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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_991/2023  
 
 
Urteil vom 10. Juli 2024  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichter von Felten, 
Gerichtsschreiberin Pasquini. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Julian Burkhalter, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Haftentschädigung/Genugtuung; rechtliches Gehör etc., 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 28. April 2023 (SB220293-O/U/jv). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Bezirksgericht Zürich sprach A.________ am 10. Februar 2022 vom Vorwurf der einfachen Körperverletzung (Dossier 2) frei. Es sprach ihn aber der mehrfachen einfachen Körperverletzung (Dossiers 3 und 7), der mehrfachen Drohung (Dossiers 4 und 5), des mehrfachen Hausfriedensbruchs (Dossiers 1 und 6), der Beschimpfung (Dossier 2) und der Tätlichkeiten (Dossier 1) schuldig. Das Bezirksgericht verurteilte A.________ zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten und 15 Tagen sowie zu einer Busse von Fr. 200.--, wobei es die Freiheitsstrafe als vollständig durch Haft erstanden erachtete. Weiter ordnete es eine stationäre therapeutische Massnahme an, an deren Dauer sie 26 Tage Haft anrechnete und wofür sie den Vollzug der Freiheitsstrafe aufschob. Schliesslich beurteilte das Bezirksgericht Zürich die Zivilklagen und sah von der Ausrichtung einer Genugtuung an A.________ ab. Gegen diesen Entscheid reichte dieser die Berufung ein. 
 
B.  
Mit Urteil vom 28. April 2023 bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich die bezirksgerichtlichen Schuldsprüche, soweit angefochten. Es bestrafte A.________ ebenfalls mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten und 15 Tagen und mit einer Busse von Fr. 200.--. Dabei erachtete es sowohl die Freiheitsstrafe als auch die Busse als vollständig durch Haft erstanden. Auf die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme verzichtete das Obergericht. Es regelte sodann die Zivilklagen und sprach A.________ keine Genugtuung zu. Schliesslich wies es dessen Antrag ab, es sei festzustellen, dass die aktuellen Haftbedingungen seine Würde verletzen würden. 
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen sinngemäss, in Aufhebung der Dispositivziffer 7 des Urteils des Obergerichts des Kantons Zürich sei ihm aus der Staatskasse eine Genugtuung von Fr. 59'800.--, zzgl. Zins zu 5 % ab dem 7. März 2021, auszurichten. Eventualiter sei die Sache zur neuen Begründung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. A.________ stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf Vernehmlassungen verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten beigezogen. Dem diesbezüglichen Verfahrensantrag des Beschwerdeführers ist damit Genüge getan. 
Ferner ersucht der Beschwerdeführer um Beizug der Vollzugsakten zu seiner Person. Er setzt sich jedoch nicht mit den entsprechenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid auseinander (Urteil S. 9 E. I.5) und vermag damit den Begründungsanforderungen nicht zu genügen (Art. 42 Abs. 2 BGG). Auf seinen Antrag kann daher mangels Begründung nicht eingetreten werden. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer bringt zusammengefasst vor, im Gegensatz zur ersten Instanz ordne die Vorinstanz keine stationäre therapeutische Massnahme an. Folglich seien lediglich 315 Tage seines insgesamt 789 Tage dauernden Freiheitsentzugs begründet gewesen. Für die restlichen Tage habe er eine unzulässige Überhaft erlitten, wofür ihm eine Genugtuung auszurichten sei. Indem ihm die Vorinstanz keine zuspreche, verletze sie Art. 431 Abs. 2 StPO und Art. 5 Ziff. 5 EMRK. Zudem verstosse sie gegen das Willkürverbot, da sie sich nicht zur Dauer seines Freiheitsentzugs äussere. Schliesslich verletze sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör bzw. ihre Begründungspflicht nach Art. 29 Abs. 2 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK und ebenso Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG, weil sie nicht bzw. nicht hinreichend begründe, weshalb ihm trotz Überhaft von 474 Tagen keine Genugtuung zustehe.  
 
2.2. Die Vorinstanz erachtet eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten und 15 Tagen als angemessen. Im Rahmen ihrer Erwägungen zur Strafzumessung stellt sie fest, der Beschwerdeführer weise eine unbehandelte psychische Störung auf und der Gutachter taxiere dessen Legalprognose als sehr kritisch. Die Freiheitsstrafe sei als vollziehbar zu erklären. Allerdings habe der Beschwerdeführer diese bereits vollständig durch Haft erstanden (Art. 51 StGB; Urteil S. 20 E. III.1.6 ff.).  
Sodann hält die Vorinstanz fest, nach seiner Verhaftung am 7. März 2021 sei der Beschwerdeführer in Untersuchungs- sowie Sicherheitshaft gewesen. Seit dem 22. April 2022 befinde er sich in der Klinik B.________ (Urteil S. 21 E. IV.2). Sie gelangt zum Schluss, die Massnahmenbedürftigkeit sei gegeben, die Massnahmefähigkeit sei hingegen äusserst fraglich und schliesslich liege keine Massnahmebereitschaft resp. -willigkeit vor (vgl. Art. 56 StGB; Urteil S. 23 E. IV.8). Dementsprechend ordnet die Vorinstanz, im Gegensatz zur ersten Instanz, keine stationäre therapeutische Massnahme an (Urteil S. 24 E. IV.9). 
Schliesslich erwägt die Vorinstanz, da heute trotz offensichtlicher Massnahmenindikation eine stationäre therapeutische Massnahme nicht mehr angeordnet werde, weil deren Erfolgsaussichten zu gering und die Verhältnismässigkeit nicht mehr gegeben wären, stelle sich die Frage nach einer Genugtuung für den Beschwerdeführer. Sie erkennt, die durch ihn erstandene Haft sei auf die auszufällende Strafe anzurechnen resp. sei die Strafe als durch Haft verbüsst zu erachten. Eine Genugtuung für die 26 Tage erstandene Haft bis zum erstinstanzlichen Urteilsdatum [10. Februar 2022], die nicht durch die auszufällende Strafe konsumiert worden sei, für die 71 Tage Haft, die der Beschwerdeführer seit Urteilsdatum bis zum Eintritt in die Klinik B.________ und damit dem Massnahmenantritt erstanden habe (10. Februar 2022 bis 22. April 2022) sowie für die 372 Tage, seit sich der Beschwerdeführer im vorzeitigen Massnahmenvollzug befinde (22. April 2022 bis 28. April 2023) habe jedoch keine Stütze. Die erste Instanz habe im Zeitpunkt ihres Urteils noch davon ausgehen dürfen, dass die stationäre Behandlung beim Beschwerdeführer Aussicht auf Erfolg habe. Damit sei auch die Haft von 21 [recte: 26] und 71 Tagen im Hinblick auf den Antritt der stationären therapeutischen Massnahme gerechtfertigt gewesen. Die Voraussetzungen für den Verzicht auf eine beim Beschwerdeführer an sich indizierte, stationäre therapeutische Massnahme hätten sich erst im Verlauf des Berufungsverfahrens aufgezeigt, namentlich erst mit dem Eingang des Verlaufsberichts aus dem vorzeitigen Massnahmenvollzug im März 2023 bzw. bei dessen Verarbeitung im Rahmen der Urteilsberatung sowie durch den vom Beschwerdeführer hinterlassenen Eindruck an der Berufungsverhandlung. Somit habe der fraglos behandlungsbedürftige Beschwerdeführer durch Haft und den vorzeitigen stationären Massnahmenvollzug keinen genugtuungsrelevanten Freiheitsentzug erlitten (Urteil S. 24 f. E. V). 
 
2.3.  
 
2.3.1. Sind gegenüber der beschuldigten Person rechtswidrig Zwangsmassnahmen angewandt worden, so spricht ihr die Strafbehörde eine angemessene Entschädigung und Genugtuung zu (Art. 431 Abs. 1 StPO). Im Fall von Untersuchungs- und Sicherheitshaft besteht der Anspruch, wenn die zulässige Haftdauer überschritten ist und der übermässige Freiheitsentzug nicht an die wegen anderer Straftaten ausgesprochenen Sanktionen angerechnet werden kann (Art. 431 Abs. 2 StPO).  
Art. 431 StPO gewährleistet Anspruch auf Entschädigung und Genugtuung bei rechtswidrigen Zwangsmassnahmen (Abs. 1) oder bei Überhaft (Abs. 2). Überhaft liegt vor, wenn die Untersuchungs- und/oder Sicherheitshaft unter Einhaltung der formellen und materiellen Voraussetzungen rechtmässig angeordnet wurde, diese den im Entscheid ausgesprochenen Freiheitsentzug aber überschreitet, also länger dauert als die tatsächlich ausgefällte Sanktion. Bei Überhaft nach Art. 431 Abs. 2 StPO ist also nicht die Haft per se, sondern nur die Haftlänge ungerechtfertigt. Sie wird erst im Nachhinein, das heisst nach Fällung des Urteils, übermässig (vgl. BGE 141 IV 236 E. 3.2 mit Hinweisen; Urteile 6B_433/2023 vom 25. März 2024 E. 1.1.2; 6B_273/2021 vom 25. August 2022 E. 1.3.1, nicht publ. in: BGE 148 IV 419; 6B_1420/2022 vom 10. März 2023 E. 2.3.1; je mit Hinweisen). Art. 431 Abs. 2 StPO stellt die Grundregel auf, dass Überhaft nur zu entschädigen ist, wenn sie nicht an die wegen anderer Straftaten ausgesprochenen Sanktionen angerechnet werden kann, was im Einklang mit der im Kern kongruenten Regel von Art. 51 StGB steht (BGE 141 IV 236 E. 3.3; Urteile 6B_138/2024 vom 1. Mai 2024 E. 5.3; 6B_433/2023 vom 25. März 2024 E. 1.1.2; je mit Hinweisen). Der Anspruch nach Art. 431 Abs. 2 StPO entfällt zudem, wenn die beschuldigte Person zu einer Geldstrafe, zu gemeinnütziger Arbeit oder zu einer Busse verurteilt wird, die umgewandelt eine Freiheitsstrafe ergäbe, die nicht wesentlich kürzer wäre als die ausgestandene Untersuchungs- und Sicherheitshaft (Art. 431 Abs. 3 lit. a StPO), oder wenn die beschuldigte Person zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt wird, deren Dauer die ausgestandene Untersuchungs- und Sicherheitshaft überschreitet (Art. 431 Abs. 3 lit. b StPO). 
 
2.3.2. Als Zwangsmassnahme gelten nach Art. 196 StPO jene Verfahrenshandlungen der Strafbehörden, welche in die Grundrechte des Betroffenen eingreifen und dazu dienen, Beweise zu sichern, die Anwesenheit von Personen im Verfahren sicherzustellen oder die Vollstreckung des Entscheids zu gewährleisten. Hierzu zählen insbesondere die Untersuchungs- und Sicherheitshaft. Freiheitsentzug ist bis zur Rechtskraft einer Verurteilung auch als Zwangsmassnahme zu behandeln; erst nach Rechtskraft des Urteils wird er zur Sanktion (WEHRENBERG/FRANK, in: Basler Kommentar, Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 431 StPO; vgl. Urteil 6B_878/2019 vom 20. Mai 2020 E. 1.4.2). Zwangsmassnahmen sind rechtswidrig, wenn zum Zeitpunkt ihrer Anordnung oder Fortsetzung die materiellen oder formellen gesetzlichen Voraussetzungen nach Art. 196 ff. StPO nicht erfüllt waren (Urteile 6B_672/2021 vom 15. Mai 2023 E. 5.2.3; 6B_1420/2022 vom 10. März 2023 E. 2.3.2; 6B_888/2021 vom 24. November 2022 E. 5.3; je mit Hinweisen). Wird hingegen erst im Nachhinein festgestellt, dass die Zwangsmassnahme ungerechtfertigt war, weil die beschuldigte Person freigesprochen oder deren Strafverfahren eingestellt wird, waren aber im Zeitpunkt der Anordnung der Zwangsmassnahme deren Voraussetzungen gegeben, stützt sich der Entschädigungs- bzw. Genugtuungsanspruch auf Art. 429 StPO (Urteil 6B_1420/2022 vom 10. März 2023 E. 2.3.2 mit Hinweisen; WEHRENBERG/FRANK, a.a.O., N. 3 zu Art. 431 StPO).  
 
2.3.3. Gemäss Art. 56 Abs. 1 StGB ist eine Massnahme anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr weiterer Straftaten des Täters zu begegnen (lit. a), ein Behandlungsbedürfnis des Täters besteht oder die öffentliche Sicherheit dies erfordert (lit. b) und die Voraussetzungen der Artikel 59-61, 63 oder 64 erfüllt sind (lit. c). Eine stationäre therapeutische Massnahme zur Behandlung von psychischen Störungen ist nach Art. 59 Abs. 1 StGB anzuordnen, wenn der Täter psychisch schwer gestört ist, er ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat, das mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang steht (lit. a), und zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit seiner psychischen Störung in Zusammenhang stehender Taten begegnen (lit. b). Die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme setzt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür voraus, dass sich durch eine solche Massnahme über die Dauer von fünf Jahren die Gefahr weiterer mit der psychischen Störung in Zusammenhang stehender Straftaten deutlich verringern bzw. eine tatsächliche Reduktion des Rückfallrisikos erreichen lässt. Eine lediglich vage, bloss theoretische Erfolgsaussicht genügt für die Anordnung einer therapeutischen Massnahme nicht. Nicht erforderlich ist hingegen, dass über einen Behandlungszeitraum von fünf Jahren ein Zustand erreicht wird, der es rechtfertigt, dem Betroffenen Gelegenheit für eine Bewährung in Freiheit zu geben (vgl. BGE 134 IV 315 E. 3.4.1; Urteile 6B_1226/2023 vom 20. Dezember 2023 E. 2.3.1; 7B_197/2023 vom 14. Juli 2023 E. 4.2.1; 6B_766/2022 vom 17. Mai 2023 E. 3.2; je mit Hinweisen).  
Massnahmen im Sinne von Art. 56 ff. StGB werden ohne Rücksicht auf Art und Dauer der ausgesprochenen Strafe angeordnet. Massgebend sind der Geisteszustand des Täters und die Auswirkungen der Massnahme auf die Gefahr weiterer Straftaten (BGE 136 IV 156 E. 2.3; Urteile 7B_197/2023 vom 14. Juli 2023 E. 4.2.4; 6B_1225/2021 vom 7. Januar 2022 E. 3.9.2; je mit Hinweisen). 
 
2.3.4. Der aus Art. 5 Abs. 5 EMRK abgeleitete Entschädigungsanspruch besteht unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, insbesondere des Verhaltens der beschuldigten Person. Die zuständige Strafbehörde entscheidet über den Anspruch von Amtes wegen im Endentscheid, wobei die Frage nach dem Ob einer Entschädigung aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Bestimmung nicht im Ermessen der Strafbehörde liegt. Für die Art und den Umfang der Wiedergutmachung nach Art. 429 ff. StPO dürfen die allgemeinen Bestimmungen der Art. 41 ff. OR herangezogen werden. Die Wahl der Art der Wiedergutmachung obliegt nicht der beschuldigten Person, sondern steht im Ermessen des Richters (Urteile 6B_1420/2022 vom 10. März 2023 E. 2.3.3; 6B_878/2019 vom 20. Mai 2020 E. 1.4.2; 6B_1223/2019 vom 27. März 2020 E. 8.3; je mit Hinweisen).  
 
2.3.5. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie willkürlich ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.3.5; 147 IV 73 E. 4.1.2). Zum Begriff der Willkür und zu den qualifizierten Begründungsanforderungen kann auf die einschlägigen Gesetzesbestimmungen und die bisherige Rechtsprechung verwiesen werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.3.5 und E. 2.6; 147 IV 73 E. 4.1.2; je mit Hinweisen).  
 
2.3.6. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV folgt die Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen. Das Gericht muss in seiner Begründung wenigstens kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen es sich hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stützt. Es darf sich dabei auf die massgebenden Gesichtspunkte beschränken und muss sich nicht ausdrücklich mit jeder tatsächlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen und diese widerlegen (BGE 147 IV 409 E. 5.3.4; 146 IV 297 E. 2.2.7; je mit Hinweisen).  
Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, müssen unter anderem die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art enthalten (Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG). Der vorinstanzliche Entscheid hat eindeutig aufzuzeigen, auf welchem festgestellten Sachverhalt und auf welchen rechtlichen Überlegungen er beruht (BGE 141 IV 244 E. 1.2.1 mit Hinweisen). Die Begründung ist insbesondere mangelhaft, wenn der angefochtene Entscheid jene tatsächlichen Feststellungen nicht trifft, die zur Überprüfung des eidgenössischen Rechts notwendig sind, oder wenn die rechtliche Begründung des angefochtenen Entscheids so lückenhaft oder unvollständig ist, dass nicht geprüft werden kann, wie das eidgenössische Recht angewendet wurde (BGE 135 II 145 E. 8.2; 119 IV 284 E. 5b; je mit Hinweisen). Genügt ein Entscheid diesen Anforderungen nicht, so kann das Bundesgericht ihn in Anwendung von Art. 112 Abs. 3 BGG an die kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben. Hingegen steht es ihm nicht zu, sich an die Stelle der Vorinstanz zu setzen, die ihrer Aufgabe nicht nachgekommen ist (BGE 141 IV 244 E. 1.2.1; zum Ganzen: Urteile 6B_73/2023 vom 28. Dezember 2023 E. 1.3.3; 6B_194/2022 vom 12. Mai 2023 E. 2.5.4; je mit Hinweisen). 
 
