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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
5A_716/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 10. Januar 2017  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, 
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Bovey, 
Gerichtsschreiber Zingg. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Schwaller, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Ineichen, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Rechtsöffnung (Kostenbeschwerde), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts 
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, 
vom 16. August 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Entscheid vom 11. Mai 2016 wies das Bezirksgericht Aarau ein gegen A.________ gerichtetes Rechtsöffnungsbegehren von B.________ ab. Das Bezirksgericht auferlegte A.________ jedoch die Gerichtskosten von Fr. 300.-- und verpflichtete sie zur Bezahlung einer Parteientschädigung an B.________ in der Höhe von Fr. 984.65. 
 
B.  
Gegen diesen Entscheid erhob A.________ am 19. Mai 2016 Beschwerde an das Obergericht des Kantons Aargau. Sie verlangte die Aufhebung der bezirksgerichtlichen Kostenverteilung. Die Gerichtskosten und ihre eigenen Parteikosten im Verfahren vor Bezirksgericht seien B.________ aufzuerlegen. B.________ beantragte die kostenfällige Abweisung der Beschwerde. 
Mit Entscheid vom 16. August 2016 wies das Obergericht die Beschwerde ab. 
 
C.  
Am 29. September 2016 hat A.________ (Beschwerdeführerin) Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie verlangt, den obergerichtlichen Entscheid aufzuheben und B.________ (Beschwerdegegner) zu verpflichten, die kantonalen Gerichtskosten (Fr. 300.-- und Fr. 375.--) und ihre kantonalen Parteikosten (Fr. 1'765.85 und Fr. 900.--) zu bezahlen. Allenfalls sei die Sache an das Obergericht zurückzuweisen. 
Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. Der Beschwerdegegner ersucht um Beschwerdeabweisung. Die Beschwerdeführerin hat sich hierauf nicht mehr geäussert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die vorliegende Beschwerde betrifft einzig die kantonalen Prozesskosten in einer Schuldbetreibungsangelegenheit (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). Bereits vor Obergericht waren einzig die Prozesskosten streitig, womit der für eine Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Streitwert nicht erreicht ist (Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG). Die Beschwerdeführerin macht geltend, es liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG) und erhebt insoweit Beschwerde in Zivilsachen. Verfahrensgegenstand ist die Frage, ob einem Betriebenen die Kosten des Rechtsöffnungsverfahrens auferlegt werden dürfen, wenn er die Verrechnungseinwendung, der stattgegeben wird, erst mit seiner Gesuchsantwort erhebt. Das Bundesgericht hat diese Frage noch nicht beantwortet und sie führt aufgrund ihrer Relevanz für die Praxis zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Da es in dieser Konstellation nur noch um die Kosten geht und nicht mehr um die Rechtsöffnung als solche, wird auch der für die Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Streitwert eher selten erreicht sein (zum Ganzen: BGE 139 III 182 E. 1.2 S. 184 f.; 137 III 580 E. 1.1 S. 582 f.). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt demnach vor. Die von der Beschwerdeführerin ebenfalls erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist damit nicht gegeben (Art. 113 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen erweist sich auch im Übrigen grundsätzlich als zulässig (Art. 75, Art. 76, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG). 
 
2.  
Das Bezirksgericht hatte erwogen, der Beschwerdegegner verfüge zwar über einen Titel für die definitive Rechtsöffnung für die betriebene Forderung von Fr. 7'600.--, nämlich einen vollstreckbaren Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 26. Mai 2011. Die Beschwerdeführerin habe im Rechtsöffnungsverfahren jedoch Verrechnung erklärt mit einer Verrechnungsforderung von Fr. 12'757.50 aus einem Verlustschein vom 18. Juli 2012. Das Rechtsöffnungsbegehren sei damit abzuweisen, doch seien die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen, da sie die Verrechnungseinwendung früher hätte erheben können. Das Bezirksgericht stützte sich dabei auf Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO
Das Obergericht hat die Erwägung des Bezirksgerichts, die Beschwerdeführerin habe die Verrechnungseinwendung erst in ihrer Gesuchsantwort und damit verspätet erhoben, nicht als willkürlich erachtet. Bei der Kostenverlegung sei dem Bezirksgericht keine rechtsfehlerhafte Ermessensausübung vorzuwerfen. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin macht vor Bundesgericht geltend, sie habe die Verrechnungseinwendung bereits am 21. Januar 2016 mit dem Rechtsvorschlag erhoben. Dies hatte sie bereits vor Obergericht behauptet, doch hat das Obergericht den entsprechenden Beleg für neu und unzulässig (Art. 326 Abs. 1 ZPO) befunden. Damit setzt sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander, womit es für das Bundesgericht dabei bleibt, dass sie die Verrechnungseinwendung erst in ihrer Gesuchsantwort vom 6. April 2016 erhoben hat. 
Dass Verrechnungserklärung und -einwendung (zur Unterscheidung Urteil 4A_290/2007 vom 10. Dezember 2007 E. 8.3.1; zur Terminologie Urteil 5A_521/2015 vom 11. Februar 2016 E. 3.4.3) für die Zwecke des Rechtsöffnungsverfahrens rechtzeitig erfolgt sind, ist unbestritten und nicht Gegenstand des Verfahrens. Es stellt sich einzig die Frage, ob die Einwendung im Sinne des Kostenrechts (Art. 106 ff. ZPO) zu spät erfolgt ist, so dass der Beschwerdeführerin in Abkehr vom Unterliegerprinzip (Art. 106 Abs. 1 ZPO) die Prozesskosten auferlegt werden könnten (Art. 107 und 108 ZPO). Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die vom Obergericht frei und entgegen dem von ihm offenbar eingenommenen Standpunkt nicht bloss auf Willkür hin zu prüfen gewesen wäre (Art. 320 lit. a ZPO). 
Das Obergericht scheint implizit davon auszugehen, die Beschwerdeführerin hätte die Verrechnung zusammen mit dem Rechtsvorschlag erklären und einwenden müssen. Dies trifft jedoch nicht zu, denn der Rechtsvorschlag bedarf grundsätzlich keiner Begründung (Art. 75 Abs. 1 SchKG). Der nächste Zeitpunkt, in dem ein Betriebener Anlass hat, sich zur Betreibung zu äussern, ist seine Stellungnahme zu einem allfälligen Rechtsöffnungsgesuch (Art. 253 ZPO). Zwischen diesen beiden Zeitpunkten (Rechtsvorschlag und Stellungnahme zum Rechtsöffnungsgesuch) besteht grundsätzlich kein solcher Anlass. Der Betriebene wird bis zur Aufforderung zur Stellungnahme nicht einmal wissen, ob der Gläubiger die eingeleitete Betreibung überhaupt weiterverfolgen will. Es kann einem Betriebenen deshalb - unter dem hier interessierenden Gesichtspunkt des Kostenrechts - nicht vorgeworfen werden, wenn er die Verrechnungseinwendung mit der Stellungnahme zum Rechtsöffnungsgesuch erhebt, also zu demjenigen Zeitpunkt, zu dem er auch die übrigen Einwendungen und Einreden zu erheben hat (Art. 81 Abs. 1 SchKG). Für den Fall, dass der Betriebene die Verrechnungserklärung erst im Laufe des Rechtsöffnungsverfahrens erhebt, wird zwar in der Lehre vertreten, dass dem Schuldner die Verfahrenskosten aufzuerlegen sind, wenn er die Verrechnungseinwendung früher hätte vorbringen können (DANIEL STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 11 zu Art. 81 SchKG). Zumindest im vorliegenden Fall liegt jedoch keine Konstellation vor, in der dieser Auffassung gefolgt werden könnte. Die genannte Lehrmeinung hätte zur Folge, dass entgegen Art. 75 Abs. 1 SchKG über das Kostenrecht ein indirekter Zwang geschaffen würde, den Rechtsvorschlag zu begründen. 
Vorliegend wurde die Verrechnungseinwendung als begründet erachtet, was zur Abweisung des Rechtsöffnungsgesuchs führte. Nach dem Unterliegerprinzip wären die Prozesskosten vom Gesuchsteller, hier also dem Beschwerdegegner, zu tragen (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Da die Verrechnungseinwendung nach dem Gesagten nicht zu spät erfolgt ist, liegt insoweit kein Grund für eine abweichende Kostenverteilung gestützt auf Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO vor. Andere Gründe, die eine Kostenverteilung nach dem Verfahrensausgang als unbillig erscheinen lassen würden, sind weder ersichtlich noch behauptet. Insbesondere liegt kein Fall einer trölerischen und missbräuchlichen Prozessführung seitens der Beschwerdeführerin vor, wie dies in dem von STAEHELIN zur Stützung seiner Ansicht zitierten Urteil des Berner Obergerichts der Fall war (Urteil des Appellationshofs Bern vom 16. Juni 1942, in: ZBJV 79/1943 S. 187 f.). Anders als im genannten Fall hat sich die Beschwerdeführerin den Verlustschein nicht während des Rechtsöffnungsverfahrens verschafft, sondern lautete dieser von Anfang an zu ihren Gunsten. Angesichts dieses Verlustscheins und der darin ausgewiesenen Verrechnungsforderung kann auch keine Rede davon sein, dass der Beschwerdegegner von der Verrechnung überrascht worden wäre. Eine Anwendung von Art. 107 Abs. 1 lit. b ZPO fällt damit ebenfalls ausser Betracht. 
Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Gerichtskosten des bezirks- und des obergerichtlichen Verfahrens werden dem Beschwerdegegner auferlegt. Er hat die Beschwerdeführerin für das kantonale Verfahren angemessen zu entschädigen. Zur Bestimmung der Höhe der Parteientschädigung an die Beschwerdeführerin für das bezirks- und das obergerichtliche Verfahren wird die Sache an das Obergericht zurückgewiesen. 
 
4.   
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdegegner die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat die Beschwerdeführerin angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, vom 16. August 2016 aufgehoben. Die Gerichtskosten des bezirksgerichtlichen Verfahrens von Fr. 300.-- und diejenigen des obergerichtlichen Verfahrens von Fr. 375.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. Zur Bestimmung der Parteientschädigung im bezirks- und obergerichtlichen Verfahren wird die Angelegenheit an das Obergericht zurückgewiesen. 
 
2.   
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Der Beschwerdegegner hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 600.-- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. Januar 2017 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg