Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C_757/2023
Urteil vom 9. Dezember 2024
III. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichterin Moser-Szeless, Bundesrichter Beusch,
Bundesrichterin Scherrer Reber,
Gerichtsschreiber Seiler.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Fiechter,
Beschwerdeführerin,
gegen
Kantonales Steueramt St. Gallen, Davidstrasse 41, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuern des Kantons St. Gallen, Steuerperiode 2020,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 30. Oktober 2023 (B 2023/155 und 156).
Sachverhalt:
A.
A.________ (geb. 1957) ist verwitwet und wohnt in U.________/SG. Am 5. November 2020 erwarb sie 1'276.7278 Anteile des Anlagefonds B.________ (nachfolgend: der ausländische Anlagefonds), die sie im Privatvermögen hielt. Der ausländische Anlagefonds ist in V.________ und den W.________ domiziliert und untersteht der dortigen Aufsichtsbehörde. Weder Zeichnungsstellen noch Verwahrstelle liegen in der Schweiz. Gemäss dem Kurzprospekt legt die Fondsleitung die erwirtschafteten Erträge des ausländischen Fonds laufend wieder an, statt sie an die Anleger auszuschütten.
Am 25. Juni 2021 reichte A.________ die Steuererklärung für das Jahr 2020 ein. Sie deklarierte darin ein steuerbares Einkommen von Fr. 52'801.- sowie ein steuerbares Vermögen von Fr. 440'000.-. Im Wertschriftenverzeichnis führte sie die Anteile am ausländischen Anlagefonds mit einem Steuerwert von Fr. 188'955.- und einem Bruttoertrag von Fr. 15'051.- auf. Am 1. September 2021 beantragte A.________, anstelle der Einkünfte aus Wertschriften und Guthaben in der Höhe von insgesamt Fr. 15'051.- sei unter Berücksichtigung der Kosten ein Verlust von Fr. 622.97 zu berücksichtigen.
Mit Veranlagungen vom 26. Januar 2022 setzte das Kantonale Steueramt St. Gallen das steuerbare Einkommen auf Fr. 54'000.- (direkte Bundessteuer) bzw. Fr. 52'800.- (Staats- und Gemeindesteuer; jeweils einschliesslich steuerbarer Einkünfte aus Wertschriften und Guthaben von Fr. 15'051.-) und das steuerbare Vermögen auf Fr. 444'000.- fest. Am 15. Juni 2022 wies das Kantonale Steueramt St. Gallen eine Einsprache hiergegen ab, berücksichtigte aber bei den Abzügen Verwaltungskosten für Wertschriften in der Höhe von Fr. 411.-, sodass sich neu ein steuerbares Einkommen von Fr. 53'600.- (direkte Bundessteuer) bzw. Fr. 52'400.- (Staats- und Gemeindesteuern) ergab.
B.
Die hiergegen von A.________ erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos (Entscheide der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen vom 12. Juni 2023; Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 30. Oktober 2023).
C.
Mit Beschwerde vom 4. Dezember 2023 beantragt A.________, der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 12. Juni 2023 (recte: 30. Oktober 2023) sei aufzuheben und es sei von jeglicher Einkommensbesteuerung des Wertzuwachses im Jahre 2020 der 1'276.7278 Anteile am ausländischen Anlagefonds bezüglich der direkten Bundessteuer und der Kantons- und Gemeindesteuer abzusehen. Weiter sei Ziff. 4.1 der Veranlagungsberechnung vom 15. Juni 2022 derart abzuändern, dass keine Einkünfte aus Wertschriften und Guthaben, eventualiter maximal Einkünfte aus Wertschriften über Fr. 1'315.02 zu besteuern seien. Subeventualiter sei der Wertzuwachs der 1'276.7278 Anteile am ausländischen Anlagefonds für die Zeit vom 5. November 2020 bis zum 31. Dezember 2020 unter Abzug der Gewinnungskosten zu besteuern. Pro Anteil sei von einem Bruttoertrag von Fr. 11.0676 im vollen Jahr 2020 auszugehen, respektive vom 5. November 2020 bis zum 31. Dezember 2020 von einem Betrag von Fr. 1.6980.
Das Kantonale Steueramt St. Gallen, das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen und die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) beantragen die Abweisung der Beschwerde. A.________ hat zur Eingabe der ESTV Stellung genommen.
Erwägungen:
I. Prozessuales
1.
1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid einer letzten, oberen kantonalen Instanz in einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit (Art. 82 lit. a BGG, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG und Art. 73 Abs. 2 StHG (SR 642.14) zur Beschwerde legitimiert. Die Beschwerde wurde grundsätzlich form- und fristgerecht eingereicht ( Art. 42 und 100 BGG ). Aus gewissen Anträgen der Beschwerdeführerin wird nicht ganz klar, ob sie sich gegen den Entscheid der Vorinstanz oder auch gegen die Entscheide der Unterinstanz und des Steueramts richten. Anfechtungsobjekt der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht kann jedenfalls nur der Entscheid der Vorinstanz sein (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), wobei die Entscheide der Unterinstanz und des Steueramts durch ihn ersetzt worden bzw. in ihm aufgegangen sind (Devolutiveffekt; BGE 150 II 244 E. 4.4; 134 II 142 E. 1.4). Im Lichte dieser Zulässigkeitsschranke sind die Anträge der Beschwerdeführerin so zu verstehen, dass sie sich alleine auf den Entscheid der Vorinstanz beziehen. In diesem Sinn ist auf die Beschwerde einzutreten.
1.2. Nicht gehört werden kann die Beschwerdeführerin mit den Rügen, die sie erst in ihrer Stellungnahme vom 26. Februar 2024 vorträgt, insbesondere jene zu angeblichen Verfassungs- und Konventionsverletzungen. Denn eine Beschwerdeergänzung auf dem Weg der Replik (d.h. nach Ablauf der Beschwerdefrist) ist nur statthaft, soweit erst die Ausführungen in der Vernehmlassung eines anderen Verfahrensbeteiligten dazu Anlass geben (vgl. BGE 147 I 16 E. 3.4.3; Urteil 2C_659/2023 vom 24. September 2024 E. 4). Das ist bei den neuen Rügen der Beschwerdeführerin offensichtlich nicht der Fall.
2.
2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Feststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang zudem entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2). Eine entsprechende Rüge ist hinreichend zu substanziieren (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 147 I 73 E. 2.2).
2.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft die Anwendung des harmonisierten kantonalen Steuerrechts gleich wie Bundesrecht mit freier Kognition, jene des nicht-harmonisierten, autonomen kantonalen Rechts hingegen bloss auf Verletzung des Willkürverbots und anderer verfassungsmässiger Rechte (BGE 143 II 459 E. 2.1; 134 II 207 E. 2). Mit freier Kognition ist zu prüfen, ob das kantonale Recht mit dem Bundesrecht, namentlich dem StHG, vereinbar ist (Urteile 9C_335/2023 vom 26. Oktober 2023 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 150 I 1, aber in: StE 2024 B 44.11 Nr. 17; 9C_678/2021 vom 17. März 2023 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 149 II 158, aber in: StE 2023 B 72.13.1 Nr. 4; 9C_628/2022 vom 31. Januar 2023 E. 2). In Bezug auf die Verletzung der verfassungsmässigen Rechte gilt nach Art. 106 Abs. 2 BGG eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (BGE 147 I 73 E. 2.1; 143 II 283 E. 1.2.2).
II. Direkte Bundessteuer
3.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass keine gesetzliche Grundlage dafür bestehe, sie anteilsmässig für die Erträge des ausländischen Anlagefonds zu besteuern. Der ausländische Anlagefonds unterstehe nicht dem Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 über die kollektiven Kapitalanlagen (KAG; SR 951.31), weshalb auch Art. 10 Abs. 2 DBG (SR 642.11) über die Zurechnung der Einkommen der kollektiven Kapitalanlagen keine Anwendung finden könne. Eventualiter macht sie geltend, dass ihr nicht die gesamten Erträge zugerechnet werden dürften, sondern nur derjenige Anteil, der nach dem Erwerb der Fondsanteile am 5. November 2020 bis am Ende des Jahres 2020 erzielt worden sei. Dieser Anteil könne anhand der wöchentlichen Abschlüsse ermittelt werden, die der ausländische Anlagefonds bzw. die Fondsleitung erstelle. Ausserdem sei die Berechnung des Bruttoertrags gemäss der Kursliste der ESTV fehlerhaft. Schliesslich fordert die Beschwerdeführerin, dass die Emissionsgebühr von Fr. 1'558.- und die Zahlstellenkosten von Fr. 380.- als Gewinnungskosten zum Abzug zuzulassen seien.
4.
Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin fällt der ausländische Anlagefonds in den Anwendungsbereich von Art. 10 Abs. 2 DBG.
4.1. Gemäss Art. 10 Abs. 2 DBG wird das Einkommen der "kollektiven Kapitalanlagen gemäss dem Kollektivanlagengesetz vom 23. Juni 2006" den Anlegern anteilsmässig zugerechnet, d.h. die kollektive Kapitalanlage ist steuerlich grundsätzlich transparent. Ausgenommen hiervon sind die kollektiven Kapitalanlagen mit direktem Grundbesitz - im Umfang ihres Grundbesitzes - sowie Investmentgesellschaften mit festem Kapital, die wie übrige juristische Personen bzw. wie Kapitalgesellschaften besteuert werden (Art. 49 Abs. 2 DBG). In Anbetracht der Regelung der ausländischen kollektiven Kapitalanlagen in Art. 119 ff. KAG erfasst Art. 10 Abs. 2 DBG nach der einhelligen Lehre, der zu folgen ist, nicht nur die inländischen, sondern auch ausländische kollektive Kapitalanlagen (vgl. etwa HUNZIKER/MAYER-KNOBEL, in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, 4. Aufl. 2022, N. 8 zu Art. 10 DBG; PETER LOCHER, Kommentar zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Teil I, 2. Aufl. 2019, N. 4 zu Art. 10 DBG; HUGUES SALOMÉ, in: Commentaire romand, LIFD, 2. Aufl. 2017, N. 5 zu Art. 10 DBG). Für die Anwendbarkeit von Art. 10 Abs. 2 DBG und die Gleichstellung der ausländischen mit einer inländischen kollektiven Kapitalanlagen genügt es, wenn die Voraussetzungen von Art. 119 KAG erfüllt sind (vgl. TONI HESS, Steuern kollektiver Kapitalanlagen, 2015, § 4 Rz. 370; STEFAN OESTERHELT, in: Basler Kommentar, KAG, 2. Aufl. 2016, N. 190 zu Vor Art. 1 KAG). Es ist grundsätzlich nicht erforderlich, dass die FINMA den Vertrieb an nicht qualifizierte Anleger gemäss Art. 120 Abs. 1 KAG genehmigt hat. Liegt aber eine solche Bewilligung vor, wird die ausländische Anlageform nach der Praxis der ESTV als kollektive Kapitalanlage anerkannt, die Qualifizierung der FINMA also nicht hinterfragt. Dasselbe gilt, wenn die ausländische Anlageform im Ausland einer anerkannten Aufsicht über kollektive Kapitalanlagen untersteht (vgl. ESTV, Kreisschreiben Nr. 25 "Besteuerung kollektiver Kapitalanlagen und ihrer Anleger" vom 23. Februar 2018 [nachfolgend: ESTV-KS Nr. 25], Anhänge IV und V).
4.2. Der ausländische Anlagefonds unterliegt in V.________ und den W.________ einer Aufsicht, die von der ESTV anerkannt wird (ESTV, Kreisschreiben Nr. 24 "Kollektive Kapitalanlagen als Gegenstand der Verrechnungssteuer und der Stempelabgaben" vom 20. November 2017, Anhang V), weshalb die Vorinstanz davon ausgegangen ist, dass der ausländische Anlagefonds von Art. 10 Abs. 2 DBG erfasst wird. Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was diese Einschätzung als unzutreffend erscheinen liesse. Insbesondere legt sie nicht dar, weshalb dem ausländischen Anlagefonds die Begriffsmerkmale gemäss Art. 119 Abs. 1 KAG fehlen sollen und es sich nicht um eine offene ausländische kollektive Kapitalanlage handeln soll, die nach Art. 10 Abs. 2 DBG grundsätzlich steuerlich transparent zu behandeln ist. Von vornherein unbehelflich sind die Ausführungen der Beschwerdeführerin über die Beteiligung des Anlagefonds an einer Beteiligungsholdingsgesellschaft, die diverse Biogasanlagen halte. Dabei handelt es sich nicht um direkten Grundbesitz, der gemäss Art. 10 Abs. 2 und Art. 49 Abs. 2 DBG nicht bei der Beschwerdeführerin zu besteuern wäre.
5.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Einkünfte der Beschwerdeführerin anhand des Vermögensertrags bemessen hat, der im Geschäftsbericht des ausländischen Anlagefonds vom 1. Januar bis am 31. Dezember 2020 und in der Kursliste der ESTV per 31. Dezember 2020 ausgewiesen worden war, und auf diese Weise für den Zeitpunkt der Zurechnung auf den 31. Dezember 2020 abgestellt hat.
5.1. Nach ständiger Praxis gelten Einkünfte als zugeflossen und sind sie zu besteuern, sobald und soweit die steuerpflichtige Person darüber tatsächlich verfügen kann und sie die Leistungsfähigkeit der steuerpflichtigen Person steigern (grundlegend BGE 73 I 135 E. 1); vorbehalten bleiben abweichende Regelungen in den Gesetzesbestimmungen zu den einzelnen Einkommensarten (Art. 17 ff. DBG; BGE 149 II 400 E. 4.2 mit Hinweisen). Der Erwerb einer Forderung bewirkt praxisgemäss grundsätzlich einen Vermögenszugang, wenn der Gläubiger einen festen Anspruch erwirbt, über den er tatsächlich verfügen kann (vgl. BGE 149 II 400 E. 4.3; 144 II 427 E. 7.2).
5.2. Aus dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 2 DBG könnte geschlossen werden, dass Einkünfte der kollektiven Kapitalanlage den Anlegern zuzurechnen und bei diesen zu besteuern seien, sobald sie der kollektiven Kapitalanlage respektive der Fondsleitung zugeflossen sind (vgl. HESS, a.a.O., § 35 N. 23). In eine andere Richtung deutet aber Art. 20 Abs. 1 lit. e DBG, wonach die Einkünfte aus den Anteilen an kollektiven Kapitalanlagen beim Anleger steuerbares Einkommen darstellen, soweit die Gesamterträge die Erträge aus direktem Grundbesitz übersteigen. Daraus folgt, dass es grundsätzlich auf den Zeitpunkt ankommt, in welchem der Anleger den Ertrag aus seinem Anteil an der kollektiven Kapitalanlage erzielt, und nicht auf den Zeitpunkt der Einkünfteerzielung durch die kollektive Kapitalanlage respektive die Fondsleitung. Im Einklang hiermit ist nach der Auffassung der ESTV sowie der einhelligen Lehre grundsätzlich der Zeitpunkt der Fälligkeit der Ausschüttung der kollektiven Kapitalanlage an den Anleger massgeblich; dieser Zeitpunkt ist mithin der Stichtag für die Zurechnung des Vermögensertrags (vgl. ESTV-KS Nr. 25 Ziff. 4.2; HESS, a.a.O., § 10 Rz. 8 und § 17 Rz. 21; JEAN-PHILIPPE KRAFFT, in: Commentaire romand, LIFD, 2. Aufl. 2017, N. 189 zu Art. 20 DBG; LOCHER, a.a.O., N. 118 zu Art. 20 DBG; OESTERHELT, a.a.O., N. 176 zu Vor Art. 1 KAG; REICH/WEIDMANN, in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, DBG, 4. Aufl. 2022, N. 117 zu Art. 20 DBG). Neben dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 1 lit. e DBG spricht auch die Praktikabilität dafür, die steuerliche Transparenz der kollektiven Kapitalanlage in diesem Sinn zugunsten des Stichtagsprinzips zu relativieren. Ansonsten müssten nämlich Anleger die einzelnen Dividenden, Zinsen und sonstigen Vermögenserträge, die der kollektiven Kapitalanlage zugehen, in der Steuererklärung grundsätzlich einzeln deklarieren. Sie wären darauf angewiesen, dass ihnen die Fondsleitungen über alle Zu- und Abflüsse Rechenschaft ablegen, damit sie auch im Falle der Veräusserung ihrer Anteile alle bis dahin aufgelaufenen Vermögenserträge deklarieren können. Es liegt auf der Hand, dass dies im Vergleich zu einer Besteuerung nach dem Stichtagsprinzip für alle Beteiligten (Anleger, Fondsleitungen, Steuerbehörden) einen grossen administrativen Mehraufwand bedeuten würde (vgl. HESS, a.a.O., § 10 Rz. 8 und § 35 Rz. 23 ff.).
5.3. Die Besteuerung zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Ausschüttung stösst indessen an gewisse Grenzen, wenn die kollektive Kapitalanlage die erzielten Vermögenserträge zurückbehält und reinvestiert ("thesauriert"), statt sie auszuschütten.
5.3.1. In diesem Fall würden sämtliche Vermögenserträge, die einer kollektiven Kapitalanlage bzw. der Fondsleitung über die Jahre zufliessen, erst bei der Liquidation der kollektiven Kapitalanlage oder der Rückgabe von Anteilen besteuert, womit alleine die Anleger, welche die Anteile an der kollektiven Kapitalanlage im Zeitpunkt der Liquidation bzw. bei Rückgabe der Anteile halten, alle Erträge zu versteuern hätten, und Anleger, die ihre Anteile veräussern, steuerfrei ausgehen bzw. auf der Veräusserung einen steuerfreien Kapitalgewinn erzielen würden. Auf diese Weise würde die Transparenz der kollektiven Kapitalanlagen nicht mehr nur zugunsten der Praktikabilität innerhalb einer einzelnen Steuerperiode relativiert, sondern letztlich gänzlich ausgehebelt.
5.3.2. Bereits unter altem Recht vertrat die ESTV ab dem Bemessungsjahr 1990 deshalb die Auffassung, dass thesaurierte Vermögenserträge im Moment der Verbuchung realisiert würden und zu besteuern seien, weil der Anleger mit der Verbuchung eine Forderung auf einen Anteil am Ertrag und damit einen festen Rechtsanspruch erwerbe; der Verzicht auf die Ausschüttung sei für den Realisationszeitpunkt irrelevant, da darin kein Verzicht auf die Beteiligung am Ertrag enthalten sei (ESTV, Kreisschreiben vom 23. November 1989: Besteuerung der zurückbehaltenen Erträge von Wertzuwachs-Anlagefonds, ASA 58 S. 348 f.; vgl. auch PETER STEBLER, Die Besteuerung der Erträge aus Anlagefonds, ASA 59 S. 285; vgl. zum geschichtlichen Hintergrund die Darstellung bei HESS, a.a.O., § 35 Rz. 4 ff.). Das Bundesgericht brauchte die Rechtmässigkeit dieser Praxis zwar in der Folge nicht zu beurteilen, hielt aber doch immerhin fest, dass gute Gründe für diese Lösung sprächen: Vertragliche Abmachungen über die Zurückbehaltung und Reinvestition von Vermögenserträgen könnten keinen Einfluss auf den Realisierungszeitpunkt haben, weil ansonsten der Anleger den Zeitpunkt der Einkommensrealisierung beliebig bestimmen und damit auch die Einkommenssteuerpflicht für die zurückbehaltenen Erträge beliebig verschieben könne (vgl. Urteil 2A.361/1991 vom 18. Mai 1993 E. 7c, in: ASA 62 S. 705).
5.3.3. Die ESTV hat ihre Praxis auch unter dem KAG (in Kraft seit dem 1. Januar 2007) und den hier einschlägigen, durch das KAG geänderten Bestimmungen des DBG (Art. 10 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 lit. e DBG ) weitgehend beibehalten. Sie unterscheidet nunmehr zwischen ausschüttenden, thesaurierenden und gemischten kollektiven Kapitalanlagen. Als ausschüttend gelten vertragliche Anlagefonds, SICAV und Kommanditgesellschaften für kollektive Kapitalanlagen, wenn ihre Basisdokumente eine Ausschüttungsvorschrift von mindestens 70 % des jährlichen Nettoertrags (inklusive vorgetragener Erträge aus früheren Rechnungsjahren) enthalten. Bei solchen kollektiven Kapitalanlagen sollen Erträge, die aufgrund einer Geringfügigkeitsvorschrift nicht im selben Jahr ausgeschüttet werden, erst bei Fälligkeit ihrer Ausschüttung besteuert werden (vgl. ESTV-KS Nr. 25 Ziff. 4.1). Bei anderen (steuerlich transparenten) kollektiven Kapitalanlagen sollen dagegen neben den ausgeschütteten Vermögenserträgen auch thesaurierte Erträge beim Anleger steuerbar sein. Die Besteuerung der thesaurierten Erträge soll zum Zeitpunkt der "Gutschrift" erfolgen, "d.h. bei Übertrag auf das Konto der zur Wiederanlage zurückbehaltenen Erträge" (ESTV-KS Nr. 25 Ziff. 4.2). Dieser Übertrag erfolgt grundsätzlich mit dem Geschäftsabschluss, d.h. einmalig per Ende des Geschäftsjahres (vgl. aber Swiss Funds & Asset Management Association, Zirkular Nr. 23/2013 "Eidgenössische Steuerverwaltung - Praxisänderungen" vom 29. August 2013, S. 3, wonach die ESTV inländischen Thesaurierungsfonds jedenfalls für die Verrechnungssteuer eine Frist von vier Monaten nach Geschäftsabschluss gewährt; vgl. dazu HESS, a.a.O., § 35 N. 8).
5.3.4. In ähnlicher Weise hat der Gesetzgeber für die Verrechnungssteuer vorgesehen, dass die Steuerforderung im Zeitpunkt der Gutschrift des steuerbaren Ertrages entsteht (Art. 12 Abs. 1ter VStG [SR 642.21]), wobei er davon ausging, dass dadurch die Verrechnungssteuer beim Thesaurierungsfonds gleich wie die Einkommens- und die Gewinnsteuer bei den Anlegern einmal jährlich erhoben werden würde (vgl. Voten Leutenegger Oberholzer, AB 2006 N 863, und Germann, AB 2006 S 452 f.). Was sodann die Lehre angeht, wurde früher zum Teil bezweifelt, ob die thesaurierten Erträge hinreichend realisiert waren, um sie beim Anleger der Einkommenssteuer zu unterwerfen (vgl. VICTOR FÜGLISTER, Die Besteuerung des privaten Einkommens aus herkömmlichen und modernen Anlageinstrumenten, ASA 62 S. 166 f.; PETER SPORI, Einkommensteuerliche Aspekte privater Portfolio-Anlagen, ASA 59 S. 381 f.). Heute wird die jährlich erfolgende Besteuerung der thesaurierten Erträge dagegen entweder ausdrücklich befürwortet (HESS, a.a.O., § 35 Rz. 21 ff. und Rz. 49 ff.; KRAFFT, a.a.O., N. 206 zu Art. 20 DBG) oder zumindest nicht infrage gestellt (LOCHER, a.a.O., N. 118 zu Art. 20 DBG; OESTERHELT, a.a.O., N. 178 zu Vor Art. 1 KAG; REICH/WEIDMANN, a.a.O., N. 119 zu Art. 20 DBG).
5.4. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die Fondsleitung wöchentlich eine Bewertung des ausländischen Anlagefonds publiziere und die Anleger quartalsweise einen Depotauszug erhielten, der den Anteilswert verbindlich festlege. Solche Bewertungen und Depotauszüge sind nach der dargestellten Verwaltungspraxis jedoch irrelevant für den Besteuerungszeitpunkt. Massgebend ist bei ausländischen Thesaurierungsfonds vielmehr der jährliche Geschäftsabschluss, in dessen Rahmen die relevante Gutschrift erfolgt. Zuzugestehen ist der Beschwerdeführerin einzig, dass die jährliche Besteuerung von thesaurierten Vermögenserträgen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Anlegern nicht optimal erfasst, wenn sie ihre Anteile unterjährig erwerben oder veräussern. Nach ständiger Rechtsprechung sind jedoch Schematisierungen und Pauschalisierungen im Steuerrecht als Massenverwaltungsrecht aus praktischen und veranlagungsökonomischen Gründen unvermeidlich und in einem gewissen Ausmass zulässig, auch wenn dabei die rechtsgleiche Behandlung nicht durchwegs gewährleistet ist (vgl. BGE 148 I 210 E. 4.4.4; 131 I 291 E. 3.2.2). Wenn nun also auch thesaurierte Vermögenserträge von kollektiven Kapitalanlagen einmal pro Jahr besteuert statt den Anlegern laufend zugerechnet werden, liegt darin eine Schematisierung, für die - wie erwähnt (vgl. oben E. 5.2 und 5.3.1) - gewichtige praktische und veranlagungsökonomische Gründe sprechen.
5.5. Betreffend die Berechnung und die Zusammensetzung des Bruttoertrags pro Fondsanteil, den die ESTV in ihrer Kursliste publiziert hatte und auf den sich die Vorinstanz gestützt hat, bringt die Beschwerdeführerin nichts vor, was die diesbezüglichen Feststellungen der Vorinstanz respektive die Kursliste der ESTV als offensichtlich unrichtig erscheinen liesse. Im Gegenteil legt die ESTV in ihrer Stellungnahme detailliert und nachvollziehbar dar, wie sie den betreffenden Wert ermittelt hat. Das Bundesgericht ist folglich an die diesbezüglichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG; vgl. oben E. 2.1). Demnach ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der Bruttoertrag pro Anteil am ausländischen Anlagefonds per 31. Dezember 2020 Fr. 11.789 betrug.
6.
Nicht gefolgt werden kann der Beschwerdeführerin schliesslich auch, soweit sie den Abzug der Emissionsgebühr von Fr. 1'558.- und der Zahlstellengebühr von Fr. 380.- verlangt. Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, handelte es sich dabei offensichtlich um Kosten, die bei der Anschaffung der Anteile am ausländischen Anlagefonds anfielen, mithin um Nebenkosten der Anschaffung. Diese zählen zu den nicht abziehbaren Anlagekosten nach Art. 34 lit. d DBG (vgl. Urteil 2C_384/2013 / 2C_385/2013 vom 25. Oktober 2013 E. 2.2; LOCHER, a.a.O., N. 23 zu Art. 34 DBG).
III. Kantons- und Gemeindesteuern
7.
Die einschlägigen Bestimmungen des kantonalen Steuerrechts (Art. 22bis, Art. 23 Abs. 1 lit. e und Art. 47 lit. c des Steuergesetzes des Kantons St. Gallen vom 9. April 1998 [StG/SG; sGS 811.1]) stimmen im Wesentlichen mit den Vorschriften des DBG überein und sind überdies harmonisiert (Art. 7 Abs. 3 und Art. 9 Abs. 1 und 4 StHG ). Es kann folglich auf die Erwägungen zur direkten Bundessteuer verwiesen werden. Auch für die Kantons- und Gemeindesteuern ergibt sich demnach, dass die Vorinstanz die Vermögenserträge aus den Anteilen am ausländischen Anlagefonds der Beschwerdeführerin zu Recht per 31. Dezember 2020 zugerechnet hat und die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Abzug der Emissionsgebühr und der Zahlstellengebühr hat.
IV. Verfahrensausgang, Kosten und Entschädigung
8.
Die Beschwerde erweist sich sowohl betreffend die direkte Bundessteuer als auch betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern als unbegründet und ist demnach abzuweisen. Die Gerichtskosten sind der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das obsiegende Kantonale Steueramt hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde betreffend die direkte Bundessteuer wird abgewiesen.
2.
Die Beschwerde betreffend die Kantons- und Gemeindesteuern wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung II, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 9. Dezember 2024
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Parrino
Der Gerichtsschreiber: Seiler