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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
7B.33/2006 /blb 
 
Urteil vom 10. Mai 2006 
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Marazzi, 
Gerichtsschreiber Gysel. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch die Contrebag AG Treuhand, 
 
gegen 
 
Kantonsgericht Freiburg (Schuldbetreibungs- und Konkurskammer) als kantonaler Aufsichtsbehörde 
in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, Rathausplatz 2A, Postfach 56, 1702 Freiburg. 
 
Gegenstand 
Lohnpfändung (Existenzminimum), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 7. Februar 2006. 
 
Die Kammer zieht in Erwägung: 
 
1. 
Das Betreibungsamt A.________ setzte am 3. Januar 2006 das Existenzminimum von X.________ auf Fr. 1'850.-- fest und verfügte am gleichen Tag, dass von ihrem Lohn der diese Summe übersteigende Teil gepfändet werde. Unter Hinweis auf die Wohngemeinschaft mit der Tochter wurden X.________ ein Grundbetrag von Fr. 775.-- zugestanden und als Wohnkosten Fr. 648.--, d.h. die Hälfte des Mietzinses von Fr. 1'296.--, eingesetzt. 
X.________ führte Beschwerde an das Kantonsgericht Freiburg (Schuldbetreibungs- und Konkurskammer) als kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen. Sie verlangte, dass ihr ein Grundbetrag von Fr. 1'100.-- zuzugestehen sei und die Mietkosten nicht zur Hälfte, sondern zu drei Vierteln (d.h. mit einem Betrag von Fr. 972.--) zu berücksichtigen seien. 
Mit Entscheid vom 7. Februar 2006 wies die kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab. 
Diesen Entscheid nahm X.________ am 9. Februar 2006 in Empfang. Mit einer vom 18. Februar 2006 datierten und am 20. Februar 2006 (Montag) zur Post gebrachten Eingabe führt sie (rechtzeitig) Beschwerde an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Sie erneuert die im kantonalen Verfahren gestellten Begehren. 
Das Kantonsgericht hat auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde verzichtet, und das Betreibungsamt verweist auf die im kantonalen Verfahren eingereichte Vernehmlassung, wo es auf Abweisung der Beschwerde geschlossen hatte. 
Durch Präsidialverfügung vom 28. Februar 2006 ist der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. 
 
2. 
Das Kantonsgericht hält dafür, dass die betreibungsamtliche Ermittlung des Existenzminimums den einschlägigen Richtlinien entspreche. Der monatliche Grundbetrag sei dazu bestimmt, die durchschnittlichen Auslagen für Nahrung, Körper- und Gesundheitspflege, Unterhalt der Wohnungseinrichtungen, Kulturelles sowie für Beleuchtung und Kochenergie abzudecken. Festgelegt seien Fr. 1'100.-- für alleinstehende Schuldner und Fr. 1'500.-- für Ehepaare bzw. für zwei eine Hausgemeinschaft bildende erwachsene Personen. Das Zusammenleben zweier erwachsener Personen sei günstiger, weshalb in diesem Fall für jede der beiden die Hälfte des Grundbetrags für ein Ehepaar angerechnet werde, mithin Fr. 775.--. Dies sei auch bei der Berechnung des Mietzinses zu berücksichtigen. 
Zu den konkreten Gegebenheiten stellt die Vorinstanz fest, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer 24-jährigen Tochter in der gleichen Wohnung lebe. Auch wenn die Tochter einer unabhängigen Tätigkeit nachgehe und ihre Freizeit mit ihrem Freund verbringe, habe sie gleichwohl mit ihrer Mutter einen gemeinsamen Haushalt, an den sie ihren Anteil beizusteuern habe. Der ihr angerechnete Mietzinsanteil (die Hälfte von Fr. 1'296.--) entspreche etwa dem, was sie für eine Einzimmerwohnung ausgeben müsste. 
 
3. 
Erwerbseinkommen jeder Art kann soweit gepfändet werden, als es nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig ist (Art. 93 Abs. 1 SchKG). Mit Beschwerde nach Art. 19 Abs. 1 SchKG kann gerügt werden, dass bei der Ausübung des im Gesetz eingeräumten Ermessens, das Existenzminimum des Schuldners festzusetzen, sachfremde Kriterien berücksichtigt oder rechtserhebliche Umstände ausser Acht gelassen worden seien (BGE 130 III 765 E. 2.1 S. 766 mit Hinweis). 
 
4. 
Die Beschwerdeführerin lebt nach den Feststellungen der kantonalen Aufsichtsbehörde in Wohngemeinschaft mit ihrer 24-jährigen Tochter, die einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Dass die Tochter ihren Lebensunterhalt nicht (vollumfänglich) selbst zu bestreiten vermöchte und auf finanzielle Unterstützung durch die Beschwerdeführerin angewiesen wäre, ist dem angefochtenen Entscheid nicht zu entnehmen. Zu bestimmen ist mithin das rein persönliche Existenzminimum der Beschwerdeführerin. 
 
4.1 Das Kantonsgericht hat ausdrücklich auf die von der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz herausgegebenen (in der Fassung vom 24. November 2000 in BlSchK 2001 S. 14 ff. veröffentlichten) Richtlinien abgestellt. Als Grundbetrag (für Nahrung, Kleidung und Wäsche, Körper- und Gesundheitspflege, Unterhalt der Wohnungseinrichtung, Kulturelles, Beleuchtung und Kochstrom bzw. -gas) setzte es die Hälfte der für ein Ehepaar oder für "zwei andere eine dauernde Hausgemeinschaft bildende erwachsene Personen" empfohlenen Pauschale von monatlich Fr. 1'550.-- (Ziff. I/3) ein. 
Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, dass es nicht angehe, ihre Tochter die Hälfte der Kosten des Haushaltes tragen zu lassen. 
 
4.2 In der Wohngemeinschaft der Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter erblickt die Vorinstanz eine Hausgemeinschaft im Sinne von Ziff. I/3 der genannten Richtlinien. Mit der dort neben der Ehe erwähnten "dauernden" Hausgemeinschaft ist hauptsächlich ein Konkubinatsverhältnis gemeint (vgl. BGE 130 III 765 E. 2.3 und 2.4 S. 767 f.; Alfred Bühler, Aktuelle Probleme bei der Existenzminimumberechnung, in: SJZ 100/2004 S. 26). Voraussetzung einer Gleichstellung mit der Ehe ist auf jeden Fall, dass die Hausgemeinschaft partnerschaftlicher Natur ist. Nur bei einer solchen ist nämlich anzunehmen, dass beide Personen - im Verhältnis ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (dazu BGE 114 III 12 E. 3 S. 15 f.) bzw. zu gleichen Teilen (dazu BGE 128 III 159) - nicht nur an die Wohnkosten, sondern etwa auch an die Aufwendungen für Nahrung oder Kulturelles beitragen, und ist es deshalb gerechtfertigt, bei der Festlegung des Grundbedarfs die Gemeinschaft als Ganzes zu behandeln und vom entsprechenden Pauschalbetrag auszugehen. Die von einer Mutter und ihrer 24-jährigen erwerbstätigen Tochter gebildete Wohngemeinschaft lässt sich mit einer Gemeinschaft der angeführten Art nicht vergleichen. Die Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz bestimmen denn auch, dass der Arbeitserwerb volljähriger in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner lebender Kinder bei der Berechnung des Existenzminimums grundsätzlich einzig insofern zu berücksichtigen sei, als ein angemessener Anteil von den Wohnkosten (Mietzins und Heizung) des Schuldners abzuziehen sei (Ziff. IV/2 Abs. 2 und Ziff. V/2). Indem die Vorinstanz der Beschwerdeführerin (nur) den halben Grundbetrag für Ehepaare bzw. für zwei andere eine dauernde Hausgemeinschaft bildende erwachsene Personen zugestanden hat, hat sie der Tochter in sachlich nicht gerechtfertigter Weise zugemutet, (zur Hälfte) an die allgemeinen Kosten des Haushalts beizutragen und damit von dem ihr zustehenden Ermessen einen falschen Gebrauch gemacht. 
 
4.3 Das Existenzminimum der Beschwerdeführerin ist nach dem Gesagten auf Grund einer Einzelrechnung zu ermitteln, d.h. es ist von dem für einen alleinstehenden Schuldner empfohlenen Grundbetrag (von Fr. 1'100.--; Ziff. I/1 der Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz) auszugehen. Gewisse von diesem Grundbetrag zu deckende Auslagen werden möglicherweise nicht von der Beschwerdeführerin allein bestritten, sondern von der im gleichen Haushalt lebenden Tochter mitgetragen, was eine Reduktion zu rechtfertigen vermöchte. In diesem Sinne sehen beispielsweise die in den Kantonen Aargau und Zürich erlassenen Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums für einen alleinstehenden Schuldner in Haushaltgemeinschaft mit erwachsenen Personen eine (pauschale) Herabsetzung des Grundbetrags um Fr. 100.-- (auf Fr. 1'000.--) vor (für den Kanton Aargau: Richtlinien vom 3. Januar 2001, SAR 231.191, Ziff. I/2; für den Kanton Zürich: Kreisschreiben der Verwaltungskommission des Obergerichts vom 23. Mai 2001, veröffentlicht in: ZR 100/2001 Nr. 46 S. 153 ff., Ziff. II/1.1). Wie viel vom Grundbetrag allenfalls abzuziehen ist, hat in Anwendung des nach Art. 93 Abs. 1 SchKG eingeräumten Ermessens das Betreibungsamt bzw. die kantonale Aufsichtsbehörde zu beurteilen. Hinsichtlich des vom Kantonsgericht bei der Ermittlung des Notbedarfs eingesetzten Grundbetrags ist der angefochtene Entscheid mithin aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
5. 
Die Beschwerdeführerin beanstandet ferner, dass ihr bei den Wohnkosten nur die Hälfte des Mietzinses für die von ihr und ihrer Tochter belegte Wohnung zugestanden wurde. Wie bereits oben (E. 4.2) erwähnt, bestimmen die Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz für einen Fall der vorliegenden Art, dass bei der Ermittlung des Existenzminimums des Schuldners ein angemessener Anteil von den Wohnkosten (Mietzins und Heizung) abzuziehen sei (Ziff. V/2). 
Aus dem angefochtenen Entscheid ergibt sich nicht, dass die Tochter nicht berechtigt wäre, die Wohnung im gleichen Ausmass zu nutzen wie die Beschwerdeführerin. Etwas anderes macht auch diese selbst nicht geltend. Die Beschwerdeführerin begnügt sich mit einem Hinweis auf Georges Vonder Mühll (Kommentar zum SchKG, Basel 1998, N. 26 zu Art. 93 SchKG), der lediglich das in der erwähnten Bestimmung der Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz Festgelegte bestätigt. Weshalb in ihrem Fall die Halbierung der Wohnkosten - wie nach dem angerufenen Autor beim Zusammenleben zweier erwachsener Personen üblich - nicht angemessen sein soll, legt sie nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere bringt die Beschwerdeführerin nicht etwa vor, dass die Tochter unterstützungsbedürftig und sie ihr gegenüber unterstützungspflichtig wäre und sie dieser Pflicht in Form einer günstigen Beherbergung nachkomme. Die Beschwerde ist in diesem Punkt demnach unbegründet. 
 
Demnach erkennt die Kammer: 
 
1. 
1.1 Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des Kantonsgerichts Freiburg (Schuldbetreibungs- und Konkurskammer) als kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen vom 7. Februar 2006 bezüglich des der Beschwerdeführerin bei der Ermittlung des Existenzminimums zugestandenen Grundbetrags aufgehoben. 
 
1.2 Die Sache wird zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Betreibungsamt A.________ und dem Kantonsgericht Freiburg (Schuldbetreibungs-und Konkurskammer) als kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 10. Mai 2006 
Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: