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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.448/2004 /ast 
 
Urteil vom 11. Januar 2005 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
X._______, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecherin 
Ursula Zimmermann, 
gegen 
 
Obergericht des Kantons Bern, Appellationshof, 
2. Zivilkammer, Postfach 7475, 3001 Bern. 
 
Gegenstand 
Art. 29 Abs. 3 BV (unentgeltliche Rechtspflege im Ehescheidungsverfahren), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid 
des Obergerichts des Kantons Bern, Appellationshof, 
2. Zivilkammer, vom 3. November 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Im Rahmen des hängigen Scheidungsverfahrens ersuchte X._______ (nachfolgend: Gesuchsteller oder Beschwerdeführer) um Gewährung des Rechts zur unentgeltlichen Prozessführung, das ihm der ausserordentliche Gerichtspräsident I des Gerichtskreises II Biel-Nidau am 5. Oktober 2004 infolge nicht nachgewiesener Bedürftigkeit verweigerte. 
B. 
Den gegen diesen Entscheid eingereichten Rekurs des Gesuchstellers wies der Appellationshof des Obergerichts des Kantons Bern am 3. November 2004 ab, wobei auch die Rekursinstanz von der fehlenden Bedürftigkeit des Beschwerdeführers ausging. 
C. 
Der Gesuchsteller führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des Appellationshofs des Kantons Bern vom 3. November 2004 aufzuheben und ihm im hängigen Scheidungsverfahren das Recht der unentgeltlichen Prozessführung zu erteilen und einen amtlichen Rechtsbeistand beizuordnen. 
 
Der Appellationshof hat unter Hinweis auf die Akten auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 
Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen, ausschliesslich kassatorischer Natur (allgemein: BGE 126 III 534 E. 1c S. 536 f. mit Hinweisen; mit Bezug auf die unentgeltliche Rechtspflege: BGE 104 Ia 31 E. 1). Es kann somit nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt werden. Soweit der Beschwerdeführer um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung für das Scheidungsverfahren ersucht, kann auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden. 
1.2 Der Beschwerdeführer bezeichnet die Verweigerung seines Gesuchs um unentgeltliche Prozessführung als gegen Art. 29 Abs. 3 BV verstossend und willkürlich. Er nennt jedoch die kantonale Norm nicht, die der Appellationshof verletzt haben könnte, und äussert sich auch nicht dazu, inwiefern ihm diese Norm einen weitergehenden Rechtsschutz gewähren soll (BGE 124 I 1 E. 2). Auf die Willkürrüge ist nicht einzutreten (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 119 Ia 197 E. d S. 201; 120 Ia 369 E. 3a; 123 I 1 E. 4a; 127 III 279 E. 1c S. 282 mit Hinweisen; 128 I 295 E. 7a S. 312). 
1.3 Nicht einzutreten ist auf die staatsrechtliche Beschwerde schliesslich, soweit der Beschwerdeführer auf den im Jahr 2004 nicht ausbezahlten 13. Monatslohn verweist. Weder legt er dar, dass er diese Tatsache bereits im kantonalen Verfahren geltend gemacht hat, noch wird erläutert, inwiefern Ausnahmen vom Novenverbot gegeben sein könnten (vgl. Galli, Die rechtsgenügende Begründung der staatsrechtlichen Beschwerde, SJZ 81/1985 S. 125). 
2. 
2.1 Nach Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anrecht auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. 
 
Als bedürftig gilt, wer die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne die Mittel anzugreifen, deren er zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes für sich und seine Familie bedarf. Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs. Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen Verpflichtungen, anderseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181; 124 I 1 E. 2a S. 2, je mit Hinweisen). Bei der Ermittlung des notwendigen Lebensunterhaltes soll nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt, sondern den individuellen Umständen Rechnung getragen werden. Ein allfälliger Überschuss zwischen dem zur Verfügung stehenden Einkommen und dem Zwangsbedarf der Gesuch stellenden Partei ist mit den für den konkreten Fall zu erwartenden Gerichts- und Anwaltskosten in Beziehung zu setzen (BGE 118 Ia 369 E. 4a S. 370 f.); dabei sollte es der monatliche Überschuss ihr ermöglichen, die Prozesskosten bei weniger aufwendigen Prozessen innert eines Jahres, bei anderen innert zweier Jahre zu tilgen. Entscheidend ist zudem, ob die Gesuch stellende Partei mit dem ihr verbleibenden Überschuss in der Lage ist, die anfallenden Gerichts- und Anwaltskostenvorschüsse innert absehbarer Zeit zu leisten (BGE 109 Ia 5 E. 3a S. 9 mit Hinweisen; 118 Ia 369 E. 4a S. 370). 
Das Bundesgericht prüft frei, ob die Kriterien zur Bestimmung der Bedürftigkeit zutreffend gewählt worden sind, während seine Kognition in Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde auf Willkür beschränkt ist (BGE 119 Ia 11 E. 3a S. 12 mit Hinweis; vgl. auch: 129 I 129 E. 2.1 S. 133 mit Hinweisen). 
2.2 Der Appellationshof hat dafürgehalten, die Kleinkreditraten könnten aus den von der Vorinstanz angegebenen Gründen im prozessualen Notbedarf des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt werden. Die Tilgung gewöhnlicher Schulden gehöre nicht zum laufenden Lebensunterhalt und die angeordnete Pfändung belege, dass die Raten offenbar nicht lückenlos beglichen würden. Die in der hiefür angehobenen Betreibung verfügte Lohnpfändung im Zwangsbedarf zu berücksichtigen rechtfertige sich nicht. Zum einen könne die Aufnahme dieses Betrages nicht davon abhängen, ob Schulden in Betreibung gesetzt wurden oder nicht. Zum andern sei dem Schuldner im Rahmen einer Lohnpfändung das Existenzminimum zu belassen, weshalb der gepfändete Betrag nicht seinerseits Teil des notwendigen Lebensunterhaltes bilden könne. Eine Lohnpfändung werde somit bei der Berechnung der Prozessarmut begriffsnotwendig nicht berücksichtigt. Durch die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege würden Betreibungsgläubiger befriedigt, was nicht Sinn und Zweck des Armenrechts entspreche. 
 
Der Beschwerdeführer macht zusammengefasst geltend, ihm sei mit einer Lohnpfändung von monatlich Fr. 450.-- der Lohn bis zum Existenzminimum gepfändet worden. Die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege verletze Art. 29 Abs. 3 BV
2.3 Die Rüge ist begründet. Mit seiner Argumentation übersieht der Appellationshof, dass vom Lohn des Beschwerdeführers ein Betrag von Fr. 450.-- pro Monat gepfändet worden ist, der Beschwerdeführer sich schon deshalb mit dem Existenzminimum begnügen muss und ihm somit keine Mittel zur Begleichung der mit dem Prozess verbundenen Kosten zur Verfügung stehen. Dabei kommt es nicht darauf an, für welche Art von Schulden die Betreibung eingeleitet und der Lohn gepfändet worden ist. Dem Beschwerdeführer bleibt verwehrt, beim Betreibungsamt wegen der anstehenden Gerichts- und Anwaltskosten eine Neufestsetzung seines Existenzminimums zu erwirken. Die Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz vom 24. November 2000 sehen eine Berücksichtigung solcher Kosten im Existenzminimum - zu Recht - nicht vor (BlSchK 2001 S. 14; siehe zum Ganzen auch: Urteil 5P.250/2002 vom 20. September 2002, E. 4.3; vgl. Vonder Mühll, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG II, 1998, N. 33 zu Art. 93 SchKG), führte doch deren Aufnahme ins Existenzminimum zu einer Bevorzugung des Staates und des Anwalts des Beschwerdeführers, was mit den Grundsätzen des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts nicht zu vereinbaren wäre. 
3. 
Hat der Appellationshof die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers zu Unrecht verneint, ist die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann; dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG). Der Kanton Bern hat indes den Beschwerdeführer für die Umtriebe des bundesgerichtlichen Verfahrens zu entschädigen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer, vom 3. November 2004 wird aufgehoben. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Der Kanton Bern hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Obergericht des Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 11. Januar 2005 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: