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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_190/2011 
 
Urteil vom 11. Juli 2011 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Denys, 
Gerichtsschreiber Keller. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Y.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mirko Ros, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Hohler, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Friedensbürgschaft (Art. 66 StGB), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 7. Februar 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Seit Ende Sommer 2009 führen X.________ und Y.________ im Zuge des Abbruchs ihrer Beziehung eine erbitterte Auseinandersetzung. Auf Antrag von Y.________ hatte die Einzelrichterin am Bezirksgericht Zürich darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen für die Anordnung einer Friedensbürgschaft erfüllt seien. Mit Verfügung vom 13. Oktober 2010 trat die Einzelrichterin auf einen Antrag nicht ein, einen wies sie ab und einen dritten hiess sie gut. Die zu hinterlegende Sicherheit setzte sie auf Fr. 500'000.-- fest. Weiter regelte sie die Folgen einer allfälligen Säumnis bzw. des Nichteinhaltens des vom Beschwerdegegner dem Gericht abzugebenden Versprechens. 
 
B. 
Beide Parteien erhoben Rekurs gegen die Verfügung der Einzelrichterin. X.________ stellte ausserdem ein Begehren um aufschiebende Wirkung. Mit Verfügung vom 3. November 2010 erteilte das Obergericht des Kantons Zürich dem Rekurs von X.________ aufschiebende Wirkung. Y.________ stellte im Rekursverfahren unter anderem den prozessualen Antrag, diese sei wieder zu entziehen. 
Mit Beschluss vom 7. Februar 2011 wies das Obergericht des Kantons Zürich den Rekurs von X.________ ab. Im Rahmen der Erwägungen stellte es unter anderem fest, eine Veranlassung, auf die angeordnete aufschiebende Wirkung zurückzukommen, wie dies von Y.________ beantragt werde, bestehe nicht. 
 
C. 
Y.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Sie beantragt, Ziff. 3-5 des Beschlusses vom 7. Februar 2011 des Obergerichts des Kantons Zürich seien aufzuheben. X.________ sei im Sinne von Art. 66 StGB (Friedensbürgschaft) auch das Versprechen abzunehmen, die gegen sie ausgesprochene Drohung, intime Fotos oder Filme von ihr zu veröffentlichen, Dritten zu zeigen oder ins Internet zu stellen, nicht auszuführen. X.________ sei anzuhalten, für die Einhaltung dieses Versprechens eine Sicherheit von Fr. 500'000.-- zu leisten. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung, d.h. zur Anordnung der beantragten Friedensbürgschaft, an das Obergericht des Kantons Zürich zurückzuweisen, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten von X.________, eventuell der Staatskasse. 
 
D. 
Die von X.________ erhobene Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht bildet Gegenstand des Verfahrens 6B_118/2011. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen (...) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. a und lit. b). 
 
1.1 Die Beschwerdeführerin beruft sich zur Beschwerdelegitimation auf Art. 81 lit. b Ziff. 4 BGG. Sie habe als Privatklägerin die Anordnung der Friedensbürgschaft vor Gericht selbst (ohne die Staatsanwaltschaft) zu vertreten, weshalb sie zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert sei. 
 
1.2 Der Friedensbürgschaft wurde eine gewisse Ähnlichkeit mit dem in der Schweizerischen Strafprozessordnung nicht mehr vorgesehenen Privatstrafverfahren zugewiesen (vgl. etwa ROBERT HAUSER/ERHARD SCHWERI/KARL HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl. Basel et al. 2005, § 89 N 4). Nach dem bis zum 31. Dezember 2010 in Kraft stehenden aArt. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 BGG war ein Privatstrafkläger in jenen Fällen zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert, in denen er von Beginn weg an die Stelle des öffentlichen Anklägers trat, weil die Verfolgung der Straftat wegen ihres geringen Unrechtsgehalts oder mit Rücksicht auf das vorwiegend private Interesse an der Bestrafung dem Geschädigten überlassen wurde. 
Nach Art. 81 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung der Zivilansprüche auswirken kann (Ziff. 5). 
 
1.3 Ob der Beschwerdeführerin ein rechtlich geschütztes Interesse zukommt und sie zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert ist, kann vorliegend offen bleiben, da ihre Beschwerde ohnehin abzuweisen ist. 
 
2. 
2.1 Die Rüge der Beschwerdeführerin richtet sich gegen die nicht angeordnete Friedensbürgschaft im Zusammenhang mit der Drohung des Beschwerdegegners, Intimbilder und Filme von ihr zu veröffentlichen, Dritten zu zeigen oder ins Internet zu stellen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdegegner neben dem in der Strafuntersuchung beschlagnahmten Bildmaterial nicht nach wie vor über solche Bilder verfüge bzw. Zugang zu diesen habe oder wieder Zugang erhalte. Aufgrund seines bisherigen Verhaltens müsse zudem damit gerechnet werden, dass er diese Drohung ausführe. Für sie stehe als 20-jährige Frau, die immer wieder in der Öffentlichkeit auftreten müsse, sehr viel auf dem Spiel. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass der Beschwerdegegner sie mit der Veröffentlichung von Fotos und Filmen für ihr ganzes Leben schädige. Sie sei auf den Schutz einer Friedensbürgschaft angewiesen (Beschwerde, S. 6 ff.). 
 
2.2 Gemäss Vorinstanz ist sämtliches einschlägiges Bildmaterial beim Beschwerdegegner beschlagnahmt und seinem Zugriff entzogen worden. Ausser blossen vagen Vermutungen sowie pauschalen, unbelegten Behauptungen spreche nichts für das Vorhandensein weiteren Bildmaterials. Vor diesem Hintergrund sei die erste Instanz weder gehalten gewesen, Weiterungen des Verfahrens zu veranlassen, noch eine Friedensbürgschaft zu prüfen oder anzuordnen. Es bestehe bereits aus objektiven Gründen keine Verwirklichungsgefahr mehr. Selbst wenn der Beschwerdegegner wollte und dies angedroht hätte, könne er das einschlägige Bildmaterial nicht veröffentlichen, weshalb einer entsprechenden Friedensbürgschaft der Boden entzogen sei (angefochtenes Urteil, S. 17 ff.). 
 
2.3 Besteht die Gefahr, dass jemand ein Verbrechen oder Vergehen ausführen wird, mit dem er gedroht hat, oder legt jemand, der wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens verurteilt wird, die bestimmte Absicht an den Tag, die Tat zu wiederholen, so kann ihm das Gericht auf Antrag des Bedrohten das Versprechen abnehmen, die Tat nicht auszuführen, und ihn anhalten, angemessene Sicherheit dafür zu leisten (Art. 66 Abs. 1 StGB). Der Richter wird hierbei nicht von Amtes wegen tätig, sondern auf Antrag der bedrohten Person. Auch bei einem entsprechenden Antrag steht es in richterlichem Ermessen, eine Friedensbürgschaft auszusprechen. 
2.4 
Vorliegend bildet die erste Tatbestandsvariante der Friedensbürgschaft Gegenstand des Verfahrens. Es geht um die Drohung mit einem Verbrechen oder Vergehen, verbunden mit der Gefahr ihrer Ausführung. 
 
2.4.1 Das Tatbestandsmerkmal der Drohung setzt keine strafrechtlich relevante Drohung im Sinne von Art. 180 StGB voraus. Genügend ist jede Drohung mit einem Verbrechen oder Vergehen, wenn die Gefahr besteht, dass der Drohende sie verwirklichen werde. Art. 66 StGB setzt auch nicht voraus, dass die Drohung ausdrücklich und gegenüber dem Bedrohten geäussert wurde (BGE 71 IV 72 E. 2). 
2.4.2 Die Beschwerdeführerin, wie auch die Vorinstanz, gehen davon aus, dass das dem Antrag zur Errichtung einer Friedensbürgschaft zugrundeliegende Delikt die Drohung des Beschwerdegegners ist, intime Fotos oder Filme der Beschwerdeführerin zu veröffentlichen. Wie dargelegt, bildet die Drohung mit einem Verbrechen oder Vergehen Tatbestandsmerkmal der Friedensbürgschaft. Es fragt sich daher, ob die Veröffentlichung der intimen Bilder oder Filme ein Verbrechen oder Vergehen darstellt. Dies ist nicht der Fall. Selbst wenn deren Veröffentlichung einen Übertretungstatbestand erfüllte, was vorliegend nicht ersichtlich ist, wären die Tatbestandsvoraussetzungen für die Errichtung einer Friedensbürgschaft nicht gegeben, wie nachfolgend gezeigt wird. 
2.4.3 Im Schrifttum ist die Auffassung verbreitet, dass die Friedensbürgschaft nicht nur gemäss dem Gesetzestext bei Verbrechen oder Vergehen, sondern auch bei Übertretungen zulässig ist (vgl. etwa STEFAN TRECHSEL/MARC JEAN-RICHARD-DIT-BRESSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, 2008, Art. 66 N. 2; AUDE BICHOVSKY, in: Commentaire Romand, Code pénal I, 2009, Art. 66 N 8; RENÉ KISSLING, Friedensbürgschaft und Zwangsmassnahmen, SJZ 103 [2007], S. 200; ERICH ZÜBLIN, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 2. Aufl. 2007, Art. 66 N. 11 mit Hinweisen auf weitere Literatur, sowie STEFAN HEIMGARTNER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 2. Aufl. 2007, Art. 105 N. 10; im Ergebnis wohl anderer Ansicht GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Strafen und Massnahmen, 2. Aufl., 2006, § 13 N. 6). 
2.4.4 Die Mehrheitsmeinung stützt sich auf Art. 104 StGB, wonach die Bestimmungen des Ersten Teils des Strafgesetzbuches mit den nachfolgenden Änderungen (Art. 105-109 StGB) auch für Übertretungen gelten. Da Art. 105 Abs. 3 StGB die Friedensbürgschaft nicht als Ausnahme erwähne, finde diese e contrario auch bei angedrohten Übertretungen Anwendung. Diese Auffassung ist abzulehnen. 
2.4.5 Die in Art. 105 Abs. 3 StGB aufgelisteten Massnahmen, die entgegen der generellen Verweisungsnorm in Art. 104 StGB nicht auf Übertretungen anwendbar sind, können nicht als abschliessend zu betrachtet werden. In der bundesrätlichen Botschaft und den parlamentarischen Beratungen (AB S 1999, S. 1136 sowie AB N 2001, S. 602) wurde die Frage der Anwendbarkeit der Friedensbürgschaft auf Übertretungen nicht thematisiert, so dass kein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers vorliegt. Aus der Nichterwähnung der Friedensbürgschaft in Art. 105 Abs. 3 StGB kann entsprechend nichts gewonnen werden. Wie das Bundesgericht in anderem Zusammenhang festgehalten hat, erscheint es ohnehin problematisch, aus unerwähnt gebliebenen Vorschriften rechtliche Schlüsse abzuleiten (Urteil 6B_899/2010 vom 10. Januar 2011 E. 2.6). 
2.4.6 Darüber hinaus gebieten Sinn und Zweck der Friedensbürgschaft, diese präventive Massnahme - wie aus dem Gesetzestext ausdrücklich hervorgeht - auf Verbrechen und Vergehen zu beschränken. Bei Übertretungen wären Friedensbürgschaften regelmässig unverhältnismässig (HEIMGARTNER, a.a.O.; BICHOVSKY, a.a.O.). Obwohl mit der Höhe der zu zahlenden Friedensbürgschaft der Verhältnismässigkeit in gewissem Grad Rechnung getragen werden könnte, verbietet sich diese Massnahme bei Bagatellfällen, da dem zu zahlenden Geldbetrag diesfalls jegliche Wirksamkeit abginge. 
 
2.5 Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Errichtung einer Friedensbürgschaft in Bezug auf die Veröffentlichung der intimen Bilder oder Filme sind vorliegend nicht gegeben, da die Publikation weder ein Verbrechen noch ein Vergehen darstellt. Bei dieser Sachlage ist auf die übrigen Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht einzugehen. Ob die Veröffentlichung der Bilder allenfalls zivilrechtlich unzulässig wäre, ist hier nicht zu entscheiden. 
 
3. 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Beschwerdegegner ist keine Entschädigung zuzusprechen, da ihm im vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden sind (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 11. Juli 2011 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Mathys Keller