Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_228/2024
Urteil vom 11. April 2024
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Herrmann, Präsident,
Gerichtsschreiber Möckli.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
per Adresse und vertreten durch Rechtsanwältin Anna Hofer,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Wasem,
Beschwerdegegner,
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Biel, Eckweg 8, Postfach 704, 2501 Biel.
Gegenstand
Aufschiebende Wirkung (vorsorgliche Kindesschutzmassnahmen),
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, vom 28. März 2024 (KES 24 244).
Sachverhalt:
A.
Die Parteien sind die nicht miteinander verheirateten Eltern einer 2023 geborenen Tochter, für welche sie die gemeinsame elterliche Sorge haben. Sie wohnten bis Ende Oktober 2023 in einem gemeinsamen Haushalt in U.________ bei Biel.
B.
Am 29. Oktober 2023 erstattete der Vater bei der KESB Biel eine Meldung, wonach die Mutter mit der Tochter ins Ausland ziehen wolle, womit er nicht einverstanden sei. Am Folgetag informierte er, dass die Mutter mit dem Kind bereits weggezogen sei; sie habe fast die ganze Ausrüstung mitgenommen.
C.
Mit Eingabe vom 13. Dezember 2023 beantragte die zwischenzeitlich anwaltlich vertretene Mutter, es sei ihr superprovisorisch, eventualiter provisorisch (gemeint: vorsorglich) zu bewilligen, ihren Aufenthalt (gemeint: den Aufenthalt ihrer Tochter) nach V.________, Deutschland (gemeint: Österreich), zu verlegen.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2023 bzw. Verfügung vom 27. Dezember 2023 wies die KESB den Antrag auf superprovisorische Massnahmen ab.
Mit Eingabe vom 18. Dezember 2023 forderte der nun seinerseits anwaltlich vertretene Vater u.a., die Tochter sei unter seine Obhut zu stellen und es sei eine Beistandschaft zu errichten.
Im Rahmen eines vom Vater in Österreich eingeleiteten Kindesrückführungsverfahren verpflichtete sich die Mutter mit gerichtlichem Vergleich vom 26. Januar 2024, mit der Tochter bis am 12. Februar 2024 in die Schweiz zurückzukehren.
Am 20. Februar 2024 wurden die Parteien von der KESB angehört. Der Vater konnte sich eine Mediation vorstellen, die Mutter nicht. Den Parteien wurde ein vorsorglicher Entscheid mit alternierender Obhut sowie die Vornahme vertiefter Abklärungen in Aussicht gestellt.
Mit Entscheid vom 13. März 2024 setzte die KESB einen Kinderanwalt ein und beauftragte diesen, einen Bericht mit Anträgen in Bezug auf die elterlichen Sorge, die Obhut, die Zustimmung zum Wegzug der Mutter mit dem Kind nach Österreich sowie das Besuchsrechts des Vaters einzureichen.
D.
Mit vorsorglichem Massnahmeentscheid vom 22. März 2024 wies die KESB die Zustimmung zum Wechsel des Aufenthaltsortes des Kindes nach Österreich ab, ordnete eine alternierende Obhut an und regelte diese dahingehend, dass der Vater das Kind von Sonntagabend bis Dienstagabend, die Mutter dieses von Dienstagabend bis Samstagvormittag und die Eltern es an den Wochenenden wechselweise betreuen, errichtete eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB , ernannte die Beiständin, wies den mütterlichen Antrag, wonach dem zuständigen Behördenmitglied wegen Befangenheit die Verfahrensinstruktion zu entziehen und die ganze Sache zur Entscheidung einem Anwalt zu übertragen sei, ab und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
Mit Beschwerde vom 26. März 2024 verlangte die Mutter, vorsorglich sei die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, es sei ihr die Obhut über die Tochter während des Verfahrens zuzuweisen, es sei ihr die Verlegung des Aufenthaltsortes der Tochter nach V.________ in Österreich für die Dauer des Verfahrens zu bewilligen und die KESB sei anzuweisen, unverzüglich den Hauptentscheid in der Sache zu fällen.
Mit Instruktionsverfügung vom 28. März 2024 wies das Obergericht des Kantons Bern den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab.
E.
Gegen diese Verfügung hat die Mutter am 9. April 2024 beim Bundesgericht eine Beschwerde eingereicht. Sie verlangt, im kantonalen Beschwerdeverfahren sowie für die vorliegende Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Zur Erstellung des (vorstehend stark zusammengefasst wiedergegebenen) Sachverhaltes wurden beim Obergericht von Amtes wegen der Entscheid der KESB Biel und die kantonale Beschwerde angefordert. Auf das Einholen der gesamten Akten oder von Vernehmlassungen wurde indes verzichtet, weil das Verfahren sogleich spruchreif ist.
Erwägungen:
1.
Beschwerdegegenstand bildet ein im Rahmen eines Kindesschutzverfahrens ergangener kantonal letztinstanzlicher Entscheid (Art. 72 Abs. 1 und Art. 75 Abs. 1 BGG ) über die aufschiebende Wirkung im kantonalen Beschwerdeverfahren. Er ist, da nicht verfahrensabschliessend, ein Zwischenentscheid (vgl. BGE 134 II 192 E. 1.5), der nur unter den besonderen Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG mit Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden kann, wobei diese in der Beschwerde darzutun sind (BGE 137 III 324 E. 1.1; 141 IV 289 E. 1.3). An einer solchen Darlegung fehlt es. Ob die Beschwerde bereits daran scheitert, kann insofern offen bleiben, als der nicht wiedergutzumachende Nachteil an sich evident ist, jedoch auf die Beschwerde ohnehin nicht eingetreten werden kann (dazu nachfolgend).
2.
Der Entscheid über die aufschiebende Wirkung ist eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG (BGE 134 II 192 E. 1.5; 137 III 475 E. 2) und vorliegend ist er im Rahmen eines vorsorglichen Massnahmeverfahrens ergangen, welches bereits als solches unter Art. 98 BGG fällt. Mithin können nur verfassungsmässige Rechte als verletzt gerügt werden, wofür das strikte Rügeprinzip gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG gilt und bloss appellatorische Ausführungen ungenügend sind (zu den diesbezüglichen Begründungsvoraussetzungen namentlich BGE 134 II 244 E. 2.2; 142 II 369 E. 2.1; 142 III 364 E. 2.4).
3.
Das Obergericht hat die Abweisung des Antrages auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung damit begründet, dass die Parteien am 26. Januar 2024 im österreichischen Rückführungsverfahren einen Vergleich unterzeichnet hätten, in welchem sich die Mutter zur Rückkehr mit dem Kind in die Schweiz verpflichtet habe. Das Kindeswohl bedinge vorliegend eingehendere Abklärungen, bevor definitiv über die Obhuts- und Wegzugsfrage entschieden werden könne. Genau diese Abklärungen beabsichtige die KESB zu tätigen und es wäre wünschenswert, dass beide Parteien ihren diesbezüglichen Mitwirkungspflichten nachkommen würden, was insbesondere auch im Kontext mit dem bislang nicht zustande gekommenen Kontakt zwischen Vater und Kind gelte.
4.
Die Beschwerdeführerin erwähnt zwar am Schluss ihrer Eingabe das Willkürverbot. Indes bleiben die vorangehenden Ausführungen von der Sache her durchgängig appellatorisch und vermögen den an Willkürrügen zu stellenden Begründungsanforderungen nicht zu genügen. Der Vollständigkeit halber sei dennoch das Folgende festgehalten:
Kernaussage in der Beschwerde ist, dass das Bundesgericht gemäss BGE 142 III 481 keine faktische Residenzpflicht bzw. kein Müttergefängis habe errichten wollen und deshalb in Anwendung von Art. 301a ZGB ein Kind mit dem hauptbetreuenden Elternteil grundsätzlich müsse wegziehen können. Diese (abstrakt zutreffende) Aussage geht an der konkreten obergerichtlichen Begründung vorbei, wonach es (angesichts des bislang unkooperativen Verhaltens der Beschwerdeführerin) vorliegend vertiefter Abklärungen bedürfe, um zu sagen, welcher Aufenthaltsort dem Kindeswohl am besten gerecht werde. Was an dieser Entscheidbegründung des Obergerichtes willkürlich sein soll, bleibt unerfindlich, ist doch die entscheidende Frage bei Wegzugsurteilen gerade, ob das Wohl des Kindes besser gewahrt ist, wenn es mit dem auswanderungswilligen Elternteil wegzieht oder wenn es sich beim zurückbleibenden Elternteil aufhält (BGE 142 III 481 E. 2.6).
Was sodann die vorsorgliche Obhutsregelung anbelangt, hält die Beschwerdeführerin fest, das Kind werde noch gestillt und der Vater habe ein hohes Arbeitspensum. Das Arbeitspensum des Vaters hat die KESB jedoch in die Erwägungen einbezogen und dieser betreut auch seinen elfjährigen Sohn aus einer früheren Beziehung, weshalb jedenfalls im Kontext mit der Frage der aufschiebenden Wirkung im Beschwerdeverfahren keine Willkür ersichtlich wäre, wenn er jeweils am Wochenanfang auch für die Tochter die Betreuungsverantwortung trägt. Dass das Kind noch nicht abgestillt wäre und es vor diesem Hintergrund beim Vater in eine unzumutbare Lage geraten könnte, wird in diesem Kontext weder im Entscheid der KESB noch in der angefochtenen obergerichtlichen Verfügung festgestellt und die Beschwerdeführerin rügt auch nicht, dass eine solche Feststellung in willkürlicher Weise unterlassen worden sei. Als Folge hat das Vorbringen im bundesgerichtlichen Verfahren als neu und damit unzulässig zu gelten (Art. 99 Abs. 1 BGG). Auszugehen ist mithin vom kantonal festgestellten Sachverhalt, aus welchem keine Anzeichen für eine unhaltbare Situation für das Kind beim Vater hervorgehen. Insbesondere lässt sich eine untragbare Situation für das Kind auch nicht aus der mütterlichen Behauptung ableiten, eine Rückkehr in die Schweiz sei für sie persönlich unzumutbar, zumal sie nach den Feststellungen im Entscheid der KESB vorher elf Jahre in Biel bzw. U.________ gelebt und als Physiotherapeutin gearbeitet hat. Folglich würde es, selbst wenn in rechtlicher Hinsicht - spezifisch für die vorliegend den ausschliesslichen Anfechtungsgegenstand bildende Frage der aufschiebenden Wirkung im Beschwerdeverfahren - substanzierte Willkürrügen erfolgt wären, diesen jedenfalls an der erforderlichen Tatsachenbasis fehlen.
5.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als offensichtlich nicht hinreichend begründet, weshalb auf sie nicht eingetreten werden kann und der Präsident im vereinfachten Verfahren entscheidet (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG).
6.
Mit dem sofortigen Entscheid in der Sache wird die Frage der aufschiebende Wirkung im bundesgerichtlichen Verfahren - bzw. die Frage, ob angesichts der negativen angefochtenen Verfügung nicht vorsorgliche Anordnungen im Sinn von Art. 104 BGG statt die aufschiebende Wirkung nach Art. 103 BGG zu verlangen gewesen wären - gegenstandslos.
7.
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt der Präsident:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der KESB Biel, dem Kindesvertreter, der Beiständin und dem Obergericht des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, mitgeteilt.
Lausanne, 11. April 2024
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Herrmann
Der Gerichtsschreiber: Möckli