Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
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9C_468/2017
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Urteil vom 11. September 2017
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiberin Dormann.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Gabriela Gwerder,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle Schwyz,
Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz
vom 16. Mai 2017.
Sachverhalt:
A.
Der 1961 geborene A.________ meldete sich im Mai 2008 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Schwyz sprach ihm mit Verfügung vom 2. März 2010 eine Dreiviertelsrente ab 1. Februar 2008 zu (Invaliditätsgrad von 65 %). Im Mai 2012 leitete sie ein Revisionsverfahren ein, in dessen Verlauf sie den Versicherten u.a. überwachen liess. Mit Verfügung vom 1. Dezember 2014 sistierte sie die bisherige Rente "per sofort". Nach weiteren Abklärungen - insbesondere Einholung des polydisziplinären Gutachtens des Swiss Medical Assessment- and Businesscenters (SMAB) vom 24. Juni 2015 - und Durchführung des Vorbescheidverfahrens ermittelte sie einen Invaliditätsgrad von 23 %. Mit Verfügung vom 26. August 2016 hob die IV-Stelle die Rente rückwirkend auf den 1. September 2014 und unter Verzicht auf eine Rückforderung auf.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 16. Mai 2017 ab.
C.
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, unter Aufhebung des Entscheids vom 16. Mai 2017 sei festzustellen, dass er weiterhin Anspruch auf eine Dreiviertelsrente habe; eventualiter sei die Sache zurückzuweisen, um ein neues Gutachten einzuholen oder subeventualiter ihm berufliche Eingliederungsmassnahmen zu gewähren.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint (vgl. BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_101/2015 vom 30. November 2015 E. 1.1). Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung (Urteile 9C_391/2015 vom 28. Januar 2016 E. 1; 9C_753/2015 vom 20. April 2016 E. 1).
2.
Ändert sich der Invaliditätsgrad eines Rentenbezügers erheblich, so wird die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben (Art. 17 Abs. 1 ATSG [SR 830.1]). Anlass zur Rentenrevision gibt jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen seit Zusprechung der Rente, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad und damit den Anspruch zu beeinflussen. Insbesondere ist die Rente bei einer wesentlichen Änderung des Gesundheitszustandes revidierbar (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f. mit Hinweisen).
3.
3.1. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass die Rente hauptsächlich aufgrund einer rezidivierenden depressiven Störung, mittelschwer, mit somatischem Syndrom (ICD-10: F33.11), einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10: F45.4) und einer degenerativen Veränderung der Halswirbelsäule zugesprochen worden sei. Weiter hat sie dem SMAB-Gutachten vom 24. Juni 2015 - worin eine Verbesserung in Bezug auf die Depression festgestellt wurde - Beweiskraft beigemessen und eine nunmehr uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit in leidensangepassten Tätigkeiten festgestellt. Sodann hat sie (unter Berücksichtigung eines leidensbedingten Abzugs von 15 %; vgl. BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301; 126 V 75 E. 5b/aa-cc S. 80) den Invaliditätsgrad von 23 % bestätigt. Schliesslich hat sie die Rentenaufhebung ohne vorgängige Durchführung von Eingliederungsmassnahmen für zulässig gehalten.
3.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Ergebnisse der Observation hätten auch von den SMAB-Gutachtern nicht berücksichtigt werden dürfen, weshalb deren Expertise unverwertbar sei. Zudem entspreche das Gutachten nicht den Anforderungen von BGE 141 V 281. Sodann bestreitet er die Voraussetzungen für eine Rentenrevision, weil der Wegfall der Depression keine anspruchsrelevante Verbesserung darstelle. Schliesslich hält er Eingliederungsmassnahmen für unumgänglich.
4.
4.1. Das Bundesgericht hat jüngst entschieden, dass durch die IV-Stelle veranlasste Überwachungen einer genügenden gesetzlichen Grundlage entbehren (Urteil 9C_806/2016 vom 14. Juli 2017 E. 4, zur Publikation vorgesehen). Deren Ergebnisse im Einzelfall sind indessen nicht von vornherein unverwertbar. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend (vgl. Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ), und es ist auch nicht ersichtlich, dass in örtlicher, zeitlicher, persönlicher oder sachlicher Hinsicht die privaten Interessen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Verwertbarkeit überwiegen sollen (vgl. E. 5 des genannten Urteils; Urteil 8C_735/2016 vom 27. Juli 2017 E. 5.3.6). Demnach durften die SMAB-Experten die Observationsergebnisse in ihre Einschätzungen miteinbeziehen.
4.2.
4.2.1. Bei der Beurteilung der Arbeits (un) fähigkeit stützt sich die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Ärztliche Aufgabe ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis).
Geht es um eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung oder ein damit vergleichbares psychosomatisches Leiden (vgl. BGE 140 V 8 E. 2.2.1.3 S. 13 f.), sind für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit systematisierte Indikatoren beachtlich, die - unter Berücksichtigung leistungshindernder äusserer Belastungsfaktoren einerseits und Kompensationspotentialen (Ressourcen) anderseits - erlauben, das tatsächlich erreichbare Leistungsvermögen einzuschätzen (BGE 141 V 281 E. 2 S. 285 ff., E. 3.4-3.6 und 4.1 S. 291 ff.). Gemäss altem Verfahrensstandard (BGE 130 V 352) eingeholte Gutachten verlieren nicht per se ihren Beweiswert. Vielmehr ist im Rahmen einer gesamthaften Prüfung des Einzelfalls mit seinen spezifischen Gegebenheiten und den erhobenen Rügen entscheidend, ob ein abschliessendes Abstellen auf die vorhandenen Beweisgrundlagen vor Bundesrecht standhält (BGE 141 V 281 E. 8 S. 309).
4.2.2. Anders als der Beschwerdeführer glauben zu machen versucht, hat die Vorinstanz nicht bloss "vom Wegfallen der Depression auf die Überwindbarkeit der chronischen Schmerzstörung" geschlossen. Vielmehr hat sie festgestellt, dass im SMAB-Gutachten eine Depression nicht mehr ausgewiesen sei, und erheblich mehr Ressourcen des Beschwerdeführers vorhanden seien. Dies ergebe sich u.a. aus seinem aktiven und geregelten Tagesablauf, bei dem er auch soziale Kontakte pflege. Zudem gehe er regelmässig in sein Heimatland in die Ferien; er habe in den letzten zwei Jahren vor der Begutachtung keine Psychopharmaka mehr benötigt, und es liege eine ausgeprägte Krankheitsüberzeugung vor. Demgegenüber bestehe mit dem behinderten Sohn eine familiäre Belastungssituation; ausserdem lägen eine weitgehende (Schmerz-) Therapieresistenz und eine akzentuierte Persönlichkeit vor. Diese Umstände seien von den Experten insoweit berücksichtigt worden, als dem Versicherten zwar nicht mehr die bisherige, aber eine angepasste Tätigkeit zumutbar sei.
Dass diese Feststellungen offensichtlich unrichtig sein sollen, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht (vgl. E. 1). Damit hat die Vorinstanz nachvollziehbar dargelegt, weshalb das SMAB-Gutachten auch im Lichte der Rechtsprechung von BGE 141 V 281 den Anforderungen an die Beweiskraft genügt. Somit bleibt auch die auf dem Gutachten beruhende Feststellung betreffend die Arbeitsfähigkeit (E. 3.1) verbindlich (E. 1).
4.3. Auch die vorinstanzliche Feststellung betreffend die Rentenzusprache (E. 3.1) wird nicht in Abrede gestellt und ist für das Bundesgericht verbindlich. Aus dem der entsprechenden Verfügung vom 2. März 2010 zugrunde liegenden Gutachten der Psychiatrie B.________ vom 27. August 2009 wie auch aus der Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes vom 4. September 2009 geht denn auch klar hervor, dass die Depressionsdiagnose - neben der Schmerzstörung - wesentlich war für die damals berücksichtigte Arbeitsunfähigkeit von 50 %. Komorbidität war und ist ein massgeblicher Faktor für die invalidenversicherungsrechtliche Bedeutung eines Gesundheitsschadens (vgl. BGE 130 V 352 E. 2.2.3 S. 354; 141 V 281 E. 4.3.1.3 S. 300 f.). Das Argument, wonach selbst mittelgradige Depressionen regelmässig nicht als invalidisierend gelten (vgl. Urteil 8C_753/2016 vom 15. Mai 2017 E. 4.3), weshalb eine Veränderung in diesem Bereich nicht anspruchsrelevant sein könne, zielt daher im konkreten Fall ins Leere. Die festgestellte Verbesserung des psychischen Gesundheitszustandes lässt eine Revision des Rentenanspruchs nach Art. 17 Abs. 1 ATSG (E. 2) zu.
4.4.
4.4.1. Im Gebiet der Invalidenversicherung gilt ganz allgemein der Grundsatz, dass die invalide Person, bevor sie Leistungen verlangt, alles ihr Zumutbare selber vorzukehren hat, um die Folgen ihrer Invalidität bestmöglich zu mildern. Von den Versicherten können jedoch nur Vorkehren verlangt werden, die unter Berücksichtigung der gesamten objektiven und subjektiven Gegebenheiten des Einzelfalles zumutbar sind (BGE 113 V 22 E. 4a S. 28 mit Hinweisen). Die Wiedereingliederung von Versicherten im fortgeschrittenen Alter oder nach invaliditätsbedingt langjährigem Fernbleiben von der Arbeitswelt ist oft schwierig. Diesem Umstand Rechnung tragend muss sich die Verwaltung - sofern die versicherte Person das 55. Altersjahr zurückgelegt oder die Rente mehr als 15 Jahre bezogen hat - vor der Herabsetzung oder Aufhebung einer Invalidenrente vergewissern, ob sich ein medizinisch-theoretisch wiedergewonnenes Leistungsvermögen ohne Weiteres in einem entsprechend tieferen Invaliditätsgrad niederschlägt oder ob dafür ausnahmsweise im Einzelfall eine erwerbsbezogene Abklärung und/oder die Durchführung von Eingliederungsmassnahmen im Rechtssinne vorausgesetzt ist (Urteil 9C_752/2013 vom 27. Juni 2014 E. 4.1 mit Hinweisen).
4.4.2. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass der Versicherte knapp vor Erlass der angefochtenen Verfügung das 55. Altersjahr vollendet habe. Indessen habe er seit der Rentenzusprache im März 2010 über eine Arbeitsfähigkeit von 50 % in angepassten Tätigkeiten verfügt, diese jedoch nie ausgeschöpft. Die ihm in der ursprünglichen Verfügung angebotene Hilfestellung mit beruflichen Massnahmen habe er nicht in Anspruch genommen, weil er sich für vollständig arbeitsunfähig gehalten habe. Unter diesen Umständen sei die langjährige Abstinenz vom Arbeitsmarkt nicht invaliditätsbedingt. Der Beschwerdeführer stellt diese (verbindlichen, E. 1) Feststellungen nicht in Abrede.
4.4.3. Es steht im Einklang mit der Rechtsprechung, dass das kantonale Gericht bei diesen Gegebenheiten einen Anspruch auf Abklärung und Durchführung beruflicher Massnahmen vor der Rentenaufhebung verneint hat (vgl. Urteile 9C_752/2013 vom 27. Juni 2014 E. 4.3.2; 8C_393/2016 vom 25. August 2016 E. 3.6 und 3.7). Bei der früheren Restarbeitsfähigkeit von 50 % bezog der Versicherte auch nicht eine ganze Invalidenrente. Weiter betrafen die während dem Revisionsverfahren erlassenen Verfügungen vom 30. Oktober 2013 und 13. Mai 2014 offensichtlich nicht den Rentenanspruch an sich, sondern die (teilweise) Verrechnung der Rente mit Ansprüchen der Ausgleichskasse (Rückforderung von Familienzulagen und Beitragsforderungen). Daraus lässt sich weder in Bezug auf die dem Beschwerdeführer seit 2010 obliegende Selbsteingliederung noch hinsichtlich des umstrittenen Rentenanspruchs ab 1. September 2014 etwas ableiten. Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbegründet.
5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 11. September 2017
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Pfiffner
Die Gerichtsschreiberin: Dormann