Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_215/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 10. Juni 2015  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Fürsprecher Andreas Imobersteg, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, 
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 2. März 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1968 geborene A.________ bezog gestützt auf die Ergebnisse erwerblicher und medizinischer Abklärungen, worunter psychiatrische Gutachten des Dr. med. B.________ vom 8. Dezember 2003 und der Frau Dr. med. C.________ vom 15. November 2004, die für die Versicherungsgesellschaft D.________ erstattet wurden, gemäss Verfügung der IV-Stelle Bern vom 18. Januar 2006 ab 1. Juli 2004 bei einem Invaliditätsgrad von 83 % eine ganze Invalidenrente. Diese Rentenzusprechung wurde von der IV-Stelle im Dezember 2006 und im Dezember 2008 bestätigt. Im Rahmen eines weiteren, im August 2012 eingeleiteten Revisionsverfahrens holte die IV-Stelle auf Anraten des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) eine orthopädisch-psychiatrische Expertise des medizinischen Abklärungszentrums E.________ vom 23. August 2013 ein. Ferner klärte sie die Leistungsfähigkeit der Versicherten im Haushalt ab (Bericht vom 30. Dezember 2013). Mit Verfügung vom 25. Februar 2014 hob die IV-Stelle die Invalidenrente wiedererwägungsweise auf Ende des der Zustellung der Verfügung folgenden Monats auf. 
 
B.   
Die hiegegen mit dem Antrag auf Aufhebung der Verfügung vom 25. Februar 2014 eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ab (Entscheid vom 2. März 2015). 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und der Verwaltungsverfügung vom 25. Februar 2014 sei ihr weiterhin eine ganze Invalidenrente zu gewähren. 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Gemäss Art. 53 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 ATSG und Art. 1 Abs. 1 IVG kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Die Wiedererwägung dient der Korrektur einer anfänglich unrichtigen Rechtsanwendung einschliesslich unrichtiger Feststellung im Sinne der Würdigung des Sachverhalts. 
Das Erfordernis der zweifellosen Unrichtigkeit ist in der Regel erfüllt, wenn eine Leistungszusprache aufgrund falsch oder unzutreffend verstandener Rechtsregeln erfolgt ist oder wenn massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden. Anders verhält es sich, wenn der Wiedererwägungsgrund im Bereich materieller Anspruchsvoraussetzungen liegt, deren Beurteilung notwendigerweise Ermessenszüge aufweist. Erscheint die Beurteilung einzelner Schritte bei der Feststellung solcher Anspruchsvoraussetzungen (Invaliditätsbemessung, Arbeitsunfähigkeitsschätzung, Beweiswürdigung, Zumutbarkeitsfragen) vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung darbot, als vertretbar, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus. Zweifellos ist die Unrichtigkeit, wenn kein vernünftiger Zweifel daran möglich ist, dass die Verfügung unrichtig war. Es ist nur ein einziger Schluss - derjenige auf die Unrichtigkeit der Verfügung - denkbar (SVR 2010 IV Nr. 5 S. 10, 8C_1012/2008; Urteile 9C_135/2014 vom 14. Mai 2014, 9C_629/2013 vom 13. Dezember 2013, 9C_339/2010 vom 30. November 2010 E. 3, 9C_760/2010 vom 17. November 2010 E. 2 und 9C_575/2007 vom 18. Oktober 2007 mit Hinweisen). 
Um wiedererwägungsweise auf eine verfügte Leistung zurückkommen zu können, genügt es nicht, wenn ein einzelnes Anspruchselement rechtswidrig festgelegt wurde. Vielmehr hat sich die Leistungszusprache auch im Ergebnis als offensichtlich unrichtig zu erweisen. So muss etwa, damit eine zugesprochene Rente wegen einer unkorrekten Invaliditätsbemessung wiedererwägungsweise aufgehoben werden kann - nach damaliger Sach- und Rechtslage - erstellt sein, dass eine korrekte Invaliditätsbemessung hinsichtlich des Leistungsanspruchs zu einem andern Ergebnis geführt hätte (BGE 140 V 77 E. 3.1 S. 79). 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz gelangte in Würdigung der aus dem Jahr 2005 stammenden Arztberichte, welche der ursprünglichen Verfügung vom 18. Januar 2006 zugrunde lagen, zum Schluss, dass diese bereits insofern zweifellos unrichtig sei, als die Verwaltung damit der Beurteilung des RAD, es sei von einer medizinisch-theoretischen Arbeitsunfähigkeit von 50 % auszugehen, nicht gefolgt ist. Zudem sei im Abklärungsbericht mit keinem Wort begründet, weshalb von der Arbeitsunfähigkeitseinschätzung des RAD-Arztes abgewichen wurde. Auch aus dem Gutachten der Dres. med. B.________ und C.________ könne nichts zugunsten der Richtigkeit der ursprünglichen Verfügung abgeleitet werden.  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass die Wiedererwägung rechtskräftiger Verfügungen nur dann in Betracht fällt, wenn es um die Korrektur grober Fehler der Verwaltung geht. So habe es sich im vorliegenden Fall nicht verhalten. Der behandelnde Arzt Dr. med. E.________ habe der Beschwerdeführerin aufgrund einer seit 2003 anhaltenden depressiven Episode (mindestens) mittelgradigen Ausmasses stets eine volle Arbeitsunfähigkeit attestiert. Selbst Dr. med. B.________ habe noch im Zeitpunkt der Begutachtung volle Arbeitsunfähigkeit für einen weiteren Monat bescheinigt, während er ab Januar 2004 eine Arbeitsfähigkeit von 50 % für möglich hielt. Frau Dr. med. C.________ sodann sei sich bei ihrer Einschätzung der Arbeitsfähigkeit unsicher gewesen. Im Gutachten vom 15. November 2004 habe sie aufgrund der Depressivität mit Antriebsmangel, Ermüdbarkeit, Erschöpfbarkeit und kognitiver Leistungseinbusse erklärt, dass die Versicherte auf eine Leistungsfähigkeit von 50 % limitiert sei. Sie habe jedoch darauf hingewiesen, dass es der Beschwerdeführerin nicht möglich sei, diese Restarbeitsfähigkeit umzusetzen, da andernfalls die Erschöpfung zu einer dramatischen Verschlechterung des depressiven Zustandes führen könnte. Sie habe der Beschwerdeführerin empfohlen, die Ressourcen dazu zu nutzen, ihren Genesungsprozess voranzutreiben. Angesichts der fachärztlichen Stellungnahmen zur Arbeitsunfähigkeit bei Erlass der ursprünglichen Verfügung könne von zweifelloser Unrichtigkeit der Rentenzusprechung nicht die Rede sein.  
 
4.   
Die Wiedererwägungsvoraussetzungen, wie sie vom Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung umschrieben werden (E. 2), sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Wohl ist nicht zu verkennen, dass die ursprüngliche Rentenzusprechung für die wirtschaftlichen Folgen der mindestens mittelgradigen depressiven Episode nicht auf einhelligen psychiatrischen Stellungnahmen beruht. Namentlich der RAD-Arzt, auf dessen Einschätzung sich die Vorinstanz beruft, hielt im Bericht vom 24. Oktober 2005 dafür, dass von einer medizinisch-theoretischen Arbeitsunfähigkeit von lediglich 50 % auszugehen sei. Es besteht indessen kein Grund, den Aussagen des RAD höhere Beweiskraft zuzugestehen als den Stellungnahmen der übrigen gutachterlich beteiligten Fachärzte. Die IV-Stelle hat mit der Zusprechung einer ganzen Invalidenrente ab 1. Juli 2004 keine Rechtsregeln verletzt. Die Festlegung des der Ermittlung des Invaliditätsgrades zugrunde liegenden Grades der Arbeitsunfähigkeit wies gerade angesichts der teilweise divergierenden fachärztlichen Stellungnahmen Ermessenszüge auf. Die Beurteilung des auf 83 % festgesetzten Invaliditätsgrades und der diesem zugrunde gelegten Invaliditätsbemessung nach der gemischten Methode mit einer vollen Erwerbsunfähigkeit der Versicherten als Serviceangestellte, auf welche Tätigkeit 68 % des gesamten Arbeitspensums entfallen, sowie einer Einschränkung von 47 % im mit 32 % gewichteten Aufgabenbereich als Hausfrau erscheint mit Blick auf die medizinische Situation, wie sie sich im Lichte der beigezogenen psychiatrischen Berichte bei Erlass der ursprünglichen Verfügung präsentierte, als vertretbar. Rechtsprechungsgemäss (E. 2 hievor) scheidet damit die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus. 
 
5.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Diese hat der Beschwerdeführerin überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
In Gutheissung der Beschwerde werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 2. März 2015 und die Verfügung der IV-Stelle Bern vom 25. Februar 2014 aufgehoben. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zurückgewiesen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und der GastroSocial Ausgleichskasse schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 10. Juni 2015 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Glanzmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer