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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_7/2024  
 
 
Urteil vom 10. September 2024  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Bundesrichter Rüedi, 
Bundesrichterin May Canellas, 
Gerichtsschreiber Gross. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Eugen Mätzler, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
vertreten durch Advokat Prof. Dr. Pascal Grolimund, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Versicherungsvertrag, Auslegung, Covid-19-Pandemie, versichertes Ereignis, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 8. November 2023 (Zwischen-/Teilentscheid HG.2021.84-HGK). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die A.________ AG (Versicherte, Beschwerdeführerin) bezweckt namentlich die Herstellung und den Handel mit Lebensmitteln und Getränken. Zudem führt sie Restaurationsbetriebe und verkauft ihre Produkte im Catering. Sie betreibt die Messe-, Kongress- und Eventgastronomie C.________ St. Gallen. Die Versicherte schloss mit der B.________ AG (Versicherung, Beschwerdegegnerin) eine "Geschäftsversicherung All Risks" mit Versicherungsbeginn am 1. Juli 2017. Die Versicherung umfasste unter anderem eine sogenannte Hygieneversicherung. Versichert waren insbesondere Ertragsausfälle, die infolge "Betriebsschliessung, Teilschliessung, Quarantäne oder Einschränkung der betrieblichen Tätigkeit" aufgrund behördlicher Massnahmen zur Verhinderung der "Gefährdung der menschlichen Gesundheit" entstehen. Die maximale Versicherungssumme für die Hygieneversicherung betrug Fr. 1'000'000.--. Zudem wurde vereinbart, dass die Versicherung während der Dauer der behördlichen Massnahme gilt, maximal 90 Tage ab Eintritt des versicherten Ereignisses. Am 14. Februar 2020 übernahm die Versicherte das Hotel-Restaurant D.________ in U.________, das ebenfalls in die Versicherungsdeckung aufgenommen wurde.  
 
A.b. Am 28. Februar 2020 erliess der Bundesrat die Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19) und setzte sie gleichentags in Kraft (Covid-19-Verordnung 1; SR 818.101.24). Diese Verordnung enthielt im Wesentlichen ein Verbot öffentlicher und privater Veranstaltungen mit mehr als 1'000 Personen sowie Einschränkungen für öffentliche und private Veranstaltungen mit weniger als 1'000 Personen. Sie war befristet bis zum 15. März 2020.  
Am 2. März 2020 meldete die Versicherte der Versicherung ein Schadenereignis. Sie teilte mit, wegen des Coronavirus seien sämtliche Veranstaltungen bis Mitte März sowie 80 % der Veranstaltungen bis 23. März 2020 abgesagt worden. 
 
A.c. Am 16. März 2020 stufte der Bundesrat die Situation als ausserordentliche Lage gemäss dem Bundesgesetz vom 28. September 2012 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG, SR 818.101) ein. Alle Läden, Restaurants, Bars, Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe wurden geschlossen. Ab dem 11. Mai 2020 konnten Gastrobetriebe unter Auflagen wieder öffnen. Per 1. Oktober 2020 hob der Bundesrat das Verbot von Grossveranstaltungen mit mehr als 1'000 Personen auf. Nach einer Zunahme der Infektionen und Hospitalisationen verbot er per 29. Oktober 2020 Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen.  
Die Versicherte meldete der Versicherung am 30. Oktober 2020 ein weiteres Schadenereignis. Die Versicherung antwortete mit Schreiben vom 18. November 2020, es gebe kein neues Schadenereignis. Sie erklärte, mehrere auf derselben Ursache beruhende Schäden gälten als ein Schadenereignis. Die behördlichen Anordnungen seien zur Eindämmung des Coronavirus erfolgt und damit auf dieselbe Ursache zurückzuführen. Sie betrachte die maximale Versicherungssumme von Fr. 1'000'000.-- als Grenze für sämtliche Schäden, die mit dem Coronavirus in Zusammenhang stünden. 
 
A.d. Am 27. April 2021 gab die Versicherung der Versicherten bekannt, der ermittelte Betriebsausfall betrage Fr. 905'448.--. Unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts von Fr. 2'000.-- und nach Abzug der Akontozahlungen von Fr. 750'000.-- belaufe sich die Schlusszahlung auf Fr. 153'448.--.  
Am 7. September 2021 wehrte sich die Versicherte gegen die Ablehnung des zweiten Schadenereignisses und stellte der Versicherung eine Klage in Aussicht. Zudem führte sie aus, die Versicherung habe unter Berücksichtigung des Selbstbehalts bloss Fr. 905'448.-- ausbezahlt. Damit ergebe sich eine Differenz von Fr. 94'552.-- zur maximalen Versicherungssumme von Fr. 1'000'000.--. Am 18. November 2020 habe die Versicherung schriftlich anerkannt, diesen Differenzbetrag zu schulden, weshalb sie dessen Bezahlung fordere. 
 
B.  
Mit Klage vom 14. September 2021 beantragte die Versicherte dem Handelsgericht des Kantons St. Gallen, die Versicherung sei zu verpflichten, ihr Fr. 684'930.-- nebst Zins zu 5 % seit 27. November 2020 "schuldig anzuerkennen und zu bezahlen". 
Zur Begründung brachte die Versicherte vor, der Bundesrat habe per 1. Oktober 2020 das Verbot von Grossveranstaltungen mit mehr als 1'000 Personen aufgehoben und per 29. Oktober 2020 erneut ein Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen erlassen. Damit sei ein neues Schadenereignis eingetreten, das wiederum bis Fr. 1'000'000.-- gedeckt sei. Für das zweite Schadenereignis schulde ihr die Versicherung Fr. 684'930.--. Aus dem ersten Schadenereignis seien noch Fr. 94'552.-- geschuldet. Letzteren Betrag habe die Versicherung am 18. November 2020 schriftlich anerkannt. 
Am 1. Juni 2022 beschränkte der Handelsgerichtspräsident das Verfahren auf die Frage, ob mit dem Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen per 29. Oktober 2020 ein zweites Schadenereignis eingetreten sei und dafür eine Versicherungsdeckung bestehe. 
In der Replik präzisierte die Versicherte, der Betrag von Fr. 94'552.-- aus dem ersten Schadenereignis (Differenzbetrag) sei als Teilbetrag in ihrem Rechtsbegehren enthalten. 
Am 8. November 2023 wies das Handelsgericht die Klage im Betrag von Fr. 590'378.-- nebst Zins ab (Dispositiv-Ziffer 1). Was den Differenzbetrag von Fr. 94'552.-- betraf, ordnete es die Weiterführung des Verfahrens an (Dispositiv-Ziffer 2). Den Entscheid über die Prozesskosten vertagte es bis zum Endentscheid (Dispositiv-Ziffer 3). 
 
C.  
Die Versicherte beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, Dispositiv-Ziffer 1 des handelsgerichtlichen Entscheids sei aufzuheben, und erneuert ihr Klagebegehren. Eventualiter sei die Sache an das Handelsgericht zurückzuweisen "zur Feststellung der Leistungspflicht der Versicherung aus dem Schaden als Folge des am 29. Oktober 2020 behördlich verfügten Veranstaltungsverbots". Die Versicherung trägt auf Abweisung der Beschwerde an, soweit darauf einzutreten ist. Das Handelsgericht verweist in seiner Stellungnahme auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid und ergänzt diese mit zusätzlichen Bemerkungen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid einer oberen kantonalen Gerichtsinstanz, die in einer Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) als einzige kantonale Instanz im Sinne von Art. 6 ZPO in Verbindung mit Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG entschieden hat. Die Beschwerde ist in diesem Fall streitwertunabhängig zulässig (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG). Die Beschwerdefrist ist gewahrt (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. c BGG). 
Die Vorinstanz wies die Klage im Umfang von Fr. 590'378.-- ab (Dispositiv-Ziffer 1) und ordnete für den Differenzbetrag von Fr. 94'552.-- (hier geht es um die Behauptung der Beschwerdeführerin, aus dem ersten Schadenereignis seien noch Fr. 94'552.-- offen) die Weiterführung des Verfahrens an (Dispositiv-Ziffer 2). Die Beschwerdeführerin wendet sich nur gegen die teilweise Abweisung der Klage. Insofern liegt ein beschwerdefähiger Teilentscheid vor (Art. 91 lit. a BGG). 
Die Beschwerde in Zivilsachen steht grundsätzlich offen. 
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft aber unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 140 III 86 E. 2; 115 E. 2).  
Unerlässlich ist im Hinblick auf Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Rechtsverletzung liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im vorinstanzlichen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2, 115 E. 2). 
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vorinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2; 264 E. 2.3). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern die genannten Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits im vorinstanzlichen Verfahren prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2). Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1). 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin rügt, der Bundesrat habe per 1. Oktober 2020 das Veranstaltungsverbot aufgehoben und per 29. Oktober 2020 wieder in Kraft gesetzt, womit ein neuer Versicherungsfall unter der Police eingetreten sei. Es lägen mit anderen Worten zwei versicherte Ereignisse vor, nämlich das Veranstaltungsverbot vom 28. Februar 2020 und das Veranstaltungsverbot vom 29. Oktober 2020. 
 
3.1.  
 
3.1.1. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind grundsätzlich nach denselben Prinzipien auszulegen wie andere vertragliche Bestimmungen (BGE 142 III 671 E. 3.3; 135 III 1 E. 2). Entscheidend ist demnach in erster Linie der übereinstimmende wirkliche Wille der Vertragsparteien und in zweiter Linie, falls ein solcher nicht festgestellt werden kann, die Auslegung der Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips (BGE 142 III 671 E. 3.3; 140 III 391 E. 2.3). Die Erklärungen der Parteien sind so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (BGE 146 V 28 E. 3.2; 145 III 365 E. 3.2.1; 144 III 327 E. 5.2.2.1).  
Dabei ist vom Wortlaut der Erklärungen auszugehen, die jedoch nicht isoliert, sondern aus ihrem konkreten Sinngefüge heraus zu beurteilen sind (BGE 138 III 659 E. 4.2.1; 132 III 626 E. 3.1; 123 III 165 E. 3a). Massgebend ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, weshalb bei der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip nachträgliches Parteiverhalten nicht von Bedeutung ist (BGE 132 III 626 E. 3.1; 129 III 675 E. 2.3). 
Das Bundesgericht überprüft die objektivierte Auslegung von Willenserklärungen als Rechtsfrage, wobei es an Feststellungen des kantonalen Gerichts über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten grundsätzlich gebunden ist (BGE 148 III 57 E. 2.2.1). 
 
3.1.2. Mehrdeutige Wendungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen sind im Zweifel zu Lasten jener Partei auszulegen, die sie verfasst hat (sogenannte Unklarheitsregel). In allgemeinen Versicherungsbedingungen sind mehrdeutige Klauseln somit gegen den Versicherer als deren Verfasser zu interpretieren (BGE 146 III 339 E. 5.2.3; 133 III 61 E. 2.2.2.3, 607 E. 2.2). Für den Versicherungsvertrag konkretisiert Art. 33 VVG (SR 221.229.1) die Unklarheitsregel insofern, als der Versicherer für alle Ereignisse haftet, welche die Merkmale der versicherten Gefahr an sich tragen, es sei denn, dass der Vertrag einzelne Ereignisse in "bestimmter, unzweideutiger Fassung" von der Versicherung ausschliesst (Urteile 4A_303/2022 vom 17. Oktober 2022 E. 3; 4A_92/2020 vom 5. August 2020 E. 3.2.2). Es ist somit am Versicherer, die Tragweite der Verpflichtung, die er eingehen will, genau zu begrenzen (BGE 135 III 410 E. 3.2; 133 III 675 E. 3.3; zu Art. 33 VVG). Die Unklarheitsregel kommt jedoch nur subsidiär zur Anwendung, wenn sämtliche übrigen Auslegungsmittel versagen (BGE 133 III 61 E. 2.2.2.3). Es genügt mithin nicht, dass die Parteien über die Bedeutung einer Erklärung streiten, sondern es ist vorausgesetzt, dass die Erklärung nach Treu und Glauben auf verschiedene Weise verstanden werden kann (BGE 118 II 342 E. 1a) und es nicht möglich ist, den Zweifel mit den übrigen Auslegungsmitteln zu beseitigen. Auch die Anwendung der Unklarheitsregel prüft das Bundesgericht als Rechtsfrage frei (BGE 148 III 57 E. 2.2.2).  
 
3.2. Die strittige Umschreibung der "versicherten Ereignisse" der Hygieneversicherung lautet gemäss Ziffer 4.2.5 wie folgt:  
 
"Versichert sind Massnahmen, die eine zuständige schweizerische oder liechtensteinische Behörde oder ein nach EN 45001/ISO 17025 akkreditiertes Labor aufgrund gesetzlicher Bestimmungen verfügt oder empfiehlt, u.a. auch Durchführungsverbot von öffentlichen Anlässen (z.B. OLMA), um durch 
- die Betriebsschliessung, Teilschliessung, Quarantäne oder Einschränkung der betrieblichen Tätigkeit 
- die Beseitigung oder Aufbereitung von infizierter Ware im Betrieb 
- die Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch Personen, Tiere, Lebensmittel, Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände, Durchführung von öffentlichen Anlässen sowie Wasser aus Schwimmbädern zu verhindern.". 
Zu den versicherten Sachen und Kosten gehören unter anderem: 
 
"a) Ertragsausfälle und Mehrkosten, die entstehen, wenn der Betrieb des Versicherungsnehmers infolge der umschriebenen Massnahmen nicht oder nur teilweise weitergeführt [werden] kann; 
b) Ertragsausfälle und Mehrkosten, die entstehen, wenn ein Fremdbetrieb von einem versicherten Ereignis betroffen wird und dadurch der Betrieb des Versicherungsnehmers vorübergehend nicht oder nur teilweise weitergeführt werden kann (Rückwirkungsschaden). Die Haftung beginnt mit dem Eintritt des Ereignisses im Fremdbetrieb." 
 
3.3. Die Vorinstanz hielt fest, ein tatsächlicher Konsens der Parteien sei nicht nachgewiesen, womit eine Auslegung nach dem Vertrauensprinzip zu erfolgen habe.  
Die behördlich angeordnete Massnahme bilde das versicherte Ereignis. Diese müsse dazu dienen, die Gefährdung der menschlichen Gesundheit zu verhindern. Dazu gehörten neben "Betriebsschliessung, Teilschliessung, Quarantäne" auch die blosse "Einschränkung der betrieblichen Tätigkeit". Beim versicherten Ereignis handle es sich somit um behördliche Massnahmen, die zum Schutz der Gesundheit zu Einschränkungen des Betriebs der Beschwerdeführerin führten. Solche Massnahmen könnten insbesondere ein Veranstaltungsverbot beinhalten. Dabei handle es sich jedoch nur um ein Beispiel für eine versicherte Betriebseinschränkung. Betriebliche Einschränkungen könnten auch aufgrund weniger einschneidender Massnahmen entstehen, wenn z.B. Restaurants abends früher schliessen müssten. Als Beispiel einer öffentlichen Veranstaltung werde in der Police die Olma erwähnt. Dies sei so zu verstehen, dass ein behördliches gesundheitsbedingtes Verbot einer Veranstaltung selbst dann als versichertes Ereignis zu gelten habe, wenn der Gastrobetrieb der Beschwerdeführerin selbst keinen Einschränkungen unterliege. Als versichertes Ereignis gälten somit gesundheitsbedingte, behördlich angeordnete Massnahmen, soweit sie betriebliche Einschränkungen bei der Beschwerdeführerin verursachten und zudem zu Ertragsausfällen oder Mehrkosten führten. Darüber hinaus seien auch Veranstaltungsverbote versichert, die zu Ertragsausfällen oder Mehrkosten bei der Beschwerdeführerin führten, selbst wenn ihr Betrieb direkt keinen Einschränkungen unterliege. 
Der Bundesrat habe nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip auf die Pandemie reagiert und die Massnahmen der aktuellen Entwicklung und Erkenntnis angepasst (mit Verweis auf das Urteil 4A_303/2022 vom 17. Oktober 2022 E. 6.1 f.). Es habe sich bei den bundesrätlichen Massnahmen um ein einheitliches Massnahmenpaket gehandelt. Im Übrigen stünde es im Widerspruch zum Verhältnismässigkeitsprinzip, wenn eine Versicherung bei verhältnismässigem Verhalten der Behörden mehrfach leisten müsste und bei unverhältnismässigem Vorgehen nur einmal die Versicherungsleistung erbringen müsste. Dies sei im Rahmen der Auslegung ebenfalls zu berücksichtigen. 
Die Beschwerdeführerin habe die Behauptung der Beschwerdegegnerin, dass für den Gastrobereich vom 28. Februar 2020 bis zur Einreichung der Klageantwort durchgehend betriebliche Einschränkungen bestanden hätte, nicht substanziiert bestritten. Es sei davon auszugehen, dass die behördlichen Massnahmen vom 28. Februar 2020 bis über das erneute Verbot von Grossveranstaltungen vom 29. Oktober 2020 angedauert und durchgehend betriebliche Einschränkungen (in verschiedener Ausprägung) bei der Beschwerdeführerin zur Folge gehabt hätten, zumal deren Betriebe nicht nur im Bereich von Grossveranstaltungen tätig gewesen seien. Die Verschärfung der Massnahmen per 29. Oktober 2020 sei kein neues versichertes Ereignis. Die betrieblichen Einschränkungen aufgrund des Massnahmenpakets des Bundesrats seien vielmehr ein einziges versichertes Ereignis. Massgebend sei, dass die betrieblichen Einschränkungen für die Gastronomie aufgrund der behördlichen Massnahmen nicht per 1. Oktober 2020 vollständig aufgehoben worden seien. 
Zusammenfassend sei mit dem Veranstaltungsverbot per 29. Oktober 2020 kein zweites Schadenereignis eingetreten, weshalb dafür keine Versicherungsdeckung bestehe. 
 
3.4. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 18 OR und Art. 33 VVG. Sie macht geltend, die Vorinstanz habe den Wortlaut der betreffenden Klausel nicht berücksichtigt. Versichert sei eine Massnahme (vorliegend ein Veranstaltungsverbot) und nicht ein Massnahmenpaket. Es gebe keinen Anlass, von diesem Wortlaut abzuweichen. Die Vorinstanz habe sich am Urteil 4A_303/2022 vom 17. Oktober 2023 orientiert, dabei aber die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Fällen unberücksichtigt gelassen.  
 
3.4.1. Was die Beschwerdeführerin gegen die vorinstanzlichen Erwägungen einwendet, erschöpft sich über weite Strecken in appellatorischer Kritik. Sie vermag die vorinstanzliche Feststellung, dass ihr Betrieb seit der Einführung des Veranstaltungsverbots am 28. Februar 2020 bis und mit der Verschärfung der COVID-Massnahmen ab 29. Oktober 2020 durchgehend (wenn auch in verschiedener Ausprägung) eingeschränkt gewesen sei, nicht als willkürlich auszuweisen (vgl. hiervor E. 2.2). Es geht somit gerade nicht um die Frage, ob nach der vollständigen Aufhebung sämtlicher COVID-Massnahmen im Gastrobereich eine neue Anordnung von Massnahmen ein neues Schadenereignis zu begründen vermöchte.  
 
3.4.2. Die Beschwerdeführerin stützt sich in ihrer Argumentation (Massnahme [Veranstaltungsverbot] ist nicht gleichbedeutend mit Massnahmenpaket) allein auf den Wortlaut der betreffenden Bestimmung. Sie übergeht dabei, dass dieser nicht isoliert, sondern aus dem konkreten Sinngefüge zu betrachten ist (BGE 138 III 659 E. 4.2.1; 132 III 626 E. 3.1).  
Auch ihr Einwand, die Vorinstanz habe sich zu Unrecht am zitierten Urteil 4A_303/2022 orientiert, ist unbegründet. Sie vermag bereits keine erheblichen Unterschiede zwischen dem vorliegenden Fall und dem zitierten Urteil aufzuzeigen. Damit kann offenbleiben, ob ihr Einwand ohnehin verspätet wäre, wie die Beschwerdegegnerin geltend macht. 
Die Beschwerdeführerin rügt, im zitierten Urteil 4A_303/2022 sei es bloss um die Verlängerung einer (unveränderten) Massnahme gegangen, während vorliegend die Verschärfung einer Massnahme zu beurteilen sei (namentlich ein Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen). Aus dem zitierten Urteil 4A_303/2022 ergibt sich ohne Weiteres, dass die dortige Beschwerdeführerin im bundesgerichtlichen Verfahren nicht mehr geltend machte, eine blosse Verlängerung einer Massnahme begründe ein neues versichertes Ereignis (zit. Urteil 4A_303/2022 E. 6.1 in fine). Auch die diesem Urteil zugrundeliegende Beschwerde bezog sich somit auf bundesrätliche Anordnungen, mit denen die angeordneten Massnahmen abgeändert wurden. Entsprechend erwog das Bundesgericht, es bleibe ein einheitliches Massnahmenpaket, ob es um Änderungen der behördlichen Anordnungen betreffend Intensität (Einschränkung, Schliessung, Wiedereröffnung mit Auflagen) oder Dauer (Befristung, Verlängerung) gehe (zit. Urteil 4A_303/2022 E. 6.2 in fine).  
Auch die vorliegend erfolgte Vereinbarung einer Haftzeit von 90 Tagen ändert nichts an der zutreffenden vorinstanzlichen Auslegung, dass das versicherte Ereignis mit der ersten massnahmebedingten Betriebseinschränkung eintrat und solange andauerte, wie die entsprechenden (gesamten) Massnahmen anhielten. Die Beschwerdegegnerin macht zutreffend geltend, mit Ablauf der Haftzeit von 90 Tagen habe ihre Leistungspflicht geendet, nicht aber das versicherte Ereignis. Folgte man der Auffassung der Beschwerdeführerin, würde jede Anpassung der COVID-Massnahmen ein neues versichertes Ereignis begründen, jeweils mit einer Versicherungssumme von 1 Mio. und einer Haftzeit von 90 Tagen. Wie die Beschwerdegegnerin zu Recht geltend macht, liesse ein solches Verständnis die im Versicherungsvertrag vereinbarte zeitliche Leistungsbeschränkung ins Leere laufen. Das Gesagte gilt auch, wenn jedes einzelne Veranstaltungsverbot als neues versichertes Ereignis verstanden würde, zumal die Vorinstanz ausführlich dargelegt hat, dass es sich nicht bloss um eine "Veranstaltungsverbotsversicherung" handelt, sondern darüber hinausgehend generell gesundheitsbedingte, behördlich angeordnete Massnahmen versichert sind, soweit sie betriebliche Einschränkungen bei der Beschwerdeführerin verursachten (vgl. hiervor E. 3.3). 
Die Vorinstanz verwies in diesem Zusammenhang denn auch zutreffend auf die Erfordernisse des Verhältnismässigkeitsprinzips. Hätte der Bundesrat Grossveranstaltungen durchgehend verboten, läge unbestritten nur ein Versicherungsfall vor. Dass der Bundesrat im Einklang mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip Grossveranstaltungen zeitweise (unter strengen Auflagen) wieder erlaubte, kann - entgegen der Beschwerdeführerin - nicht dazu führen, dass ein zweiter Versicherungsfall eintritt. Nichts ändert ihr Beispiel betreffend die Affenpocken. Sie argumentiert, das Bundesamt für Gesundheit (BAG) habe am 15. August 2022 eine erste Massnahme angeordnet, nämlich eine "nationale Meldepflicht für Affenpocken-Ansteckungen". Sie macht diesbezüglich geltend, wenn sich das Risiko vergrössert und die Behörde weitere Massnahmen erlassen hätte oder noch erlassen würde, hätte die vorinstanzliche Auslegung zur Konsequenz, dass sie als Versicherte jeden Anspruch auf künftige Versicherungsleistungen von vornherein verloren hätte. Die Beschwerdeführerin übergeht in ihrem Beispiel bereits, dass nicht irgendwelche bundesrätlichen Schutzmassnahmen das versicherte Ereignis begründen, sondern nur solche, die deren Betrieb einschränken. Wie eine nationale Meldepflicht den Betrieb der Beschwerdeführerin einschränken sollte, ist nicht ersichtlich. 
 
3.4.3. Wie die Beschwerdegegnerin mit Verweis auf die vorinstanzlichen Plädoyernotizen der Beschwerdeführerin (dort S. 11) zu Recht ausführt, hatte diese vor der Vorinstanz im Übrigen selbst nicht behauptet, die jeweiligen Anpassungen der bundesrätlichen COVID-Massnahmen stellten separate Massnahmen dar, die jeweils ein versichertes Ereignis begründeten. Einzig betreffend die Verschärfung der Massnahmen vom 29. Oktober 2020 will sie von einem neuen versicherten Ereignis ausgehen. Daraus folgt, dass offenbar die Beschwerdeführerin selbst die betreffende Klausel nicht so verstanden hat, dass grundsätzlich jede COVID-Massnahme ein neues versichertes Ereignis begründet. Es ist nicht ersichtlich und die Beschwerdeführerin legt auch nicht dar, inwiefern die bundesrätliche Verschärfung der Massnahmen vom 29. Oktober 2020 anders behandelt werden sollte als die restlichen Verschärfungen oder Verlängerungen der Massnahmen.  
 
3.4.4. Zusammenfassend vermag die Beschwerdeführerin keine Verletzung von Art. 18 OR darzutun. Damit verbleibt für die Anwendung von Art. 33 VVG bzw. der Unklarheitsregel kein Raum. Denn es bleiben betreffend die Auslegung der strittigen Klausel keine Zweifel, die nicht mit den üblichen Auslegungsmitteln beseitigt werden könnten (vgl. hiervor E. 3.1.2). Die Rüge einer Verletzung von Art. 33 VVG ist unbegründet.  
 
4.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ergebnis wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 8'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 9'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. September 2024 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Gross