Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4C.261/2005 /ruo
Urteil vom 9. Dezember 2005
I. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichter Nyffeler,
Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiberin Charif Feller.
Parteien
A.________ AG,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Dominik Strub,
gegen
B.________ AG,
Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Denis G. Humbert.
Gegenstand
Auftrag, Werkvertrag,
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des
Kantons Solothurn, Zivilkammer, vom 15. Juni 2005.
Sachverhalt:
A.
Die C.________ (Bauherrin) beauftragte die B.________ AG (Klägerin) mit der gesamten Elektroplanung für ein Projekt, für das sie eine "universelle Kommunikationsverkabelung UKV" wünschte. Nach internen Richtlinien verlangte die Bauherrin die traditionelle geschirmte Variante. Am 3. Februar 2000 fand auf Einladung der D.________ AG mit der Bauherrin, der Klägerin sowie der E.________ AG eine Sitzung statt, deren Zweck war, über die Gebäudeverkabelungsvarianten zu orientieren, insbesondere über die in Amerika weit verbreitete neuere ungeschirmte Technologie der Gebäudeverkabelung. Daraufhin stimmte die Bauherrin zu, dass ihr auch diese Variante unterbreitet werde. Die Klägerin verfasste eine über 300 Seiten umfassende zweite Ausschreibung für diese Variante. Die dafür ausgestellte, vom 13. September 2001 datierte Rechnung über insgesamt Fr. 26'010.15 sandte sie an die E.________ AG und später an die Bauherrin. Beide Unternehmen lehnten die Forderung ab; sie waren der Meinung, der Klägerin keinen Auftrag bzw. keine Zusage für die Kostenübernahme der zusätzlichen Ausschreibung erteilt zu haben.
Durch die per 31. Dezember 1999 erfolgte Fusion der A.________ AG (Beklagte) mit der E.________ AG und die Übernahme von deren Aktiven und Passiven sind sämtliche Rechte und Pflichten der E.________ AG auf die Beklagte übergangen.
Nach erfolgloser Betreibung klagte die Klägerin am 12. September 2002 die Beklagte beim Richteramt Olten-Gösgen auf Bezahlung von Fr. 26'010.15 zuzüglich Zins ein.
B.
Mit Urteil vom 25. Mai 2004 wies die Zivilabteilung des Richteramts Olten-Gösgen die Klage ab. Die Klägerin appellierte an das Obergericht des Kantons Solothurn, das mit Urteil vom 15. Juni 2005 in Gutheissung der Klage erkannte, die Beklagte habe der Klägerin Fr. 26'010.15 nebst Zins zu bezahlen.
C.
Die Beklagte erhebt gegen das Urteil des Obergerichts Berufung. Sie beantragt, das kantonale Urteil sei aufzuheben. Eventualiter sei die Sache zur Sachverhaltsergänzung und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Subeventualiter sei sie zu verpflichten, der Klägerin einen Betrag von höchstens Fr. 1500.--, eventualiter nach richterlichem Ermessen, zu bezahlen.
Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung.
Mit Urteil vom heutigen Tag wurde eine gleichzeitig erhobene staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, wenn sie nicht offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen (Art. 63 Abs. 2 OG) oder im Hinblick auf den Tatbestand einer anwendbaren Sachnorm ergänzungsbedürftig sind (Art. 64 OG). Werden solche Ausnahmen geltend gemacht, so hat die Partei, welche den Sachverhalt berichtigt oder ergänzt wissen will, darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen ( Art. 55 Abs. 1 lit. c und d OG ; BGE 130 III 102 E. 2.2 S. 106 mit Hinweisen). Blosse Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung ist im Berufungsverfahren unzulässig (BGE 127 III 73 E. 6a).
2.
2.1 Die Vorinstanz ging davon aus, die Klägerin müsse das Zustandekommen eines Vertrages sowie die Art und Weise der Entgeltlichkeit beweisen (Art. 8 ZGB). Sie hielt es - willkürfrei; E. 4 des Urteils zum Beschwerdeverfahren - für erwiesen, dass die Beklagte die Klägerin damit betraut habe, eine Ausschreibung für die ungeschirmte Variante der Kommunikationsverkabelung auszuarbeiten, und dass die Beklagte auch zugesagt habe, die dadurch entstehenden Kosten zu übernehmen.
Die Vorinstanz durfte im Zusammenhang mit diesen Kosten die Frage offen lassen, ob vorliegend von einem Auftrag oder einem Werkvertrag auszugehen sei (siehe dazu Urteil 4C.158/2001 vom 15. Oktober 2001, E. 1b, publiziert in SJ 2002 I 204; Urteil 4C.472/1995 vom 3. Oktober 1996 E. 2c mit Hinweisen). Zu Recht hat sie festgehalten, dass mangels Honorarvereinbarung die Entschädigung sich nach dem Wert der Arbeit und der Aufwendungen (Werkvertrag, Art. 374 OR) oder nach Massgabe des Üblichen (Auftrag, Art. 394 Abs. 3 OR) richtet. Haben die Parteien nichts vereinbart, ist Entgeltlichkeit die Regel, wo die Geschäfts- oder Dienstleistung berufsmässig geschieht (BGE 82 IV 145 E. 2a). Liegt über die Höhe oder die Berechnungsweise der Vergütung keine Vereinbarung vor, hat der Beauftragte das Recht auf eine übliche Vergütung (Fellmann, Berner Kommentar, N. 463 zu Art. 394 OR; Weber, Basler Kommentar, N. 39 zu Art. 394 OR). Besteht über das Mass und die Berechnung eines Honorars weder eine gesetzliche Regel noch eine Vereinbarung oder Verkehrssitte, hat der Richter die Vergütung nach allgemeinen Grundsätzen festzusetzen (BGE 101 II 111 E. 2).
2.2 Was die strittigen Kosten der zusätzlichen Ausschreibung betrifft, ging die Vorinstanz davon aus, die Parteien hätten lediglich grundsätzlich über deren Übernahme diskutiert, nicht aber über deren Höhe. Sie hätten sich weder ausdrücklich auf die Art der Rechnungstellung geeinigt noch explizit ein Kostendach vereinbart. Die Vorinstanz kam hingegen zum Schluss, zwischen ihnen sei eine stillschweigende Vereinbarung darüber zustande gekommen, die Aufwendungen auf der Basis der SIA-Norm 108 zu berechnen.
Diese Annahme basiert auf der von der Vorinstanz - willkürfrei; E. 6.2 des Urteils zur staatsrechtlichen Beschwerde - getroffenen Feststellung, die Parteien hätten genau gewusst, auf welcher Basis abgerechnet werde. Demnach sei es gar nicht nötig gewesen, noch mehr Worte über die Honorierung, insbesondere über ein Kostendach, einen Stundenaufwand und einen Stundenansatz, zu verlieren. Die Klägerin wie auch die Beklagte seien erfahrene Verhandlungspartner, so dass es ausgeschlossen sei, der Kostenübernahme zuzusagen, ohne die Abrechnungsbasis zu kennen.
2.3 Die Beklagte stellt die Rechtsprechung des Bundesgerichts über die rechtliche Bedeutung der SIA-Vertragsnormen (BGE 118 II 295 E. 2a; 117 II 282 E. 4b; 107 II 172 E. 1c S. 178) nicht in Frage. Danach anerkennt das Bundesgericht die SIA-Normen nicht als regelbildende Übung und stellt darauf nur ab, wenn die Parteien sie zum Vertragsinhalt erhoben haben. Vorgeformte Vertragsinhalte können zwar Ausdruck der Verkehrsauffassung oder -übung sein. Zu vermuten ist dies aber nicht, sondern muss im Einzelfall nachgewiesen werden. Diese Rechtsprechung, insbesondere BGE 118 II 295 2b S. 297, kann dahingehend erläutert werden, dass SIA-Normen nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend übernommen werden können (Peter Gauch, Kommentar zu BGE 118 II 295, in Baurecht 1993 104; Derselbe, Der Werkvertrag, 4. Aufl., Zürich 1996, Rz. 195, S. 60 mit Hinweis).
Die Beklagte rügt eine Verletzung von Art. 2 ZGB. Sie macht geltend, aus der Tatsache, dass die Parteien sich weder über die Art der Rechnungstellung noch über ein Kostendach geeinigt haben, könne nicht geschlossen werden, sie hätten stillschweigend einen SIA-Tarif vereinbart. Vielmehr entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass erfahrene Geschäftsleute keine Aufträge ohne Vereinbarung der Kosten bzw. eines Kostendaches erteilen würden. Indem aber die Vorinstanz für das Bundesgericht im Berufungsverfahren verbindlich und willkürfrei (vgl. Art. 63 Abs. 2 OG bzw. E. 6.2 des Urteils zur staatsrechtlichen Beschwerde) festgestellt hat, die Parteien hätten in ihrer Vereinbarung die SIA-Norm 108 aufgenommen, ist diesem Einwand der Beklagten der Boden entzogen.
2.4 Dasselbe gilt für die Ausführungen der Beklagten, die Vorinstanz habe in Verletzung von Bundesrecht (Art. 8 ZGB) angenommen, die Parteien hätten die Anwendung der SIA-Norm 108 stillschweigend vereinbart bzw. eine Übereinkunft sei infolge Branchenüblichkeit gar nicht notwendig gewesen. Gestützt auf die im Berufungsverfahren nicht überprüfbare Tatsache, dass beide Parteien erfahrene Verhandlungspartner (vgl. BGE 109 II 452 E. 5d S. 460) waren, mithin dass ihnen der Bestand der SIA-Norm 108 bekannt war, konnte die Vorinstanz ohne weiteres von einem stillschweigenden Verweis auf diese Norm ausgehen (Schönenberger/Jäggi, Zürcher Kommentar, N. 456 zu Art. 1 OR; Schönenberger/Gauch, Zürcher Kommentar, N. 410 zu Art. 18 OR). Dazu kommt, dass die Beklagte genau wusste, dass die Bauherrin in ihren Verträgen mit Unternehmern die SIA-Normen für anwendbar erklärte (vgl. hiezu Hans Merz, Massenvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen, in: Ausgewählte Abhandlungen zum Privat- und Kartellrecht, Festschrift zum 70. Geburtstag des Verfassers, Bern 1977, S. 313 ff., 325).
Somit erweist sich die Rüge der Beklagten, Art. 8 ZGB sei verletzt, als gegenstandslos. Denn wo der Richter in Würdigung von Beweisen zur Überzeugung gelangt, eine Tatsachenbehauptung sei bewiesen oder widerlegt, ist die Beweislastverteilung gegenstandslos. Diesfalls liegt freie Beweiswürdigung vor, die bundesrechtlich nicht geregelt ist, auch nicht durch Art. 8 ZGB. Eine beschränkte Beweisabnahme verletzt Art. 8 ZGB daher nicht, wenn der Richter schon nach deren Ergebnis von der Sachdarstellung einer Partei überzeugt ist, gegenteilige Behauptungen also für unbewiesen hält (BGE 130 III 591 E. 5.4 S. 602 mit Hinweisen; 114 II 289 E. 2a S. 291). Von einer Ergänzung des Sachverhalts im Sinne von Art. 64 OG ist demzufolge abzusehen.
2.5 Die Beklagte behauptet sodann, dass sie die Anwendbarkeit der in der Rechnung vom 13. September 2001 aufgeführten Berechnungsweise nach Prozenten der Bausumme bestritten habe. Diese Behauptung steht im Widerspruch zum vorinstanzlichen Urteil, in welchem festgehalten wird, die Beklagte habe nicht eingewendet, die SIA-Norm sei falsch angewandt worden. Da die Beklagte es unterlassen hat darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen (E. 1 hievor), ist ihre diesbezügliche Rüge unzulässig.
3.
Nach dem Gesagten besteht kein Anlass, auf die Höhe der Entschädigung zurückzukommen. Insbesondere kann sich diese nicht auf eine von der Vorinstanz bloss wiedergegebene Zeugenaussage stützen, gemäss welcher für die Ausarbeitung der zweiten Variante nur ein bis eineinhalb Tage ausreichen würden. Diese Aussage ist ohnehin nicht vereinbar mit der verbindlich festgestellten Tatsache, die Klägerin habe für die zweite Variante eine über 300-seitige Fassung erstellt. Von einer Reduktion auf Fr. 1'500.-- bzw. einer ermessensweise Entschädigungsfestsetzung kann somit abgesehen werden.
4.
Die Berufung ist abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. Der Beklagten ist diesem Verfahrensausgang entsprechend die Gerichtsgebühr zu auferlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie hat überdies der Klägerin eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 159 Abs. 3 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beklagten auferlegt.
3.
Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. Dezember 2005
Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: