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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.327/2003 /bmt 
 
Urteil vom 10. Juni 2003 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, 
Bundesrichter Aeschlimann, 
Gerichtsschreiber Pfäffli. 
 
Parteien 
L.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, Amthaus 1, 4502 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Sprachenfreiheit, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Präsidialverfügung des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 27. März 2003. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
L.________ wandte sich mit Eingabe vom 23. Februar 2003 gegen ein Strafurteil des Amtsgerichts von Olten-Gösgen vom 7. März 2002. Mit Präsidialverfügung vom 27. März 2003 wies ihn die Strafkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn darauf hin, dass Eingaben in französischer Sprache nicht entgegengenommen würden. Die Amtssprache im Kanton Solothurn sei Deutsch. Die Strafkammer gab L.________ Gelegenheit, eine verbesserte Eingabe einzureichen. Sollte diese nicht bis Ende April eintreffen, würde auf das sinngemäss gestellte Wiederaufnahmebegehren nicht eingetreten. 
2. 
Gegen diese Verfügung der Strafkammer des Obergerichts des Kantons Solothurn reichte L.________ am 10. Mai 2003 (eingegangen am 26. Mai 2003) eine als "Recours" bezeichnete Eingabe beim Bundesgericht ein. Er beruft sich auf die Sprachenfreiheit (Art. 18 BV). Ausserdem macht er geltend, er habe die Verfügung erst am 4. Mai 2003 erhalten und damit nach Ablauf der ihm von der Strafkammer gesetzten Frist. 
 
Der Sache nach handelt es sich bei der Eingabe vom 10. Mai 2003 um eine staatsrechtliche Beschwerde. 
 
Das Bundesgericht verzichtet auf die Einholung von Vernehmlassungen. 
3. 
Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um einen Zwischenentscheid im Sinn von Art. 87 Abs. 2 OG, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde nur zulässig ist, wenn dem Beschwerdeführer ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht. Dies ist vorliegend der Fall. Hat der Beschwerdeführer einen sprachenrechtlichen Anspruch auf die Einreichung eines Rechtsmittels in seiner Muttersprache, so würde die Weigerung einer Entgegennahme eines Rechtsmittels in seiner Muttersprache Französisch diesen Anspruch verletzen, und diese Verletzung der Sprachenfreiheit von Art. 18 BV könnte nachträglich nicht mehr behoben werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1P.500/2001 vom 11. Oktober 2001, in ZBl 103/2002 S. 497, E. 1a). Ob die angefochtene Verfügung jedoch kantonal letztinstanzlich ist, erscheint fraglich (vgl. § 204 Abs. 1 lit. a der Strafprozessordnung des Kantons Solothurn). Diese Frage kann offen bleiben, da sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet erweist. 
4. 
Die in Art. 18 BV enthaltene Sprachenfreiheit gewährleistet den Gebrauch der Muttersprache. Soweit die Muttersprache gleichzeitig eine Landessprache des Bundes ist, steht deren Gebrauch zudem unter dem Schutz von Art. 4 BV, der vier Landessprachen anerkennt. Die Anerkennung von Landessprachen in Art. 4 BV setzt der Sprachenfreiheit jedoch auch Grenzen, denn diese Verfassungsbestimmung gewährleistet nach der Rechtsprechung die überkommene sprachliche Zusammensetzung des Landes (Territorialitätsprinzip). Die Kantone sind daher aufgrund dieser Bestimmung befugt, Massnahmen zu ergreifen, um die überlieferten Grenzen der Sprachgebiete und deren Homogenität zu erhalten, selbst wenn dadurch die Freiheit des Einzelnen, seine Muttersprache zu gebrauchen, beschränkt wird (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1P.500/2001 vom 11. Oktober 2001, in ZBl 103/2002 S. 497, E. 2a mit weiteren Hinweisen). 
 
Der Präsident der Strafkammer begründet die angefochtene Verfügung damit, dass die Amtssprache im (einsprachigen) Kanton Solothurn Deutsch sei. Nach dem Gesagten verletzte somit der Präsident der Strafkammer die Sprachenfreiheit nicht, als er dem Beschwerdeführer unter Androhung des Nichteintretens Gelegenheit gab, die nicht in der Amtssprache abgefasste Eingabe zu übersetzen. Die Beschwerde erweist sich insoweit als unbegründet. 
5. 
Hinsichtlich des Umstandes, dass der Beschwerdeführer die angefochtene Verfügung nach seinen Ausführungen erst nach Ablauf der ihm zur Übersetzung seiner Eingabe gesetzten Frist erhalten hat, ist aufgrund der gegenwärtigen Aktenlage nicht ersichtlich, ob der Präsident der Strafkammer dem Beschwerdeführer nicht eine neue Frist ansetzen wird. Jedenfalls macht der Beschwerdeführer nicht geltend, dass insoweit bereits ein Entscheid ergangen ist. Mangels eines (letztinstanzlichen) kantonalen Entscheides kann insoweit auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. 
6. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
Bei diesem Verfahrensausgang hätte grundsätzlich der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Ausnahmsweise kann jedoch von der Erhebung von Verfahrenskosten abgesehen werden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 10. Juni 2003 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: