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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_515/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 10. Februar 2016  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, Donzallaz, 
Gerichtsschreiberin Mayhall. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Antonius Falkner, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons St. Gallen, 
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Familiennachzug, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 28. April 2015. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
A.________ (1971; Türke) reiste im Jahr 1974 im Rahmen des Familiennachzuges zu seinen Eltern in die Schweiz ein, worauf ihm die Niederlassungsbewilligung erteilt wurde. Seine Ehefrau B.________ (1972; Türkin) reiste ihrerseits nach geschlossener Ehe im Jahr 1993 in die Schweiz ein. Sowohl sie wie auch die gemeinsamen Söhne des Ehepaars, C.________ (1995) und D.________ (1999), erhielten die Niederlassungsbewilligung. 
Im Jahr 2000 reiste die Familie für eine Therapie in die Türkei aus. Zwei Jahre später reiste A.________ alleine wieder in die Schweiz ein; sein noch in diesem Jahr gestelltes Gesuch um Familiennachzug zog er kurz darauf wieder zurück. Im April 2012 und damit rund zehn Jahre später reichte A.________ erneut ein Familiennachzugsgesuch für seine Ehefrau und die beiden Kinder ein. Das Migrationsamt des Kantons St. Gallen wies das Gesuch für den Sohn C.________ mit Verfügung vom 29. November 2012 ab; sowohl der dagegen beim Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen erhobene Rekurs wie auch die beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen geführte Beschwerde blieben erfolglos. Das Gesuch für die Ehefrau und den Sohn D.________ wurden hingegen am 16. April 2014 bewilligt. 
 
2.  
Die gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 28. April 2015 durch A.________ erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario), jedoch offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG abgewiesen wird. 
 
2.1. Angesichts des rund zehn Jahre nach seiner Wiedereinreise in die Schweiz (und damit innerhalb der Frist vom Art. 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. 126 Abs. 3 AuG) gestellten Gesuchs um Familiennachzug ist nur strittig, ob wichtige familiäre Gründe vorliegen, damit ein nachträglicher Familiennachzug nach Art. 47 Abs. 4 AuG bewilligt werden kann. Solche Gründe liegen insbesondere vor, wenn das Kindeswohl schwergewichtig nur durch einen Nachzug in die Schweiz sachgerecht gewahrt werden kann (Art. 75 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit vom 24. Oktober 2007 [VZAE]; SR 142.201). Entgegen dem Wortlaut der Verordnungsbestimmung ist nicht allein das Kindeswohl, sondern eine Gesamtschau unter Berücksichtigung sämtlicher relevanten Elemente für den Entscheid über das Gesuch ausschlaggebend. Dabei ist insbesondere dem Sinn und Zweck der für die Gesuchseinreichung aufgestellten Fristen Rechnung zu tragen, wurden diese doch im Interesse einer Erleichterung der Integration der nachgezogenen Kinder eingeführt: Ein möglichst frühzeitiger Nachzug ermöglicht den Kindern eine umfassende Schulbildung und wirkt solchen Gesuchen entgegen, die rechtsmissbräuchlich kurz vor Erreichen des erwerbstätigen Alters für einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt und nicht (mehr) für die Bildung einer echten Familiengemeinschaft gestellt werden (Botschaft vom 8. März 2002 zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, BBl 2002 3754 f.). Die Bewilligung des Nachzugs nach Fristablauf (Art. 47 Abs. 4 AuG) hat nach dem Willen des Gesetzgebers die Ausnahme zu bleiben, ist jedoch so zu handhaben, dass der Anspruch auf Schutz des Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK und Art. 13 BV auch unter Berücksichtigung des nicht unmittelbar anspruchsbegründenden Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention; SR 0.107; BGE 139 I 315 E. 2.4 S. 321) nicht verletzt wird (BGE 137 I 284 E. 2.7 S. 293 f.).  
 
