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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.259/2004/blb 
 
Urteil vom 11. Februar 2005 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl, 
Gerichtsschreiber Schett. 
 
Parteien 
X.________, 
Beklagte und Berufungsklägerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Dommer, 
 
gegen 
 
Y.________, 
Kläger und Berufungsbeklagten, 
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Schlegel. 
 
Gegenstand 
Ehescheidung, 
 
Berufung gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, II. Zivilkammer, vom 8. November 2004. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Y.________, geboren xxxx, und X.________, geboren xxxx, heirateten am xxxx in H.________. Sie haben keine gemeinsamen Kinder. Am 21. März 2001 reichte Y.________ beim Bezirksgericht Werdenberg (heute: Kreisgericht Werdenberg-Sargans) gestützt auf Art. 115 ZGB die Scheidungsklage ein. X.________ widersetzte sich der Scheidung. Die Klage wurde am 29. April 2004 abgewiesen. 
 
B. 
Gegen dieses Urteil gelangte Y.________ mit Berufung an das Kantonsgericht St. Gallen. Er beantragte nunmehr, die Ehe gestützt auf den revidierten Art. 114 ZGB zu scheiden. Zudem sei festzustellen, dass sich die Ehegatten nichts mehr schuldeten. X.________ schloss auf Abweisung der Berufung, da die Trennungsfrist gemäss Art. 114 ZGB bei Klageanhebung noch nicht abgelaufen sei. Eventualiter forderte sie einen Ausgleich in der beruflichen Vorsorge. Das Kantonsgericht sprach mit Entscheid vom 8. November 2004 die Scheidung der Parteien aus. Es legte fest, dass X.________ Anspruch auf die Hälfte einer allfälligen für die Ehezeit ermittelten Austrittsleistung von Y.________ in der beruflichen Vorsorge zustehe. Im Übrigen schuldeten sich die Parteien keinen nachehelichen Unterhalt und seien güterrechtlich auseinandergesetzt. 
 
C. 
X.________ ist am 10. Dezember 2004 mit Berufung an das Bundesgericht gelangt. Sie beantragt die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Entscheides und die Abweisung der Scheidungsklage. Zudem stellt sie für das bundesgerichtliche Verfahren das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und um Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes. 
 
Es sind keine Antworten eingeholt worden. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Die Berufung richtet sich gegen ein letztinstanzliches Urteil, beschlägt die Voraussetzungen der Ehescheidung, mithin eine nicht vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit. Sie ist unter diesen Gesichtspunkten zulässig (Art. 44 Abs. 1, Art. 48 Abs. 1 OG). Hingegen äussert sich das Bundesgericht nicht zu Rechtsfragen, zu welchen die Vorinstanz sich nicht geäussert hat. Dies gilt vorliegend für den Scheidungsanspruch nach Art. 115 ZGB, zu welchem die Berufungsklägerin Stellung nimmt. Ungeachtet des allgemein gehaltenen Antrags auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides überprüft das Bundesgericht diesen zudem nur, soweit auch konkrete Rügen zu den einzelnen Punkten des Dispositivs erhoben werden (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Da sich in der Berufungsschrift keine Ausführungen zur Anwendung von Art. 122 ZGB finden, kann die von der Vorinstanz vorgenommene Aufteilung der Austrittsleistung nicht auf ihre Übereinstimmung mit dem Bundesrecht geprüft werden. 
 
2. 
Anlass zur vorliegenden Berufung gibt die Frage, in welchem Zeitpunkt die gesetzliche Trennungsfrist von zwei Jahren erreicht sein muss, um gestützt auf den seit 1. Juni 2004 geltenden Art. 114 ZGB die Ehescheidung auszusprechen. 
 
2.1 Bereits kurze Zeit nach Inkrafttreten des revidierten Scheidungsrechts am 1. Januar 2000 hat das Bundesgericht darauf hingewiesen, dass das neue Recht kraft Art. 7b Abs. 1 SchlT ZGB unmittelbar auf die vor den kantonalen Instanzen hängigen Verfahren zur Anwendung gelange. Der Wortlaut dieser Bestimmung sei klar und bedürfe keiner Auslegung (BGE 126 III 404 E. 3a und 3c). Zudem seien gemäss Art. 7b Abs. 2 SchlT ZGB neue Rechtsbegehren zulässig, sofern sie durch den Wechsel des anwendbaren Rechts veranlasst werden. Daraus folge, dass auch das bereits vorhandene Scheidungsbegehren nunmehr auf Art. 114 ZGB gestützt werden könne. Es sei zudem logisch, dass die Trennungszeit von vier Jahren bei Inkrafttreten des neuen Rechts und nicht bereits bei Einreichung des Antrages nach altem Recht erfüllt sein müsse (BGE 126 III 401 E. 2c). Die Praxis des Bundesgerichts konnte sich bereits auf den überwiegenden Teil der Lehre stützen (Ruth Reusser, Die Scheidungsgründe und die Ehetrennung, in: Vom alten zum neuen Scheidungsrecht, Hrsg.: Heinz Hausheer, Bern 1999, N. 1.110 S. 45; Thomas Geiser, Übersicht zum Übergangsrecht des neuen Scheidungsrechts, ebenda, N. 6.20 S. 254; Roland Frankhauser, in: Ingeborg Schwenzer [Hrsg.], Praxiskommentar Scheidungsrecht, N. 29 zu Art. 114 ZGB, S. 73; a.M. Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, N. 20 zu Art. 114 ZGB, S. 97, N. 9 zu Art. 7b SchlT, S. 644) und hat denn auch deren Zustimmung erfahren (Daniel Steck, Basler Kommentar, N. 31 zu Art. 114 ZGB). 
 
2.2 Am 1. Juni 2004 ist die am 19. Dezember 2003 revidierte Fassung von Art. 114 ZGB in Kraft getreten. Im Vergleich zu der seit dem 1. Januar 2000 geltenden Regelung vom 26. Juni 1998 hat sich lediglich die Dauer der Trennung geändert. Neu müssen die Ehegatten nur mehr zwei Jahre statt vier Jahre getrennt gelebt haben, um die Scheidung verlangen zu können. Für Scheidungsverfahren, die am 1. Juni 2004 bereits rechtshängig waren und die von einer kantonalen Instanz zu beurteilen sind, gilt die Trennungsfrist nach neuem Recht (Art. 7c SchlT ZGB). Aus dem Wortlaut dieser neuen Übergangsbestimmung wird schon klar, dass die verkürzte Trennungsfrist bereits im Moment des Rechtswechsels gilt. Die Entstehungsgeschichte des neuen Art. 114 ZGB belegt überdies, dass der Gesetzgeber für die Erfüllung der Zweijahresfrist nicht auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung, sondern - unter ausdrücklichem Hinweis auf die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung - auf denjenigen des Inkrafttretens der Revision abstellt (Parlamentarische Initiative Trennungsfrist bei Scheidung auf Klage eines Ehegatten, Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 29. April 2003, in BBl 2003, IV, S. 3936). Die neuere Lehre pflichtet dieser Betrachtungsweise bei (Daniel Steck, Die Praxisentwicklung zu den Scheidungsgründen, FamPra.ch. 2004, S. 224). 
 
2.3 Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (Art. 63 Abs. 2 OG), dass die Parteien spätestens seit dem 1. April 2001 faktisch getrennt leben und dass der Kläger einen klaren Trennungswillen bekundet. Das Scheidungsverfahren ist seit dem 21. März 2001 rechtshängig. Der erstinstanzliche Entscheid erging am 29. April 2004, wogegen der Kläger am 28. Juni 2004 Berufung erhob. Daraus ergibt sich, dass die Parteien bei Inkrafttreten des revidierten Art. 114 ZGB am 1. Juni 2004 die minimale Trennungsfrist von neu zwei Jahren bereits um mehr als drei Jahre überschritten haben. Nach dem Gesagten (E. 2.2) verletzt das am 8. November 2004 ausgesprochene Scheidungsurteil damit kein Bundesrecht. 
 
2.4 Was die Berufungsklägerin dagegen vorbringt, überzeugt nicht. Sie besteht auf einer vorprozessualen Trennungsfrist, d.h. bei Einreichung der Scheidungsklage muss ihrer Ansicht nach die Minimalfrist von zwei Jahren erfüllt sein, was vorliegend nicht der Fall sei. Mit dieser Sichtweise übergeht sie den Umstand, dass die Scheidungsklage seinerzeit gestützt auf Art. 115 ZGB eingereicht worden ist und dieser Scheidungsgrund keine Einhaltung einer Trennungsfrist voraussetzt. Die Revision des Scheidungsrechts gestand dem Kläger zu, sein Begehren neu auf Art. 114 ZGB zu stützen, soweit er bei dessen Inkrafttreten von seiner Ehefrau zwei Jahre getrennt gelebt hatte. Dieses Ergebnis folgt nicht nur aus der bisherigen bundesgerichtlichen Praxis, sondern vor allem aus der Entstehungsgeschichte des neuen Art. 114 ZGB und Art. 7c SchlT ZGB. Dies übersieht die Berufungsklägerin offensichtlich. 
 
3. 
Nach dem Gesagten ist der Berufung kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss trägt die Berufungsklägerin die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 156 Abs. 1 OG). Die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung scheinen gegeben zu sein (Art. 152 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beklagten auferlegt, indessen einstweilen auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
3. 
Das Gesuch der Beklagten um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen, und Rechtsanwalt Dr. Jürg Dommer wird zum unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt. Es wird ihm aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 1'500.-- ausgerichtet. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 11. Februar 2005 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: