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[AZA 7] 
I 545/00 Hm/Gb 
 
III. Kammer 
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiber Ackermann 
 
Urteil vom 11. Mai 2001 
 
in Sachen 
H.________, Beschwerdeführer, vertreten durch den Sozialdienst der Stadt Adliswil, Albisstrasse 3, 8134 Adliswil, 
 
gegen 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
A.- Am 6. Mai 1998 meldete sich H.________, geboren 1966, bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. 
Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte je einen Arztbericht bei Dr. med. W.________, Innere Medizin FMH, vom 15. Juni 1998 und bei der psychiatrischen Klinik X.________ vom 14. September 1998 ein; weiter veranlasste sie ein Gutachten der Dres. A.________ und S.________, Spital Y.________, Departement für Innere Medizin, Medizinische Poliklinik, vom 19. November 1998. Diese Abklärungen ergaben, dass der Versicherte seit 1987 drogensüchtig ist und an chronischer Hepatitis C und Hepatitis B-Seronarbe leidet. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich den Anspruch auf berufliche Massnahmen und Invalidenrente mit Verfügung vom 12. Januar 1999 ab, weil die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten auf reinem Suchtgeschehen beruhe und damit keine Invalidität im Sinne des IVG vorliege. 
 
 
B.- Gegen diese Verfügung erhob H.________ Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich; gleichzeitig reichte er ein Schreiben der Frau C.________, Projektärztin der Stiftung Z.________, vom 23. Januar 1999 ein, wonach der Versicherte als Folge eines geistigen Gesundheitsschadens drogensüchtig geworden sei. Mit Entscheid vom 21. August 2000 wurde die Beschwerde abgewiesen. 
 
C.- H.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Verwaltungsverfügung seien die Akten an die IV-Stelle zurückzuweisen und diese anzuweisen, ein psychiatrisches Gutachten unter Einbezug der Frage des Zusammenhanges von psychischen Störungen und Drogensucht (Komorbidität) einzuholen und anschliessend neu zu verfügen. 
Für die Erstellung des Gutachtens wird Dr. med. 
O.________ vorgeschlagen. 
Die IV-Stelle beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Nach Art. 4 Abs. 1 IVG gilt als Invalidität die durch einen körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden als Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall verursachte, voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit. 
Zu den geistigen Gesundheitsschäden, welche in gleicher Weise wie die körperlichen eine Invalidität im Sinne von Art. 4 Abs. 1 IVG zu bewirken vermögen, gehören neben den eigentlichen Geisteskrankheiten auch seelische Abwegigkeiten mit Krankheitswert. Nicht als Auswirkungen einer krankhaften seelischen Verfassung und damit invalidenversicherungsrechtlich nicht als relevant gelten Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit, welche die versicherte Person bei Aufbietung allen guten Willens, Arbeit in ausreichendem Masse zu verrichten, zu vermeiden vermöchte, wobei das Mass des Forderbaren weitgehend objektiv bestimmt werden muss. (BGE 102 V 165; AHI 1996 S. 302 Erw. 2a, S. 305 Erw. 1a, S. 308 Erw. 2a; ZAK 1992 S. 170 Erw. 2a mit Hinweisen). 
 
Wie in ständiger Rechtsprechung bezüglich der Drogensucht entschieden worden ist, begründet diese, für sich allein betrachtet, keine Invalidität im Sinne des Gesetzes. 
Dagegen wird eine solche Sucht im Rahmen der Invalidenversicherung bedeutsam, wenn sie eine Krankheit oder einen Unfall bewirkt hat, in deren Folge ein körperlicher oder geistiger, die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigender Gesundheitsschaden eingetreten ist, oder wenn sie selber Folge eines körperlichen oder geistigen Gesundheitsschadens ist, dem Krankheitswert zukommt (BGE 99 V 28 Erw. 2; AHI 1996 S. 303 Erw. 2a, S. 305 Erw. 1a und S. 309 Erw. 2a; ZAK 1992 S. 171 Erw. 2b mit weiteren Hinweisen; SVR 2001 IV Nr. 3 S. 7 Erw. 2b). 
2.- Es steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer aus somatischer Sicht voll arbeitsfähig ist. 
Zu prüfen ist hingegen, ob die Drogensucht die Folge eines Gesundheitsschadens mit Krankheitswert ist oder ob sich infolge des Drogenmissbrauchs ein geistiger Gesundheitsschaden entwickelt hat, der die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt. 
 
a) Das kantonale Gericht hat geprüft, ob beim Versicherten bereits vor Beginn der Drogensucht ein geistiger Gesundheitsschaden mit Krankheitswert vorlag. Es stellte dabei auf den Bericht der Klinik X.________ vom 14. September 1998 ab. Dessen Ausführungen basieren jedoch auf Daten vom April 1994; über den aktuellen Gesundheitszustand seien keine sicheren Angaben möglich. Soweit es sich darum handelt abzuklären, ob der Beschwerdeführer bereits vor dem Beginn seiner Drogensucht im Jahre 1987 an einem psychischen Gesundheitsschaden litt (der dann angeblich zum Drogenmissbrauch führte), schadet die Verwendung von zur Zeit des Verfügungserlasses fast fünfjährigen Daten nicht, sondern war vielmehr sogar angebracht. Denn diese Angaben liegen zeitlich relativ nahe am - angeblich in psychischen Gründen wurzelnden - Suchtbeginn 1987, während Gutachten aus dem Jahre 1998 oder gar aus heutiger Zeit kaum noch verlässlich darlegen können, ob die Drogensucht aus psychischen Motiven ausgelöst worden ist, hat doch die Abhängigkeit auf die Persönlichkeit des Versicherten seit vielen Jahren eingewirkt und diese beeinflusst. Die Vorinstanz hat sich deshalb zu Recht auf den Arztbericht der Klinik X.________ abgestützt. Mit dem kantonalen Gericht ist dabei davon auszugehen, dass darin keine schwerwiegenden psychiatrischen Befunde erwähnt sind; damit hat es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer bereits vorbestehenden psychischen Beeinträchtigung und einer angeblich daraus folgenden Drogensucht zu Recht verneint. 
An dieser Auffassung vermag auch das im vorinstanzlichen Verfahren eingereichte Schreiben der Projektärztin Frau C.________ vom 23. Januar 1999 - die Drogensucht sei vor dem Hintergrund einer Störung der Persönlichkeitsentwicklung entstanden - nichts zu ändern. Dieses Schreiben ist nämlich - entgegen dem Bericht der Klinik X.________ - nur eine Mitteilung, die weder umfassend ist noch auf allseitigen Untersuchungen beruht (vgl. BGE 125 V 352 Erw. 3a), sondern einzig gestützt auf Beobachtungen des Verhaltens und in Kenntnis der Lebensgeschichte des Beschwerdeführers erfolgt ist. Weiter ist der Beschwerdeführer Frau C.________ erst seit November 1998, d.h. also elf Jahre nach Beginn der Drogensucht, bekannt, sodass sie nicht hinreichend schlüssig beurteilen kann, ob der langjährige Drogenmissbrauch wirklich die Folge eines geistigen Gesundheitsschadens ist. Das Schreiben der Projektärztin vermag deshalb den eingeholten Arztbericht nicht derart zu erschüttern, dass davon abzuweichen ist (vgl. BGE 125 V 354 Erw. 3c). Gestützt auf den Bericht der Klinik X.________ und wegen des langen Zeitablaufs seit Beginn der Drogensucht ist im Rahmen der antizipierten Beweiswürdigung (BGE 124 V 94 Erw. 4b und 122 V 162 Erw. 1d) auf weitere Abklärungen in dieser Hinsicht zu verzichten; der Antrag des Versicherten auf Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens unter Berücksichtigung des Zusammenhanges zwischen psychischen Störungen und Drogensucht ist deshalb abzuweisen. 
 
b) Die Vorinstanz hat weiter geprüft, ob der Drogenkonsum einen psychischen Gesundheitsschaden mit Krankheitswert verursacht hat. Sie stellte dabei wiederum auf die vom April 1994 stammenden Daten der Klinik X.________ ab; diese Angaben waren im für die richterliche Beurteilung praxisgemäss (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen) massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses am 12. Januar 1999 bereits fast fünf Jahre alt. In der Zwischenzeit hat sich der Sachverhalt möglicherweise verändert und es könnte bis zum Verfügungszeitpunkt - primär aus der Drogensucht resultierend - ein psychischer Gesundheitsschaden mit Krankheitswert eingetreten sein. Insofern haben die Vorinstanz und die IV-Stelle den rechtserheblichen Sachverhalt nicht genügend abgeklärt; der angefochtene Entscheid und die entsprechende Verfügung sind deshalb aufzuheben und die Sache ist an die IV-Stelle zurückzuweisen. Diese hat eine psychiatrische Begutachtung zu veranlassen, um festzustellen, ob ein psychischer Gesundheitsschaden, der die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt, vorliegt. Anschliessend hat sie über den Leistungsanspruch neu zu verfügen. 
 
3.- Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Der durch eine Institution der öffentlichen Sozialhilfe vertretene obsiegende Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (vgl. BGE 126 V 11). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne 
gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts 
des Kantons Zürich vom 21. August 2000 
sowie die Verfügung vom 12. Januar 1999 aufgehoben 
werden und die Sache an die IV-Stelle des Kantons 
Zürich zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter 
Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Leistungsanspruch 
neu verfüge. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
 
 
zugestellt. 
Luzern, 11. Mai 2001 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: