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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_354/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 10. August 2017  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Karlen, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Fonjallaz, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatssekretariat für Migration, 
Quellenweg 6, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Asyl, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 2. Juni 2017 des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung IV. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ ist Staatsangehöriger von Mazedonien. Am 13. Mai 2002 reichte er ein erstes Asylgesuch in der Schweiz ein, welches in der Folge jedoch abgewiesen wurde. Am 9. Oktober 2009 stellte er ein zweites. Das damalige Bundesamt für Migration (BFM; seit dem 1. Januar 2015: Staatssekretariat für Migration, SEM) trat darauf nicht ein und verfügte die Wegweisung. Am 25. Dezember 2009 verliess A.________ die Schweiz. 
 
Am 22. Juli 2013 ersuchte A.________ ein drittes Mal um Asyl in der Schweiz. Zur Begründung führte er namentlich aus, er sei in Mazedonien zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Strafe sei überrissen ausgefallen, weil er zur albanischen Minderheit gehöre. Mit Verfügung vom 15. August 2013 lehnte das BFM dieses Asylgesuch ab, verfügte abermals die Wegweisung aus der Schweiz und ordnete deren Vollzug an. Mit Urteil vom 30. September 2013 trat das Bundesverwaltungsgericht auf eine dagegen erhobene Beschwerde nicht ein. Daraufhin verliess A.________ die Schweiz im November 2013 erneut. 
 
2014 heiratete A.________ in der Schweiz eine Schweizer Bürgerin. Die zuständige kantonale Behörde verlängerte aufgrund des Familiennachzugs mehrfach seine Aufenthaltsbewilligung, gelangte jedoch zum Schluss, dass es sich um eine Scheinehe handle. Im Mai 2015 wurde er nach einem Streit mit seiner Ehefrau festgenommen und drei Monate lang inhaftiert. Seine Ehefrau reichte im selben Monat Scheidungsklage ein. Schliesslich setzten ihm die zuständigen kantonalen Behörden Frist zur Ausreise bis zum 4. September 2015. 
 
Am 4. September 2015 reichte A.________ ein viertes Asylgesuch ein. Am 11. November 2015 hörte ihn das SEM einlässlich zu seinen Asylgründen an. Er führte im Wesentlichen aus, er sei im Februar 2015 aus Liebe zu seiner Frau vom Islam zu einer christlichen Freikirche konvertiert. Hiervon hätten seine Familienangehörigen in Mazedonien erfahren. Sein noch in Mazedonien lebender Bruder habe ihm per SMS mitgeteilt, dass er zuhause nichts mehr zu suchen habe. Ausserdem werde man ihn von der Erbschaft ausschliessen und sich nicht mehr um ihn kümmern. Zusätzlich wäre er an seinem Herkunftsort in Mazedonien nunmehr durch die Mujaheddin gefährdet. Er befürchte, von diesen erschossen zu werden. Nach dem erwähnten SMS sei der Kontakt zu seinen Verwandten in Mazedonien weitgehend abgerissen. Im Weiteren gebe es in Mazedonien zwischen der Minderheit der Albaner und den slawischen Mazedoniern Spannungen, insbesondere würden Albaner unterdrückt. Schliesslich wies er abermals darauf hin, dass er in Mazedonien zwischenzeitlich zu zwei Jahren Haft verurteilt worden sei, hielt aber gleichzeitig fest, er würde diese Strafe ohne Weiteres absitzen, hätte er nicht die genannten Probleme mit seiner Familie. 
 
Mit Urteil vom 23. Februar 2016 verurteilte das Bezirksgericht Baden A.________ namentlich wegen versuchter Nötigung, mehrfacher Drohung, mehrfacher einfacher Körperverletzung, mehrfacher Beschimpfung, mehrfacher sexueller Belästigung sowie mehrfachen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten. 
 
Mit Verfügung vom 17. Mai 2017 lehnte das SEM das vierte Asylgesuch von A.________ ab, weil seine Vorbringen sowohl den Anforderungen an das Glaubhaftmachen als auch denjenigen an die Flüchtlingseigenschaft nicht standhielten. Die Wegweisung aus der Schweiz sei jedoch nicht anzuordnen, da er von einer Auslieferungsverfügung betroffen sei. 
 
Eine von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 2. Juni 2017 ab. 
 
B.   
Mit Schreiben vom 29. Juni 2017 erhebt A.________ Beschwerde ans Bundesgericht. Er beantragt sinngemäss die Aufhebung des bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheids. 
 
Mit Eingabe vom 11. Juli 2017 weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass er sich derzeit im Strafvollzug befinde und deshalb den verlangten Kostenvorschuss nicht leisten könne. 
 
Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Parallele Auslieferungs- und Asylverfahren sind wechselseitig zu koordinieren und werden auf der Stufe des Bundesgerichts zusammengeführt, um eine widerspruchsfreie Rechtsprechung unter Beachtung des Gebots des Non-Refoulement zu gewährleisten (BGE 138 II 513 E. 1.2.1 S. 515 f. mit Hinweisen; Bundesgesetz vom 1. Oktober 2010 über die Koordination des Asyl- und des Auslieferungsverfahrens [AS 2011 925 ff.]). 
Am 14. Dezember 2015 ersuchte Mazedonien die Schweiz um Auslieferung des Beschwerdeführers zur Vollstreckung der erwähnten Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Am 28. April 2017 bewilligte das Bundesamt für Justiz (BJ) die Auslieferung. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesstrafgericht mit Urteil vom 25. Juli 2017 abgewiesen. In der Folge erhob der Beschwerdeführer beim Bundesgericht Beschwerde. Darüber befindet das Bundesgericht heute mit separatem Entscheid (Verfahren 1C_398/2017). Damit ist die Koordination von Auslieferungs- und Asylverfahren sichergestellt. Dem Bundesgericht liegen die Akten des Auslieferungsverfahrens vor (Art. 108a des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG; SR 142.31]). 
 
2.   
Gemäss Art. 83 lit. d Ziff. 1 BGG ist die Beschwerde unzulässig gegen Entscheide auf dem Gebiet des Asyls, die vom Bundesverwaltungsgericht getroffen worden sind, ausser sie betreffen Personen, gegen die ein Auslieferungsersuchen des Staates vorliegt, vor welchem sie Schutz suchen. Gegen den Beschwerdeführer liegt ein mazedonisches Auslieferungsersuchen vor. Die Beschwerde ist daher zulässig. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten (Art. 82 ff. BGG). 
 
3.  
 
3.1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen auf Gesuch hin Asyl.  
Nach Art. 3 AsylG sind Flüchtlinge Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Abs. 1). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Abs. 2 Satz 1). 
Wer um Asyl nachsucht, muss gemäss Art. 7 AsylG die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen (Abs. 1). Glaubhaft gemacht ist die Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält (Abs. 2). Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Abs. 3). 
 
3.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei am 17. Februar 2015 aus Liebe vom Islam zum Christentum konvertiert. Seit diesem Tag habe er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Nicht er, sondern seine Familie habe den Kontakt abgebrochen. Er werde von seinem eigenen Bruder bedroht, dieser hetze Leute aus seinem eigenen Dorf gegen ihn auf. Kehre er zurück, sei es nur eine Frage der Zeit, bis er getötet würde. Es gehe ihm nicht darum, sich der ausstehenden Strafe zu entziehen. Vielmehr gehe es ihm um sein Leben als Bürger in Mazedonien, zurück in seiner Familie, seiner Strasse, seinem Dorf. Zudem weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass er aufgrund dieser Umstände psychologisch betreut worden sei.  
 
3.3. Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts und des SEM hat der Beschwerdeführer nicht darlegen können, wie seine Verwandten derart rasch von seinem Glaubenswechsel erfahren hätten. Auch habe er sich offenbar dafür nicht weiter interessiert. Zudem habe er zwar behauptet, dass es seiner früheren Ehefrau sehr wichtig gewesen sei, dass sie beide den gleichen Glauben hätten. Eine religiöse Hochzeit sei aber offenbar nie geplant gewesen und die Konversion auch erst ein Jahr nach der Heirat erfolgt. Die Behauptung, er sei enterbt worden, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar, seien seine Eltern doch bereits vor längerer Zeit verstorben. Auffallend sei, dass er den Glaubenswechsel und die damit zusammenhängende Verfolgung erst geltend gemacht habe, als ihm der definitive Vollzug der Wegweisung nach Mazedonien gedroht habe. Es bestünden somit Hinweise darauf, dass es sich bei den Vorbringen des Beschwerdeführers um eine frei erfundene Geschichte handle.  
Zudem sei nicht davon auszugehen, so die Vorinstanzen weiter, dass der mazedonische Staat seine Bürger nicht hinreichend vor Übergriffen durch Dritte schütze, wobei es keinem Staat möglich sei, einen absoluten Schutz zu gewährleisten. Der Bundesrat habe Mazedonien angesichts der innenpolitischen Situation als verfolgungssicheren Staat im Sinne von Art. 6a Abs. 2 lit. a AsylG bezeichnet. Weiter sei darauf hinzuweisen, dass in Mazedonien die Religionsfreiheit in der Verfassung verankert und zudem die Mehrheit der Staatsangehörigen ohnehin christlich (wenn auch orthodox) sei. Mit Verfolgungsmassnahmen aufgrund der religiösen Orientierung sei deshalb nicht zu rechnen. Letztlich sei darauf hinzuweisen, dass es sich allenfalls um ein lokales Problem handeln könnte, dem sich der Beschwerdeführer durch einen Wohnortswechsel innerhalb Mazedoniens entziehen könnte. 
 
3.4. Der Beschwerdeführer ist auf die von den Vorinstanzen dargelegten Ungereimtheiten in seinen Angaben nicht eingegangen, und hat insoweit seine Beschwerde nicht hinreichend begründet (Art. 42 Abs. 2 BGG). Es ist nicht zu beanstanden, dass das Bundesverwaltungsgericht die Angaben im Ergebnis nicht als glaubhaft erachtet hat. Die Beschwerde erweist sich bereits deshalb als unbegründet. Zudem überzeugen auch die weiteren Ausführungen im angefochtenen Entscheid. Selbst wenn die Darstellungen des Beschwerdeführers zuträfen, ist davon auszugehen, dass er zumindest ausserhalb seines Dorfs hinreichenden Schutz finden könnte.  
 
4.   
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. 
Der Beschwerdeführer ersucht sinngemäss um unentgeltliche Prozessführung. Das Gesuch ist aufgrund der Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Demnach sind die Verfahrenskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen, wobei es angesichts dessen persönlicher Situation gerechtfertigt ist, die Kosten tiefer als üblich festzusetzen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Staatssekretariat für Migration, dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung IV, und dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. August 2017 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Karlen 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold