Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_478/2021
Urteil vom 11. April 2022
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Viscione,
Bundesrichter Hurni,
Gerichtsschreiber Wüest.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern,
2. B.________ GmbH,
vertreten durch Fürsprecher Philipp Studer,
Beschwerdegegnerinnen.
Gegenstand
Einstellung (Störung der Nachtruhe; Beschwerdelegitimation des Privatklägers),
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 7. April 2021 (BK 20 549).
Sachverhalt:
A.
A.________ reichte bei der Gemeinde U.________ mehrere Anzeigen gegen die B.________ GmbH wegen Nachtlärm (Motorengeräusche) ein. Mit Verfügungen vom 29. November 2017 und 30. April 2020 verzichtete die Gemeindepolizeibehörde U.________ auf die Ausfällung von Bussen zum Nachteil der B.________ GmbH. Gegen die beiden Verfügungen erhob A.________ Einsprache. Mit Verfügung vom 18. November 2020 stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Bern-Mittelland, das Verfahren gegen die B.________ GmbH wegen Widerhandlungen gegen das Gemeindepolizeireglement der Einwohnergemeinde U.________ ein.
B.
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Bern mit Beschluss vom 7. April 2021 ab, soweit es darauf eintrat.
C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 7. April 2021 sei aufzuheben und die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Bern-Mittelland, anzuweisen, eine Strafuntersuchung durchzuführen.
Erwägungen:
1.
Zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer in seiner Rolle als Zivilkläger vor Bundesgericht rechtsmittelbefugt ist. Das Bundesgericht beurteilt die Zulässigkeit der Beschwerde von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 145 I 121 E. 1).
1.1. Der Privatklägerschaft wird ein rechtlich geschütztes Interesse an der Beschwerde zuerkannt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Dies verlangt grundsätzlich, dass die Privatklägerschaft bereits adhäsionsweise Zivilforderungen geltend gemacht hat (Urteile 6B_1059/2021 vom 7. Oktober 2021 E. 2; 6B_1022/2021 vom 1. Oktober 2021 E. 2). In erster Linie geht es dabei um Ansprüche auf Schadenersatz oder Genugtuung nach Art. 41 ff. OR (Urteil 6B_1157/2020 vom 8. September 2021 E. 2.1).
1.2. Richtet sich die Beschwerde - wie hier - gegen die Einstellung eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden eine Zivilforderung geltend gemacht. Die Privatklägerschaft muss vor Bundesgericht daher darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderungen es geht (BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteile 6B_1006/2021 vom 22. November 2021 E. 3; 6B_1282/2020 vom 8. Juli 2021 E. 1.1; je mit Hinweisen).
1.3. Im Übrigen berechtigen auch Zivilansprüche - hier solche auf Genugtuung -, die im Strafverfahren adhäsionsweise geltend gemacht wurden (resp. noch gemacht worden wären; vgl. BGE 137 IV 246 E. 1.3.1; Urteil 6B_880/2020 vom 1. Februar 2021 E. 1.2), nicht zur Beschwerde in Strafsachen, wenn sich das von der Privatklägerschaft angestrengte Strafverfahren seinem Wesen nach als rein zivilrechtliche Auseinandersetzung im strafrechtlichen Gewand darstellt (vgl. Urteil 6B_1053/2020 vom 19. November 2020 E. 1.2). In diesem Sinn gilt der Leitsatz, wonach das Strafverfahren nicht "blosses Vehikel" zur Durchsetzung von Zivilforderungen in einem Zivilprozess sein darf (BGE 137 IV 246 E. 1.3.1; Urteile 6B_208/2022 vom 10. März 2022 E. 2.1 und 3.1; 6B_1285/2019 vom 22. Dezember 2020 E. 2.4.2; 6B_1091/2020 vom 19. Januar 2021 E. 2), auch im Verhältnis von Straf- und Adhäsionsklage innerhalb eines Strafverfahrens (Urteil 6B_1157/2020 vom 8. September 2021 E. 3.1).
1.4. Der Beschwerdeführer trägt zu seiner Legitimation vor, er sei am vorinstanzlichen Verfahren beteiligt gewesen und durch den angefochtenen Beschluss beschwert. Als Geschädigter der angezeigten nächtlichen Lärmstörungen sei er unmittelbar betroffen und er habe demnach ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, welcher die Beurteilung seiner Zivilansprüche ausschliesse. Dabei gehe es um eine Entschädigung wegen immaterieller Unbill, die er durch zahlloses nächtliches Erwachen, häufig verbunden mit anschliessenden stundenlangen Wachzuständen, erlitten habe. Ausserdem gehe es ihm um die Abwehr künftiger Störungen.
1.5. Nach Art. 49 OR ist eine Genugtuung nur geschuldet, sofern die Schwere der Verletzung dies rechtfertigt. Der Eingriff muss aussergewöhnlich schwer sein und in seinen Auswirkungen das Mass einer Aufregung oder einer alltäglichen Sorge klar übersteigen (vgl. Urteile 6B_195/2021 vom 21. April 2021 E. 3; 6B_1276/2020 vom 6. April 2021 E. 1.1; je mit Hinweisen). Leichte Persönlichkeitsverletzungen, wie beispielsweise unbedeutende Ehrverletzungen, rechtfertigen keine finanzielle Genugtuung (vgl. BGE 129 III 715 E. 4.4.). Inwiefern die Persönlichkeitsverletzung objektiv und subjektiv schwer wiegt, ist in der Beschwerde an das Bundesgericht darzulegen (Urteile 6B_446/2020 vom 29. Juni 2021 E. 1.1; 6B_736/2020 vom 28. Mai 2021 E. 1.2; 6B_873/2013 vom 12. Dezember 2013 E. 1.3; je mit Hinweisen).
1.6. Der Beschwerdeführer zeigt nicht rechtsgenüglich auf, weshalb und wie sich der angefochtene Beschluss auf welche Zivilforderungen auswirken kann. Er vermag auch nicht darzutun, dass er eine genugtuungsbegründende Persönlichkeitsverletzung erlitten hat. Sein Hinweis, er wache aufgrund der Lärmstörungen nachts häufig auf und bleibe stundenlang wach, genügt jedenfalls nicht. Die Beschwerde erfüllt damit die gesetzlichen Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 2 BGG) gemäss strenger bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht. Ohnehin erhellt aus der Beschwerde, dass vorliegend eine zivilrechtliche Auseinandersetzung mit der Beanzeigten klar im Vordergrund steht, nämlich der zivilrechtliche Immissionsschutz gemäss Art. 684 ZGB (vgl. Urteil 5A_772/2017 vom 14. Februar 2019 E. 3.2). Es ist indessen nicht Aufgabe der Strafbehörden, dem Beschwerdeführer im Hinblick auf einen Zivilprozess gegenüber den Beschuldigten die Mühen und das Kostenrisiko der Sammlung von Beweisen abzunehmen. Dem Beschwerdeführer geht es zudem in erster Linie um die Abwehr künftiger Störungen, mithin nicht um zivilrechtliche Ansprüche aus einem verwirklichten strafrechtlich relevanten Verhalten. Der Beschwerdeführer ist in der Sache daher nicht im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG zur Beschwerde legitimiert.
2.
2.1. Die Privatklägerschaft kann mit Beschwerde in Strafsachen ungeachtet der Legitimation in der Sache die Verletzung ihrer Rechte rügen, die ihr nach dem Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Das nach Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen (sog. "Star-Praxis"; BGE 141 IV 1 E. 1.1; 138 IV 78 E. 1.3; je mit Hinweisen). Nicht zu hören sind jedoch Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteile 6B_1208/2019 vom 29. April 2020 E. 1; 6B_352/2017 vom 25. September 2017 E. 1.3; je mit Hinweisen).
2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland habe seine Beweisanträge ignoriert. Indem die Vorinstanz die Verfahrenseinstellung bestätigt habe, habe sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) sowie die Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) verletzt. Worin die Verletzung dieser verfassungsmässigen Rechte genau liegen soll, legt der Beschwerdeführer nicht substanziiert und in einer den Formerfordernissen genügenden Weise dar (Art. 42 Abs. 1 und 2, Art. 106 Abs. 2 BGG). Die weiteren geltend gemachten Verfahrensverstösse (Verletzung der Untersuchungsmaxime, des Verfolgungszwanges sowie des Grundsatzes "in dubio pro duriore") stellen keine Verfahrensrechte des Beschwerdeführers dar und laufen auf eine Überprüfung in der Sache hinaus, was wie ausgeführt (vgl. E. 2.1 a.E. hiervor) nicht zu hören ist.
3.
Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 3'000.--.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. April 2022
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Denys
Der Gerichtsschreiber: Wüest