2.4. Gemäss den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid befand sich der Beschwerdeführer ab seiner Verhaftung am 7. März 2021 zunächst in Untersuchungs- und Sicherheitshaft. Alsdann trat er am 22. April 2022 vorzeitig den Massnahmenvollzug an, nachdem die erste Instanz in ihrem Urteil vom 10. Februar 2022 eine stationäre therapeutische Massnahme i.S.v. Art. 59 Abs. 1 StGB angeordnet hatte (Urteil S. 2 und S. 21). Er war vom 22. April 2022 bis zum 28. April 2023 in der Klinik B.________ im vorzeitigen Massnahmenvollzug (Urteil S. 25). Weiter ist unbestritten, dass die vorinstanzlich ausgefällte Freiheitsstrafe von 10 Monaten und 15 Tagen sowie die Busse von Fr. 200.-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) vollständig durch Haft erstanden sind (Urteil S. 20 und S. 29 f.). Sodann stellt der Beschwerdeführer nicht in Abrede, dass die formellen und materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungs- sowie Sicherheitshaft und für den vorzeitigen Massnahmenvollzug gegeben waren, diese mithin rechtmässig angeordnet worden waren.  
In ihren Erwägungen zur Abweisung einer Genugtuung an den Beschwerdeführer weist die Vorinstanz zum einen darauf hin, dass die erste Instanz noch habe davon ausgehen dürfen, dass die stationäre Behandlung des Beschwerdeführers Erfolg habe, weshalb dessen Haft bis zum Antritt des vorzeitigen Massnahmevollzugs gerechtfertigt gewesen sei. Zum anderen hält sie fest, es habe sich erst im Verlauf des Berufungsverfahrens gezeigt, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahmen nicht mehr gegeben seien. Diese Ausführungen deuten darauf hin, dass die Vorinstanz dem Beschwerdeführer eine Entschädigung/Genugtuung einzig deshalb abspricht, weil sie den erstinstanzlichen Massnahmenentscheid als rechtmässig angeordnet erachtet. Sie scheint dabei davon auszugehen, dass sein gesamter Freiheitsentzug aufgrund der erstinstanzlich angeordneten stationären therapeutischen Massnahme gerechtfertigt, diese Massnahme wegen der in der Zwischenzeit eingetretenen fehlenden Erfolgsaussichten mit dem Berufungsentscheid jedoch "aufzuheben" war. Bei dieser Einschätzung lässt die Vorinstanz allerdings unbeachtet, dass es zwischen der ungerechtfertigten Haft per se und der ungerechtfertigten Haftlänge zu unterscheiden gilt (E. 2.3.1). Dass die Vorinstanz die massgeblichen rechtlichen Bestimmungen nicht ausdrücklich nennt, ist entgegen dem Einwand des Beschwerdeführers, nicht weiter relevant. Dass sie diese jedoch nicht zu prüfen bzw. anzuwenden scheint, hingegen schon. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Vorinstanz die erstinstanzlich angeordnete stationäre Massnahme nicht "aufgehoben" (Art. 62c StGB) hat. Vielmehr ist der Anordnungsentscheid der ersten Instanz nicht in Rechtskraft erwachsen, weil der Beschwerdeführer ihn mittels Berufung angefochten und an die Vorinstanz weitergezogen hatte. Diese hat dann als Berufungsinstanz gemäss Art. 408 StPO ein neues Urteil gefällt und ihrerseits keine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet. Weil die Vorinstanz - entgegen der ersten Instanz - keine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet hat, der erstinstanzliche Massnahmeentscheid daher weder in Rechtskraft erwachsen ist, noch bestätigt wurde, hätte sie zu prüfen gehabt, ob bzw. ab wann der Freiheitsentzug des Beschwerdeführers ungerechtfertigt war. Angesichts dieser Ausgangslange drängen sich somit weitere Überlegungen auf. Die Vorinstanz wird sich folglich auch dazu zu äussern haben, ob bzw. inwiefern es sich bei den in Haft bzw. im vorzeitigen Massnahmevollzug verbrachten Tage des Beschwerdeführers um einen Freiheitsentzug handelt, insbesondere ob die im Rahmen des vorzeitigen Massnahmevollzugs erstandenen Tage als Freiheitsentzug zu verstehen sind und, ob derjenige Teil dieses Freiheitsentzugs, der die ausgesprochene Freiheitsstrafe überschritt, zu entschädigen ist. Indem sie einzig festhält, der Beschwerdeführer habe keinen genugtuungsrelevanten Freiheitsentzug erlitten, ohne sich mit den massgeblichen Einwänden des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen und sich zu den vorgenannten Fragen zu äussern, kommt sie ihrer Begründungspflicht i.S.v. Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG sowie Art. 29 Abs. 2 BV nicht nach. Weder den Parteien noch dem Bundesgericht ist es im jetzigen Zeitpunkt möglich, das vorinstanzliche Urteil auf dessen Rechtmässigkeit hin zu prüfen. 
 
 
3.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese hat das Entschädigungs- bzw. Genugtuungsbegehren des Beschwerdeführers erneut zu prüfen und die Höhe der Entschädigung bzw. Genugtuung unter Angabe der relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten festzulegen und neu zu begründen. Da sich bereits die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör des Beschwerdeführers und der Begründungspflicht als begründet erweist, kann offen bleiben, wie es sich mit seinen weiteren Rügen verhält. 
Es sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Da dieser um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ersucht, ist die Parteientschädigung praxisgemäss seinem Rechtsbeistand auszurichten. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. April 2023 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Julian Burkhalter, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. Juli 2024 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini