dass der Beschwerdeführer in der kantonalen Beschwerdeschrift vom 30. Januar 1998 (betreffend Einstellung der Heilbehandlung und Taggelder gemäss Einspracheentscheid vom 4. November 1997) unter dem Titel "Begründung/1.3. Formelles" für das weitere Verfahren eine "mündliche Replik/Duplik" beantragen liess. 
Im Übrigen reichte die Vertreterin des Beschwerdeführers am 8. August 2000 die Honorarnote für das kantonale Verfahren "vorbehältlich weiterer Bemühungen für den Fall der Anordnung eines Beweisverfahrens" ein. In der letztinstanzlichen Eingabe vom 18. Dezember 2000 liess der Beschwerdeführer dazu ausführen, die Aufforderung zur Einreichung einer schriftlichen Replik habe so verstanden werden müssen, dass die Vorinstanz den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Replik abgelehnt oder allenfalls in Erwägung gezogen habe, den genannten Zeugen (gemeint ist wohl der Bruder des Beschwerdeführers) im Rahmen eines nach dem Schriftenwechsel mündlich durchzuführenden Beweisverfahrens einzuvernehmen. Aus diesem Grunde sei die Rechnungsstellung vom 8. August 2000 unter dem dargelegten Vorbehalt folgt. Aus dem eben Dargelegten ist zu folgern, dass der Beschwerdeführer mit der unklaren Formulierung "mündliche Replik/Duplik" nicht eine Verhandlung nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK, sondern lediglich eine Zeugenbefragung wollte, allenfalls eine persönliche Befragung, somit bloss einen Beweisantrag stellte (BGE 125 V 38 Erw. 2 mit Hinweis). 
 
Darüberhinaus ist schliesslich auch zu berücksichtigen, dass nach Art. 5 Abs. 3 BV das Gericht wie die Parteien eines Verfahrens gegenseitig an den Grundsatz von Treu und Glauben gebunden sind (vgl. BBl 1997 I 134, Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 588 f.). Vor dem Hintergrund des unklaren Antrags auf Durchführung einer "mündlichen Replik/Duplik" gemäss Beschwerdeschrift vom 30. Januar 1998 wäre der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer nach Treu und Glauben gehalten gewesen, gegen die Durchführung einer schriftlichen Replik zu opponieren, wenn er auf die Abhaltung einer öffentlichen Verhandlung nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK gezielt hätte. Indem er dies unbestrittenermassen unterliess und nach dreimaliger Fristerstreckung schriftlich replizierte, ohne einen entsprechenden - unmissverständlichen - prozessualen Antrag zu stellen, und nachdem er im Schreiben vom 8. August 2000 (Einreichung der Honorarnote nach abgeschlossenem Schriftenwechsel) einzig weitere Bemühungen für den Fall der Anordnung eines Beweisverfahrens vorbehielt, konnte die Vorinstanz ihrerseits in guten Treuen davon ausgehen, dass sich der Beschwerdeführer mit der Erstattung einer schriftlichen anstelle einer mündlichen Replik konkludent einverstanden erklärt hatte. 
 
2.- Letzt- wie bereits vorinstanzlich strittig ist der auf den 28. Februar 1997 verfügte, im Einspracheverfahren sowie vom kantonalen Gericht bestätigte Fallabschluss sowie die Zusprechung einer Invalidenrente mit Wirkung auf den 1. März 1997 basierend auf einem Invaliditätsgrad von 33.33 %. Das kantonale Gericht hat die dafür massgebenden gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3.- Soweit gerügt wird, der vorinstanzliche Entscheid verletze Bundesrecht, indem das kantonale Gericht eine Gehörsverletzung des Beschwerdeführers im Verfahren des Unfallversicherungsträgers verneinte, ist dies unbegründet. Nach der Aktenlage hat die Vorinstanz völlig zu Recht weder den Beschwerdeführer noch dessen Bruder zum Vorwurf der Befangenheit des SUVA-Kreisarztes Dr. med. Z.________ befragt und in antizipierter Beweiswürdigung darauf geschlossen, dass dem Kreisarzt im Zusammenhang mit dem von ihm erstatteten Untersuchungsbericht vom 20. Februar 1997, welcher Entscheidgrundlage für die Verfügung vom 4. März 1997 und den Einspracheentscheid vom 4. November 1997 bildete, die erforderliche Objektivität und Unbefangenheit zukam. Der Umstand, dass der Kreisarzt sein Befremden über die anfänglich ausschliesslich über den Bruder laufende Kommunikation äusserte und feststellte, dass der Beschwerdeführer über genügend Deutschkenntnisse verfügte, um sich ohne die Hilfe seines Bruders zu verständigen - was der Beschwerdeführer bestreiten liess -, bildet keinen objektiven Umstand, der auf Befangenheit schliessen lässt. Das hat bereits die Vorinstanz zutreffend erwogen. 
 
4.- Nach Lage der medizinischen Akten - worunter insbesondere das Gutachten des Dr. med. Y.________, Spezialarzt FMH Chirurgie (spez. Handchirurgie), ehemaliger Chefarzt der Rehaklinik K.________, und des Dr. med. X.________, Spezialarzt FMH Orthopädische Chirurgie (spez. Handchirurgie), Leitender Arzt der Rehaklinik K.________, vom 8. Mai 1998, welches alle rechtsprechungsgemässen (BGE 125 V 352 Erw. 3 mit Hinweisen) Kriterien für beweiskräftige ärztliche Entscheidungsgrundlagen erfüllt und dem somit voller Beweiswert zukommt - ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der Fallabschluss per 28. Februar 1997 zu Recht erfolgt ist und dass dem Beschwerdeführer (hinsichtlich des Rentenpunkts) eine leichte, eventuell gar mittelschwere, dem körperlichen Leiden angepasste Tätigkeit mit der Einschränkung einer verlängerten Mittags- und häufigen kürzeren Arbeitspausen zu 100 % zumutbar ist. 
 
5.- a) Für die Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch realisierbaren Einkommens (Invalideneinkommen) hat die Vorinstanz im Sinne einer Plausibilitätskontrolle auf statistische Durchschnittswerte, die sogenannten Tabellenlöhne der Schweizerischen Lohnstrukturerhebungen des Bundesamtes für Statistik (LSE, vgl. BGE 126 V 75 Erw. 3b/aa-bb), abgestellt. Das ist sachgerecht, da die rechtsprechungsgemässen Erfordernisse dafür nicht erfüllt sind, dass die konkrete beruflich-erwerbliche Situation massgeblich ist, in welcher sich der Beschwerdeführer seit 1. Mai 1999 (als "Shuttle Bus"-Chauffeur) befindet (BGE 126 V 75 Erw. 3b/aa). Nach den Akten handelt es sich um ein Pensum von bloss 75 % und der vereinbarte Lohn bildet kein angemessenes, sondern ein marktunüblich tiefes Entgelt. Es besteht deshalb auch keine Bindung an den von der Eidgenössischen Invalidenversicherung ermittelten Grad der Erwerbsunfähigkeit. Daran ändert nichts, dass die IV-Stelle des Kantons Zürich - statt auf die Tabellenlöhne abzustellen - für die Ermittlung des (hypothetischen) Invalideneinkommens die gesamtarbeitsvertraglichen Verhältnisse miteinbezog (zur - relativen - Bindungswirkung rechtskräftiger Invaliditätsschätzungen anderer Versicherungsträger: BGE 126 V 288). Es kann damit offen bleiben, ob nicht bereits die Grundsätze über den zeitlich massgebenden Sachverhalt (BGE 121 V 366 Erw. 1a) die Berücksichtigung der nach dem (zweiten) Einspracheentscheid vom 19. März 1999 eingetretenen beruflichen Verhältnisse ausgeschlossen hätten. 
 
b) Das von der Vorinstanz ermittelte hypothetische Invalideneinkommen von Fr. 37'933.- ist jedenfalls dahingehend zu korrigieren, dass der maximal zulässige Abzug vom statistischen Lohn unter Berücksichtigung aller in Betracht fallenden Merkmale auf insgesamt 25 % begrenzt ist (BGE 126 V 80 Erw. 5b/cc). Statt Fr. 37'933.- (bei einer Reduktion von 30 %) resultiert dabei ein Invalideneinkommen von (mindestens) Fr. 40'642.50. Stellt man mit dem Beschwerdeführer für das Valideneinkommen auf die Angaben der Q.________ AG als ehemaliger Arbeitgeberin für das Jahr 1996 ab (Fr. 59'855.-) und berücksichtigt zusätzlich die Nominallohnentwicklung für das Jahr 1997, ergibt sich ein Einkommen von Fr. 60'094.40. Aus der Gegenüberstellung dieser beiden hypothetischen Einkommen errechnet sich ein Invaliditätsgrad von 32.37 %. Die der Invalidenrente zu Grunde gelegte Erwerbseinbusse von 33.33 % durch den Unfallversicherer wird demnach vom Beschwerdeführer zu Unrecht beanstandet. 
 
6.- a) Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). 
 
b) Die unentgeltliche Verbeiständung kann gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), weil die Bedürftigkeit ausgewiesen ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die anwaltliche Vertretung geboten war (BGE 124 V 309 Erw. 6 mit Hinweisen; AHI 1999 S. 85 Erw. 3). 
Mit Kostennote vom 29. Dezember 2000 macht die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers ein Honorar von Fr. 3219.25 zuzüglich Fr. 87.00 Auslagen und Fr. 247.95 Mehrwertsteuer geltend. Gemäss Gesamtgerichtsbeschluss vom 3. Juni 1997 beträgt der Ansatz, den das Eidgenössische Versicherungsgericht einem anwaltlich vertretenen Versicherten zu Lasten der Gegenpartei im Normalfall zuspricht Fr. 2500.- (Auslagen und Mehrwertsteuer inbegriffen). Dieser Ansatz gilt auch für die Festsetzung der Entschädigung im Rahmen der unentgeltlichen Verbeiständung, wobei davon unter den gleichen Voraussetzungen nach oben oder nach unten abgewichen werden kann, wie bei der Bemessung der Parteientschädigung (RKUV 1996 Nr. U 259 S. 261). Eine Entschädigung im Gesamtbetrag von Fr. 2500.- (Auslagen und Mehrwertsteuer inbegriffen) ist auch vorliegend angemessen. Der Rechtsstreit war letztinstanzlich weder besonders schwierig noch sehr umfangreich. Wird der gebotene Aufwand für die Ausfertigung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter Berücksichtigung aller Umstände auf circa acht (statt vierzehn) Arbeitsstunden festgesetzt, resultiert, soweit alle übrigen geltend gemachten Bemühungen als gerechtfertigt qualifiziert werden, ein Honorarbetrag von circa Fr. 2490.- (Fr. 2229.25.- zuzüglich Mehrwertsteuer und Auslagen). 
 
 
 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung 
wird Rechtsanwältin Elda Bugada Aebli für das Verfahren 
vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht 
aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von 
Fr. 2500.- (einschliesslich Auslagen und Mehrwertsteuer) 
ausgerichtet. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht 
des Kantons Zürich und dem Bundesamt für 
Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 9. September 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Vorsitzende der II. Kammer: 
 
 
 
 
 
Der Gerichtsschreiber: