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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.527/2003 /zga 
 
Urteil vom 10. Dezember 2003 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, Bundesrichter Aeschlimann 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Peter, Ettiswilerstrasse 12, Postfach 3233, 6130 Willisau, 
 
gegen 
 
Helvetia Patria Versicherungen, Dufourstrasse 40, Postfach, 9001 St. Gallen, 
Gebäudeversicherung des Kantons Luzern, Hirschengraben 19, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerinnen, Letztere vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Frank, Bärengasse 2, Postfach, 6210 Sursee, 
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern, 
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, Postfach, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren: Beweiswürdigung. 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil 
des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, 
vom 14. Mai 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern verurteilte X.________ am 25. April 2002 wegen Brandstiftung (Art. 221 Abs. 1 StGB), Anstiftung zu Brandstiftung und versuchter Anstiftung zu Brandstiftung sowie mehrfachen Betrugs (Art. 146 Abs. 1 StGB) und mehrfachen vollendeten Betrugsversuchs zu 3 ½ Jahren Zuchthaus. Es hielt für erwiesen, dass er die seiner Ehefrau gehörende Liegenschaft "Y.________" in Z.________ am 28. Juli 1997 abbrennen liess, um den unrentablen Restaurationsbetrieb loszuwerden und mit den Versicherungsleistungen seine Schulden zu bezahlen. 
 
X.________ appellierte gegen dieses Urteil ans Obergericht des Kantons Luzern. An der Hauptverhandlung vom 29. Oktober 2002 nahm er entschuldigt nicht teil, da er sich zwischen dem 25. Oktober und dem 11. November 2002 wegen akuter Suizidalität in stationärer Behandlung in der Klinik Schlössli, Oetwil am See, befand. Der Verteidiger beantragte an der Hauptverhandlung erneut, es sei ein Gutachten zur Frage einzuholen, ob X.________ zur Tatzeit voll zurechnungsfähig gewesen sei. Das Obergericht holte daraufhin bei Dr. A.________ und Dr. B.________, die diesen in der Klinik Schlössli behandelt hatten, einen Therapiebericht ein. Die beiden Ärzte sehen sich darin ausserstande, die Frage zu beantworten, ob X.________ bereits im Tatzeitpunkt psychisch beeinträchtigt gewesen sein könnte, halten indessen fest, es fehlten ihnen Hinweise, "dass die jetzt durch uns festgestellte Störung ihn in dem weit zurückliegenden Zeitpunkt der Tat in irgendeiner Art hätte beeinflussen können". Auf die Frage, ob die von Ihnen festgestellte psychische Beeinträchtigung endogener Natur sei oder durch die Belastungen des Strafverfahrens hervorgerufen worden sei, halten die Mediziner fest, sie seien eher zur Auffassung gelangt, diese seien auf das Strafverfahren zurückzuführen, sie könnten indessen nicht ausschliessen, dass vielleicht auch ein endogener Anteil vorliege. 
 
Das Obergericht fand die Ausführungen der beiden Ärzte, die psychischen Probleme seien auf die Belastungen des Strafverfahrens zurückzuführen, nachvollziehbar. Die Tatausführung zeige keine auffälligen Eigenheiten, vielmehr handle es sich um einen typischen Versicherungsbetrug, den X.________ zur Lösung seiner finanziellen Probleme begangen habe. Dieser sei denn auch erst seit Beginn der Strafuntersuchung in psychotherapeutischer Behandlung. Auch wenn der Therapiebericht nicht völlig ausschliessen könne, dass die psychischen Probleme von X.________ zum Teil schon im Tatzeitpunkt bestanden haben könnten, so habe es keine ernsthaften Zweifel daran, dass er damals voll zurechnungsfähig gewesen sei. 
 
Das Obergericht wies den Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zu dieser Frage ab und bestätigte den Schuldspruch gegen X.________ am 14. Mai 2003 im Wesentlichen, änderte ihn in hier nicht interessierender Weise ab und reduzierte die Strafe auf 2 ½ Jahre Zuchthaus. 
B. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 11. September 2003 wegen Verletzung des Willkürverbotes und des rechtlichen Gehörs beantragt X.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben. 
 
Das Obergericht beantragt in seiner Vernehmlassung, auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten. Die Staatsanwaltschaft beantragt, sie abzuweisen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Beim angefochtenen Entscheid des Obergerichts handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer ist durch die strafrechtliche Verurteilung in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt (Art. 88 OG), weshalb er befugt ist, die Verletzung verfassungsmässiger Rechte zu rügen. Auf die Beschwerde ist, unter dem Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c), einzutreten. 
2. 
Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, in willkürlicher Weise angenommen zu haben, er sei im Tatzeitpunkt voll zurechnungsfähig gewesen. Zudem habe es sein rechtliches Gehör verletzt, indem es seinen Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zu dieser Frage abgelehnt habe. 
2.1 Nach Art. 11 StGB kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern, wenn der Täter zur Zeit der Tat nicht zurechnungsfähig war. Nach Art. 13 StGB ordnet er ein psychiatrisches Gutachten an, wenn er Zweifel an dessen Zurechnungsfähigkeit hat. Die Fragen, ob das Obergericht den Beschwerdeführer zu Recht oder zu Unrecht für die ihm vorgeworfenen Taten voll zurechnungsfähig hielt oder ob es an dessen Zurechnungsfähigkeit hätte zweifeln und ein Gutachten einholen müssen, sind somit solche des materiellen Strafrechts, die dem Kassationshof des Bundesgerichts mit Nichtigkeitsbeschwerde zu unterbreiten sind. Eine mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügende Tatfrage ist dagegen, in welchem Zustand sich der Beschwerdeführer zur Zeit der Tat befand (BGE 107 IV 3 E. 1a, 106 IV 236 E. 2a je mit Hinweisen). Tatfrage ist somit, in welchem psychischen Zustand sich der Beschwerdeführer zur Tatzeit befand, Rechtsfrage, ob seine Zurechnungsfähigkeit dadurch eingeschränkt war. 
2.2 Die Rügen, das Obergericht habe in willkürlicher Weise und unter Verletzung des rechtlichen Gehörs die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens abgelehnt und angenommen, der Beschwerdeführer sei zur Tatzeit voll zurechnungsfähig gewesen, betrifft somit das materielle Strafrecht und müssten dementsprechend mit Nichtigkeitsbeschwerde vorgebracht werden (Art. 268 Ziff. 1 und Art. 269 Ziff. 1 BstP); in der staatsrechtlichen Beschwerde sind sie unzulässig (Art. 84 Abs. 2 OG). 
 
Sie wären im Übrigen auch offensichtlich unbegründet. Art. 13 StGB gilt zwar nicht nur, wenn der Richter tatsächlich Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit hegt, sondern auch, wenn er nach den Umständen des Falles Zweifel haben sollte (BGE 119 IV 120 E. 2a). Allerdings ist bei der Prüfung dieser Zweifel zu berücksichtigen, dass nicht jede geringfügige Herabsetzung der Fähigkeit, sich zu beherrschen, genügt, um eine verminderte Zurechnungsfähigkeit anzunehmen. Der Betroffene muss vielmehr, zumal der Begriff des normalen Menschen nicht eng zu fassen ist, in hohem Masse in den Bereich des Abnormen fallen, seine Geistesverfassung nach Art und Grad stark vom Durchschnitt nicht bloss der Rechts-, sondern auch der Verbrechensgenossen abweichen (BGE 116 IV 273 E. 4b). Diese Voraussetzungen sind vorliegend offenkundig nicht erfüllt, es kann auf die Ausführungen dazu im angefochtenen Entscheid (S. 5 f.) verwiesen werden, mit denen sich der Beschwerdeführer nicht auseinandersetzt. Ergänzend ist zu bemerken, dass der Beschwerdeführer zwar vorbringt, er sei seit dem 23. September 1999 bei Dr. C.________, Spezialärztin FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, in Behandlung, aber nicht dartut, inwiefern sich dabei Hinweise ergeben hätten, dass er im Tatzeitpunkt gut zwei Jahre zuvor wegen einer psychischen Störung nicht oder nur vermindert zurechnungsfähig war. 
2.3 In der staatsrechtlichen Beschwerde zulässig wären dagegen die Rügen, das Obergericht habe willkürlich angenommen, der psychische Zustand des Beschwerdeführers sei zur Tatzeit "normal" bzw. unauffällig gewesen, und es habe das rechtliche Gehör verletzt, indem es seine Beweisanträge dazu abgelehnt habe. Wollte man die Rügen des Beschwerdeführers entgegen ihrer klaren Formulierung in diesem Sinne verstehen, wären sie offensichtlich unbegründet bzw. erfüllten die gesetzlichen Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht: 
 
Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid in haltbarer Weise dargelegt (S. 5 f.), weshalb es die Einschätzung der Klinikärzte teilt, dass die psychischen Probleme des Beschwerdeführers durch die Belastungen des Strafverfahrens auftraten, insbesondere weil es in dessen Vorgehen bei der Tat keinerlei Auffälligkeiten erkennen konnte, die auf einen psychisch gestörten Täter hätten schliessen lassen. Diese Erwägungen sind keineswegs willkürlich, ganz abgesehen davon, dass sich der Beschwerdeführer mit ihnen nicht auseinandersetzt und sie nicht in einer den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise widerlegt. Konnte das Obergericht aber in haltbarer Weise davon ausgehen, der Beschwerdeführer sei bei der Tat psychisch unauffällig bzw. "normal" gewesen, konnte es auch ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs weitere Abklärungen dazu - insbesondere die Einholung eines Gutachtens - abweisen. 
3. 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren 
nach Art. 36a OG
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 10. Dezember 2003 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: