Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_886/2023
Urteil vom 10. Juli 2024
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
Bundesrichter von Werdt, Hartmann,
Gerichtsschreiberin Lang.
Verfahrensbeteiligte
1. A.________,
2. B.________,
3. C.________,
4. D.________,
5. E.________,
alle vertreten durch Rechtsanwältin Daniela Lutz und/oder Rechtsanwalt Alfred Müller,
Beschwerdeführer,
gegen
F.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Kloter und/oder Rechtsanwalt Sibin Heuser,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Herabsetzungsklage,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 12. Oktober 2023 (LB210059-O/U).
Sachverhalt:
A.
A.a. G.________ (nachfolgend: Erblasser) verstarb 2017. Aus einer ersten Ehe hinterliess der Erblasser zwei Kinder: einen Sohn, A.________ (geb. 1953) und eine bereits vorverstorbene Tochter, H.________ (geb. 1956). Letztere hatte ihrerseits vier Söhne: B.________ (geb. 1987), C.________ (geb. 1988), D.________ (geb. 1989) und E.________ (geb. 1992). In zweiter Ehe war der Erblasser seit 1987 mit F.________ (geb. 1937) verheiratet.
A.b. Am 5. April 2004 schlossen der Erblasser und seine zweite Ehefrau einen Ehe- und Erbvertrag. Darin vereinbarten sie zum einen die Gütertrennung und verzichteten zum anderen gegenseitig auf ihre Erb- und Pflichtteilsansprüche am Nachlass des anderen. Im Sinne letztwilliger Verfügungen setzte der Erblasser seine Kinder auf den Pflichtteil und richtete die gesamte verfügbare Quote als Vermächtnis dem I.________ aus.
A.c. Noch zu Lebzeiten übertrug der Erblasser seinen Kindern und später auch seiner zweiten Ehefrau diverse Vermögenswerte. Per Todestag betrug der noch vorhandene Nachlass Fr. 82'043.45.
B.
Nach erfolglosem Durchlaufen des Schlichtungsverfahrens erhoben der Sohn und die vier Enkelsöhne des Erblassers am 19. November 2018 eine Herabsetzungsklage am Bezirksgericht Zürich. Sie forderten unter Vorbehalt des Nachklagerechts insbesondere, F.________ sei zu verpflichten, ihnen Fr. 12'808'586.25 zuzüglich Zins von 5 % seit dem 24. Januar 2017 zu bezahlen. Das Bezirksgericht wies die Klage unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Kläger mit Entscheid vom 19. Oktober 2021 ab. Die hiergegen von den Klägern am Obergericht des Kantons Zürich erhobene Berufung, in der sie die eingeforderte Summe auf Fr. 6'500'000.-- reduzierten, blieb erfolglos. Das Obergericht wies die Berufung mit Entscheid vom 12. Oktober 2023 ab (Dispositiv-Ziff. 1), auferlegte den Klägern die auf Fr. 58'000.-- bestimmten (Dispositiv-Ziff. 2) Gerichtskosten (Dispositiv-Ziff. 3) und verpflichtete sie zur Bezahlung einer Parteientschädigung (Dispositiv-Ziff. 4).
C.
Hiergegen gelangen A.________, B.________, C.________, D.________ und E.________ (die Beschwerdeführer) mit Beschwerde in Zivilsachen vom 22. November 2023 an das Bundesgericht. Diesem beantragen sie die Aufhebung der Dispositiv-Ziffern 1, 3 und 4 des angefochtenen Entscheids. Die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, den Beschwerdeführern Fr. 6'322'250.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 24. Januar 2017 zu bezahlen.
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung hinsichtlich der kantonalen Prozesskosten wies der Präsident der urteilenden Abteilung, dem Antrag der Beschwerdegegnerin in deren Stellungnahme folgend, ab.
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, in der Sache jedoch keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Innert Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) angefochten ist der Endentscheid (Art. 90 BGG) einer auf Rechtsmittel hin urteilenden oberen kantonalen Instanz (Art. 75 BGG) betreffend eine Herabsetzungsklage und damit eine vermögensrechtliche Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG). Die Streitwertgrenze (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) ist überschritten und die Beschwerdeführer sind zur Beschwerdeführung berechtigt (Art. 76 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist das zutreffende Rechtsmittel.
2.
2.1. Mit der Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht in diesem Bereich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und prüft mit freier Kognition, ob der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Es befasst sich aber grundsätzlich nur mit formell ausreichend begründeten Einwänden. In der Beschwerde ist deshalb in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine Auseinandersetzung mit dessen Begründung erfordert (BGE 143 II 283 E. 1.2.2; 140 III 86 E. 2). Erhöhte Anforderungen gelten, wenn verfassungsmässige Rechte als verletzt gerügt werden. Das Bundesgericht prüft deren Verletzung nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; Rügeprinzip). Es prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 142 III 364 E. 2.4).
2.2.
2.2.1. Was den Sachverhalt angeht, legt das Bundesgericht seinem Urteil die vorinstanzlichen Feststellungen zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann die rechtsuchende Partei nur vorbringen, die vorinstanzlichen Feststellungen seien offensichtlich unrichtig, das heisst willkürlich (Art. 9 BV; BGE 147 I 73 E. 2.2 mit Hinweis), oder würden auf einer anderen Bundesrechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG (z.B. Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) beruhen. In der Beschwerde ist überdies darzutun, inwiefern die Behebung der gerügten Mängel für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 137 III 226 E. 4.2; 135 I 19 E. 2.2.2). Für die Rüge der offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung gilt ebenfalls das strenge Rügeprinzip nach Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 144 V 50 E. 4.1).
2.2.2. Die Beschwerdeführer widmen der Darstellung des aus ihrer Sicht relevanten Sachverhalts ein eigenes Kapitel, ohne jedoch zulässige Rügen in Bezug auf die Sachverhaltsermittlung der Vorinstanz zu erheben. Soweit ihre Darstellungen von den vorinstanzlichen Feststellungen abweichen, sind sie für das Bundesgericht daher unbeachtlich.
3.
3.1. Die Erben, die dem Werte nach weniger als ihren Pflichtteil erhalten, können die Herabsetzung unter anderem von Zuwendungen unter Lebenden verlangen (Art. 522 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). Zur Erhebung einer Herabsetzungsklage ist aktivlegitimiert, wer dem Werte nach weniger als seinen Pflichtteil erhalten hat (vgl. Urteil 5A_610/2013 vom 1. November 2013 E. 2.2.2).
3.2. Die Vorinstanz verneinte eine Verletzung der Beschwerdeführer in ihren Pflichtteilen. Sie erwog im Wesentlichen, zur Pflichtteilsberechnungsmasse gehörten zusätzlich zum reinen Nachlass von Fr. 82'043.45 und den lebzeitigen Zuwendungen (die Vorinstanz spricht von "Erbabfindung") an die Beschwerdegegnerin die vom Erblasser dem Beschwerdeführer 1 und der Mutter der Beschwerdeführer 2 bis 5 ausgerichteten lebzeitigen und ausgleichungspflichtigen Zuwendungen. Die bereits zu Lebzeiten von den beiden Kindern des Erblassers erhaltenen und der Ausgleichung unterliegenden Vermögenswerte (in Höhe von Fr. 13'819'000.-- oder eventuell Fr. 10'989'531.--) überstiegen den anhand der Pflichtteilsberechnungsmasse ermittelten Pflichtteil, weswegen ihre Herabsetzungsklage abzuweisen sei.
3.3. Die Beschwerdeführer bestreiten die lebzeitig erhaltenen Zuwendungen weder im Bestand noch in der Höhe. Sie vertreten aber die Auffassung, diese dürften weder der Pflichtteilsberechnungsmasse hinzu- noch auf ihren Pflichtteil angerechnet werden, weil die Regeln der Ausgleichung vorliegend gar keine Anwendung fänden. Die Vorinstanz habe dies fälschlicherweise für irrelevant erachtet bzw. sich zu Unrecht nicht mit den diesbezüglichen Argumenten der Beschwerdeführer befasst und damit das rechtliche Gehör und Art. 626 ZGB verletzt. Richtigerweise fänden die Regeln zur Ausgleichung keine Anwendung, da der Erblasser zum einen anderweitig letztwillig verfügt habe und der Beschwerdegegnerin zum anderen gar keine Gläubigerstellung zukomme, da sie nicht Erbin sei.
Die Beschwerdeführer führen weiter aus, der Herabsetzungstatbestand an sich sei unstrittig: Die Vorinstanz habe den Pflichtteil der Nachkommen von 3/8 (altes Recht) mit Fr. 6'404'293.10 beziffert. Nach Anrechnung des vorgefundenen Nachlasses von Fr. 82'043.-- stünden den Beschwerdeführern aus Herabsetzung also Fr. 6'322'250.-- zu. Strittig sei einzig, ob die Beschwerdegegnerin aus Ausgleichung einen Anspruch habe, den sie den Beschwerdeführern verrechnungsweise entgegenhalten könne.
3.4. Die Ausführungen der Beschwerdeführer treffen nicht zu.
3.4.1. Zunächst verkennen sie offensichtlich die Anforderungen, die der Anspruch auf Begründung den Gerichten auferlegt. Die Vorinstanz verwarf ausdrücklich die (auch vor Bundesgericht wiederholte) Argumentation der Beschwerdeführer. Sie führte aus, es sei nicht relevant, ob die Beschwerdegegnerin zur Erhebung einer Ausgleichungsklage aktivlegitimiert wäre, denn vorliegend gehe es nicht um eine Ausgleichungsklage, sondern um die Bestimmung der Pflichtteilsberechnungsmasse. Vor diesem Hintergrund gehe die Argumentation zur Anwendbarkeit von Art. 626 Abs. 2 ZGB ins Leere. Damit setzte sich die Vorinstanz offensichtlich mit der Argumentation der Beschwerdeführer auseinander und begründete das Ergebnis ihres Entscheids (BGE 146 II 335 E. 5.1; 145 III 324 E. 6.1; 142 III 433 E. 4.3.2). Die Frage, ob die Rechtsauffassung der Vorinstanz zutrifft, beschlägt nicht das rechtliche Gehör.
3.4.2. Sodann gehen die Beschwerdeführer offensichtlich von falschen Grundlagen aus. So ist der Herabsetzungstatbestand an sich keineswegs unstrittig und geht es auch nicht darum, ob die Beschwerdegegnerin irgendwelche Verrechnungsansprüche geltend machen kann. Die Beschwerdeführer sind eben nur dann zur Erhebung einer Herabsetzungsklage berechtigt, wenn sie dem Werte nach weniger als ihren Pflichtteil erhalten (haben). Dies setzt die Ermittlung der Pflichtteile und damit auch die Bestimmung der Pflichtteilsberechnungsmasse voraus. Hierzu sind gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung zum reinen Nachlass erstens die vom Erblasser zu dessen Lebzeiten getätigten Zuwendungen, soweit sie der Herabsetzung unterliegen (Art. 475 und Art. 527 ZGB ), und zweitens die der Ausgleichung (Art. 626 ZGB) unterliegenden Zuwendungen hinzuzurechnen (BGE 127 III 396 E. 2a; statt vieler: PIATTI, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 7. Aufl. 2023, N. 2 zu Art. 522 ZGB). Dies betrifft sowohl die Zuwendungen i.S.v. Art. 626 Abs. 1 ZGB (gewillkürte Ausgleichung) als auch diejenigen gemäss Art. 626 Abs. 2 ZGB (gesetzliche Ausgleichung; BGE 76 II 188 E. 2) und gilt auch dann, wenn dem Ausgleichungsschuldner kein Ausgleichungsgläubiger gegenübersteht. Relevant ist einzig, dass die Zuwendungen an sich ausgleichungspflichtig wären (EITEL, Die Berücksichtigung lebzeitiger Zuwendungen im Erbrecht, 1998, S. 600 Rz. 22 ff.). Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Pflichtteilsberechnungsmasse eine rein rechnerische (WOLF/GENNA, Erbrecht, SPR Bd. IV/1, 2012, S. 453), gesetzlich bestimmte (vgl. TUOR, Berner Kommentar, 1952, N. 12 zu Art. 522 ZGB) Grösse darstellt, die nicht unterschiedlich ausfallen kann, je nach dem wer gegen wen einen Herabsetzungsanspruch geltend macht. Dass die vom Beschwerdeführer 1 und der Mutter der Beschwerdeführer 2-5 erhaltenen lebzeitigen Zuwendungen grundsätzlich ausgleichungspflichtig sind, hat die Vorinstanz bejaht. Die Beschwerdeführer setzen dem vor Bundesgericht abgesehen von ihrer grundsätzlichen Opposition, wonach die Regeln der Ausgleichung per se nicht anwendbar seien, nichts entgegen. Betreffend die Zuwendungen an die Mutter der Beschwerdeführer 2 bis 5 ist an dieser Stelle noch hinzuzufügen, dass die Ausgleichungspflicht für diese Zuwendungen an die Beschwerdeführer 2 bis 5 übergegangen ist (Art. 627 ZGB).
3.4.3. Die Hinzurechnung von der Ausgleichung unterliegenden Zuwendungen setzt zwar grundsätzlich voraus, dass diese auch
tatsächlich zur Ausgleichung gelangen, was beispielsweise nicht der Fall ist, wenn der Ausgleichungsschuldner das Erbe ausschlägt (siehe dazu EITEL, Die erbrechtliche Berücksichtigung lebzeitiger Zuwendungen, in: ZBJV 142/2006 S. 476 ff.). Dass die Vorbezüge tatsächlich zur Ausgleichung gelangen bedeutet dabei jedoch nur, dass sie zur Anrechnung an das Erbbetreffnis des Empfängers gelangen (BGE 76 II 188 E. 2). Eben diese Anrechnung hat im Rahmen der konkreten Berechnung (BGE 133 III 309 E. 5), ob der einen Herabsetzungsanspruch geltend machende Pflichtteilserbe dem Werte nach seinen Pflichtteil erhalten hat, zu erfolgen (vgl. Urteil 5A_610/2013 vom 1. November 2013 E. 2.2.2; TUOR, a.a.O., N. 12 zu Art. 522 ZGB; HRUBESCH-MILLAUER, in: Abt/Weibel [Hrsg.], Erbrecht, 5. Aufl. 2023, N. 4b zu Art. 522 ZGB; PIATTI, a.a.O., N. 2 zu Art. 522 ZGB).
3.5. Die Vorinstanz hat demzufolge zu Recht die grundsätzlich der Ausgleichung unterliegenden lebzeitigen Zuwendungen an den Beschwerdeführer 1 und die Mutter der Beschwerdeführer 2 bis 5 sowohl zur Pflichtteilsberechnungsmasse hinzugezogen als auch an ihren Pflichtteil angerechnet. Sie hat mit ihrem Vorgehen daher kein Bundesrecht verletzt; die Argumentation der Beschwerdeführer geht ins Leere. Nachdem sich die Beschwerdeführer gegen die auf dieser Basis erfolgte vorinstanzliche Berechnung nicht zur Wehr setzen, hat es beim angefochtenen Entscheid sein Bewenden. Dies gilt auch für die nur im Hinblick auf das Obsiegen in der Sache angefochtene vorinstanzliche Kostenregelung.
4.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens haben die Beschwerdeführer zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftbarkeit für die Gerichtskosten aufzukommen ( Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG ) und der Beschwerdegegnerin für deren Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung eine reduzierte Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 66 Abs. 5 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 35'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, mitgeteilt.
Lausanne, 10. Juli 2024
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Herrmann
Die Gerichtsschreiberin: Lang