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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
P 55/04 
 
Urteil vom 11. Juli 2005 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin Schüpfer 
 
Parteien 
Sozialversicherungsamt Schaffhausen, AHV-AK, Oberstadt 9, 8200 Schaffhausen, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
B.________, 1944, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Joachim Breining, Sporrengasse 1, 8201 Schaffhausen 
 
Vorinstanz 
Obergericht des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen 
 
(Entscheid vom 29. Oktober 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Dem 1944 geborenen B.________ wurde mit Verfügung vom 16. Januar 2003 von der IV-Stelle Schaffhausen ab 1. August 2001 eine ganze Invalidenrente zugesprochen. Am 23. Januar 2003 meldete er sich beim Sozialversicherungsamt Schaffhausen, Ausgleichskasse, zum Bezug von Ergänzungsleistungen an. Das Gesuch wurde mit Verfügung vom 17. April 2003 abgewiesen, woran auf Einsprache hin festgehalten wurde (Entscheid vom 7. Januar 2004). 
B. 
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen hiess die dagegen erhobene Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, als es den Einspracheentscheid aufhob und die Sache zur Neuberechnung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen an die Ausgleichskasse zurückwies (Entscheid vom 29. Oktober 2004). 
C. 
Das Sozialversicherungsamt Schaffhausen führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt die Aufhebung des Entscheides vom 29. Oktober 2004. 
 
B.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG). 
2. 
2.1 Da keine laufenden Leistungen im Sinne der übergangsrechtlichen Ausnahmebestimmung des Art. 82 Abs. 1 ATSG, sondern Dauerleistungen im Streit stehen, über die noch nicht rechtskräftig verfügt worden ist, beurteilt sich diese Frage - den allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln folgend - für die Zeit bis 31. Dezember 2002 auf Grund der bisherigen Rechtslage, ab diesem Zeitpunkt indes nach den Normen des auf den 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) und dessen Ausführungsverordnungen (BGE 130 V 446 Erw. 1 mit Hinweis auf BGE 130 V 329). 
2.2 Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Anspruch von IV-Rentenbezügern (Art. 2c lit. a ELG) auf Ergänzungsleistungen (bis 31. Dezember 2002: Art. 2 Abs. 1 ELG; ab 1. Januar 2003: Art. 2 Abs. 1 ELG in Verbindung mit Art. 13 ATSG), die Bestandteile der Ergänzungsleistungen (Art. 3 ELG), die Höhe der Ergänzungsleistungen (Art. 3a Abs. 1 ELG), die anerkannten Ausgaben bei zu Hause wohnenden Personen (Art. 3b Abs. 1 ELG) und die anrechenbaren Einnahmen (Art. 3c Abs. 1 lit. a-d ELG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
3. 
3.1 Der Anspruch auf eine jährliche Ergänzungsleistung besteht erstmals für den Monat, in dem die Anmeldung eingereicht worden ist und sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 21 Abs. 1 ELV). Ausnahmsweise besteht rückwirkend ein Anspruch, wenn die Anmeldung innert sechs Monaten seit der Zustellung der Verfügung über eine Rente der AHV oder der IV eingereicht wird. Dann beginnt er mit dem Monat der Anmeldung für die Rente, frühestens aber mit der Rentenberechtigung (Art. 22 Abs. 1 ELV). Zeitlich massgebend für die Berechnung der jährlichen Ergänzungsleistungen sind in der Regel die während des vorausgegangenen Kalenderjahres erzielten anrechenbaren Einnahmen sowie das am 1. Januar des Bezugsjahres vorhandene Vermögen (Art. 23 Abs. 1 ELV). Die jährlichen Ergänzungsleistungen sind zu erhöhen, herabzusetzen oder aufzuheben, wenn sie die tatsächlichen Verhältnisse wesentlich verändern (vgl. Art. 25 ELV). 
3.2 Mit Verfügung vom 16. Januar 2003 wurde dem Beschwerdegegner eine ganze Invalidenrente ab 1. August 2001 zugesprochen. Nachdem er bereits am 23. Januar 2003 um Ergänzungsleistungen ersuchte, sind die Verhältnisse vorerst ab Rentenbeginn, somit ab August 2001, zu ermitteln und in der Folge auf veränderte Verhältnisse hin zu prüfen. Der Verfügung vom 17. April 2003 lässt sich nicht entnehmen, für welchen Zeitpunkt die anrechenbaren Einnahmen und die anerkannten Ausgaben miteinander verglichen wurden. Obwohl in der Einsprache vom 5. Mai 2003 sowie in der Beschwerde vom 2. Februar 2004 Leistungen spätestens ab August 2001 verlangt wurden, äussert sich die Ausgleichskasse weder im Einspracheentscheid, im vorinstanzlichen Verfahren, noch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu diesem Sachverhaltselement. Berechnungen für verschiedene Zeiträume fehlen. Damit kann auch letztinstanzlich nicht überprüft werden, ob die Abweisungsverfügung zu Recht erfolgt ist. In diesem Sinne hat das kantonale Gericht den Einspracheentscheid richtigerweise aufgehoben und die Sache zu einer erneuten Prüfung an die Verwaltung zurückgewiesen. 
4. 
Hauptstreitpunkt im vorinstanzlichen Verfahren war die Frage, ob der Versicherte auf Vermögenswerte und Einkommen verzichtet hatte, indem er - vor Eintritt des Versicherungsfalles - seine Ansprüche aus einer Lebensversicherungspolice einer Bank verpfändet hatte, die ihm einen Hypothekarkredit gewährte. 
4.1 Es gilt der Grundsatz, dass bei der Anspruchsberechnung nur tatsächlich vereinnahmte Einkünfte und vorhandene Vermögenswerte zu berücksichtigen sind, über die der Leistungsansprecher ungeschmälert verfügen kann (vgl. BGE 122 V 24 Erw. 5a). Anderseits findet dieser Grundsatz dort eine Einschränkung, wo der Versicherte ohne rechtliche Verpflichtung und ohne adäquate Gegenleistung auf Vermögen verzichtet hat, wo er einen Rechtsanspruch auf bestimmte Einkünfte und Vermögenswerte hat, davon aber faktisch nicht Gebrauch macht bzw. seine Rechte nicht durchsetzt, oder wo der Ansprecher aus von ihm zu verantwortenden Gründen von der Ausübung einer möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit absieht (vgl. BGE 117 V 289 Erw. 2a, zum Ganzen: BGE 115 V 353 f. Erw. 5c). Die Rechtsprechung hat das Vorliegen des Verzichtstatbestandes stets allein davon abhängig gemacht, ob eine Vermögenshingabe ohne rechtliche Verpflichtung und ohne adäquate Gegenleistung erfolgt war (vgl. BGE 121 V 205 Erw. 4 mit Hinweisen). 
4.2 Mit Schreiben vom 13. Februar 2003 teilte die Basler Lebens-Versicherungs-Gesellschaft dem Beschwerdegegner mit, er habe, nebst einer Prämienbefreiung, ab 1. August 2001 Anspruch auf eine Rente entsprechend einem Invaliditätsgrad von 100 % im Betrage von Fr. 1'401.25 pro Monat. Die Beschwerdeführerin hat in der Verfügung vom 17. April 2003 ein Einkommen aus der Lebensversicherungsrente von Fr. 20'715.- berücksichtigt, den Betrag im Einspracheentscheid aber auf Fr. 16'815.20 (Fr. 1'401.25 x 12) reduziert. Der Versicherte vertritt die Auffassung, dass einzig der Rückkaufswert der Versicherungspolice als Vermögen in die Anspruchsberechnung miteinbezogen werden dürfe. Dem stimmt die Vorinstanz zu. Aus dem Gesamtzusammenhang zu schliessen lehnt sie demgegenüber die Anrechnung der Rente der Basler ab. 
4.3 Zu prüfen ist vorerst, ob die Renten trotz Verpfändung bei der Prüfung des Ergänzungsleistungsanspruchs als Einnahmen anzurechnen sind. 
4.3.1 Der Abschluss einer Versicherung, aus der im Invaliditätsfall die Hypothekarzinsen weiter bezahlt werden könnten, ist genauso ein übliches Vorgehen beim Liegenschaftskauf, wie die Verpfändung der Police an die kreditgebende Bank, damit die Versicherungsleistungen im Risikofall direkt an diese ausbezahlt werden. Mit der Verpfändung hat der Versicherte nicht auf die Leistungen verzichtet, sondern sich einzig dazu verpflichtet, diese im Sinne der Hypothekargläubigerin zu verwenden. Er hat eine Gegenleistung erhalten. Die Bank hat ihm dafür einen Kredit gewährt. Zudem werden die der Bank zufliessenden Beträge an die Hypothekarzinsen - und eventuelle andere Verpflichtungen - angerechnet. Diese Ausgaben wären auch ohne Verpfändung angefallen. Laut Art. 3b Abs. 3 lit. b ELG stellt Hypothekarzins eine anerkannte Ausgabe dar. Die Fr. 16'815.- sind daher nicht unter dem Titel "Vermögensverzicht" in die Anspruchsberechnung miteinzubeziehen. 
4.3.2 Gemäss Art. 3c Abs. 1 lit. d ELG gehören Renten, Pensionen und andere wiederkehrende Leistungen grundsätzlich zu den anrechenbaren Einnahmen. Davon ist vorliegend nicht abzuweichen. Auch wenn die Rentenleistungen der Lebensversicherung auf Grund der Verpfändung direkt der Bank zufliessen, gehören sie zu den tatsächlich vereinnahmten Einkünften. Sie kommen dem Beschwerdegegner nämlich insofern zu Gute, als damit die Hypothekarzinsen gedeckt werden. Diese wiederum sind - bis zur Höchstgrenze gemäss Art. 3b Abs. 3 lit. b ELG - als Ausgaben anzurechnen. 
4.4 Zu prüfen bleibt, ob der Rückkaufswert der Police als Vermögen mitberücksichtigt werden muss. 
 
Seit August 2001 werden Rentenleistungen ausgerichtet. Eine Auflösung des Versicherungsverhältnisses durch den Rückkauf hätte zur Folge, dass diese sofort eingestellt würden. Daneben profitiert der Beschwerdeführer von der Prämienbefreiung. Es erscheint wenig sinnvoll, eine Versicherung in dem Moment aufzulösen, in dem der Versicherungsfall bereits eingetreten ist und Leistungen fliessen. Es ist sogar fraglich, ob ein Rückkauf noch möglich wäre. Da die Rentenzahlungen in die Anspruchsermittlung miteinbezogen werden (vgl. Erw. 4.3.2), kann nicht gleichzeitig der Rückkaufswert derselben Versicherung in die Berechnung miteinbezogen werden. Soweit im angefochtenen Entscheid die gegenteilige Auffassung vertreten wird, ist ihm nicht zu folgen. 
5. 
Zusammenfassend ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde insofern abzuweisen, als im angefochtenen Entscheid eine Rückweisung zur Neuberechnung angeordnet wurde. Diese hat indessen erstmals per August 2001 zu erfolgen und ist jeweils bei veränderten Verhältnissen oder zumindest auf jeden Jahresbeginn hin (Art. 23 ELV) zu erneuern. Entgegen dem angefochtenen Entscheid wird die Verwaltung das Renteneinkommen der Basler als Einkommen, aber den Rückkaufswert der entsprechenden Police nicht als Vermögen anzurechnen haben. 
6. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdegegner grundsätzlich Anspruch auf eine hälftige Parteientschädigung. Da er zudem nach Lage der letztinstanzlich eingereichten Akten bedürftig ist und die Vertretung geboten war, ist ein Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung für den Anteil des Unterliegens im Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht ausgewiesen. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die Ausgleichskasse Schaffhausen hat dem Beschwerdegegner für das letztinstanzliche Verfahren eine hälftige Parteientschädigung auszurichten und ihm Fr. 1250.- zu bezahlen. 
4. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Joachim Breining für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung (Honorar und Auslagenersatz) von Fr. 1250.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
5. 
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen wird über die Parteikosten für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
6. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 11. Juli 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: