Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1167/2017  
 
 
Urteil vom 11. April 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Lüthi, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Stadtrichteramt Zürich, Postfach, 8022 Zürich, 
2. X.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Einstellung (Tätlichkeit), 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 4. September 2017 (UE170148-O/U/PFE). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ wirft X.________ vor, sie am 29. Januar 2016 bei einer Wohnungsübergabe ziemlich heftig zur Seite gestossen zu haben, worauf sie sich an einem an der Küchenwand montierten Tablar angestossen habe und beinahe ins Fenster gestürzt sei. Das Stadtrichteramt Zürich liess X.________ delegiert einvernehmen und A.________ sowie deren Begleiter (B.________) als polizeiliche Auskunftspersonen befragen. Im Anschluss an den Rapport der Stadtpolizei stellte es die Untersuchung wegen Tätlichkeit am 10. Mai 2017 ein. Die Beschwerde von A.________ wies das Obergericht des Kantons Zürich am 4. September 2017 ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, die Strafuntersuchung sei fortzuführen, indem namentlich B.________ und der Mitarbeiter des beauftragten Putzinstituts, C.________, als Zeugen einzuvernehmen und alsdann neu zu entscheiden sei. Ihr seien im obergerichtlichen Verfahren keine Kosten aufzuerlegen und eine angemessene Entschädigung auszurichten. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Privatklägerschaft ist nach Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 5 BGG zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wenn sie vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat und wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Dies verlangt grundsätzlich, dass die Privatklägerschaft bereits adhäsionsweise Zivilforderungen geltend gemacht hat. Bei Nichtanhandnahme oder Einstellung des Strafverfahrens wird auf dieses Erfordernis verzichtet. Im Verfahren vor Bundesgericht ist aber darzulegen, dass die Legitimationsvoraussetzungen erfüllt sind und unter Vorbehalt klarer, zweifelsfreier Fälle insbesondere zu erläutern, weshalb und inwiefern sich der angefochtene Entscheid im Ergebnis und aufgrund der Begründung negativ auf ihre Zivilansprüche auswirken kann (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Das Bundesgericht stellt an die Begründung strenge Anforderungen. Fehlt es daran, tritt es auf die Beschwerde nicht ein (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen).  
 
1.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe als Geschädigte und Privatklägerin am Verfahren teilgenommen. Dies genügt zur Begründung ihrer Legitimation in der Sache freilich nicht. Sie zeigt nicht auf, inwiefern sich der angefochtene Entscheid auf welche Zivilansprüche auswirken kann. Dies ist auch nicht ohne Weiteres aus den Akten ersichtlich, zumal lediglich eine Tätlichkeit im Raum steht und die Beschwerdeführerin offensichtlich keine Verletzungen davon getragen hat. Sie ist daher grundsätzlich nicht zur Beschwerde legitimiert und von vornherein nicht zu hören, soweit sie Einwände in der Sache selbst erhebt und namentlich geltend macht, die Begründung sei materiell unzutreffend. Gleiches gilt für Kritik an der Beweiswürdigung und Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (BGE 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 248 E. 2; je mit Hinweisen). Dies ist der Fall, wenn die Beschwerdeführerin beanstandet, das Stadtrichteramt habe auf die Einvernahme des Zeugen C.________ zu Unrecht mit der Begründung verzichtet, dass sich die Beschwerdeführerin selber widerspreche, weil sie gesagt habe, nur B.________ habe den Vorfall beobachtet. Soweit sie hingegen dessen Befragung als Zeugen unter Wahrung ihres Teilnahmerechts als Partei verlangt, erhebt die Beschwerdeführerin eine formelle Rüge, zu deren Geltendmachung sie unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst berechtigt ist (sog. "Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen). Insoweit ist auf die Beschwerde einzutreten. Nicht zu prüfen ist aber in diesem Zusammenhang, ob die Befragung von B.________ als Zeuge aufgrund der Wahrheitspflicht zu einem anderen Beweisergebnis geführt hätte als die Einvernahme als Auskunftsperson. Dabei handelt es sich wiederum um eine materiellrechtliche Frage.  
 
2.  
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Teilnahmerechte (Art. 141 Abs. 2, Art. 147 Abs. 1, Art. 162 und Art. 312 Abs. 2 StPO), indem das Stadtrichteramt B.________ als polizeiliche Auskunftsperson befragte. 
 
2.1.  
 
2.1.1. Im Untersuchungs- und Hauptverfahren gilt gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweiserhebungen. Danach haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Bei Beweiserhebungen durch die Polizei, etwa bei polizeilichen Einvernahmen von Auskunftspersonen, sind die Parteien nicht zur Teilnahme berechtigt (Umkehrschluss aus Art. 147 Abs. 1 StPO; Art. 306 Abs. 2 lit. b StPO; BEAT RHYNER, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 13a und 31 ff. zu Art. 306 StPO; DORRIT SCHLEIMINGER METTLER, Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 7a zu Art. 147 StPO). Soweit die Polizei Einvernahmen im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchführt, stehen den Verfahrensbeteiligten die Verfahrensrechte zu, die ihnen bei Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft zukommen (Art. 312 Abs. 2 StPO; Urteil 6B_217/2015 vom 5. November 2015 E. 2.2, nicht publ. in: BGE 141 IV 423; BGE 139 IV 25 E. 4.2; zum Ganzen: Urteil 6B_422/2017 vom 12. Dezember 2017 E. 1.3 mit Hinweisen). Beweise, die in Verletzung dieser Bestimmung erhoben worden sind, dürfen nicht zulasten der Partei verwertet werden, die nicht anwesend war (Art. 147 Abs. 4 StPO).  
 
2.1.2. Die Voraussetzungen, unter denen das Bundesgericht auf die Beschwerde betreffend eine Verfahrenseinstellung eintritt, wenn die Privatklägerschaft Verfahrensrechtsverletzungen rügt (oben E. 1), tragen der sog. formellen Natur des rechtlichen Gehörs und anderer Beteiligungsrechte Rechnung. Danach kommt es auf die materielle Begründetheit des Rechtsmittels nicht an (BGE 137 I 195 E. 2.2). Insofern spielt die hypothetische Auswirkung des (als ausgeübt gedachten) Verfahrensrechts auf das Beweisergebnis, dessen rechtliche Würdigung und letztlich auf die Entscheidung als solche keine Rolle. Sind wesentliche Verfahrensgarantien missachtet worden, ist der Entscheid grundsätzlich unabhängig von solchen Überlegungen aufzuheben und die Sache an die betreffende Instanz zurückzuweisen, damit sie die Beweisvorkehr unter Beteiligung des Privatklägers wiederhole. Diese Praxis nimmt Rücksicht auf den Eigenwert von Verfahrensrechten; die Beteiligung der Privatklägerschaft soll nicht bloss Mittel zum Zweck sein ("Legitimation durch Verfahren"; Dorrit Schleiminger Mettler, a.a.O., N. 3 Fn. 5 zu Art. 147 StPO). Sie darf jedoch keine prozessualen Leerläufe verursachen. Die formelle Natur des Mitwirkungsrechts kommt daher nicht zum Tragen, wenn nach der fraglichen Einvernahme sämtliche Sachverhaltselemente zur Strafbarkeit der einvernommenen resp. der beschuldigten Person, erstellt sind, soweit sie im Rahmen der betreffenden Beweiserhebung erstellbar waren (vgl. Urteil 6B_1114/2016 vom 21. April 2017 E. 2.2.2).  
Die Beschwerdeführerin zeigt nicht auf und es ist nicht ersichtlich, dass die Ergebnisse der Einvernahme zum strafbarkeitsbegründenden Sachverhalt aus ihrer Sicht günstiger ausgefallen wären, wenn sie daran teilgenommen hätte. Auch der Umstand alleine, dass B.________ allenfalls als Zeuge einzuvernehmen gewesen wäre, erhöht, wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, den Beweiswert seiner Aussagen nicht und es obliegt dem Gericht resp. der Übertretungsstrafbehörde, diese anhand der Akten zu würdigen. Dies hat sie getan und ist zum Schluss gelangt, dass die Ausführungen von B.________ den Beschuldigten entlasten. Würden diese ausser Acht gelassen (Art. 141 Abs. 2 und 4, Art. 147 Abs. 4 StPO), so rechtfertigte sich der Erlass eines Strafbefehls ebenfalls nicht, da die Aussagen der Beschwerdeführerin hierfür nicht genügten. Der für die strafrechtliche Beurteilung einschlägige Sachverhalt war nach Auffassung der Vorinstanzen soweit vollständig geklärt, wobei das Bundesgericht die Richtigkeit dieser Einschätzung nicht überprüft (oben E. 1.1). Im Ergebnis scheidet daher eine formelle Rechtsverweigerung aus. Eine Rückweisung würde zu einem rein formalistischen Leerlauf führen, welcher sich angesichts der in Frage stehenden Übertretung umso weniger rechtfertigt. Die angefochtene Verfügung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. 
 
2.1.3. Es kann offen bleiben, ob das Stadtrichteramt B.________ als Zeugen hätte befragen müssen, nachdem es ein Strafverfahren gegen den Beanzeigten unbestrittenermassen eröffnet hatte. Ebenso wenig muss geprüft werden, ob die diesbezügliche Auffassung der Vorinstanz zutrifft.  
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang hat die Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gericht skosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 11. April 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt