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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_485/2018  
 
 
Urteil vom 11. Februar 2019  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Kopp Käch. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Gemeinde Kappel am Albis, 
vertreten durch Rechtsanwältin MLaw Nadja Hirzel, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 18. Mai 2018 (IV.2018.00405). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die IV-Stelle des Kantons Zürich erteilte am 25. Juli 2016 Kostengutsprache für die erstmalige berufliche Ausbildung des im Jahr 2000 geborenen A.________. Sie teilte insbesondere mit, sie übernehme die Mehrkosten der erstmaligen beruflichen Ausbildung zum Automobilassistenten EBA ab 1. August 2016 bis 31. Juli 2018 und spreche zusätzlich ein betreutes Wohnen vom 16. Juli 2016 bis 31. Juli 2018 durch das Lehrlingshaus B.________ zu, woran die Invalidenversicherung Teilkosten von Fr. 5'400.- pro Monat leiste. Das Schreiben ging gemäss Verteiler an die Mutter des Versicherten und seine Beiständin. 
 
B.   
Am 2. Mai 2018 erhob die Gemeinde Kappel am Albis Beschwerde gegen diese Kostengutsprache. Sie beantragte, die Verfügung vom 25. Juli 2016 sei dahingehend aufzuheben, als dass ein Anspruch auf Unterbringungskosten über den Betrag von Fr. 5'400.- hinaus verneint werde, und es seien A.________ die gesamten gesetzlichen Leistungen, insbesondere die gesundheitlich bedingten Mehrkosten seiner beruflichen Erstausbildung, zuzusprechen. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde mit Entscheid vom 18. Mai 2018 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt die Gemeinde Kappel am Albis beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei die Vorinstanz zu verpflichten, auf die Beschwerde vom 2. Mai 2018 einzutreten und diese materiell zu prüfen, soweit nicht darauf eingetreten worden sei. Zudem sei die IV-Stelle zu verpflichten, die (gesamten) Unterbringungskosten des betreuten Wohnens von A.________ über den Betrag von Fr. 5'400.- hinaus zu übernehmen. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an    (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie mangels ergangener Verfügung das Vorliegen eines Anfechtungsobjektes sowie ein allfälliges Begehren um Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung verneinte und die Beschwerde abwies, soweit sie darauf eintrat. 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht hat zunächst in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, es habe sich dem Antrag der Beiständin des Versicherten an die Gemeindeverwaltung vom 16. Juni 2016 auf subsidiäre Kostengutsprache für betreutes Wohnen entnehmen lassen, dass sich die IV-Stelle mit einem Betrag von monatlich Fr. 5'400.- an der Platzierung im Lehrlingshaus B.________ beteilige, was denn auch dem Inhalt der Mitteilung vom 25. Juli 2016 entsprochen habe. Die Beschwerdeführerin sei demnach - so die Vorinstanz - seit diesem Zeitpunkt über den Umfang der Kostenübernahme durch die IV-Stelle informiert gewesen und habe seit 16. August 2016 monatliche Zahlungen an die Stiftung D.________ geleistet, welche die Finanzen des Lehrlingshauses B.________ führe. Das kantonale Gericht hat sodann erwogen, die im formlosen Verfahren nach Art. 51 Abs. 1 ATSG ergangene Mitteilung der IV-Stelle vom 25. Juli 2016 wäre wohl auch der Beschwerdeführerin zu eröffnen gewesen, da sich deren Leistungspflicht indirekt aus dem in der Mitteilung festgehaltenen Leistungsumfang der IV-Stelle ergeben habe und sie demnach als betroffen gelten müsse. Da die Beschwerdeführerin jedoch durch den Antrag auf subsidiäre Kostengutsprache über den Umfang der Kostenübernahme durch die IV-Stelle informiert gewesen sei und ihre Zahlungen geleistet habe, habe die mangelhafte Zustellung ihren Zweck erreicht und müsste ein allfälliges Begehren um Erlass einer beschwerdefähigen Verfügung nach knapp zweijähriger widerspruchsloser Zahlung als treuwidrig qualifiziert werden.  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin rügt im Wesentlichen, das kantonale Gericht habe Bundesrecht verletzt, indem es den Entscheid der IV-Stelle vom 25. Juli 2016 als Mitteilung im formlosen Verfahren qualifiziert habe. Die Leistungspflicht der IV-Stelle betreffend Übernahme der Mehrkosten der erstmaligen beruflichen Ausbildung des Versicherten und von Teilkosten des betreuten Wohnens hätte vielmehr in einer Verfügung festgesetzt werden müssen bzw. die Anordnung vom      25. Juli 2016 sei als Verfügung zu qualifizieren. Durch die bundesrechtswidrige Nichteröffnung dieser Verfügung dürfe der Beschwerdeführerin kein Nachteil erwachsen. Sie habe erst mit Aktenzustellung vom 6. März 2018 Kenntnis der Anordnung vom 25. Juli 2016 erhalten, weshalb die Frist zur Anfechtung erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen habe. Selbst wenn die strittige Anordnung im formlosen Verfahren hätte ergehen können, wäre sie der Beschwerdeführerin zwingend zu eröffnen gewesen, damit diese eine beschwerdefähige Verfügung hätte verlangen können. Auch diese Frist hätte erst ab Kenntnisnahme am 6. März 2018 zu laufen begonnen.  
 
4.  
 
4.1. Über Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die erheblich sind oder mit denen die betroffene Person nicht einverstanden ist, hat der Versicherungsträger gemäss Art. 49 Abs. 1 ATSG schriftlich Verfügungen zu erlassen. Die Verfügungen werden mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und sind zu begründen, wenn sie den Begehren der Parteien nicht voll entsprechen, wobei der betroffenen Person aus einer mangelhaften Eröffnung einer Verfügung kein Nachteil erwachsen darf (Art. 49 Abs. 3 ATSG).  
 
4.2. Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die nicht unter Art. 49 Abs. 1 ATSG fallen, können in Anwendung von Art. 51 Abs. 1 ATSG in einem formlosen Verfahren behandelt werden. Die betroffene Person kann nach Art. 51 Abs. 2 ATSG den Erlass einer Verfügung verlangen. Zwar bezieht sich Art. 51 ATSG ausdrücklich nur auf das zulässige formlose Verfahren, doch erachtet es die Rechtsprechung - in Analogie zu Art. 51 Abs. 2 ATSG - auch dann als angezeigt, dass die betroffene Person einen Entscheid in Form einer Verfügung verlangen kann, wenn der Versicherungsträger zu Unrecht formlos und nicht mittels Verfügung entschieden hat (BGE 134 V 145 E. 5.1 S. 149). Die Frist für eine solche Intervention gegen den unzulässigerweise formlos mitgeteilten Entscheid beträgt im Regelfall ein Jahr seit der Mitteilung. Eine längere Frist kommt allenfalls dann in Frage, wenn die betroffene Person - insbesondere wenn sie rechtsunkundig und nicht anwaltlich vertreten ist - in guten Treuen annehmen durfte, der Versicherer habe noch keinen abschliessenden Entscheid fällen wollen und sei mit weiteren Abklärungen befasst. Ohne fristgerechte Intervention erlangt der Entscheid rechtliche Wirksamkeit, wie wenn er zulässigerweise im Rahmen von Art. 51 Abs. 1 ATSG ergangen wäre (BGE 134 V 145    E. 5.3 und 5.4 S. 151 ff.; Urteil 8C_536/2017 vom 5. März 2018 E. 3.4 mit Hinweis).  
 
5.  
 
5.1. Wie das kantonale Gericht festgestellt hat und was unbestritten ist, stellte die Beiständin des Versicherten der Gemeindeverwaltung der Beschwerdeführerin am 16. Juni 2016 einen Antrag auf subsidiäre Kostengutsprache für betreutes Wohnen. Darin wurde ausgeführt, dass der seit fünf Jahren im Schulheim E.________ platzierte Versicherte auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Lehrstelle gefunden habe und in Zusammenarbeit mit der Invalidenversicherung im Lehrlingshaus B.________ eine Anschlusslösung in Form eines betreuten Wohnens gesucht und gefunden worden sei, da eine Rückkehr zu einem Elternteil die Stabilität der aktuellen Situation sehr gefährden würde. Die Gründe für eine weiterführende auswärtige Platzierung sowie die Kostenregelung unter Berücksichtigung des IV-Beitrages wurden im Antrag einlässlich dargelegt. Die aufgezeigte Kostenbeteiligung der IV-Stelle entspricht dem Inhalt der Mitteilung vom 25. Juli 2016. Die Beschwerdeführerin hat ihren Kostenanteil, was ebenfalls aktenkundig und unbestritten ist, ab 16. August 2016 bis 8. November 2017 monatlich an die Stiftung D.________ geleistet.  
 
5.2. Die Vorinstanz ist bei gegebener Aktenlage zu Recht davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin ab dem Zeitpunkt des Antrags auf subsidiäre Kostengutsprache vom 16. Juni 2016 über den Umfang der Kostenübernahme durch die IV-Stelle am betreuten Wohnen des Versicherten informiert war und ihren Beitrag unbestrittenermassen während 16 Monaten widerspruchslos leistete. Wenn die Beschwerdeführerin diesbezüglich geltend macht, in ihrer Tätigkeit als Gemeinde und im Sinne einer Massenverwaltung sei sie gar nicht in der Lage, jegliche bzw. weiterführende Leistungsansprüche zu prüfen, kann sie daraus in Bezug auf die Kenntnisnahme nichts zu ihren Gunsten ableiten. Vielmehr ist von einer Gemeindebehörde, wie das kantonale Gericht zutreffend ausgeführt hat, zu erwarten, dass sie die Grundlagen ihrer Leistungspflicht abklärt.  
 
5.3. Bei dieser Ausgangslage ist auf die Frage, ob die Anordnung der IV-Stelle vom 25. Juli 2016 zu Recht als im formlosen Verfahren gemäss Art. 51 Abs. 1 ATSG ergangene Mitteilung qualifiziert worden ist oder ob sie gemäss Art. 49 Abs. 1 ATSG in Form einer Verfügung hätte ergehen müssen, nicht weiter einzugehen. Sowohl für das Begehren um Erlass einer anfechtbaren Verfügung gemäss Art. 51 Abs. 2 ATSG wie auch bei der mangelhaften Eröffnung einer Verfügung im Sinne von Art. 49 Abs. 3 ATSG gilt nämlich als Richtschnur der Grundsatz von Treu und Glauben (BGE 134 V 145 E. 5.2 S. 150). Für das Begehren um Erlass einer anfechtbaren Verfügung steht - selbst in Fällen, in denen ein Entscheid zu Unrecht im formlosen Verfahren ergangen ist - rechtsprechungsgemäss eine Frist von im Regelfall einem Jahr zur Verfügung (Urteil 8C_536/2017 vom 5. März 2018 E. 3.4;  UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 19 und 24 zu Art. 51 ATSG; vgl. auch E. 4.2 hiervor). Aus der mangelhaften Eröffnung einer Verfügung sodann darf der betroffenen Person gemäss Art. 49 Abs. 3 letzter Satz ATSG kein Nachteil erwachsen. Nach der Rechtsprechung ist nicht jede mangelhafte Eröffnung schlechthin nichtig mit der Konsequenz, dass die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen beginnen könnte. Aus dem Grundsatz, dass den Parteien aus mangelhafter Eröffnung keine Nachteile erwachsen dürfen, folgt vielmehr, dass dem beabsichtigten Rechtsschutz schon dann Genüge getan wird, wenn eine objektiv mangelhafte Eröffnung trotz ihres Mangels ihren Zweck erreicht. Das bedeutet nichts anderes, als dass nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu prüfen ist, ob die betroffene Partei durch den gerügten Eröffnungsmangel tatsächlich irregeführt und dadurch benachteiligt worden ist. Richtschnur für die Beurteilung dieser Frage ist auch hier der Grundsatz von Treu und Glauben, an welchem die Berufung auf Formmängel in jedem Fall ihre Grenze findet (BGE 132 I 249 E. 6 S. 253 f.; 122 I 97 E. 3a/aa S. 99; 111 V 149 E. 4c S. 150; SVR 2011 IV Nr. 32 S. 93, 9C_791/2010      E. 2.2; Urteil 9C_418/2017 vom 30. Oktober 2017 E. 2.1 mit Hinweisen).  
 
5.4. Wie in Erwägung 5.2 hiervor festgestellt, erhielt die Beschwerdeführerin mit dem Antrag auf subsidiäre Kostengutsprache für betreutes Wohnen vom 16. Juni 2016 Kenntnis von der bloss teilweisen Kostenübernahme der Wohnkosten durch die IV-Stelle, womit trotz mangelhafter Eröffnung der Anordnung bzw. unterlassener Verfügung die Mitteilung ihren Zweck erreicht hat. Ein allfälliges Begehren der Beschwerdeführerin um Erlass einer anfechtbaren Verfügung nach über 16 Monaten widerspruchsloser Zahlung des Wohnbeitrages ist mit der Vorinstanz als treuwidrig und verspätet zu betrachten, wobei es im Ergebnis keine Rolle spielt, ob die Anordnung vom 25. Juli 2016 als im formlosen Verfahren ergangene Mitteilung qualifiziert wird oder ob sie in Form einer Verfügung hätte erlassen werden müssen.  
 
5.5. Zusammenfassend vermögen die Einwendungen der Beschwerdeführerin weder die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen als offensichtlich unrichtig noch das Ergebnis als sonstwie bundesrechtswidrig aufzuzeigen, weshalb ihre Beschwerde abzuweisen ist.  
 
6.   
Die Gerichtskosten sind dem Ausgang des Verfahrens entsprechend der Beschwerdeführerin zu überbinden (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Da es um ihr Vermögensinteresse geht, kann sie sich nicht auf Art. 66 Abs. 4 BGG berufen (z.B. Urteil 8C_633/2018 vom 13. Dezember 2018 E. 5 mit Hinweis). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Bundesamt für Sozialversicherungen und Rachel Frei, Affoltern am Albis, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 11. Februar 2019 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch