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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_228/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 10. Juli 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Rainer Niedermann, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 4. Mai 2017 
des Obergerichts des Kantons Thurgau. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Im November 2010 leiteten die deutschen Strafverfolgungsbehörden ein Ermittlungsverfahren gegen A.________ ein wegen Drogenhandels etc. Im Zusammenhang mit einem am 20. November 2010 in Kümmertshausen (TG) begangenen Tötungsdelikt leitete die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen ein Strafverfahren gegen A.________ und weitere Beteiligte ein. 
Am 10. Januar 2012 wurde A.________ in Deutschland verhaftet und in Untersuchungshaft versetzt. Am 16. November 2012 verurteilte ihn das Landgericht Stuttgart wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 7½ Jahren. In Bezug auf die Anklagepunkte der räuberischen Erpressung zum Nachteil von B.________ und C.________ (2), der versuchten räuberischen Erpressung zum Nachteil von D.________ (3), der gewerbsmässigen Menschenschleusung (4), der gewerbsmässigen Fälschung von Ausweisen (5 und 6) und des unerlaubten Besitzes von Munition (7) stellte das Landgericht das Verfahren ein, da die Strafe hinsichtlich dieser Anklagepunkte nicht mehr beträchtlich ins Gewicht fiele. 
Am 5. Januar 2015 stellte die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen das Verfahren gegen A.________ wegen vorsätzlicher Tötung ein. 
Am 23. Januar 2015 erhob die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt und weiteren Delikten beim Bezirksgericht Kreuzlingen gegen 11 Personen, darunter A.________, Anklage. Diesem warf sie u.a. qualifizierte Erpressung zum Nachteil von D.________ (Anklagepunkt 2.1) und qualifizierte Erpressung zum Nachteil von B.________ und C.________ (Anklagepunkt 2.5) vor und beantragte als Zusatzstrafe zum Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16. November 2012 eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren. 
Am 6. Januar 2016 trennte das Bezirksgericht Kreuzlingen das Verfahren gegen A.________ von den übrigen Verfahren ab und stellte es in Bezug auf die Anklagepunkte 2.1 und 2.5 ein. 
Am 20. April 2016 hob das Obergericht des Kantons Thurgau diese Einstellungsverfügung auf Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft hin auf und wies die Sache zur Neubeurteilung ans Bezirksgericht zurück. 
Am 15. März 2017 beschloss das Bezirksgericht, das Strafverfahren gegen A.________ bezüglich der Anklagepunkte 2.1 und 2.5 durchzuführen; eine Einstellung falle derzeit ausser Betracht. 
Mit Beschwerde von 27. März 2017 beantragte A.________ dem Obergericht, diesen Beschluss des Bezirksgerichts aufzuheben und das Verfahren gegen ihn bezüglich der Anklagepunkte 2.1 und 2.5 definitiv einzustellen. 
Am 4. Mai 2017 trat das Obergericht auf die Beschwerde nicht ein. 
 
B.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, diesen Beschluss des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verteidigung. 
 
C.  
Das Obergericht und die Generalstaatsanwaltschaft verzichten auf Vernehmlassung und verweisen auf den angefochtenen Entscheid. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Der angefochtene Nichteintretensentscheid des Obergerichts hat zur Folge, dass das Bezirksgericht das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer gemäss seinem Beschluss vom 15. März 2017 durchführen wird. Es handelt sich um einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid in einer Strafsache; dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen zulässig (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 90 BGG). Er schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer allerdings nicht ab, sondern ermöglicht vielmehr dessen Fortführung; es handelt sich um einen Zwischenentscheid im Sinn von Art. 93 Abs. 1 BGG. Gegen einen solchen ist die Beschwerde zulässig, wenn er einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur (BGE 133 IV 139 E. 4) bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und dadurch einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). In der vorliegenden Konstellation fällt die Voraussetzung von lit. b von vornherein ausser Betracht. 
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass die Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind; bei der Anfechtung von Zwischenentscheiden hat er die Tatsachen anzuführen, aus denen sich der nicht wiedergutzumachende Nachteil ergeben soll, sofern dies nicht offensichtlich ist (BGE 138 III 46 E. 1.2 S. 47; zum Ganzen: BGE 141 IV 284 E. 2.3 S. 287; 289 E. 1.3 S. 292). 
Dass der Beschwerdeführer als Folge des angefochtenen Entscheids die Fortführung des Strafverfahrens gegen ihn in den beiden umstrittenen Punkten erdulden muss, bewirkt nach konstanter Praxis des Bundesgerichts keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur (BGE 133 IV 139 E. 4; Urteil 1C_585/2013 vom 17. September 2013 E. 1.2.1). Daran ändert nichts, dass das komplexe Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss wohl noch geraume Zeit dauern mag. Ob und wie lange der Beschwerdeführer dabei in Haft gehalten wird, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
 
2.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verteidigung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. Juli 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi