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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_734/2022  
 
 
Urteil vom 10. Oktober 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Eric Stern, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Maria Clodi, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Vorsorgliche Massnahmen (Ehescheidung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 25. August 2022 (LY220041-O/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Parteien haben den Sohn C.________, welcher am 6. Juli 2022 volljährig wurde, und stehen sich in einem Ehescheidungsverfahren gegenüber. 
 
Im Rahmen des vorangegangenen Eheschutzverfahrens hatte das Bezirksgericht Meilen die eheliche Wohnung der Ehefrau zugewiesen mit der Begründung, dass C.________ in der ehelichen Liegenschaft bleiben möchte und bei der Anhörung ausgesagt habe, dass er, wenn er sich entscheiden müsste, lieber mit der Mutter wohnen würde, weil sie mehr anwesend sei und er mehr Zeit mit ihr verbringe, während der Vater immer sehr beschäftigt sei und eine Freundin habe, mit der er (C.________) nicht zusammenleben wolle. Den vom Ehemann bis vor Bundesgericht eingelegten Rechtsmitteln war kein Erfolg beschieden (vgl. Nichteintretensurteil 5A_524/2022). 
 
B.  
Darauf stellte der Ehemann im Ehescheidungsverfahren ein Gesuch um superprovisorische bzw. vorsorgliche Massnahmen dahingehend, dass die eheliche Liegenschaft in Abänderung des Eheschutzentscheides ihm zuzuweisen sei. Dabei berief er sich auf ein Schreiben von C.________, in welchem dieser erklärte, "bezüglich der Nutzungsfrage der Liegenschaft... neutral" zu sein. 
 
Mit Entscheid vom 4. August 2022 wies das Bezirksgericht Meilen das superprovisorische Begehren und das Gesuch auf Abänderung der Liegenschaftszuteilung gemäss Eheschutzentscheid ab. 
 
Die hiergegen erhobene Berufung wies das Obergericht mit Urteil vom 25. August 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde vom 23. September 2022 verlangt der Ehemann die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Zuweisung der ehelichen Liegenschaft, eventualiter die Rückweisung der Sache. Ferner verlangt er die aufschiebende Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist eine kantonal letztinstanzliche vorsorgliche Massnahme. Die Beschwerde in Zivilsachen steht offen (Art. 72 Abs. 1, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG), aber es können nur Verfassungsrügen erhoben werden (Art. 98 BGG). Es gilt somit das strenge Rügeprinzip im Sinn von Art. 106 Abs. 2 BGG. Das bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend begründete Rügen und appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt (BGE 142 III 364 E. 2.4). 
 
2.  
Das Obergericht hat wie bereits das Bezirksgericht befunden, mit dem Schreiben von C.________ seien keine veränderten Verhältnisse glaubhaft gemacht. Er halte darin fest, dass er hinsichtlich der Nutzungsfrage neutral sei, und bestätige im Weiteren seine Aussagen anlässlich der Kindesanhörung im Eheschutzverfahren vom 4. Januar 2021, dass er unabhängig von der Zuteilung der ehelichen Liegenschaft darin wohnen wolle und den nicht darin wohnenden Elternteil regelmässig besuchen werde. Auch dass C.________ zwischenzeitlich volljährig geworden sei, schaffe keine neuen Tatsachen, weil dies im obergerichtlichen Eheschutzurteil vom 31. Mai 2022 bereits berücksichtigt worden sei. Hinsichtlich des weiteren Argumentes des Ehemannes, aufgrund der verschlechterten schulischen Leistungen sei ein Verbleib in der ehelichen Wohnung vorteilhaft für C.________, werde nicht dargetan, inwiefern eine umgekehrte Wohnungszuweisung für die schulische Unterstützung notwendig sei. Im Übrigen würden bloss Vorbringen wiederholt, die alle bereits Gegenstand des Eheschutzverfahrens gebildet hätten (Elektrostaten, Mieteinsparungen, Arbeitsweg, Hobbys, Affektionsinteresse, Zumutbarkeit des Auszuges). 
 
3.  
Der Ehemann erhebt Willkür- und Gehörsrügen. Er macht geltend, im Eheschutzverfahren habe das Obergericht die Wohnung primär deshalb der Ehefrau zugewiesen (bzw. den betreffenden bezirksgerichtlichen Entscheid geschützt), weil C.________ bei der Kindesanhörung eine Präferenz zugunsten der Mutter geäussert habe, welche mehr Zeit zuhause verbringe als der zeitlich sehr beanspruchte Ehemann (S. 27 des damaligen Entscheides), woraus das Obergericht damals gefolgert habe, dass es sich mit Blick auf das Kindeswohl als einziges übergeordnetes Zuteilungskriterium rechtfertige, die eheliche Liegenschaft der Ehefrau zur alleinigen Benutzung teilweise mit C.________ zuzuweisen (S. 28 des damaligen Entscheides). Mit seinem nachträglichen Schreiben bringe C.________ zum Ausdruck, dass er neutral sei und die Zuweisung der Liegenschaft auf ihn keine Auswirkung habe, mithin nicht von ihm abhängen dürfe. Es widerspreche mithin jeglicher Logik und verletze das rechtliche Gehör, wenn das Obergericht nunmehr festhalte, dass aus dem Brief nichts zu seinen (Ehemann) Gunsten abgeleitet werden könne. Vielmehr seien die sekundären Kriterien wie Beruf, wirtschaftlicher/finanzieller Nutzen, Hobbys, Affektionsinteresse und gemeinsames Lernen mit C.________ zu prüfen. Im Übrigen sei es widersprüchlich und damit willkürlich, wenn das Obergericht festhalte, das Schreiben habe nicht zum Ziel, dass der Eheschutzentscheid abgeändert werde, ansonsten C.________ sich für eine Zuweisung an den Vater ausgesprochen hätte, sondern es sei davon auszugehen, dass er sich vom elterlichen Konflikt distanzieren wolle; richtigerweise könne der Ausdruck "neutral" einzig dahingehend interpretiert werden, dass C.________ eben gerade keine Präferenz habe. 
 
4.  
Zunächst ist festzuhalten, dass keine Gehörsverletzung vorliegt; das Obergericht hat sich zu allen Vorbringen des Ehemannes ausführlich geäussert (zu den Anforderungen an die Entscheidbegründung als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs vgl. BGE 141 III 28 E. 3.2.4; 142 III 433 E. 4.3.2; 143 III 65 E. 5.2), soweit es um die Glaubhaftmachung von Abänderungsgründen und nicht um eine von vornherein unzulässige direkte Kritik am seinerzeitigen Eheschutzentscheid ging. Zu prüfen bleibt somit, ob der angefochtene Entscheid in Bezug auf die Abänderungsgründe vor dem Willkürverbot standhält. 
 
5.  
Willkür bei der Beweiswürdigung bzw. bei der Sachverhaltsfeststellung liegt vor, wenn der Richter den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich nicht erkannt, ohne vernünftigen Grund ein entscheidendes Beweismittel ausser Acht gelassen oder aus den vorhandenen Beweismitteln einen unhaltbaren Schluss gezogen hat; keine Willkür in der Beweiswürdigung ist hingegen gegeben, wenn die von Sachgerichten gezogenen Schlüsse nicht mit der eigenen Darstellung des Beschwerdeführers übereinstimmen (BGE 136 III 552 E. 4.2; 137 III 226 E. 4.2; 140 III 264 E. 2.3; 143 IV 241 E. 2.3.1). In Bezug auf die Rechtsanwendung liegt Willkür nach ständiger bundesgerichtlicher Praxis nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder sogar vorzuziehen wäre; sie ist erst gegeben, wenn ein Entscheid auf einem offensichtlichen Versehen beruht, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 138 I 305 E. 4.3; 140 I 201 E. 6.1; 140 III 167 E. 2.1; 141 IV 305 E. 1.2; 144 I 113 E. 7.1). 
 
5.1. Soweit die Vorbringen des Ehemannes eine Kritik am damaligen Eheschutzentscheid darstellen, kann von vornherein nicht auf sie eingegangen werden. Dieser war Gegenstand eines Rechtsmittelzuges und mündete in einen Nichteintretensentscheid des Bundesgerichtes. Darauf kann nicht zurückgekommen werden. Geprüft werden können einzig die im Zusammenhang mit der Frage der veränderten Verhältnisse stehenden Willkürrügen.  
 
5.2. In Bezug auf die Beweiswürdigung bzw. Sachverhaltsfeststellung ist keine Willkür ersichtlich; es wird jedenfalls nicht dargelegt, inwieweit das Obergericht den Inhalt des Schreibens von C.________ falsch wiedergegeben hätte. Vielmehr geht es um die daraus gezogenen (rechtlichen) Schlussfolgerungen im Kontext mit der Aussage, in Bezug auf die Nutzung der Liegenschaft neutral zu sein. Der Ehemann erläutert eingangs seiner Beschwerde denn auch weitschweifig, neutral komme von lateinisch "ne-utrum" und bedeute "keines von beidem", weshalb C.________ folglich keine Präferenz habe und damit allfällige frühere Präferenzen automatisch aufgehoben seien, so wie im Strassenverkehr Tempo 30 gelte und automatisch früheres Tempo 50 aufgehoben sei, sobald ein 30er-Schild aufgestellt sei, ohne dass es hierfür eines expliziten Aufhebe-Schildes bedürfe. All dies betrifft die Rechtsanwendung.  
 
5.3. Mit diesen Aussagen setzt der Ehemann die im Eheschutzverfahren geäusserte Präferenz gegenüber der Mutter mit der nunmehr geäusserten Neutralität bezüglich Wohnungszuweisung gleich, obwohl es sich um zwei verschiedene Dinge handelt; damit lässt sich keine Willkür in der Rechtsanwendung darlegen:  
 
Das Obergericht ist im vorliegend angefochtenen Urteil von den seinerzeitigen Aussagen bei der Kindesanhörung ausgegangen, wonach C.________, müsste er sich für einen Elternteil entscheiden, lieber mit der Mutter wohnen würde, da sie mehr anwesend sei und mehr Zeit mit ihm verbringe, während der Vater immer sehr beschäftigt sei und eine Freundin habe, mit der er (C.________) nicht zusammenleben möchte (wiedergegeben im damaligen Berufungsurteil S. 27). Dass sich aus dem Schreiben von C.________ irgendeine Relativierung dieser Präferenz ergeben würde, bringt der Ehemann selbst nicht vor (bzw. einzig durch die wie gesagt falsche Gleichsetzung mit der Wohnungszuweisung). C.________ konnte nicht verborgen bleiben, dass der Vater die im Eheschutzverfahren erfolgte Wohnungszuweisung nicht akzeptieren konnte, sondern die Rechtsstreitigkeit weiterführte. Offenkundig vor diesem Hintergrund ist nach den Aussagen des Obergerichtes die Aussage in seinem Schreiben zu sehen, wonach er "bezüglich der Nutzungsfrage der Liegenschaft... neutral" sei. Inwiefern die vom Obergericht gezogene Schlussfolgerung, diese Aussage scheine auf eine Distanzierung vom elterlichen Konflikt schliessen zu lassen, willkürlich sein soll, lässt sich nicht ausmachen, umso weniger als die Haltung von C.________ derjenigen entspricht, die von einem Kind, auch wenn es nunmehr volljährig geworden ist, zu erwarten ist, wenn es beide Elternteile gerne hat und weiterhin mit beiden gut auskommen will. Der obergerichtlichen Interpretation des Schreibens von C.________ haftet m.a.W. nichts Willkürliches an. 
 
Ebenso wenig lässt sich in Bezug auf die Folgerungen im Zusammenhang mit (der Glaubhaftmachung von) veränderten Verhältnissen als Voraussetzung eines Abänderungsgrundes Willkür ausmachen. Vorab kann die Erklärung von C.________, betreffend Zuweisung der Wohnung "neutral" zu sein, keinen Grund für eine nachträglich abändernde Zuweisung an den Ehemann schaffen. Das scheint dieser selbst auch so zu sehen: Obwohl es sich um das Eventualbegehren handelt, hält er in der Begründung fest, die Sache sei primär zur Prüfung der weiteren Kriterien an die kantonalen Instanzen zurückzuweisen. Damit übergeht er aber (bzw. behauptet er unzutreffend das Gegenteil), dass im seinerzeitigen Berufungsurteil diese weiteren Kriterien erörtert worden sind (vgl. damaliges Berufungsurteil S. 27 ff.), was das Obergericht im vorliegend angefochtenen Urteil denn auch festhält. Das Schreiben von C.________, welches diese weiteren Kriterien nicht ansatzweise anspricht, kann kein Anlass sein, die betreffende Thematik erneut aufzurollen, und es liegt weder Willkür noch eine Gehörsverweigerung vor, wenn sich das Obergericht explizit geweigert hat, sich auf eine erneute diesbezügliche Diskussion einzulassen. 
 
6.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Zufolge sofortigen Urteils in der Sache wird der Antrag auf aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
7.  
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 10. Oktober 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli