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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_456/2011 
 
Urteil vom 11. Juli 2011 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterinnen Leuzinger, Niquille, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung 
(Beschleunigungsmechanismus; Kausalzusammenhang), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 17. Mai 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1978 geborene B.________ arbeitete seit 1. Juli 2001 bei der Firma A.________ GmbH und war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch unfallversichert. Am 1. März 2007 erlitt sie während der Schwangerschaft als Beifahrerin in einem Auto einen Auffahrunfall. Das Spital X.________ diagnostizierte am 2. März 2007 ein Bauchtrauma, eine Commotio cerebri und eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS). Am 19. April 2007 war die Versicherte als Lenkerin eines Autos in einen Auffahrunfall verwickelt. Das Spital X.________ diagnostizierte gleichentags eine Commotio cerebri sowie betreffend den erstgenannten Unfall eine posttraumatische Angststörung. Die SUVA erbrachte für beide Unfälle Heilbehandlung und Taggeld. Am 14. Juli 2007 gebar die Versicherte einen Sohn. Mit Verfügung vom 9. April 2009 stellte die SUVA die Leistungen per 30. April 2009 ein. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 27. November 2009 ab. 
 
B. 
Die hiegegen geführte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 17. Mai 201 ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde beantragt die Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides seien ihr über den 30. April 2009 hinaus die gesetzlichen Leistungen nach UVG für beide Unfälle auszurichten; sie sei insbesondere zu berenten; die Sache sei zur Rentenfestlegung an die SUVA zurückzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Immerhin prüft es grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). 
 
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2. 
Die Vorinstanz hat die für die Beurteilung des Leistungsanspruchs massgebenden Rechtsgrundlagen sowie die diesbezügliche Rechtsprechung grundsätzlich richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
3. 
Der Fallabschluss per 30. April 2009 mit gleichzeitiger Prüfung des Anspruchs auf Invalidenrente und Integritätsentschädigung ist nicht zu beanstanden, da von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung überwiegend wahrscheinlich keine namhafte, ins Gewicht fallende Besserung des Gesundheitszustandes bzw. Steigerung der Arbeitsfähigkeit mehr zu erwarten war (Art. 19 Abs. 1 UVG; BGE 134 V 109 E. 4 S. 113 ff.). Dies bestreitet die Versicherte nicht. 
 
4. 
Unbestritten ist, dass bei der Versicherten keine organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolgen vorliegen (hierzu vgl. BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 112). Die Vorinstanz verneinte die adäquate Unfallkausalität ihres Gesundheitsschadens - der SUVA folgend - nach der Praxis für psychische Unfallfolgen (BGE 115 V 133). Die Versicherte verlangt die Adäquanzprüfung nach der Schleudertraumapraxis, mithin ohne Differenzierung zwischen physischen und psychischen Komponenten des Gesundheitsschadens (BGE 134 V 109). Es kann offenbleiben, welche Praxis richtigerweise anwendbar wäre, da der adäquate Kausalzusammenhang auch nach der Schleudertraumapraxis zu verneinen ist, wie die folgenden Erwägungen zeigen. 
 
5. 
Die Vorinstanz hat die beiden Auffahrunfälle der Versicherten vom 1. März 2007 und 19. April 2007 aufgrund des augenfälligen Geschehensablaufs mit den sich dabei entwickelnden Kräften zu Recht als mittelschwer im Grenzbereich zu den leichten Ereignissen qualifiziert (SVR 2010 UV Nr. 10 S. 40 E. 4.2.2 [8C_626/2009], 2008 UV Nr. 8 S. 26 E. 5.3.1 [U 2/07]). Hinsichtlich des zweiten Unfalls ist dies unbestritten. 
 
Im Lichte der biomechanischen Beurteilungen der Firma B.________ vom 17. August 2007 und 4. September 2008, der Unfallanalyse des dipl. Ing. HTL K.________, Unfallanalytiker, vom 30. November 2007 und der fotomässig dokumentierten Schäden an den unfallbeteiligten Autos kann dem pauschalen Einwand der Versicherten, der Unfall vom 1. März 2007 sei angesichts der Kollisionsschwere mindestens mittelschwer gewesen, nicht gefolgt werden. Auch ihr Vorbringen, sie habe bei diesem Unfall den Kopf angeschlagen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Gleiches gilt für den Umstand, dass das Auto, worin sie sass, durch den Aufprall des nachfolgenden Personenwagens in das davor stehende Auto geschoben wurde (Urteile 8C_177/2009 vom 12. August 2009 E. 7.2 und 8C_252/2007 vom 16. Mai 2008 E. 6.2). 
Die adäquate Unfallkausalität des Gesundheitsschadens der Beschwerdeführerin kann somit nur bejaht werden, wenn vier der sieben Adäquanzkriterien erfüllt sind oder eines besonders ausgeprägt vorliegt (SVR 2010 UV Nr. 25 S. 100 E. 4.5 [8C_897/2009]). 
 
6. 
6.1 Unbestritten ist, dass die beiden Adäquanzkriterien der ärztlichen Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert, sowie des schwierigen Heilungsverlaufs und erheblicher Komplikationen nicht erfüllt sind. 
 
6.2 Streitig und zu prüfen ist als Erstes das Kriterium der Schwere und besonderen Art der erlittenen Verletzungen (BGE 134 V 109 E. 10.2.2 S. 127). Soweit die Versicherte geltend macht, sie habe bei beiden Unfällen um die Gesundheit ihres Kindes fürchten müssen, ist dies nicht in diesem Rahmen zu berücksichtigen (vgl. aber E. 6.3 hienach). 
Die Versicherte bringt weiter vor, beim zweiten Ereignis vom 19. April 2007 habe sie wegen der noch nicht abgeheilten Folgen des ersten Unfalls vom 1. März 2007 eine besondere Vulnerabilität aufgewiesen, was auch der Biomechaniker festgestellt habe. Hierzu ist festzuhalten, dass einer erheblichen HWS-Vorschädigung durch einen früheren Unfall beim Kriterium der besonderen Art der Verletzung grundsätzlich Rechnung zu tragen ist (SVR 2009 UV Nr. 30 S. 105 E. 6.3.2 [8C_413/2008]; Urteile 8C_948/2010 vom 12. Mai 2011 E. 5.3.4 und 8C_680/2010 vom 4. Februar 2011 E. 5.3.1). Eine entsprechende Qualifikation der erlittenen Verletzungen rechtfertigt sich indessen nur bei Vorliegen einer erheblich vorgeschädigten Wirbelsäule (Urteil 8C_507/2010 vom 18. Oktober 2010 E. 5.3.3). Das Kriterium kann hier - in einfacher Weise - für den zweiten Unfall als erfüllt gelten. 
 
6.3 Ob das Kriterium der besonders dramatischen Begleitumstände oder besonderen Eindrücklichkeit des Unfalls erfüllt ist, beurteilt sich objektiv und nicht aufgrund des subjektiven Empfindens bzw. Angstgefühls der versicherten Person (RKUV 1999 Nr. U 335 S. 207 E. 3b/cc). Der nachfolgende Heilungsprozess ist irrelevant (Urteil 8C_213/2011 vom 7. Juni 2011 E. 8.2.2). Die Versicherte war im Zeitpunkt der beiden Unfälle vom 1. März und 19. April 2007 schwanger (beim ersten Unfall in der 22. Schwangerschaftswoche). Wie sie zu Recht einwendet, kann auch bei einer objektivierten Betrachtungsweise in diesem Lichte eine besondere Eindrücklichkeit der Ereignisse nicht in Abrede gestellt werden. Unter Mitberücksichtigung der übrigen objektiven Begleitumstände erscheint das Kriterium somit zwar als erfüllt, indessen nicht in besonders ausgeprägter Weise (vgl. auch Urteil 8C_590/2008 vom 3. Dezember 2008 E. 5.3). 
 
6.4 Was das Kriterium der "fortgesetzt spezifischen, belastenden ärztlichen Behandlung" (BGE 134 V 109 E. 10.2.3 S. 128) anbelangt, ist Folgendes festzuhalten: Nach den Unfällen vom 1. März und 19. April 2007 war die Versicherte jeweils bis am nächsten Tag im Spital X.________ hospitalisiert. Im Übrigen beinhaltete die Behandlung bis zum Fallabschluss am 30. April 2009 im Wesentlichen Medikamenteneinnahme, ambulante manualtherapeutische Massnahmen (Physiotherapie), Psychotherapie und Zahnbehandlung (Reparatur gelockerter Brücken). 
Die blossen ärztlichen Verlaufskontrollen und Abklärungsmassnahmen sind nicht zu berücksichtigen. Ebenso wenig lassen sich die ambulanten Behandlungen als belastend im Sinne der Rechtsprechung bezeichnen. Auch waren die getroffenen Vorkehren nicht mit der durch das Kriterium anvisierten, erheblichen zusätzlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität verbunden (Urteil 8C_82/2011 vom 9. Juni 2011 E. 8.4). Das Kriterium kann demnach nicht als erfüllt gelten. 
 
6.5 Adäquanzrelevant können nur in der Zeit zwischen dem Unfall und dem Fallabschluss ohne wesentlichen Unterbruch bestehende erhebliche Beschwerden sein. Die Erheblichkeit beurteilt sich nach den glaubhaften Schmerzen und nach der Beeinträchtigung, welche die verunfallte Person durch die Beschwerden im Lebensalltag erfährt (BGE 134 V 109 E. 10.2.4 S. 128). Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Versicherte am 11. April 2007 gegenüber der SUVA ausführte, Auto fahre sie nur, wenn es absolut nötig sei. Im Rahmen des zuhanden der Zürich Versicherungs-Gesellschaft erstellten interdisziplinären Gutachtens des Spitals Y.________ vom 3. August 2010 gab sie Folgendes an: sie selber fahre Auto, jedoch nur sehr wenig; sie sei nach dem Unfall im Kosovo gewesen, wo sie sich eine Totalprothese der oberen Zähne habe machen lassen; die Einkäufe würden meist vom Ehemann erledigt, den sie dabei gelegentlich begleite, allerdings nicht unterstützen könne; am Nachmittag gehe sie je nach Intensität der Schmerzen mit dem Sohn und der Mutter spazieren; ausser der Familie gebe es an Kontakten noch einige Kolleginnen vom früheren Arbeitsplatz. Im Lichte dieser der Versicherten noch möglichen Betätigungen kann das Kriterium nicht als erfüllt gelten. 
 
6.6 Zu prüfen ist schliesslich das Kriterium der erheblichen Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener Anstrengungen (BGE 134 V 109 E. 10.2.7 S. 129). Nach dem ersten Unfall vom 1. März 2007 unternahm die Versicherte am angestammten Arbeitsplatz am 17. und 18. März 2007 Arbeitsversuche zu 50 %, die nicht klappten. Gemäss Angaben des behandelnden Arztes Dr. med. G.________ vom 30. Januar 2008 war die Versicherte in der angestammten Tätigkeit ab 8. Oktober 2007 wieder zu 50 % arbeitsfähig und arbeitete wegen Schwangerschaftsurlaub und Ferien effektiv erst ab 15. Dezember 2007 zu 50 %. Am 17. Januar 2008 erfolgte die volle Arbeitsaufnahme, die aber nach 10 Tagen schmerzbedingt unterbrochen wurde. Danach arbeitete die Versicherte nicht mehr. Weitere Arbeitsbemühungen bzw. solche um alternative, der gesundheitlichen Einschränkung besser Rechnung tragende Tätigkeiten sind nicht erstellt. Unter den gegebenen Umständen ist das Kriterium - auch unter Berücksichtigung des persönlichen Einsatzes des Versicherten im Rahmen der medizinischen Therapiemassnahmen - jedenfalls nicht in besonders ausgeprägter Weise erfüllt (vgl. auch Urteil 8C_213/2011 E. 8.2.6). 
 
6.7 Nach dem Gesagten haben SUVA und Vorinstanz die adäquate Unfallkausalität des Gesundheitsschadens der Versicherten per 30. April 2009 im Ergebnis zu Recht verneint. 
 
7. 
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird ohne Durchführung eines Schriftenwechsels erledigt (Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG). Die Versicherte trägt die Prozesskosten (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 11. Juli 2011 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Ursprung Jancar