Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.292/2006 /ruo 
 
Urteil vom 9. November 2006 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch, 
Bundesrichter Mathys, 
Gerichtsschreiber Luczak. 
 
Parteien 
A.________ AG, 
Beklagte und Berufungsklägerin, 
vertreten durch Rechtsanwältin Nicole Allemann, 
 
gegen 
 
B.________ AG, 
Klägerin und Berufungsbeklagte, 
vertreten durch Rechtsanwalt Franz Dörig. 
 
Gegenstand 
Werkvertrag, 
 
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des 
Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz, 
vom 27. Juni 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die A.________ AG (Beklagte) schloss am 15./17. Oktober 2002 mit der C.________ AG (Unternehmerin) einen Werkvertrag über die Lieferung und Inbetriebnahme des Hotelschliesssystems X.________ für ihr Motel Z.________ einschliesslich der entsprechenden Beratung. Die Anlage wurde installiert. Die Parteien gerieten jedoch in Streit über die geschuldete Vergütung, insbesondere über die Frage, ob die Ablieferung fristgerecht erfolgt ist oder ob die Beklagte die Werklohnforderung mit ihrem Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Konventionalstrafe verrechnen kann. Die Unternehmerin hat ihre Forderung gegen die Beklagte an die B.________ AG (Klägerin) abgetreten. 
B. 
Die Klägerin belangte die Beklagte vor dem Amtsgericht Luzern-Stadt auf Zahlung von Fr. 22'990.45 nebst Zins, und sie verlangte die Aufhebung des Rechtsvorschlags in der gegen die Beklagte angehobenen Betreibung. Eventuell sei die Konventionalstrafe nach richterlichem Ermessen herabzusetzen. Das Amtsgericht Luzern-Stadt schützte die Klage am 24. August 2005 im Betrage von Fr. 16'122.75 nebst Zins und beseitigte den Rechtsvorschlag in diesem Umfang. Auf Appellation beider Parteien sprach das Obergericht des Kantons Luzern der Klägerin am 27. Juni 2006 Fr. 19'941.40 nebst Zins zu und hob in diesem Umfang den Rechtsvorschlag auf. Das Obergericht berechnete die Werklohnrestanz auf etwas andere Weise als das Amtsgericht und kam in Übereinstimmung mit diesem zum Schluss, die Beklagte sei nicht berechtigt, dem Werklohn eine Forderung von Fr. 20'000.-- aus Konventionalstrafe zur Verrechnung gegenüberzustellen. 
C. 
Die Beklagte beantragt dem Bundesgericht mit eidgenössischer Berufung die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Abweisung der Klage. Sie hält daran fest, dass sie berechtigt sei, die noch offene Werklohnforderung mit einer Konventionalstrafe von Fr. 20'000.-- zu verrechnen. Die Klägerin schliesst auf kostenfällige Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Nach dem angefochtenen Urteil haben sich die Parteien des Werkvertrages auf die Anwendung der SIA-Norm 118 geeinigt, nach deren Art. 159 das Werk (oder der Werkteil) mit Abschluss der gemeinsamen Prüfung (Art. 158 Abs. 2 SIA-Norm 118) als abgenommen gelte, wenn sich dabei keine Mängel (Art. 166 SIA-Norm 118) zeigen. Hinsichtlich der Konventionalstrafe vereinbarten die Parteien im Werkvertrag folgendes: 
 
"Erteilt der Architekt dem Unternehmer die Weisung zum Beginn der Arbeiten, so hat der Unternehmer die Arbeit unverzüglich aufzunehmen und fertig zu stellen. Nimmt der Unternehmer die Arbeit nicht unverzüglich auf oder wird er nicht innert der gesetzten Frist (Terminplan) mit der Arbeit fertig, so bezahlt er pro Tag Verspätung eine Konventionalstrafe von 0,5 % der Auftragssumme mindestens aber Fr. 1'000.00; ..." 
1.2 Die Vorinstanz ging gestützt auf das in italienischer Sprache abgefasste Protokoll vom 28. April 2003 der Abnahme gemäss Art. 157 ff. SIA-Norm 118 davon aus, an diesem Tage habe eine vorbehaltlose Abnahme des Werks durch die Beklagte stattgefunden. Unter Ziff. 10 des Protokolls sei zwar festgehalten, dass noch Zylinder ersetzt werden müssten. Unmittelbar danach sei aber angekreuzt, dass die Prüfung keine Mängel ("nessun difetto [Art. 159]") ergeben habe. Eine Abnahme unter Vorbehalt hätte nach Auffassung der Vorinstanz erfordert, dass zumindest die Rubrik unwesentlicher Mangel (piccoli difetti non rilevanti, Art. 160 SIA-Norm 118) oder gar wesentlicher Mangel (difetti importanti, Art. 161 SIA-Norm 118) angekreuzt worden wäre. 
1.3 Die Beklagte ist der Ansicht, aus dem Protokoll ergebe sich klar, dass es sich um eine Teilablieferung gehandelt habe und sich die Feststellung der Mängelfreiheit nur auf die bereits abgelieferten Teile beziehen könne. Unter Ziff. 10 des Protokolls vom 28. April 2003 sei ausdrücklich festgehalten worden: "Lavori ancora da terminare sull'impianto: Sostituzione cilindri da parte del Falegniame" (richtig: "... del falegname"). Dabei habe es sich um die Notzylinder gehandelt, die noch nachzuliefern und zu montieren gewesen seien. Beiden Parteien sei klar gewesen, dass im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Protokolls das Werk mangels Lieferung der Notzylinder nicht vollendet sein und deshalb auch nicht als Ganzes abgenommen werden konnte. Der fehlende Notzylinder habe nicht zu einem Mangel, sondern zu einer Verzögerung geführt, was die Vertragsparteien im Protokoll so festgestellt hätten. Der Vorinstanz sei ein offensichtliches Versehen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG unterlaufen, indem sie das Protokoll vom 28. April 2003 zwar wahrgenommen habe, jedoch weder in seiner wirklichen Gestalt (als Teilabnahme) noch mit seinem wirklichen Wortlaut (Mängelfreiheit bezogen auf den abgelieferten Werkteil und Vermerk der fehlenden Notzylinder). 
1.4 Ein offensichtliches Versehen liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn die Vorinstanz eine bestimmte Aktenstelle übersehen oder unrichtig, d.h. nicht in ihrer wahren Gestalt, insbesondere nicht mit ihrem wirklichen Wortlaut wahrgenommen hat. Es ist, wie aus dem Begriff des Versehens folgt, die in Wirklichkeit - nämlich ohne das Versehen - nicht gewollte Feststellung. Nicht in ihrer wahren Gestalt wird eine Aktenstelle beispielsweise wahrgenommen, wenn die Vorinstanz sich verliest, ihrerseits eine Missschreibung in den Akten übersieht oder den offensichtlichen Zusammenhang einer Aussage mit andern Dokumenten oder Äusserungen verkennt (BGE 115 II 399 E. 2a; 109 II 159 E. 2b S. 162; 104 II 68 E. 3b S. 74, je mit Hinweis). Erforderlich ist weiter, dass ein solches Versehen den Entscheid beeinflusst (BGE 132 III 545 E. 3.3.2 S. 548; Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. II, N. 5.1 zu Art. 63 OG). Betrifft das Versehen nur einen Ausschnitt der Beweiswürdigung, z.B. ein einzelnes Indiz einer Indizienkette oder eine von mehreren Zeugenaussagen, so hilft die Versehensrüge nicht weiter; diesfalls läuft die Rüge vielmehr auf eine unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung hinaus und ist von vornherein nicht zu hören (Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, S. 138; Poudret, a.a.O., N. 1.6.3 zu Art. 55 OG). 
1.5 Entgegen der Auffassung der Beklagten ist im Abnahmeprotokoll nirgends von der Nachlieferung der Notzylinder die Rede, sondern davon, dass die Zylinder vom Schreiner zu ersetzten seien. Nach dem Wortlaut des Protokolls wurden demnach zwar Zylinder geliefert, aber noch nicht die richtigen. Dass das Werk noch unfertig im Sinne der Abrede betreffend die Konventionalstrafe sein sollte, ist damit nicht ausgesagt. Inwiefern die Vorinstanz bei korrekter Lesart von einer Teilabnahme hätte ausgehen müssen, ist nicht ersichtlich. Ein offensichtliches Versehen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG ist nicht dargetan. Wenn die Vorinstanz bei dieser Sachlage dafür hielt, die Ablieferung des Hotelschliesssystems X.________ sei rechtzeitig erfolgt und die Konventionalstrafe mangels Verspätung nicht geschuldet, verletzt sie kein Bundesrecht. 
1.6 Da der angefochtene Entscheid gestützt auf diese Begründung im Ergebnis auch dann Bestand hätte, wenn die in der Berufungsschrift gegen die Eventualbegründungen der Vorinstanz erhobenen Einwände zuträfen, ist darauf nicht einzutreten, da dies auf einen blossen Streit über Entscheidungsgründe hinausliefe, wofür kein Rechtsschutzinteresse besteht (vgl. BGE 132 III 555 E. 3.2 S. 560; 122 III 43 E. 3 S. 45, je mit Hinweis). 
2. 
Nach dem Gesagten ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beklagte kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beklagten auferlegt. 
3. 
Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 9. November 2006 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: