Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2A.522/2005 /leb
Urteil vom 11. April 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Müller,
Gerichtsschreiberin Dubs.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Bundeshaus West, 3003 Bern.
Gegenstand
Passverweigerung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 26. Juli 2005.
Sachverhalt:
A.
Der Schweizer Bürger X.________ (geb. 1942) lebt seit geraumer Zeit in Thailand. Mitte Oktober 2004 ersuchte er bei der Schweizerischen Botschaft in Bangkok um Ausstellung eines neuen Schweizer Passes. Am 18. Oktober 2004 wurde das Gesuch an das Bundesamt für Polizei weitergeleitet. Da X.________ im Fahndungssystem RIPOL wegen Betrugs zur Verhaftung ausgeschrieben war, nahm das Bundesamt mit der ausschreibenden Strafverfolgungsbehörde Kontakt auf. Mit Schreiben vom 19. November 2004 sprach sich das für das Strafverfahren zuständige Untersuchungsrichteramt des Kantons Solothurn gegen die Ausstellung eines ordentlichen Ausweises aus. X.________ wurde darüber entsprechend informiert, worauf er anbot, bei der Schweizerischen Vertretung in Bangkok einen Fragebogen des Untersuchungsrichteramtes des Kantons Solothurn zu beantworten. Auf Anfrage des Bundesamtes hin widersetzte sich das Untersuchungsrichteramt mit Stellungnahme vom 2. Februar 2005 weiterhin der Ausstellung eines neuen Passes und kündigte zugleich an, einen internationalen Haftbefehl zu erlassen, falls X.________ nicht freiwillig in die Schweiz zurückkehre und mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiere. X.________ machte in der Folge unter Hinweis auf mehrere ärztliche Zeugnisse und Atteste geltend, aus gesundheitlichen Gründen nicht in die Schweiz reisen zu können, und erklärte sich bereit, bei einer rogatorischen Befragung auf der Schweizerischen Botschaft in Bangkok Auskunft zu erteilen und verlangte Dokumente auszuhändigen.
Das Untersuchungsrichteramt des Kantons Solothurn hielt an dem in seinen Stellungnahmen vom 19. November 2004 und 2. Februar 2005 eingenommenen Standpunkt fest.
B.
Mit Verfügung vom 1. April 2005 lehnte es das Bundesamt für Polizei ab, X.________ ein ordentliches Ausweispapier auszustellen und ermächtigte die Schweizerische Botschaft in Bangkok lediglich, ihm ein Laissez-Passer oder einen zeitlich und räumlich beschränkten Pass für die direkte Rückreise in die Schweiz auszuhändigen.
C.
Mit Eingabe vom 15. April 2005 erhob X.________ gegen die Passverweigerung Beschwerde an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement. Gleichzeitig beantragte er im Sinne einer vorsorglichen Massnahme, ihm einen provisorischen Pass auszustellen. Die Ausstellung eines provisorischen Passes wurde vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement mit Zwischenverfügung vom 1. Juni 2005 abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil 2A.382/2005 vom 17. Juni 2005 ab, soweit es darauf eintrat.
Mit Entscheid vom 26. Juli 2005 wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die Beschwerde betreffend Passverweigerung sowie das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ab.
D.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 22. August 2005 beantragt X.________, den Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 26. Juli 2005 aufzuheben und ihm einen ordentlichen Pass auszuhändigen. Zudem stellt er das Gesuch, für das gesamte Verfahren sei die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. Mit Schreiben vom 31. August 2005 (und weiteren Eingaben) machte X.________ zusätzliche Ausführungen.
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement schliesst in seiner Vernehmlassung auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Departementsentscheid gemäss Art. 98 lit. b OG. Er erging in Anwendung des Bundesgesetzes vom 22. Juni 2001 über die Ausweise für Schweizer Staatsangehörige (Ausweisgesetz, AwG; SR 143.1), somit gestützt auf öffentliches Recht des Bundes. Ein Ausschlussgrund ( Art. 99 - 102 OG ) liegt nicht vor, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist.
1.2 Die nach Ablauf der Beschwerdefrist unaufgefordert eingereichten Eingaben des Beschwerdeführers können nicht berücksichtigt werden. Sie enthalten aber ohnehin keine entscheidwesentlichen Angaben.
2.
2.1 Nach Art. 6 Abs. 4 AwG wird die Ausstellung eines Ausweises im Einvernehmen mit der zuständigen Behörde verweigert, wenn die antragstellende Person wegen eines Verbrechens oder Vergehens im automatisierten Fahndungssystem RIPOL (Art. 351bis 271 StGB) zur Verhaftung ausgeschrieben ist. Diese Regelung will Schweizer Staatsangehörige, die sich durch ihren Aufenthalt im Ausland der Strafverfolgung oder dem Strafvollzug zu entziehen versuchen, zur Rückkehr in die Heimat bewegen.
2.2 Der Beschwerdeführer ist seit dem 2. Juni 2003 im Fahndungssystem RIPOL wegen gewerbsmässigen Betrugs zur Verhaftung ausgeschrieben. Bei der Straftat, welcher der Beschwerdeführer verdächtigt wird, geht es somit um ein Verbrechen (Art. 146 StGB), weshalb es sich nicht um eine anderweitige Ausschreibung im RIPOL handelt, die nicht zu einer Ausweisverweigerung führt (BBl 2000 4764). Das für die Strafverfolgung zuständige Untersuchungsrichteramt des Kantons Solothurn widersetzt sich der Ausstellung eines neuen Passes. Die Voraussetzungen für eine Passverweigerung gemäss Art. 6 Abs. 4 AwG sind somit grundsätzlich erfüllt.
3. Nachfolgend bleibt zu prüfen, ob die Passverweigerung im vorliegenden Fall verhältnismässig ist.
3.1 Gegen den Beschwerdeführer läuft eine Strafuntersuchung wegen gewerbsmässigen Betrugs. Ob die Anschuldigung als solche berechtigt ist, bildet Gegenstand des Strafverfahrens und ist nicht im vorliegenden Verfahren zu beurteilen, weshalb insoweit auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann. Daran ändert nichts, dass sich der Beschwerdeführer als "unschuldiges Opfer" betrachtet; würde seine Version zutreffen, müsste er um so mehr Interesse an einer aktiven Rolle im Strafverfahren haben. Der Beschwerdeführer hat sich wohl bereit erklärt, sich auf der Schweizer Botschaft in Bangkok befragen zu lassen. Indessen entscheidet primär der mit der Strafsache betraute Untersuchungsrichter, wie der rechtserhebliche Sachverhalt zu ermitteln ist. Dass das Untersuchungsrichteramt des Kantons Solothurn die persönliche Befragung des Beschwerdeführers in der Schweiz als das für die Ermittlung des Sachverhalts geeignete Vorgehen erachtet, ist unter den vorliegenden Umständen nicht zu beanstanden. Der zuständige Untersuchungsrichter hat in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2005 angekündigt, einen internationalen Haftbefehl erlassen zu wollen, falls der Beschwerdeführer sich weigert, freiwillig in die Schweiz zurückzukehren und sich den Strafverfolgungsbehörden zu stellen. Gerade auch im Hinblick auf seine angeschlagene Gesundheit ist es im Interesse des Beschwerdeführers, eine allfällige Auslieferungshaft in Thailand zu vermeiden. Angesichts dieser Sachlage erweist sich die Passverweigerung als geeignet und erforderlich.
3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, er könne sich aus gesundheitlichen Gründen unter keinen Umständen weder auf dem Luft- noch auf dem Seeweg in die Schweiz begeben und bedürfe permanenter ärztlicher Betreuung. Dass die ärztliche Betreuung in der Schweiz zumindest ebenso gut gewährleistet ist wie in Thailand, stellt der Beschwerdeführer zu Recht nicht in Abrede. Die verschiedenen Arztzeugnisse, die er eingereicht hat, um seine Reiseunfähigkeit zu belegen, sind, wie die Vorinstanz zu Recht festgestellt hat, zum Teil überholt bzw. zu wenig aussagekräftig. Wohl geht daraus hervor, dass der Beschwerdeführer gesundheitliche Probleme hat, was unbestritten ist. Sie erlauben indessen nicht den Schluss, dass er aus ärztlicher Sicht absolut nicht in der Lage ist, weder auf dem Luft- noch auf dem See- und Landweg in die Schweiz zurückzukehren. Die beruflichen Fähigkeiten des vom Beschwerdeführer aufgesuchten Arztes werden nicht bezweifelt. Die vorgelegten Arztzeugnisse sind aber zu allgemein gehalten und äussern sich somit nicht spezifisch zu der hier allein interessierenden Frage, ob medizinische Gründe zwingend gegen die Rückreise des Beschwerdeführers in die Schweiz sprechen. Dass die Vorinstanz nach umfassender Würdigung der eingereichten Beweismittel die Reiseunfähigkeit des Beschwerdeführers als nicht erwiesen erachtet hat, ist somit nicht zu beanstanden.
3.3 Der Einwand des Beschwerdeführers, ihm drohe in Thailand wegen seines Status als "Sans-Papiers" die Ausschaffungshaft, ist ebenfalls nicht geeignet, die Passverweigerung als unverhältnismässig erscheinen zu lassen. Im vorliegenden Fall wurde der Pass nicht entzogen, weshalb der Beschwerdeführer nach wie vor im Besitze seines (abgelaufenen) schweizerischen Ausweises ist. Er ist somit in der Lage, gegenüber den thailändischen Behörden seine Identität und Staatsangehörigkeit hinreichend zu belegen. Zudem hat das Bundesamt angeordnet, dem Beschwerdeführer dürfe ein Laissez-Passer oder ein zeitlich und räumlich beschränkter Pass für die Rückreise in die Schweiz ausgestellt werden. Dem Beschwerdeführer ist somit zuzumuten, allfälligen Nachteilen in Thailand durch eine Rückkehr in die Schweiz zu entgehen. Sollte der Beschwerdeführer für die Rückreise- bzw. die hiesigen Lebenshaltungskosten nicht aufzukommen vermögen, steht es ihm frei, sich bei den zuständigen schweizerischen Behörden um die Gewährung einer angemessenen Rückkehrhilfe gemäss Bundesgesetz vom 21. März 1973 über die Fürsorgeleistungen an Auslandschweizer (SR 852.1) bzw. um Unterstützungsleistungen während des Aufenthalts in der Schweiz zu bemühen.
3.4 Angesichts des erheblichen öffentlichen Interesses an der Durchführung des schweizerischen Strafverfahrens erweist sich die Verweigerung der Ausstellung des Passes unter den gegebenen Umständen als verhältnismässig. Zur Begründung kann ergänzend auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG). Dass die Vorinstanz das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung mangels ernsthafter Aussichten auf Erfolg der Beschwerde abgewiesen hat ( Art. 65 Abs. 1 und 2 VwVG ), ist nicht zu beanstanden.
4.
4.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit offensichtlich unbegründet und im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
4.2 Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 OG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren nicht entsprochen werden (Art. 152 Abs. 1 OG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 153a OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. April 2006
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: