Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2P.45/2006 /ast
Urteil vom 11. Mai 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler,
Gerichtsschreiber Uebersax.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Guido Ehrler,
gegen
Wirtschafts- und Sozialdepartement des Kantons Basel-Stadt, Marktplatz 9, 4001 Basel,
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.
Gegenstand
Art. 29 BV (unentgeltliche Prozessführung),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 20. Dezember 2005.
Sachverhalt:
A.
X.________ ist Vater zweier Töchter, die er als alleinerziehender Vater teilweise betreut. Da er seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften zu bestreiten vermag, ist er auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen. Am 1. April 2005 trat eine Änderung der nicht in der amtlichen Sammlung publizierten so genannten Unterstützungsrichtlinie (URL) des Wirtschafts- und Sozialdepartements des Kanton Basel-Stadt in Kraft. In Anwendung dieser Richtlinien legte die Sozialhilfe Basel-Stadt am 3. März 2005 den Unterstützungsbeitrag fest, der X.________ mit Wirkung ab dem 1. April 2005 zustand. Im Vergleich zu den vorher bezogenen Leistungen ergab sich insgesamt eine Kürzung von Fr. 115.-- pro Monat.
B.
Dagegen führte X.________ ohne anwaltliche Vertretung Beschwerde beim Wirtschafts- und Sozialdepartement. Dieses wies die Beschwerde jedoch am 13. Juni 2005 ab. Einen dagegen erhobenen Rekurs überwies der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht. Mit Eingabe vom 31. August 2005 begründete der nunmehr neu anwaltlich vertretene X.________ den Rekurs und beantragte die unentgeltliche Prozessführung. Am 20. Dezember 2005 traf der Präsident des Appellationsgerichts eine verfahrensleitende Verfügung, mit der er unter anderem das Begehren um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abwies (Ziffer 2 erster Satz der Verfügung).
C.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 31. Januar 2006 beantragt X.________, der Entscheid des Appellationsgerichtspräsidenten sei insoweit aufzuheben, als ihm damit die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung verweigert wurde (Ziffer 2 erster Satz der Verfügung). Überdies ersucht er um unentgeltliche Prozessführung im bundesgerichtlichen Verfahren.
Das Wirtschafts- und Sozialdepartement sowie das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Der angefochtene Entscheid des Appellationsgerichtspräsidenten, mit dem das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abgewiesen wurde, ist ein letztinstanzlicher kantonaler Zwischenentscheid, der das Beschwerdeverfahren nicht abschliesst. Gegen diesen Entscheid ist nach Art. 87 Abs. 2 OG die staatsrechtliche Beschwerde zulässig, sofern er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Zwischenentscheide, mit denen die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wird, haben in der Regel einen solchen Nachteil zur Folge (BGE 129 I 129 E. 1.1 S. 131, 281 E. 1.1 S. 283 f., je mit Hinweisen). Dies trifft auch für den hier in Frage stehenden Zwischenentscheid zu, kann es doch insbesondere einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken, müsste der Beschwerdeführer seine Interessen im Beschwerdeverfahren ohne den Beistand eines Anwalts wahrnehmen.
1.2 Nach § 4 Abs. 1 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Basel-Stadt vom 29. Juni 2000 (SHG) hat, wer bedürftig ist, Anspruch auf unentgeltliche Beratung sowie auf wirtschaftliche Hilfe. Steht dem unbestrittenermassen bedürftigen Beschwerdeführer somit ein Recht auf Sozialhilfe zu, verfügt er auch insoweit über das für die Beschwerdeberechtigung nach Art. 88 OG erforderliche rechtlich geschützte Interesse, als es um Unterstützungsleistungen geht, die über die nach Art. 12 BV zu erbringenden Nothilfeleistungen hinausgehen.
1.3 Auf die im Übrigen frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist demnach einzutreten.
2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt, der angefochtene Entscheid sei nicht genügend begründet, weshalb sein Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verletzt sei.
2.2 Aus dem in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich die Pflicht der Behörde, die Sache zu prüfen und ihren Entscheid zu begründen. Der Betroffene soll wissen, warum die Behörde entgegen seinem Antrag entschieden hat. Die Begründung eines Entscheids muss so abgefasst sein, dass der Betroffene ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Dies ist nur möglich, wenn sowohl er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheids ein Bild machen können. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt. Das bedeutet indessen nicht, dass sich die urteilende Instanz ausdrücklich mit jeder Tatsachenbehauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinander setzen muss. Sie kann sich auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (BGE 126 I 97 E. 2b S. 102 f.; 124 V 180 E. 1a S. 181, je mit Hinweisen).
2.3 Die Begründung des angefochtenen Entscheids umfasst insgesamt rund eine Seite. Sie setzt sich mehrheitlich mit der Frage der unentgeltlichen Prozessführung auseinander, wobei vorwiegend ausgeführt wird, weshalb die Gewinnaussichten geringer seien als die Verlustrisiken. Die Begründung geht jeweils kurz auf die Rügen des Beschwerdeführers in der Sache ein und legt dar, weshalb der Appellationsgerichtspräsident diese aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung als unbegründet beurteilt. Mehr wird verfassungsrechtlich nicht verlangt. Die summarische Prüfung der Prozessaussichten im Rahmen eines Zwischenentscheids schliesst die vertiefte Beantwortung aller sich stellenden Rechtsfragen aus. Dem Beschwerdeführer war es jedenfalls möglich, die fragliche Zwischenverfügung sachgerecht anzufechten. Schliesslich ist der vorliegende Fall mit dem vom Beschwerdeführer angerufenen Präjudiz (Urteil des Bundesgerichts 1P.458/2001 vom 12. Juni 2002, E. 2) nicht zu vergleichen, hatte der zuständige Richter damals doch einzig ausgeführt, die Gewinnaussichten seien wesentlich geringer als die Verlustgefahren, ohne darzulegen, weshalb dies so sei. Im Unterschied dazu werden im hier zu beurteilenden Zwischenentscheid die Gründe erläutert, aus denen der Appellationsgerichtspräsident auf Aussichtslosigkeit der Beschwerde schliesst. Damit erweist sich die angefochtene Verfügung als rechtsgenüglich begründet.
3.
3.1 Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird in erster Linie durch das kantonale Prozessrecht geregelt, dessen Anwendung und Auslegung das Bundesgericht unter dem Gesichtspunkt der Willkür prüft (BGE 129 I 129 E. 2.1). Unabhängig davon besteht ein solcher Anspruch unmittelbar aufgrund von Art. 29 Abs. 3 BV. Danach hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand. Die Voraussetzungen dieses durch die Bundesverfassung garantierten Anspruchs untersucht das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht frei, tatsächliche Feststellungen der kantonalen Instanzen prüft es dagegen nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (BGE 130 I 180 E. 2.1 S. 182 mit Hinweisen).
3.2 Der Beschwerdeführer beruft sich nicht auf kantonales Recht, sondern einzig auf Art. 29 Abs. 3 BV. Danach hat die bedürftige Partei in einem für sie nicht aussichtslosen Verfahren Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege; soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Prozessbegehren als aussichtslos anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich nach den Verhältnissen zur Zeit, in der das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt wird (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.; 128 I 225 E. 2.5.3 S. 236 mit Hinweis). Die bedürftige Partei hat sodann insbesondere Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung, wenn ihre Interessen in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen (BGE 130 I 180 E. 2.2 S. 182).
3.3 Entgegen dem angefochtenen Entscheid führt eine einzig auf den Departementsentscheid gestützte vorläufige, summarische Prüfung des vorliegenden Falles, wie sie beim Entscheid über die Aussichtslosigkeit einer Beschwerde vorzunehmen ist, zu keiner eindeutigen Beurteilung der Erfolgsaussichten. Ob die Unterstützungsrichtlinie in § 7 Abs. 3 SHG über eine genügende gesetzliche Grundlage verfügt, steht nicht von vornherein - ohne nähere Prüfung - zweifelsfrei fest. Von Behördenseite wird nicht geltend gemacht, diese Frage sei bereits von einem Gericht geprüft und entschieden worden. Sie bildet im Übrigen noch Gegenstand eines vor dem Bundesgericht hängigen Verfahrens im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle (Verfahren 2P.108/2005). Bei dieser Sachlage erlaubt eine vorläufige, summarische Prüfung nicht, die Gewinnaussichten mit der erforderlichen Sicherheit als bloss minim zu beurteilen.
Das Departement führt in seiner Vernehmlassung an das Bundesgericht aus, gerade mit Blick auf die vor Bundesgericht hängige Beschwerde im Parallelverfahren würde eine Person, die selbst für die Verfahrens- und Anwaltskosten aufkommen müsste, in eigener Sache nicht das kantonale Gericht anrufen. Dieses Argument verkennt, dass das Parallelverfahren nicht automatisch Rückwirkung auf Einzelfälle entfaltet, in denen die Entscheide über die zu leistenden Unterstützungsbeiträge nicht angefochten worden und damit grundsätzlich rechtskräftig geworden sind. Es darf daher dem Beschwerdeführer nicht entgegengehalten werden, dass er seine individuellen Rechte mit Wirkung ab dem 1. April 2005 zu wahren versucht.
Schliesslich erscheint es für einen juristischen Laien ohne anwaltliche Vertretung kaum möglich, sich sachgerecht mit der Frage auseinander zu setzen, um was für einen Erlass es sich bei der Unterstützungsrichtlinie handle und ob dafür eine genügende gesetzliche Grundlage bestehe. Diese rechtliche Problematik, die wie erwähnt offenbar gerichtlich noch nicht beurteilt worden ist, rechtfertigt den Beizug eines Anwaltes. Dass der Beschwerdeführer in seinen Interessen spürbar betroffen ist, wenn ihm die Sozialhilfe gekürzt wird, wie dies vorliegend der Fall ist, leuchtet ein. Es lässt sich dem Beschwerdeführer mithin nicht vorwerfen, er führe das Verfahren nur deshalb, weil es ihm vom Staat bezahlt werde.
3.4 Der angefochtene Entscheid verletzt somit Art. 29 Abs. 3 BV.
4.
Demnach ist die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen, und Ziff. 2 erster Satz der angefochtenen Verfügung muss aufgehoben werden.
Bei diesem Verfahrensausgang rechtfertigt es sich, keine Kosten zu erheben. Hingegen hat der Kanton Basel-Stadt dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (vgl. Art. 159 OG). Damit kann das Gesuch um unentgeltliche Rechtsprechung und Verbeiständung im bundesgerichtlichen Verfahren als gegenstandslos abgeschrieben werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, und Ziff. 2 erster Satz der Verfügung des Appellationsgerichtspräsidenten Basel-Stadt vom 20. Dezember 2005 wird aufgehoben.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Der Kanton Basel-Stadt hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.
4.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird als gegenstandslos abgeschrieben.
5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Wirtschafts- und Sozialdepartement sowie dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. Mai 2006
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: