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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
H 39/05 / H 43/05 
 
Urteil vom 9. November 2005 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Fessler 
 
Parteien 
H 39/05 
B.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ueli Kieser, Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
H 43/05 
K.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Rémy Wyssmann, Hauptstrasse 36, 4702 Oensingen, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, Beschwerdegegnerin, 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn 
 
(Entscheid vom 20. Januar 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
K.________ führt seit Jahren unter der Bezeichnung «X.________» ein Tierheim. Sie ist der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn als Selbstständigerwerbende angeschlossen. Anlässlich der Arbeitgeberkontrolle vom 7. April 2003 stellte der Revisor fest, dass u.a. auf den 1999 bis 2001 an B.________ ausgerichteten Entgelten für ihre Tätigkeit im Bereich Finanzbuchhaltung, Lohn- und Personalwesen sowie EDV-Support keine paritätischen Beiträge entrichtet worden waren. Mit Nachzahlungsverfügungen vom 9. Juli 2003 verpflichtete die Ausgleichskasse K.________ zur Bezahlung von insgesamt Fr. 8389.45 (u.a. paritätische und FAK-Beiträge für 1999, 2000 und 2001). In der hiegegen erhobenen Einsprache wies der Rechtsvertreter von K.________ darauf hin, dass B.________ als Selbstständigerwerbende der Ausgleichskasse des Kantons Aargau angeschlossen sei und für 1992 bis 2000 persönliche Beiträge entrichtet habe. Mit Einspracheentscheid vom 21. Januar 2004 bestätigte die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn Beitragspflicht und -höhe. 
B. 
Die Beschwerde der K.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn nach Beiladung von B.________ zum Verfahren mit Entscheid vom 20. Januar 2005 ab. 
C. 
C.a K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem hauptsächlichen Rechtsbegehren, Gerichtsentscheid und Einspracheentscheid seien aufzuheben und es sei festzustellen, dass B.________ AHV-rechtlich selbstständigerwerbend ist. 
 
Kantonales Gericht und Ausgleichskasse beantragen die Abweisung, B.________ als Mitinteressierte die Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
C.b B.________ lässt ebenfalls Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass sie AHV-rechtlich selbstständigerwerbend ist. 
Kantonales Gericht und Ausgleichskasse schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. K.________ als Mitinteressierte lässt sich nicht vernehmen. 
C.c Das Bundesamt für Sozialversicherung hat in beiden Verfahren keine Vernehmlassung eingereicht. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden richten sich gegen den selben letztinstanzlichen kantonalen Entscheid. Es sind die gleichen Rechtsfragen aufgrund des selben Sachverhalts zu beurteilen. Es rechtfertigt sich daher, die Verfahren zu vereinigen und mit einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE 128 V 126 Erw. 1 mit Hinweisen; Jean-François Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. 1, S. 343 unten f.). 
2. 
2.1 Die zum kantonalen Verfahren beigeladene B.________ ist beschwerdelegitimiert (Art. 103 lit. a OG; BGE 113 V 1 in Verbindung mit BGE 130 V 501). Im Übrigen kann auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerden nur so weit eingetreten werden, als Sozialversicherungsbeiträge kraft Bundesrechts streitig sind. Nicht zu prüfen ist, wie es sich bezüglich der Beitragsschuld für kantonale Familienzulagen verhält (BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis). 
3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die im Zeitraum 1999-2001 von K.________ an B.________ ausgerichteten Entgelte in der Höhe von Fr. 20'419.-, Fr. 15'460.- und Fr. 15'353.- Einkommen aus selbstständiger oder unselbstständiger Erwerbstätigkeit darstellen. Das Feststellungsbegehren in den Verwaltungsgerichtsbeschwerden zum Beitragsstatut von B.________ als Selbstständigerwerbende ist unzulässig, soweit es nicht 1999 bis 2001 betrifft, oder im Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie des Einspracheentscheides vom 21. Januar 2004 enthalten. 
 
Für die Beurteilung der Streitfrage kommt dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetz vom 6. Oktober 2002 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) keine Bedeutung zu (BGE 130 V 332 f. Erw. 2.2 und 2.3; Urteil V. AG vom 27. April 2005 [H 9/05] Erw. 2). 
4. 
Da es nicht um Versicherungsleistungen geht, prüft das Eidgenössische Versicherungsgericht nur, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 OG in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b OG sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
5. 
Im angefochtenen Entscheid werden die Rechtsgrundlagen zur Abgrenzung unselbstständiger von selbstständiger Erwerbstätigkeit (vgl. BGE 123 V 163 Erw. 1, 122 V 171 ff. Erw. 3a-c und 283 f. Erw. 2a und b) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
6. 
Das kantonale Gericht hat erwogen, B.________ sei im Betrieb von K.________ für den Bereich Finanzbuchhaltung, Lohn- und Personalwesen sowie für den Support der EDV-Anlage zuständig gewesen. Die dafür bezogenen Honorare habe sie als Selbstständigerwerbende mit der Ausgleichskasse des Kantons Aargau abgerechnet. Es bestünden zwar Indizien, die für selbstständige Erwerbstätigkeit sprächen. So dürften gewisse Erwerbsunkosten (wie Fahr- und Telefonspesen) anfallen, die sie selber zu tragen habe. Auch habe sie wohl für ihren Arbeitsaufwand im Tierheim selber Rechnung gestellt. Diese Indizien träten indessen gegenüber den Merkmalen für unselbstständige Erwerbstätigkeit klar in den Hintergrund. Die Buchhaltungs- und auch die anderen administrativen Arbeiten seien überwiegend wahrscheinlich jeweils auf Anordnung von K.________ hin in den Räumlichkeiten und mit den Einrichtungen ihres Betriebes erfolgt. Es sei somit von einer arbeitsorganisatorischen Abhängigkeit auszugehen. Dafür spreche auch, dass ab 1. März 1999 das Sekretariat des Tierheims an Stelle von B.________ von einer kaufmännischen Angestellten geführt werde. Deren Einkommen sei als massgebender Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG abgerechnet worden. Sodann sei die Arbeit nach Zeitaufwand entschädigt worden und der Stundenrapport sei zu visieren gewesen. Dies weise klar auf ein Subordinationsverhältnis hin. Anderseits habe B.________ weder erhebliche Investitionen getätigt noch eigene Angestellte beschäftigt. Soweit sie für ihren Arbeitsaufwand im Tierheim selber Rechnung gestellt habe, sei unklar, ob und in welchem Ausmass sie allenfalls einen Debitorenverlust zu tragen gehabt habe. Die Verfügungen der Ausgleichskasse des Kantons Aargau über persönliche Beiträge für 1999 bis 2001 seien zweifellos unrichtig und deren Berichtigung von erheblicher Bedeutung im wiedererwägungsrechtlichen Sinne. Ein rückwirkender Wechsel des Beitragsstatuts sei somit zulässig. Die fraglichen Entgelte seien daher zu Recht als massgebender Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 2 AHVG erfasst worden. 
7. 
7.1 B.________ entrichtete für 1999, 2000 und 2001 persönliche Beiträge, u.a. auf den Entgelten für ihre Tätigkeit für K.________. Die betreffenden Verfügungen vom 20. Oktober 1998, 25. Juli 2000 und 19. Dezember 2003 sind unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Zeitliche Bemessungsgrundlage bildeten die Beitragsperioden 1995/96, 1997/1998 sowie 2001 (vgl. Art. 22 AHVV in der bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen sowie in der seither geltenden Fassung). Daraus folgt, dass im Zeitpunkt des Einspracheentscheides vom 21. Januar 2004 über die Rechtsnatur der 1999 und 2000 von K.________ bezahlten Honorare noch nicht rechtskräftig entschieden worden war. Die unter wiedererwägungsrechtlichem Gesichtswinkel zu prüfende Frage der Zulässigkeit eines rückwirkenden Wechsels des Beitragsstatuts (Unselbstständig- statt Selbstständigerwerbende) stellt sich somit lediglich für 2001 (vgl. BGE 122 V 173 Erw. 4a und b, 121 V 1; Urteile O. AG+S. vom 20. Januar 2003 [H 396/00] Erw. 2.2.1 und P. vom 19. März 2002 [H 201/00] Erw. 1). 
7.2 Entgegen dem kantonalen Gericht kann aufgrund der Akten nicht von einem Überwiegen der Merkmale für unselbstständige Erwerbstätigkeit gesprochen werden. 
7.2.1 Die Annahme, B.________ habe ihre Tätigkeit in zum Tierheim gehörenden Räumlichkeiten resp. im Betrieb von K.________ ausgeübt, ist nicht hinreichend belegt. Sie lässt sich insbesondere nicht auf die Angaben im «Fragebogen betreffend die Unterstellung als Selbstständigerwerbende(r)» vom 4. März 1993 stützen. Dies gilt umso mehr, als sich die gestellten Fragen und die Antworten darauf nicht spezifisch auf die hier zu beurteilende Tätigkeit bezogen. Abgesehen davon bildete der Fragebogen vom 4. März 1993 Grundlage für den Anschluss von B.________ als Selbstständigerwerbende durch die Ausgleichskasse des Kantons Aargau. Gemäss Vorbringen in den Verwaltungsgerichtsbeschwerden erledigte B.________ die Arbeiten, insbesondere die Finanzbuchhaltung, überwiegend in ihren eigenen Büroräumlichkeiten. Dabei sei sie grundsätzlich an keine festen zeitlichen Vorgaben gebunden gewesen. 
7.2.2 Im Weitern ist unklar, inwiefern Weisungsgebundenheit bestand. Dass die Buchhaltungs- und auch die anderen administrativen Arbeiten jeweils auf Anordnung, verstanden als Weisung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, hin erfolgten, begründet die Vorinstanz denn auch nicht näher. Einzig darauf hinzuweisen, es mangle an anders lautenden Aussagen, genügt nicht. Im Übrigen sind auch in einem Auftragsverhältnis Anordnungen des Auftraggebers an den Beauftragten möglich und zulässig, wie zu Recht vorgebracht wird. Es kann somit auch nicht ohne weiteres von einer arbeitsorganisatorischen Eingebundenheit in den Betrieb von K.________ ausgegangen werden. Daran ändert entgegen dem kantonalen Gericht nichts, dass ab 1. März 1999 das offenbar bis zu diesem Zeitpunkt von B.________ geführte Sekretariat des Tierheims von einer kaufmännischen Angestellten betreut wurde. 
7.2.3 Sodann können weder die Entschädigung nach Arbeitsaufwand zu einem Stundenansatz von Fr. 50.-, noch dass B.________ Stundenrapporte erstellte und diese von K.________ visieren liess, als klare Hinweise auf ein Subordinationsverhältnis bezeichnet werden. Dabei handelt es sich in erster Linie um Modalitäten der Vertragsabwicklung u.a. auch zu Beweiszwecken, wie sie häufig etwa bei selbstständigen Handwerkern vorkommen. 
7.2.4 Schliesslich spricht der Umstand, dass B.________ selber keine Angestellten beschäftigte, nicht entscheidend für Unselbstständigkeit und gegen Selbstständigkeit. Im Übrigen können entgegen der Vorinstanz schon aus zeitlichen Gründen allfällige (erhebliche) Investitionen in ihren «Büro-Service» nicht einzig aufgrund der Angaben im Fragebogen vom 4. März 1993 verneint werden. 
7.3 Nach dem Gesagten kann aufgrund der Akten die Frage des Beitragsstatuts von B.________ in Bezug auf ihre Tätigkeit für K.________ von 1999 bis 2001 nicht abschliessend beurteilt werden. Insbesondere kann nicht von einem klaren Überwiegen der Merkmale für UnseIbstständigkeit gesprochen werden. Die am Recht stehende Ausgleichskasse wird unter Berücksichtigung der Ausführungen in Erw. 7.2 weitere Abklärungen vorzunehmen haben, u.a. Einholung einer Stellungnahme der Ausgleichskasse des Kantons Aargau (vgl. BGE 122 V 173 Erw. 4b), und danach allenfalls neu verfügen. Sie wird diesfalls allerdings bezüglich des Beitragsjahres 2001 nachweisen müssen, dass die Verfügung vom 19. Dezember 2003 zweifellos unrichtig war (vgl. Erw. 7.1). 
8. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der Ausgleichskasse aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
K.________ und B.________ haben Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verfahren H 39/05 und H 43/05 werden vereinigt. 
2. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden in dem Sinne (teilweise) gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 20. Januar 2005 und der Einspracheentscheid vom 21. Januar 2004 aufgehoben werden und die Sache an die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne von Erwägung 7.3 verfahre. 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1000.- werden der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn auferlegt. 
4. 
Die geleisteten Kostenvorschüsse von je Fr. 1000.- werden den Beschwerdeführerinnen zurückerstattet. 
5. 
Die Ausgleichskasse des Kantons Solothurn hat den Beschwerdeführerinnen für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von je Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
6. 
Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn hat die Parteientschädigung für K.________ für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses festzusetzen. 
7. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, der Ausgleichskasse des Kantons Aargau, Aarau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 9. November 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: