Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_131/2021
Urteil vom 11. Februar 2022
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Kiss, Niquille,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin May Canellas,
Gerichtsschreiber Luczak.
Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt
Prof. Dr. Walter Fellmann,
Beschwerdeführerin,
gegen
Schweizerische Bundesbahnen SBB,
vertreten durch Rechtsanwältin Barbara Klett,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Eisenbahnhaftpflicht; Unterbrechung des Kausalzusammenhangs,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Thurgau vom 10. Dezember 2020 (ZBR.2020.36).
Sachverhalt:
A.
Am Samstag, 26. Juli 2014, bauten B.________ (Geschädigte) und C.________ (Geschädigter) einen von diesem neu erworbenen Katamaran in dessen Garten zusammen. Der Katamaran bestand aus zwei aufblasbaren Kunststoffschwimmern und einem Aufbau mit einem Mast aus Leichtmetall. Da der Aufbau des Katamarans rund drei Stunden in Anspruch nahm, entschieden sich die beiden anschliessend, erst am Sonntag auf den See zu gehen. Sie bauten den Mast wieder ab und stellten den Katamaran in die Garage. Am Sonntag, 27. Juli 2014, bauten sie den Mast wieder auf und beabsichtigten, mit dem Katamaran via einen Bahnübergang zur U.________strasse zu gelangen, um im V.________see segeln zu gehen. Beide gingen vor dem Katamaran und zogen diesen mit dem Rücken zum Boot und mit Blick in Laufrichtung auf einem zweirädrigen Slipwagen. Sie hatten ihre Arme nach hinten und hielten mit beiden Händen die Querstrebe des Slipwagens. Als sie den Bahnübergang überqueren wollten, traf der Mast des Katamarans, welcher 6.865 m in die Höhe ragte, die Fahrleitung der Bahn, welche sich auf 5.65 m Höhe befand. Da die Fahrleitung mit 15'000 Volt unter Hochspannung stand, geriet der ganze Katamaran unter Strom. Der Strom wurde durch den Katamaran abgeleitet, wodurch die Geschädigte meterweit wegkatapultiert wurde und massive Brandverletzungen und Knochenbrüche erlitt. Der Geschädigte erlitt leichte Verbrennungen am kleinen Finger der rechten Hand.
B.
Die A.________ AG (Versicherung/Beschwerdeführerin) erbrachte als Unfallversicherung der beiden Geschädigten Kostenvergütungen nach Art. 10 ff. UVG sowie Geldleistungen nach Art. 15 ff. UVG. Nach beidseitigem Verzicht auf das Schlichtungsverfahren leitete sie am 4. Dezember 2018 beim Bezirksgericht Kreuzlingen gegen die Schwei zerischen Bundesbahnen SBB (Beschwerdegegnerin; SBB) Klage ein und verlangte von dieser im Rahmen einer Regressforderung Fr. 482'887.40 nebst Zins.
B.a. Am 1. Juli 2020 wies das Bezirksgericht die Klage ab.
B.b. Gleich entschied am 10. Dezember 2020 das Obergericht des Kantons Thurgau.
Es kam zum Schluss, das grobfahrlässige Verhalten der Geschädigten entlaste die SBB.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen wiederholt die Versicherung im Wesentlichen ihre im kantonalen Verfahren gestellten Begehren. Die Beschwerdegegnerin beantragt im Wesentlichen, die Beschwerde abzuweisen. Denselben Antrag stellt auch das Obergericht, das im Übrigen unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid auf Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdeführerin hat unaufgefordert eine Beschwerdereplik eingereicht.
Erwägungen:
1.
Nach Art. 40b Abs. 1 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (EBG; SR 742.101) haftet der Inhaber eines Eisenbahnunternehmens für den Schaden, wenn die charakteristischen Risiken, die mit dem Betrieb der Eisenbahn verbunden sind, dazu führen, dass ein Mensch getötet oder verletzt wird oder ein Sachschaden entsteht. Nach Art. 40c EBG wird er allerdings von der Haftpflicht entlastet, wenn ein Sachverhalt, der ihm nicht zugerechnet werden kann, so sehr zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, dass er als dessen Hauptursache anzusehen ist (Abs. 1), wie höhere Gewalt (Abs. 2 lit. a), die hier keine Rolle spielt, oder grobes Verschulden der geschädigten oder einer dritten Person (Abs. 2 lit. b). Strittig ist, ob sich die Beschwerdegegnerin mit Blick auf das grobe Verschulden der Geschädigten ihrer Haftpflicht entschlagen kann.
1.1. Das Bundesgericht interpretiert Art. 40c EBG im Wesentlichen gemäss seiner Rechtsprechung zur Unterbrechung des Kausalzusammenhangs (BGE 143 II 661 E. 7.1; 130 III 182 E. 5.4; 116 II 519 E. 4b), indem das Drittverhalten nur eine Hauptursache im Sinne der Bestimmung darstellt, wenn es einen derart hohen Wirkungsgrad aufweist, dermassen ausserhalb des normalen Geschehens liegt, dass die vom Haftpflichtigen gesetzte Ursache nach wertender Betrachtungsweise für die eingetretene Schädigung als rechtlich nicht mehr beachtlich erscheint. Das Verhalten eines Dritten vermag den Kausalzusammenhang nur zu unterbrechen, wenn diese Zusatzursache derart ausserhalb des normalen Geschehens liegt, dass damit nicht zu rechnen war (Urteil des Bundesgerichts 4A_602/2018 vom 28. Mai 2019 E. 3.3.3 mit Hinweisen). Die Verwirklichung der Betriebsgefahr muss im Verhältnis zum hinzukommenden Sachverhalt von derart untergeordneter Bedeutung sein, dass sie nur noch als eine zufällige, unbedeutende Teilursache des Schadens erscheint (zit. Urteil 4A_602/2018 E. 3.3.3.3 mit Hinweisen). Dabei wird nicht auf die subjektive Zurechenbarkeit abgestellt. Zur Beurteilung, ob ein Sachverhalt vorliegt, der den adäquaten Kausalzusammenhang unterbricht, soll vielmehr ausschliesslich das objektive Verhalten des Dritten in Beziehung gesetzt werden zum Einfluss der charakteristischen Betriebsgefahr der Eisenbahn (zit. Urteil 4A_602/2018 E. 3.3.4 mit Hinweis).
1.2. Die Sorgfaltswidrigkeit ergibt sich allgemein aus dem Vergleich des tatsächlichen Verhaltens des Handelnden mit dem hypothetischen Verhalten eines durchschnittlich sorgfältigen Menschen in der Situation des Schädigers (BGE 137 III 539 E. 5.2 mit Hinweisen), wobei das Verschulden um so schwerer wiegt, je grösser das Ausmass der Abweichung vom Durchschnittsverhalten ist (BGE 116 Ia 162 E. 2c S. 170 mit Hinweisen).
1.3. Für die Vorinstanz war entscheidend, dass die Gesamthöhe des Slipwagens mit dem Katamaran und dessen Mast 1.2 m über der Höhe der Fahrleitung beim Bahnübergang lag, sodass schon von vornherein und nicht erst in unmittelbarer Nähe des Bahnübergangs von blossem Auge ersichtlich war, welch ausserordentlich naheliegende Gefahr von der Berührung mit der Fahrleitung ausging. Die Kenntnis der ausserordentlichen Gefährlichkeit der Fahrleitungen bei einem Bahnübergang setzte die Vorinstanz voraus. Die Geschädigten hätten sich mit diesem Gefährt, das von Auge ersichtlich eine Gesamthöhe deutlich über der Höhe der den Bahnübergang überspannenden Fahrleitungen aufgewiesen habe, auf den Bahnübergang zu- und über diesen hinwegbewegt. Dabei hätten sie sich keinerlei Gedanken gemacht und in jenem Zeitpunkt und/oder bereits zuvor keinerlei Sicherheitsmassnahmen getroffen, respektive die erforderliche und geforderte besondere Vorsicht nicht walten lassen, und dies in Kenntnis der ausserordentlichen Gefährlichkeit der einen Bahnübergang überspannenden Fahrleitungen. Das grobfahrlässige Verhalten der Geschädigten weise einen derart hohen, ausserhalb des normalen Geschehens liegenden Wirkungsgrad auf, dass die charakteristische Betriebsgefahr nur noch als eine zufällige, unbedeutende Teilursache des Schadens und damit als rechtlich nicht mehr beachtlich erscheine.
2.
Was die Beschwerdeführerin dagegen anführt, vermag nicht zu überzeugen. Sie macht im Wesentlichen geltend, unbewusste Fahrlässigkeit wiege weniger schwer als bewusste Fahrlässigkeit und vermöge die Betriebsgefahr nicht zu neutralisieren. Sie ist der Auffassung, den Geschädigten sei kein grobfahrlässiges Verhalten vorzuwerfen und es wäre an der SBB gewesen, grössere Warnschilder anzubringen und die Fahrleitungen mit davor gespannten Seilen zu schützen.
2.1. Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, die Geschädigten hätten überlegt, dass ihnen nichts im Weg stehen sollte wie eine Brücke oder dergleichen. An die Stromleitungen hätten sie nicht gedacht. Der Einwand, die Geschädigten hätten die ungewöhnliche Gefahrensituation mit dem hohen Mast des Schiffes und der Fahrleitung der Eisenbahn nicht erfasst, geht aber ins Leere. Ihnen war die durch die Länge des aufgerichteten Mastes geschaffene Gefahrensituation sehr wohl bewusst, sie hatten jedoch die Fahrleitungen nicht bedacht. Die Gefahrensituation ist aber nicht ungewöhnlicher als die einer Brücke oder eines anderen über der Fahrbahn befestigten Objekts.
2.1.1. Die Beschwerdeführerin behauptet zwar, die Geschädigten hätten zum Unfallzeitpunkt weder Kenntnis davon, wie hoch ihr Katamaran genau war, noch davon, auf welcher Höhe sich die Fahrleitung befand. Dies ist aber nicht notwendig. Wenn sie Brücken als potentielles Problem erkannten, konnten sie von der Gefahr der Fahrleitungen nicht überrascht werden. Was mit Brücken kollidieren kann, stellt umso mehr eine Gefahr für Fahrleitungen dar, die selbst regelmässig unter Brücken hindurchgeführt werden. Es ist nach den Aussagen der Geschädigten nicht so, dass sie davon ausgingen, die Fahrleitungen verliefen höher als der Mast, sondern sie hatten die Stromleitungen nicht bedacht.
2.1.2. Soweit die Beschwerdeführerin eine allgemeine "Kenntnis der ausserordentlichen Gefährlichkeit der Fahrleitungen bei einem Bahnübergang" in Abrede stellt, kann ihr aus den gleichen Gründen nicht gefolgt werden. Es entspricht allgemeinem Wissen, dass sich in der Schweiz über einer Bahnstrecke in aller Regel Fahrleitungen befinden - in der Höhe etwas höher als eine Lokomotive. Diese Gefahrensituation war den Geschädigten nicht unbekannt, sondern sie haben sie nicht bedacht.
2.1.3. Insgesamt fehlte es nicht am nötigen Wissen, sondern an der kontextbezogenen Aktivierung des vorhandenen Wissens: Die Geschädigten gingen nicht davon aus, an Bahnübergängen befänden sich keine Fahrleitungen oder diese befänden sich auf einer Höhe, auf der sie nicht mit dem Mast kollidieren könnten, sondern sie haben die ihnen an sich bekannten Umstände bei der Wahl des Weges nicht bedacht. Das lässt sich zwar vielleicht dadurch erklären, dass die Fahrleitung für Personen, welche die Geleise überqueren, keine präsente Gefahr darstellt, da sie damit nie in Berührung kommen. Das entlastet die Geschädigten aber schon deshalb nicht, weil ihnen in Bezug auf Brücken, von denen für Fussgänger ebenfalls keinerlei präsente Gefahr ausgeht, sehr wohl bewusst war, dass der Mast so lang war, dass für gewöhnliche Verkehrsteilnehmer ungefährliche Situationen zum Problem werden könnten. Vor diesem Hintergrund ist auch der Einwand, jedem anderen verständigen Menschen in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen hätte dasselbe passieren können, da von den Fahrleitungen beim Überqueren eines Bahnübergangs in der Regel nie eine Gefahr ausgeht, von vornherein nicht stichhaltig.
2.2. Generell misst die Beschwerdeführerin aber der Unterscheidung zwischen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit eine Bedeutung zu, die ihr nicht zukommt: Sie macht unter Hinweis auf MANUEL JAUN, Haftung für Sorgfaltspflichtverletzungen, 2007, S. 172 und einen Beitrag ihres Rechtsvertreters (WALTER FELLMANN, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. II, 2013, S. 192 f. Rz. 645) geltend, das - fingierte - Fehlverhalten des Geschädigten, das in der unbewussten Fahrlässigkeit zum Ausdruck komme, könne nie eine derart hohe Intensität aufweisen, dass die Betriebsgefahr rechtlich irrelevant erscheine.
2.2.1. Bei JAUN geht es um die (angebliche Unmöglichkeit einer) Definition der unbewussten Fahrlässigkeit als Willensfehler. Dieser theoretische Ansatz ist hier nicht massgebend. Es geht nicht um den moralischen Vorwurf, der dem fahrlässig Handelnden gemacht werden kann, sondern um die Frage, wie weit dem Kausalhaftenden die Folgen seiner gefährlichen Tätigkeit noch zugerechnet werden können.
2.2.2. Vor diesem Hintergrund kann keine entscheidende Rolle spielen, ob es sich um bewusste oder um unbewusste Fahrlässigkeit handelt. Entscheidend ist in Bezug auf die unbewusste Fahrlässigkeit vielmehr, ob es derart ausserhalb des normalen Geschehens liegt, dass eine Person in der Situation der Geschädigten sich der zu beachtenden Sorgfalt nicht bewusst ist, dass damit nicht zu rechnen war.
2.3. Die Erstinstanz hielt gemäss dem angefochtenen Entscheid zutreffend fest, es wäre problemlos möglich gewesen, den Mast vor dem Transport abzubauen und ihn auf dem Katamaran liegend zu transportieren. Bei einer Gesamtlänge des Katamarans von 5 m hätte der Mast vorne und hinten jeweils lediglich rund einen halben Meter hinausgeragt, was für sämtliche Verkehrsteilnehmer eine wesentlich geringere Gefahr bedeutet hätte (vgl. Art. 58 Abs. 2bis der Verkehrsregelnverordnung [VRV/SR 741.11], wonach das Ende von Ladungen oder Einzelteilen, die das Fahrzeug auf der Rückseite um mehr als 1 m überragen, deutlich zu kennzeichnen ist). In tatsächlicher Hinsicht ist aber festgestellt, dass die Geschädigten am Samstag, 26. Juli 2014, den Mast wieder abbauten und den Katamaran in die Garage stellten. Am Sonntag, 27. Juli 2014, bauten sie den Mast wieder auf, um den Katamaran zu Wasser zu lassen.
2.3.1. Der Mast, der für die Überhöhe verantwortlich ist, war mithin bereits abgebaut, so dass ein Transport ohne nennenswerte Gefahren möglich gewesen wäre. Die Geschädigten haben die durch die Überhöhe verursachte Gefahr zunächst erneut geschaffen, indem sie den Mast bereits vor dem Transport zum Wasser wieder aufgebaut haben. Obwohl sie sich der Gefahr eines Zusammenstosses mit sich oberhalb der Fahrbahn befindlichen Objekten (wie Brücken), die sie damit geschaffen haben, sehr wohl bewusst waren, haben sie den Katamaran in einer Weise gezogen, in der sie den Mast nicht im Blickfeld hatten. So konnten sie nicht darüber wachen, ob sie mit ihrer Wegwahl tatsächlich sämtlichen Objekten, mit denen es aufgrund der Mastlänge bei aufgebautem Mast zu Kollisionen kommen könnte, ausgewichen sind.
2.3.2. Dass es mit nennenswertem Zusatzaufwand verbunden gewesen wäre, den Mast erst nach dem Transport aufzubauen, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf. Sie macht vielmehr selbst geltend, ohne Zweifel hätten die Geschädigten den Schiffsmast demontiert oder den Katamaran anders transportiert, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass 5,65 Meter über ihnen der Tod durch Starkstrom drohte. Unter diesem Gesichtspunkt haben die Geschädigten die Kollisionsgefahr, derer sie sich zumindest in Bezug auf Brücken sehr wohl bewusst waren, völlig unnötig geschaffen. Aus diesem Grund geht auch der Einwand der Beschwerdeführerin, allein der Vorwurf, die Gefahr nicht erkannt zu haben, die von den Fahrleitungen beim Bahnübergang ausging, stelle kein derart grobes Verschulden dar, das es rechtfertigen würde, die Bahnbetreiberin von ihrer strengen Gefährdungshaftung zu befreien, schon im Ansatz an der Sache vorbei, ganz abgesehen davon, dass es sich dabei um eine blosse Behauptung der Beschwerdeführerin handelt.
2.4. Nicht einzutreten ist auf die Vorbringen der Beschwerdeführerin zum Fehlen einer Verletzung gesetzlicher beziehungsweise polizeilicher Vorschriften. Die Vorinstanz hat keine derartige Verletzung angenommen.
2.4.1. Die Beschwerdeführerin beanstandet die Erwägung der Vorinstanz, es lasse sich aufgrund der Akten nicht feststellen, ob der Slipwagen mit dem darauf transportierten Katamaran den Anforderungen an die Betriebssicherheit und die besonderen Anforderungen an Bau und Ausrüstung entsprochen habe, sodass die Frage, ob durch die Bewegung des Slipwagens mit dem transportierten Katamaran auf einer öffentlichen Strasse Bestimmungen des Strassenverkehrsrechts verletzt worden seien, offenzulassen sei. Sie rügt eine Verletzung von Art. 8 ZGB. Die Beweislast für das angeblich grobe Selbstverschulden liege bei der Beschwerdegegnerin. Werfe diese den Geschädigten die Übertretung polizeilicher Vorschriften oder eine Gesetzesverletzung vor und lasse sich der Vorwurf weder substanziieren noch beweisen, so sei das Vorliegen einer Gesetzesverletzung zu verneinen. Die Frage dürfe nicht einfach offengelassen werden.
2.4.2. Diese Argumentation verkennt den Unterschied zwischen Beweislosigkeit und dem Beweis des Gegenteils (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_183/2020 vom 6. Mai 2021 E. 4.1, nicht publiziert in: BGE 147 III 431). Beim Beweisergebnis ist zu unterscheiden, ob ein Beweis nicht erbracht werden konnte (nur diesfalls kann der Beweislastverteilung Bedeutung zukommen; vgl. BGE 143 III 1 E. 4.1 S. 2 f. mit Hinweisen) oder ob der Beweis des Gegenteils gelungen ist. Zutreffend ist dagegen, dass die Folgen der Beweislosigkeit die beweisbelastete Partei treffen (vgl. BGE 141 III 241 E. 3.2.2). Gegen diesen Grundsatz hat die Vorinstanz nicht verstossen, Sie hat die Haftungsbefreiung nicht mit einer Gesetzesverletzung der Verunfallten begründet.
2.4.3. An der Sache vorbei geht der Einwand, bei der Beurteilung des Selbstverschuldens der Geschädigten hätte die Vorinstanz den Umstand mildernd zu berücksichtigen, dass diesen entgegen der Annahme des Bezirksgerichts keine Gesetzesverletzung zur Last gelegt werden könne. Gemäss Art. 310 ZPO verfügt die Berufungsinstanz über eine vollständige Überprüfungsbefugnis der Streitsache und kann das erstinstanzliche Urteil sowohl auf rechtliche wie tatsächliche Mängel hin überprüfen (BGE 142 III 413 E. 2.2.4 mit Hinweis). Inhaltlich ist das Berufungsgericht nicht an die Erwägungen der ersten Instanz gebunden. Es kann die Berufung auch mit einer von der Argumentation der ersten Instanz abweichenden Begründung abweisen (Urteil des Bundesgerichts 4A_397/2016 vom 30. November 2016 E. 3.1). Die Vorinstanz konnte mithin eine Haftung der Beschwerdegegnerin verneinen, auch wenn sie nicht alle Umstände, die den Verunfallten gemäss der ersten Instanz zum Vorwurf gemacht werden konnten, für erstellt erachtete.
2.5. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, das unscheinbare Warnschild und die schlecht ersichtliche Fahrleitung seien bei der Beurteilung des Selbstverschuldens als "mildernde Umstände" zu berücksichtigen. Auch diese Ausführungen gehen an der Sache vorbei. Es war nicht an der Beschwerdegegnerin, grosse Warnschilder aufzustellen oder parallele Schutzseile vor den Fahrleitungen zu spannen, sondern Sache der Geschädigten, den Gefahren des überlangen Mastes Rechnung zu tragen und ihn entweder abgebaut zu transportieren oder zumindest beim Transport im Auge zu behalten. Es kann nicht von der Beschwerdegegnerin verlangt werden, mit grossen Schildern auf etwas hinzuweisen, was allgemein bekannt ist (nämlich dass sich in der Schweiz über Bahngleisen in der Regel Fahrleitungen befinden), wenn davon für den allgemeinen Verkehr in aller Regel keinerlei Gefahr ausgeht. Dadurch würde die Aufmerksamkeit der übrigen Verkehrsteilnehmer unnötig abgelenkt. Insoweit kann auch nicht gesagt werden, durch das kleine Warnschild habe die Beschwerdegegnerin eine erhöhte Betriebsgefahr zu vertreten. Nicht stichhaltig ist der Einwand, der Bahnübergang könne von unbeteiligten Dritten benutzt werden, die mit den Eigenheiten des Bahnbetriebs nicht derart vertraut seien, dass sie die Fahrleitung im Auge behielten. Denn dies ist in aller Regel auch nicht nötig. Vielmehr hat, wer ungewöhnlich lange Gegenstände aufrecht transportiert, darauf zu achten, dass der zur Verfügung stehende Freiraum nach oben ausreicht. Damit geht auch der Hinweis auf die Produktesicherheit an der Sache vorbei. Da die Vorinstanz zudem nach der Darstellung der Beschwerdeführerin selbst festgehalten hat, das Warnschild dürfte in der gesamten Umgebung tatsächlich wenig auffallend sein, bestand keine Notwendigkeit, dies mit dem beantragten Augenschein zu bestätigen. Der Frage, ob die Geschädigten grössere Warnschilder wahrgenommen hätten, kommt damit keine massgebende Bedeutung zu. Der Einwand, die Bahnbetreiberin könnte sich bei jedem Unfall mit der Fahrleitung auf ein grobes, haftungsentlastendes Selbstverschulden des Geschädigten berufen, setzt ohne überzeugende Begründung voraus, in Fällen ohne grobe Fahrlässigkeit könne es nie zu einer Berührung mit der Leitung kommen.
2.6. Hier handelt es sich aber entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht um einen naheliegenden Missbrauch, sondern vielmehr um ein nicht nachvollziehbares unnötiges Risiko, das die Geschädigten eingegangen sind, indem sie den Mast für den Transport aufgerichtet haben, statt ihn so wie er war (nämlich abgebaut) zu transportieren. Alleinige Hauptursache des Unfalls ist das grobfahrlässige Verhalten der Geschädigten. Die Voraussetzungen für eine Entlastung von der Haftpflicht nach Art. 40c EBG sind erfüllt.
3.
Insgesamt erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Die Beschwerdeführerin zeigt nicht auf, dass die Einschätzung der Vorinstanz Recht verletzt, sondern sie wiederholt einfach ihre abweichende Auffassung. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 8'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 9'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. Februar 2022
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Hohl
Der Gerichtsschreiber: Luczak