2.2. Die Ablehnung des nachträglichen Gesuchs um Nachzug des Sohnes C.________ ist nicht zu beanstanden.  
 
2.2.1. Die Vorinstanz erwog, der Sohn C.________ habe sich im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung bereits in einem Alter befunden, in welchem er mit der finanziellen Hilfe seiner Familienangehörigen und allenfalls unter deren punktueller Betreuung in der Türkei selbstständig leben könne, woran auch die diagnostizierten Konzentrationsstörungen und eine leichte depressive Episode nichts zu ändern vermöchten. Der Beschwerdeführer beanstandet diese Ausführungen, soweit sie das Tatsächliche des Rechtsstreites betreffen, als unter Verletzung seines Anspruches auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) erstellt, hätte doch die Vorinstanz den entscheidwesentlichen Sachverhalt vollumfänglich abzuklären und die angebotenen Beweismittel - insbesondere die angebotene Einholung eines Sachverständigengutachtens - abzunehmen gehabt. Die Rüge, der Sachverhalt sei im vorinstanzlichen Verfahren unter Verletzung des Gehörsanspruches erstellt worden, ist im bundesgerichtlichen Verfahren nur entgegenzunehmen, wenn dargelegt wird, dass sie den Verfahrensausgang zu beeinflussen vermag (Art. 97 BGG; Urteil 2C_414/2014 vom 12. März 2015; SCHOTT, in: Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 24 zu Art. 97 BGG). Selbst wenn der Sohn C.________, wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht, an ADHS leiden sollte, könnte seine allenfalls notwendige Betreuung angesichts des Umstandes, dass er bei Gesuchseinreichung 17 Jahre alt und im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils volljährig sowie zu fünfzig Prozent berufstätig war, in reduziertem Umfang durch seine Grosseltern und insbesondere durch seine hier in der Schweiz lebenden Familienangehörigen über Kurzaufenthalte in der Türkei und moderne Kommunikationsmittel sicher gestellt werden (Urteil des EGMR vom 30. Juli 2013 Berisha gegen Schweiz [Nr. 948/12], N. 60). Auf die erhobene Sachverhaltsrüge, die ohne Einfluss auf den Verfahrensausgang bleibt, ist nicht weiter einzugehen.  
 
2.2.2. Die Vorinstanz hat ausführlich begründet, weshalb beim Sohn C.________, welcher die Schweiz im Alter von fünf Jahren verlassen und seine gesamte Schulzeit in der Türkei verbracht hat, keine wichtigen familiären Gründe (Art. 47 Abs. 4 AuG) für einen Nachzug in die Schweiz vorliegen. Insbesondere hätte sein Wegzug in die Schweiz eine Aufgabe seiner bisherigen Arbeitsstelle und des während fünfzehn Jahren aufgebauten sozialen Umfelds zur Folge. Die Vorinstanz hat mit Recht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer, der seit 2002 ohne seine Familie in der Schweiz lebt, selber die Ursache für die Trennung gesetzt und den Sohn nicht nachgezogen hat, obwohl er dazu das Recht gehabt hätte. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, weshalb die Krankheit des Sohnes, an der dieser nach Angaben des Beschwerdeführers eigenen seit Geburt leidet, nun plötzlich einen wichtigen Grund für einen Nachzug des inzwischen volljährigen Sohn darstellen soll. Der angefochtene Entscheid, in welchem die relevanten Elemente in einer Gesamtschau zutreffend gewürdigt wurden und auf welchen vollumfänglich verwiesen wird (Art. 109 Abs. 3 BGG), ist nicht zu beanstanden und verletzt weder Art. 47 Abs. 4 AuG noch, sollten denn der Schutzbereich von Art. 8 EMRK und Art. 13 BV angesichts des Alters des Sohns C.________ eröffnet sein, Art. 8 EMRK in Verbindung mit Art. 3 KRK oder Art. 13 BV (oben zit. Urteil  Berisha, N. 55 ff.).  
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang kann dem Gesuch um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung wegen Aussichtslosigkeit nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen werden nicht gesprochen (Art. 68 Abs. 3 BGG). Das vorliegende Urteil wird mit Zustimmung des mandatierten Rechtsvertreters an die angegebene elektronische Zustelladresse einer in der Schweiz ansässigen anerkannten Zustellplattform elektronisch eröffnet (Art. 39 Abs. 1 BGG; Art. 1 Abs. 3 e contrario, Art. 3 Abs. 2 des Reglements des Bundesgerichts vom 5. Dezember 2006 über den elektronischen Rechtsverkehr mit Parteien und Vorinstanzen [ReRBGer; SR 173.110.29]).  
 
 
Das Bundesgericht erkennt:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer elektronisch und dem Migrationsamt des Kantons St. Gallen, dem Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen, dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. Februar 2016 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Die Gerichtsschreiberin: Mayhall