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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
K 108/03 
 
Urteil vom 10. November 2005 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiberin Fleischanderl 
 
Parteien 
N.________, 1960, Beschwerdeführerin, vertreten durch die Winterthur-ARAG Rechtsschutz, Monbijoustrasse 22, 3011 Bern, 
 
gegen 
 
KPT/CPT Krankenkasse, Tellstrasse 18, 3014 Bern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
(Entscheid vom 30. Juni 2003) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1960 geborene, in X.________ wohnhafte und bei der KPT/CPT Krankenkasse (nachfolgend: KPT) obligatorisch krankenpflegeversicherte N.________ erlitt im Februar 1998 ein akutes linksseitiges sensomotorisches Hemisyndrom, welches einen stationären Aufenthalt im Spital Y.________ erforderlich machte. Nach Rehabilitationsaufenthalten im Zentrum Z.________ in O.________ unterzieht sie sich seit dem 22. Juni 1999 gleichenorts verschiedenen ambulanten Behandlungen, so u.a. auf Grund der als Folge der Hemiplegie links aufgetretenen schweren therapierefraktären Obstipation mehrmals wöchentlich durchgeführten Colonhydrotherapien. Eine Übernahme der Kosten in Höhe von Fr. 100.- pro Behandlung aus der obligatorischen Krankenpfleversicherung, um welche die Versicherte namentlich unter Bezugnahme auf Schreiben der Ärzte des Zentrums Z.________ vom 25. November 1999 sowie 5. März und 10. Juni 2002 ersucht hatte, lehnte die KPT am 29. Juli 2002 verfügungsweise ab. Auf Einsprache hin zog sie eine Stellungnahme ihres Vertrauensarztes Dr. med. B.________, FMH Innere Medizin, vom 2. Oktober 2002 bei. Mit Einspracheentscheid vom 15. Oktober 2002 wurde die Rechtsvorkehr insofern teilweise gutgeheissen, als die KPT sich verpflichtete, an die durchgeführten Darmentleerungen Leistungen von Fr. 48.- pro Behandlung zu erbringen (Dispositiv-Ziff. 2). 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ab (Entscheid vom 30. Juni 2003). 
C. 
N.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es seien der vorinstanzliche Entscheid vollständig sowie Dispositiv-Ziff. 2 des Einspracheentscheides vom 15. Oktober 2002 insofern aufzuheben, als die KPT zu verpflichten sei, rückwirkend ab Mai 1999 sowie in Zukunft die gesamten Kosten der Colonhydrotherapie zu übernehmen. Eventualiter sei die KPT anzuweisen, das Schiedsgerichtsverfahren gemäss Art. 89 KVG einzuleiten, subeventualiter mit Hilfe der Kantonsregierung für die Festlegung eines entsprechenden Tarifs besorgt zu sein (Art. 47 KVG). 
 
Während die KPT auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Krankenversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit [BAG]), auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Streitig und zu prüfen ist, in welcher Höhe die Beschwerdegegnerin Leistungen an die im Zentrum Z.________ in O.________ zwei- bis dreimal wöchentlich ambulant durchgeführten Colonhydrotherapie-Behandlungen (im Sinne des Spülsaugverfahrens) zu erbringen hat. Während die Beschwerdeführerin pro Behandlung Fr. 100.- bezahlt, ist die KPT gestützt auf den Vertrag zwischen dem Kantonalverband Bernischer Krankenversicherer und dem Spitexverband des Kantons Bern lediglich bereit, Fr. 48.- zu vergüten. 
2. 
Im angefochtenen Entscheid wurde unter Hinweis darauf, dass das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000, in Kraft getreten am 1. Januar 2003, auf den vorliegenden Fall keine Anwendung findet (vgl. auch BGE 130 V 446 mit Hinweisen), richtig dargelegt, dass die Kosten für Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen, als Pflichtleistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen werden (Art. 25 Abs. 1 KVG). Diese Leistungen umfassen auch die Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die ambulant von Personen durchgeführt werden, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin Leistungen erbringen (Art. 25 Abs. 2 lit. a Ziff. 3 KVG). Gemäss Art. 7 Abs. 1 KLV übernimmt der Versicherer die Kosten der Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen (Leistungen), die auf Grund der Bedarfsabklärung (Art. 7 Abs. 2 und 8a) auf ärztliche Anordnung hin oder im ärztlichen Auftrag von Krankenschwestern oder Krankenpflegern, von Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause sowie von Pflegeheimen erbracht werden (lit. a-c). Zu den Massnahmen der Untersuchung und der Behandlung gehören laut Art. 7 Abs. 2 lit. b Ziff. 11 KLV auch pflegerische Massnahmen bei Störungen der Blasen- oder Darmentleerung, inkl. Rehabilitationsgymnastik bei Inkontinenz. Zutreffend wiedergegeben hat das kantonale Gericht sodann, dass die versicherten Personen nach Art. 41 Abs. 1 KVG unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen können. Bei ambulanter Behandlung muss der Versicherer - von den in Art. 41 Abs. 2 KVG statuierten Ausnahmen abgesehen - die Kosten jedoch höchstens nach dem Tarif übernehmen, der am Wohn- oder Arbeitsort der versicherten Person oder in deren Umgebung gilt. 
3. 
3.1 Nach der dargelegten Rechtslage stellen pflegerische Massnahmen bei Störungen der Blasen- und Darmentleerung somit regelmässig Pflichtleistungen dar. Im vorliegenden Fall wurde die Leistung unter ärztlicher Leitung (ambulant in einem Spital) erbracht und ist daher kassenpflichtig, soweit nicht durch eine vom Bundesrat zu erlassende Negativliste (vgl. Art. 33 Abs. 1 KVG in Verbindung mit Art. 33 lit. a KVV sowie Art. 1 KLV und Anhang 1 KLV) ausgeschlossen (BGE 129 V 170 Erw. 3.2, 125 V 28 Erw. 5b). 
3.2 
3.2.1 Bei der ambulanten Colonhydrotherapie handelt es sich in ihrer gesamtheitlichen Form (kurzfristige mechanische Spülung mit nachfolgender, über Monate andauernder Darmrehabilitation unter Zuhilfenahme verschiedener, oral einzunehmender naturheilmethodischer Präparate; vgl. Bericht des Zentrums Z.________ vom 10. Juni 2002) um eine alternativ- oder komplementärmedizinische Behandlung (vgl. auch BGE 126 V 329 Erw. 3c; Urteil B. vom 2. Mai 2000, K 55/99, Erw. 3b), für welche die Beschwerdegegnerin, da nicht in Ziff. 10 des Anhangs 1 KLV ("Komplementärmedizin") aufgeführt, grundsätzlich nicht aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung aufzukommen hat. 
3.2.2 Durch die Verfahrensbeteiligten zu Recht nicht bestritten wird indes, dass auf Grund des Krankheitsbildes die Durchführung einer mechanischen Darmentleerung medizinisch indiziert ist. Wenn die Beschwerdegegnerin auch zu keinem Zeitpunkt das im Zentrum Z.________ angewandte initiale Spülsaugverfahren als von der Colonhydrotherapie losgelöste Pflichtleistung anerkannt hat, so sicherte sie doch im Rahmen ihres Einspracheentscheides vom 15. Oktober 2002 in Anbetracht der speziellen Verhältnisse, namentlich des Umstands, dass im Vordergrund der Behandlung die mechanische, von einer Krankenschwester durchgeführte Darmentleerung stehe, Leistungen im Sinne der Abgeltung einer pflegerischen Massnahme bei Störungen der Blasen- oder Darmentleerung gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. b Ziff. 11 KLV zu. 
4. 
4.1 Hinsichtlich der Höhe der Abgeltung stellt sich zunächst die Frage, ob medizinische Gründe im Sinne von Art. 41 Abs. 2 KVG vorliegen (Notfall, kein Angebot der erforderlichen Leistung am Wohn- oder Arbeitsort der versicherten Person oder in deren Umgebung), welche eine Behandlung in O.________ notwendig machen. Dies ist klar zu verneinen, gingen doch sogar die behandelnden Ärzte des Zentrums Z.________ gemäss ihrem Austrittsbericht vom 1. Juli 1999 davon aus, dass die Colonhydrotherapie nach dem Austritt der Versicherten einmal wöchentlich in X.________ weitergeführt werde. Die Beschwerdeführerin bringt in diesem Zusammenhang einzig vor, sie lasse die Behandlung in O.________ vornehmen, weil sie zum dortigen Personal ein spezielles Vertrauensverhältnis aufgebaut habe. Darin kann jedoch kein medizinischer Grund der genannten Art erblickt werden. 
4.2 Des Weitern gilt es zu beurteilen, ob die medizinisch indizierte mechanische Darmentleerung auch mit einem normalen hohen Einlauf - wie vom Krankenversicherer zugestanden - möglich gewesen wäre. 
4.2.1 Während der Vertrauensarzt der Beschwerdegegnerin, Dr. med. B.________, dies mit den Worten, das bei der Versicherten angewandte Verfahren sei im Ergebnis mit einem von einer Spitex-Krankenschwester vorgenommenen hohen Einlauf zu vergleichen, ausdrücklich bejahte (Stellungnahme vom 2. Oktober 2002), führten die Ärzte des Zentrums Z.________ in ihren Berichten vom 5. März und 10. Juni 2002 aus, eine Colonhydrotherapie im Sinne der mechanischen Behebung der massiven Obstipation durch das betreffende Spülsaugverfahren unterscheide sich im Wesentlichen in der Höhe und der Gründlichkeit des Spülvorgangs sowie in der Sicherheit der Methode bezüglich möglicher Komplikationen von einem hohen Einlauf der herkömmlichen Art. Nur dadurch könne die erforderliche, möglichst hohe Spülung des Dickdarms gewährleistet werden. Mit Bericht vom 4. November 2002 bekräftigten die Ärzte des Zentrums Z.________ sodann abermals ihren Standpunkt, wonach die Darmregulierung der Patientin mittels der Standardtechniken nicht mit dem gleichen Resultat durchzuführen sei. 
4.2.2 Aus der geschilderten Aktenlage erhellt, dass angesichts der gegebenen gesundheitlichen Situation zwar nachvollziehbare Gründe für das im Rahmen der Colonhydrotherapie durchgeführte Spülsaugverfahren zu sprechen scheinen. Insbesondere für dessen - als Leistungsvoraussetzung gemäss Art. 32 Abs. 1 Satz 1 KVG erforderliche - Zweckmässigkeit gegenüber dem im traditionellen Sinne vorgenommenen hohen Einlauf bestehen im Lichte der ebenfalls plausiblen Ausführungen des Vertrauensarztes, auf welche sich sowohl die Beschwerdegegnerin wie auch die Vorinstanz abstützten, indessen (noch) keine genügenden Anhaltspunkte. Namentlich geht aus den medizinischen Unterlagen nicht hervor, ob entsprechende herkömmliche Massnahmen überhaupt in Erwägungen gezogen und auch versucht worden sind, ergibt sich aus dem Schreiben des Zentrums Z.________ vom 25. November 1999 doch einzig der Hinweis auf die erfolglos gebliebene vorübergehende Umstellung auf das Medikament Practo-Clyss. Es wird die Aufgabe der Krankenkasse sein, an welche die Sache in diesem Punkt zurückzuweisen ist, mittels gutachterlichen Abklärungen den Sachverhalt zu durchleuchten und aufzuzeigen, welches der beiden Verfahren dem Behandlungszweck dienlicher und damit - jedenfalls im vorliegenden Kontext - zweckmässiger ist. 
4.3 
4.3.1 Sollte sich aus den zusätzlichen Erhebungen ergeben, dass die medizinisch indizierte mechanische Darmentleerung auch im hier zu beurteilenden Fall mit einem am Wohnort durchzuführenden herkömmlichen hohen Einlauf zu gewährleisten wäre, würde - im Sinne der Abgeltung von pflegerischen Massnahmen nach Art. 7 Abs. 2 lit. b Ziff. 11 KLV - der gesamtschweizerische Tarif für Krankenschwestern/Krankenpfleger oder der bernische Spitextarif zur Anwendung gelangen und könnte somit, entgegen der beschwerdeführerischen Betrachtungsweise, nicht von einem tariflosen Zustand gesprochen werden. Laut Art. 1 Abs. 1 des Anhangs II zum Vertrag zwischen dem Kantonalverband Bernischer Krankenversicherer und dem Spitex Verband des Kantons Bern gilt im Sinne des Hauptvertrages ein Einheitstarif von Fr. 4.- pro fünf Minuten bzw. von pauschal Fr. 48.- pro Stunde. Die Beschwerdegegnerin geht vorliegend von einem - vorinstanzlich bestätigten - Zeitaufwand für eine Darmentleerung von einer Stunde aus, was im Lichte der Akten als angemessen erscheint und auch nicht beanstandet wird. Die der Beschwerdeführerin zugesprochene Vergütung von Fr. 48.- pro Behandlung aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung wäre folglich rechtens. 
4.3.2 Würden die beigezogenen Gutachter demgegenüber zu dem von der Versicherten befürworteten Schluss gelangen, dass - zufolge der spezifischen Wirkungsweise, speziell ausgebildeten Personals, besonderer Geräte und Räumlichkeiten etc. - einzig mit dem als Element der Colonhydrotherapie durchgeführten Spülsaugverfahren eine fachgerechte Darmentleerung erreicht werden kann, wäre in einem zweiten Schritt der - in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde negierte - Punkt abzuklären, ob mit dem von der Krankenkasse zugestandenen Ansatz (von Fr. 48.-) eine entsprechende Behandlung im Raum X.________ vorgenommen werden könnte. Sollte diese Frage zu verneinen sein, muss die Beschwerdegegnerin die gesamten Kosten der Behandlung übernehmen, jedoch zum bernischen Tarif, sofern dieser tiefer ist als der vom Zentrum Z.________ verrechnete Ansatz. In diesem Zusammenhang wird sie auch, um überhaupt eine aussagekräftige Vergleichsrechnung anstellen zu können, den Tarif zu ermitteln haben, welcher dem durch das Zentrum Z.________ in Rechnung gestellten Betrag zu Grunde liegt. 
5. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 134 OG). Die Beschwerdeführerin ist durch die Winterthur-ARAG Rechtsschutzversicherung vertreten, welche den Fall im internen Verhältnis durch Fürsprecher L.________ bearbeiten liess. Damit ist die anwaltsmässige Vertretung ausgewiesen, weshalb der Beschwerdeführerin dem Ausgang des Verfahrens entsprechend eine Parteientschädigung zusteht (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 1 und 2 OG; Urteil S. vom 12. Juli 2005, C 154/04, Erw. 4 mit Hinweis auf das nicht veröffentlichte Urteil H. vom 27. Januar 1992, K 44/91). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 30. Juni 2003 und der Einspracheentscheid vom 15. Oktober 2002 aufgehoben werden und die Sache an die KPT/CPT Krankenkasse zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre und erneut über den Leistungsanspruch der Beschwerdeführerin befinde. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die KPT/CPT Krankenkasse hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt. 
Luzern, 10. November 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: