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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_394/2009 
 
Urteil vom 11. Januar 2010 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Müller, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Bundesrichter Karlen, 
Gerichtsschreiber Merz. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Alde, 
 
gegen 
 
Migrationsamt des Kantons Thurgau, 
Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung (EG/EFTA), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 6. Mai 2009. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der österreichische Staatsangehörige X.________ war seit dem Sommer 2003 als E.________ in der Schweiz tätig. Das Bezirksgericht A.________ verurteilte ihn am 14. Januar 2008 wegen mehrfacher, teils qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten bedingt unter Ansetzung einer Probezeit von vier Jahren. Hierauf lehnte das Migrationsamt des Kantons Thurgau es am 15. Februar 2008 ab, die am 30. Juni 2007 abgelaufene Kurzaufenthaltsbewilligung L EG/EFTA von X.________ zu verlängern bzw. eine Aufenthaltsbewilligung B EG/EFTA zu erteilen. Es wies ihn an, die Schweiz bis Ende Mai 2008 zu verlassen. Die im Kanton dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos. 
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 16. Juni 2009 beantragt X.________ dem Bundesgericht, den in dieser Sache zuletzt ergangenen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 6. Mai 2009 aufzuheben und das kantonale Migrationsamt anzuweisen, ihm die Aufenthaltsbewilligung B EG/EFTA oder eventualiter die Kurzaufenthaltsbewilligung L EG/EFTA zu erteilen. 
 
Sämtliche kantonale Instanzen (Migrationsamt, Departement für Justiz und Sicherheit, Verwaltungsgericht) sowie das Bundesamt für Migration stellen den Antrag, die Beschwerde abzuweisen. 
 
2. 
2.1 Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist zu Recht unbestritten, dass sich der Beschwerdeführer auf das am 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits abgeschlossene Abkommen über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) berufen kann. Deshalb richtet sich die Einschränkung des Aufenthaltsrechts nach Art. 5 Anhang I FZA und den dort erwähnten Richtlinien sowie nach der hiezu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (vgl. zu Letzterem Art. 16 FZA; BGE 130 II 1 E. 3.6.1 S. 10 f., 113 E. 5.2 S. 119 f.). Demgemäss können strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne Weiteres Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen begründen. Vielmehr bedarf es einer hinreichend schweren und gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (vgl. Näheres in BGE 130 II 176 E. 3.4, 4.2 und 4.3.1 S. 182 ff, 493 E. 3 S. 497 ff.; 2C_196/2009 vom 29. September 2009 E. 4.1 und 4.2, je mit Hinweisen). 
 
2.2 Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, von ihm gehe keine Gefährdung mehr aus. Die Vorinstanz nehme willkürlich an, es bestehe bei ihm ein Rückfallrisiko. Sie habe dafür weder überzeugende noch konkrete Anhaltspunkte. Auch lasse sie die Erwägungen des Bezirksgerichts im Strafurteil vom 14. Januar 2008 fälschlicherweise unberücksichtigt. 
 
2.3 Für die ausländerrechtliche Prüfung sind auch etwaige Erwägungen des Strafgerichts - namentlich zur Gewährung des bedingten Strafvollzugs - von Bedeutung (BGE 130 II 176 E. 4.3.3 S. 188 mit Hinweisen). Das Bezirksgericht hatte unter anderem ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer "nicht per se eine schlechte Prognose gestellt werden" könne. Namentlich aufgrund seiner aufrichtigen und grossen Reue sowie der Einsicht in den Unrechtsgehalt seiner Delinquenz sei nicht zu erwarten, dass er weitere Straftaten begehen werde. Zu Letzterem hat sich die Vorinstanz in der Tat nicht unmittelbar geäussert. Sie hat allerdings richtig bemerkt, dass das Strafgericht die günstige Prognose grundsätzlich vermutet. Nach dem vom Bezirksgericht angewandten Art. 42 Abs. 1 StGB (in der seit 1. Januar 2007 geltenden Fassung, AS 2006 3459 3535) genügt für den Strafaufschub durch das Strafgericht das Fehlen einer ungünstigen Prognose; es bedarf nicht mehr wie früher einer günstigen Prognose (BGE 134 IV 1 E. 4 S. 4 ff.). Wie sich aus den Erwägungen des Bezirksgerichts ergibt, hat sich dieses von der erwähnten neuen Rechtslage bei seiner Würdigung leiten lassen. Dieser Beurteilungsmassstab gilt indes nicht für Fremdenpolizeibehörden, weshalb Letztere auch nicht an die Prognose des Strafrichters gebunden sind (vgl. BGE 129 I 215 E. 7.4 S. 223). Im Übrigen hat das Bezirksgericht die Probezeit auf immerhin vier Jahre angesetzt und nicht auf das Mindestmass von zwei Jahren. Die Bemessung der Probezeit von zwei bis fünf Jahren richtet sich neben der Persönlichkeit und dem Charakter des Verurteilten vor allem nach der Höhe der Rückfallgefahr. Je grösser diese ist, desto länger muss die Zeit der Bewährung mit ihrem Zwang zum Wohlverhalten sein (BGE 95 IV 121 E. 1 S. 122; Stefan Trechsel/Bruno Stöckli, in: Trechsel et al., Praxiskommentar Schweizerisches Strafgesetzbuch, 2008, N. 1 zu Art. 44; Roland Schneider/Roy Garré, in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 2. Aufl. 2007, N. 4 zu Art. 44). 
 
Der Beschwerdeführer war bereits im Oktober 2002 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand zu einer Gefängnisstrafe von drei Wochen, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt worden. Diese Verurteilung sowie die dabei gewährte Probezeit hatten ihn jedoch nicht davon abgehalten, mit dem bereits damals aufgenommenem Betäubungsmittelhandel fortzufahren. Der Beschwerdeführer meint zwar sinngemäss, seinerzeit sei er nur im schriftlichen Verfahren verurteilt worden; der erzieherische Effekt habe sich erst durch die Gerichtsverhandlung wegen der Betäubungsmitteldelikte ergeben. Wohl mag ihn das letzte Strafverfahren mehr eingeschüchtert haben als die erste Verurteilung. Es bestehen jedoch Zweifel, ob dieses einen anhaltenden Eindruck hinterlassen hat. Es fällt nämlich auf, dass der Beschwerdeführer bereits ein Jahr später nicht rechtzeitig zur strafrechtlichen Berufungsverhandlung erschien. Mangels Entschuldigungsgrundes schrieb das Obergericht des Kantons Thurgau daher seine Berufung gegen das Strafurteil vom 14. Januar 2008 als erledigt ab. 
 
Sodann hörte der Beschwerdeführer mit seinen deliktischen Tätigkeiten nicht von selber auf, sondern erst infolge seiner Verhaftung. Er weist zwar darauf hin, dass er danach ohne fremde Hilfe "von einem Tag auf den anderen" den eigenen Drogenkonsum eingestellt habe. Wie die Vorinstanz jedoch richtig festhält, ist damit nicht garantiert, dass er nicht rückfällig wird. Immerhin hatte er über Jahre mit Betäubungsmitteln gehandelt und auch selber solche konsumiert. Wenn er wirklich problemlos von Drogen Abstand nehmen konnte, muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er als Person in reiferem Alter nicht schon viel früher diesen Schritt unternommen hat. Das weist auf eine charakterliche Schwäche des Beschwerdeführers hin. Dass er heute über ein genügendes Einkommen aus einer legalen Tätigkeit verfügt, bedeutet nicht, er werde der Drogendelinquenz künftig fernbleiben. Bereits in den Jahren, als er mit Betäubungsmitteln handelte, hatte er ein ausreichendes Einkommen als E.________. Die Vorinstanz bemerkt im Übrigen zu Recht, dass sich der Beschwerdeführer noch immer im gleichen beruflichen Milieu bewegt, in welchem er Drogen verkauft hatte. Er mag seinen Arbeitgeber zwar inzwischen gewechselt haben; es war aber nicht dieser, der ihn zum Drogenhandel animiert hatte; vielmehr hatte der Beschwerdeführer aus eigenem Antrieb gehandelt. Dass er jeweils nur Kleinstmengen Kokain an die Gäste der Nachtlokale abgegeben hatte, ist insoweit unerheblich und darf - entgegen den Andeutungen des Beschwerdeführers - auch mit Blick auf sein langjähriges deliktisches Verhalten nicht verharmlost werden. 
 
2.4 Somit ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz - trotz der vom Strafgericht festgestellten Reue und Einsicht - eine gewisse Wahrscheinlichkeit angenommen hat, dass der Beschwerdeführer wieder deliktisch tätig wird. Gerade im Bereich des Betäubungsmittelhandels, der zur Beeinträchtigung der Gesundheit vieler Menschen führen kann, ist diese Rückfallgefahr umso weniger hinzunehmen (vgl. auch BGE 130 II 176 E. 4.3.1 S. 185 f.; Urteil des EGMR Dalia gegen Frankreich vom 19. Februar 1998, PCourEDH 1998 I S. 76 insbes. § 54). Demzufolge durfte die Vorinstanz von einer hinreichend schweren und aktuellen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgehen. 
 
2.5 Hiervon ausgehend erweist sich die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung auch als verhältnismässig: Der Beschwerdeführer lebt erst seit dem Jahr 2003 dank Kurzaufenthaltsbewilligungen in der Schweiz, wobei er von Anfang an gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen hat. Er hat keine familiären Bande im Inland. Deshalb geht sein Hinweis auf die sog. Reneja-Praxis, welche allenfalls für verheiratete Ausländer gilt, fehl (vgl. Näheres in BGE 130 II 176 E. 4.1 S. 185 mit Hinweisen). 
 
3. 
Dem Dargelegten zufolge erweist sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren unter ergänzendem Verweis auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid nach Art. 109 BGG behandelt werden kann. 
 
Diesem Ausgang entsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens zu tragen (Art. 65 f. BGG). Parteientschädigungen werden nicht geschuldet (vgl. Art. 68 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt, dem Department für Justiz und Sicherheit sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 11. Januar 2010 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Müller Merz