Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas
Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts
Prozess
{T 7}
I 504/02
Urteil vom 10. April 2003
IV. Kammer
Besetzung
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin Schüpfer
Parteien
P.________, 1948, Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle für Versicherte im Ausland, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf, Beschwerdegegnerin
Vorinstanz
Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, Lausanne
(Entscheid vom 4. Juni 2002)
Sachverhalt:
A.
Der in den Jahren 1966 bis 1971 in der Schweiz erwerbstätig gewesene, 1948 geborene, deutsche Staatsangehörige P.________ meldete sich am 24. Mai 2000 über die Seekasse, Rentenversicherungsanstalt für Seeleute, Hamburg, (im folgenden: Seekasse) bei der Eidgenössischen Invalidenversicherung zum Bezug einer Rente an. Er gab dabei an, er sei seit Jahren an Arterienverkalkung und einem Wirbelsäulenleiden erkrankt. Mit Rentenbescheid vom 26. Mai 2000 gewährte ihm die Seekasse eine ab 1. Juni 2000 laufende und bis 30. April 2001 befristete Rente. Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland legte die von der Seekasse bezogenen Unterlagen, insbesondere ein ärztliches Gutachten von Dr. med. F.________, Spezialarzt für Innere Medizin, speziell Kardiologie, vom 13. April 2000 zu den Akten und erkundigte sich beim Versicherten über seine beruflichen Tätigkeiten. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren des Versicherten mit Verfügung vom 13. Dezember 2000 ab, da sein Invaliditätsgrad weniger als 50 % betrage.
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen mit Entscheid vom 4. Juni 2002 ab.
C.
P.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt die Gewährung einer Invalidenrente ab 1. November 1999. In der Begründung führt er unter anderem aus, die deutsche Rentenversicherung habe ihm in der Zwischenzeit eine Erwerbsunfähigkeitsrente bis Oktober 2004 gewährt, da es ihm sein Gesundheitszustand nicht erlaube, eine Tätigkeit gleich welcher Art auszuüben.
Mit einer weiteren Eingabe vom 5. August 2002 legt P.________ ein Gutachten der Klinik A.________, (Dr. med. G.________, Leitender Abteilungsarzt Innere Medizin), vom 10. Oktober 2001 und einen bis Juli 2007 gültigen Schwerbehindertenausweis auf.
Die IV-Stelle beantragt in ihrer Vernehmlassung - und nach Vorlage des Gutachtens vom 10. Oktober 2001 an ihren medizinischen Dienst - in teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei dem Versicherten mit Wirkung ab 1. November 2000 bis 31. Oktober 2001 eine halbe und von diesem Zeitpunkt an eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Nach Art. 106 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 132 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde innert 30 Tagen seit Eröffnung des vorinstanzlichen Entscheides einzureichen. Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts ist es nicht zulässig, nach Ablauf der Beschwerdefrist weitere Rechtsschriften einzureichen oder neue Beweismittel beizubringen, es sei denn, es werde ausnahmsweise ein zweiter Schriftenwechsel (Art. 110 Abs. 4 OG) angeordnet. Zu berücksichtigen sind solche Eingaben lediglich, wenn die nach Ablauf der Beschwerdefrist - oder nach Abschluss eines allfälligen zweiten Schriftenwechsels - unaufgefordert eingereichten Schriftstücke neue erhebliche Tatsachen oder schlüssige Beweismittel enthalten, welche geeignet wären, eine Revision im Sinne von Art. 137 lit. b OG zu begründen (BGE 127 V 357 Erw. 3b und 4).
1.2 Der Entscheid der Rekurskommission vom 4. Juni 2002 ist dem Beschwerdeführer am 1. Juli 2002 zugegangen. Unter Berücksichtigung der Gerichtsferien gemäss Art. 34 Abs. 1 lit. b OG lief die Frist zur Einreichung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 2. September 2002 ab. Damit hat der Beschwerdeführer die unaufgefordert eingereichte Eingabe vom 5. August 2002 dem Eidgenössischen Versicherungsgericht innert der genannten Beschwerdefrist zukommen lassen, womit das als neues Beweismittel eingereichte medizinische Gutachten vom 10. Oktober 2001 uneingeschränkt zu berücksichtigen ist.
2.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Grundsatz der Gleichstellung Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz in Bezug auf die Bundesgesetzgebung über die Invalidenversicherung (Art. 4 in Verbindung mit Art. 2 Ziff. 2 lit. b und Art. 3 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 (AS 1966 S. 602), den Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG), die versicherungsmässigen Voraussetzungen in Bezug auf Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsort (Art. 6 IVG), die Mindestbeitragsdauer für eine ordentliche Rente, die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs ( Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG ) sowie die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG) und die Entstehung des Rentenanspruchs (Art. 29 Abs. 1 IVG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
Zu ergänzen ist, dass einerseits das am 1. Juni 2002 in Kraft getretene Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten über die Freizügigkeit (Abkommen über die Personenfreizügigkeit; APF; AS 2002 1529) und andererseits das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Verfahren nicht anwendbar sind, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der Verwaltungsverfügung eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen grundsätzlich im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 128 V 315; 127 V 467 Erw. 1; 121 V 366 Erw. 1b, SVR 2003 ALV 3 S. 7).
3.
Aufgrund der nunmehr belegten gesundheitlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sind sich die Parteien einig, dass dieser Anspruch auf eine Invalidenrente hat. Strittig ist nur noch der Beginn des Rentenanspruchs und die Höhe der Erwerbsunfähigkeit bis Ende Oktober 2001.
3.1 Die Invalidität gilt als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat (Art. 4 Abs. 2 IVG). Im Falle einer Rente gilt die Invalidität in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem der Anspruch nach Art. 29 Abs. 1 IVG entsteht, d.h. frühestens wenn der Versicherte mindestens zu 40 % bleibend erwerbsunfähig geworden ist (lit. a) oder während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 % arbeitsunfähig gewesen war (lit. b; BGE 119 V 102 Erw. 4a).
3.2 Der Kardiologe Dr. med. F.________ stellte in seinem Gutachten vom 13. April 2000 die Diagnosen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit im Stadium IIb nach Fontaine mit rechts grösser als links, einer cerebralen arteriellen Verschlusskrankheit mit Zustand nach Endarteriektomie eines subtotalen Verschlusses der Gabelung der linken arteria carotis communis 2/98 mit geringradiger Stenose der arteria carotis interna rechts bei allgemeiner Cartosisklerose (recte wohl: Carotissklerose) rechts, einer arteriellen Hypertonie, einer geringgradigen Aorten-, Mitral- und Trikuspidalinsuffizienz, eines beginnenden metabolischen Syndroms mit Adipositas, einer Hyperlipoproteinämie, eines latenten Diabetes mellitus und Hypertonie, einer leichten Fettleber und eines Verdachts auf Hautekzem. Hinzu komme eine reaktive anhaltende Depression mit fraglich organischem Anteil. Der Gutachter kam zum Schluss, dass der Beschwerdeführer trotz der gestellten Diagnosen in seiner Erwerbsfähigkeit zwar eingeschränkt sei, eine abwechselnd stehend, sitzend, gehend auszuführende Tätigkeit aber in vollem Umfang zu leisten vermöge. Dazu zähle auch seine bisherige Tätigkeit als Kaufmann.
Ein anderes Bild zeichnet das Gutachten, welches am 10. Oktober 2001 in der Klinik A.________ erstellt worden ist. Es bezieht sich auf die Erkenntnisse aus einem stationären Aufenthalt des Beschwerdeführers vom 30. August bis 20. September 2001. Dort wurde er als seit mehr als sechs Monaten arbeitsunfähig erachtet. Als Hauptdiagnose wurde diejenige einer Dysthymie bei narzisstischer Persönlichkeitsstruktur erhoben. Die körperlichen Beschwerden seien mit hoher Wahrscheinlichkeit auch psychisch überlagert. Die Ärzte hielten die Rückkehr in das Erwerbsleben als prognostisch ungünstig, selbst wenn aus körperlicher Sicht die Möglichkeit dazu bestände. Zumindest sei damit zu rechnen, dass der Patient mit einem Abgleiten in die Depression sowie mit verstärkten körperlichen Beschwerden reagieren würde.
3.3 Die IV-Stelle hat sich in ihrer Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde den Schlussfolgerungen in diesem Gutachten angeschlossen und den Anspruch des Beschwerdeführer auf eine Invalidenrente anerkannt. In keinem der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen finden sich hingegen Angaben über den Zeitpunkt des Beginns der Arbeitsunfähigkeit. Die IV-Stelle selbst hat keine eigenen Abklärungen über den medizinischen Sachverhalt getroffen, sondern lediglich die beiden Gutachten aus Deutschland ihrer beratenden Ärztin vorgelegt. Deren Ausführungen und Stellungnahmen vom 13. September und 4. Oktober 2002 kommt daher keine selbständige Bedeutung zu. Sie konnte zu keinen neuen oder anderen Erkenntnissen gelangen, als sie bereits in den zitierten Berichten enthalten sind. Die Vertrauensärztin der IV-Stelle, Dr. med. H.________, geht in ihrer Stellungnahme vom 13. September 2002 davon aus, dass der Beschwerdeführer in seinem Beruf als Kaufmann ab 1. November 1999 zu 50 % und ab 30. August 2001 zu 70 % arbeitsunfähig war. Sie begründet ihre Beurteilung nicht. Der Beschwerdeführer hat sich am 17. November 1999 bei der Seekasse zum Leistungsbezug angemeldet. Aus Sicht der deutschen Rentenversicherung ist der Versicherungsfall am 17. November 1999 - also mit der Anmeldung beim Leistungserbringer - eingetreten. Daraus lässt sich nun aber nicht den Schluss ziehen, dass ab jenem Zeitpunkt eine 50 %ige Invalidität im Sinne des schweizerischen Rechts eingetreten ist, womit ab jenem Zeitpunkt die einjährige Wartezeit gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG zu laufen begonnen hat. Vielmehr bieten die vorhandenen medizinischen Unterlagen keine genügende Grundlage, um den Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit und deren jeweiliges Ausmass beurteilen zu können. So steht insbesondere nicht fest, ab welchem Zeitpunkt die psychischen Probleme ein Ausmass erreicht haben, welches eine Erwerbstätigkeit limitierte. Wie Dr. med. H.________ am 4. Oktober 2002 ausführt, wurde die psychische Krankheit im Gutachten von Dr. med. F.________ nicht diagnostiziert. Auch wenn eine reaktive Depression erwähnt wird, geht aus dem Gutachten nicht hervor, dass diese bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit mitberücksichtigt worden wäre. Aus dem Antragsformular an die Seekasse lässt sich auch entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer im Jahre 1998 einer Operation unterziehen musste. Damit steht fest, dass sein Gesundheitszustand offenbar schon vor November 1999 beeinträchtigt war. Die damaligen Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit sind jedoch unbekannt. Dem Antrag der IV-Stelle in ihrer Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde, dem Beschwerdeführer sei mit Wirkung ab 1. November 2000 ein halbe und ab 31. Oktober 2001 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen, kann daher nicht gefolgt werden. Vielmehr ist die Sache in Aufhebung des angefochtenen Entscheides und der Verfügung vom 13. Dezember 2000 an die Verwaltung zurückzuweisen, damit diese Abklärungen darüber trifft, ab wann und in welchem Ausmass der Beschwerdeführer insbesondere aus psychischer Sicht arbeits- und erwerbsunfähig war.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid der Rekurskommission der Alter-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen vom 4. Juni 2002 und die Verfügung der IV-Stelle für Versicherte im Ausland vom 13. Dezember 2000 aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Invalidenrente neu verfüge.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, der Schweizerischen Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 10. April 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: