Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_445/2024
Urteil vom 11. September 2024
I. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
Bundesrichter Denys,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichter Muschietti,
Bundesrichter von Felten,
Gerichtsschreiber Gross.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Simon Huwiler,
Beschwerdeführer,
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Mord; Strafzumessung,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 21. Dezember 2023 (SK 23 201).
Sachverhalt:
A.
Das Regionalgericht Bern-Mittelland verurteilte A.________ am 19. Januar 2023 wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren, weil er seine Ehefrau vergiftet hatte. In Gutheissung der Berufung der Generalstaatsanwaltschaft erhöhte das Obergericht des Kantons Bern die Freiheitsstrafe am 21. Dezember 2023 auf 18 Jahre.
B.
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, er sei zu einer Freiheitsstrafe von höchstens 14 Jahren zu verurteilen. Eventualiter sei die Sache zu neuer Strafzumessung an das Obergericht zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerde ist zu begründen, wobei anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern dieser Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGG). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten einschliesslich Willkür in der Sachverhaltsfeststellung bestehen qualifizierte Rügeanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG).
1.2. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 147 IV 73 E. 4.1.2). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1). Dies ist der Fall, wenn der angefochtene Entscheid geradezu unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht. Erforderlich ist, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1). Für die Willkürrüge gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG ). Es genügt nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 148 V 366 E. 3.3; 137 II 353 E. 5.1 mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1, 205 E. 2.6; 146 IV 88 E. 1.3.1).
2.
Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB wiederholt dargelegt (BGE 144 IV 313 E. 1.2, 217 E. 3; je mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden. Dem Sachgericht steht bei der Gewichtung der verschiedenen Strafzumessungsfaktoren ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift nur in die Strafzumessung ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen überschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen oder in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 144 IV 313 E. 1.2; 136 IV 55 E. 5.6; je mit Hinweisen).
3.
Die Vorinstanz begründet die Strafzumessung sorgfältig.
3.1. Sie wendet sich zuerst der objektiven Tatschwere zu und würdigt dabei das Ausmass des verschuldeten Erfolgs (angefochtenes Urteil S. 29 E. IV. 14.1.2) und die Verwerflichkeit des Handelns (angefochtenes Urteil S. 29-32 E. IV. 14.1.3). Dabei gelangt sie zum Schluss, die vom Beschwerdeführer gezeigte Skrupellosigkeit liege "deutlich über dem für die Erfüllung des Mordtatbestandes notwendigen Mindestmass". Sie verweist beispielhaft auf die analytische Planung von langer Hand, die Wahl des besonders grausamen Gifts Colchicin, das heimtückische Servieren des vergifteten Kaffees, die konsequente Verfolgung des Plans trotz zahlreicher Möglichkeiten zum Rücktritt und das konsequente Schweigen nach der Vergiftung. Insgesamt wertet die Vorinstanz die objektiven Tatkomponenten als schwer und veranschlagt dafür eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren (angefochtenes Urteil S. 32 E. IV. 14.1.4).
3.2. Sodann würdigt die Vorinstanz die subjektive Tatschwere. Dabei hält sie fest, der Beschwerdeführer habe mit direktem Vorsatz gehandelt. Ihm sei bekannt gewesen, dass die Vergiftung mit Colchicin starke Schmerzen auslösen würde. Er habe seiner Ehefrau das Sechsfache einer tödlichen Dosis verabreicht. Zu den Beweggründen erklärt die Vorinstanz, der Beschwerdeführer sei in der Ehe nicht mehr glücklich gewesen. Seine Gefühle zu einer anderen Frau hätten sich über Monate hinweg intensiviert. Er habe sich einen Neustart gewünscht. Eine Trennung oder Scheidung sei für ihn nicht in Frage gekommen, allenfalls auch aus finanziellen Gründen. Deshalb habe er beschlossen, sich seiner Ehefrau zu entledigen. Dieser besonders verwerfliche und egoistische Beweggrund der Elimination trete neben die besonders verwerfliche Ausführung der Tat und falle straferhöhend ins Gewicht. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer hätte die Tötung der Ehefrau ohne Weiteres vermeiden können, was sich jedoch neutral auswirke. Insgesamt erhöht die Vorinstanz die Freiheitsstrafe in Würdigung der subjektiven Tatkomponenten um 1 Jahr auf 17 Jahre (angefochtenes Urteil S. 32 E. IV. 14.2).
3.3. Was die Täterkomponenten betrifft, berücksichtigt die Vorinstanz das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers (angefochtenes Urteil S. 33 E. IV. 15.1), sein Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren (angefochtenes Urteil S. 33-37 E. IV. 15.2) und seine Strafempfindlichkeit (angefochtenes Urteil S. 37 f. E. IV. 15.3). Im Ergebnis erhöht die Vorinstanz gestützt auf die Täterkomponenten die Freiheitsstrafe um 1 Jahr auf 18 Jahre (angefochtenes Urteil S. 38 E. IV. 15.4).
4.
Die vorinstanzliche Strafzumessung ist überzeugend, weshalb darauf verwiesen werden kann. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, verfängt nicht.
4.1. Der Beschwerdeführer rügt zunächst einen Verstoss gegen das Doppelverwertungsverbot.
4.1.1. Das Doppelverwertungsverbot besagt, dass Umstände, die zur Anwendung eines höheren oder tieferen Strafrahmens führen, innerhalb des geänderten Strafrahmens nicht noch einmal als Straferhöhungs- oder Strafminderungsgrund berücksichtigt werden dürfen, weil dem Täter sonst der gleiche Umstand zweimal zur Last gelegt oder zugute gehalten würde (BGE 142 IV 14 E. 5.4; 141 IV 61 E. 6.1.3; je mit Hinweisen). Indes ist es dem Gericht nicht verwehrt, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, in welchem Ausmass ein qualifizierender oder privilegierender Tatumstand gegeben ist (BGE 141 IV 61 E. 6.1.3; 120 IV 67 E. 2b; Urteile 7B_184/2022 vom 30. November 2023 E. 3.2.2; 6B_496/2020 vom 11. Januar 2021 E. 3.6.2; 6B_507/2020 vom 17. August 2020 E. 2.2.2; 6B_1225/2019 vom 8. April 2020 E. 2.3.2; je mit Hinweisen). Darauf weist auch die Vorinstanz zutreffend hin.
4.1.2. Der Beschwerdeführer trägt vor, die Vorinstanz habe die erstinstanzliche Freiheitsstrafe von 14 Jahren auf 18 Jahre erhöht. Diese Straferhöhung begründe sie damit, dass er einen Eliminationsmord begangen habe. Exakt dieselben Umstände berücksichtige sie bei den Beweggründen und dem Nachtatverhalten abermals straferhöhend.
4.1.3. Die Rüge ist unbegründet. Die Vorinstanz erwägt, ein Eliminationsmord liege vor, wenn der Täter töte, weil er eine als lästig empfundene Person aus dem Weg räumen wolle, aus welchem Grund auch immer. Der Beschwerdeführer habe seine Ehefrau nach knapp 25 Jahren Beziehung getötet, weil er ihrer überdrüssig gewesen sei, Gefühle für eine andere Frau entwickelt und einen Neustart gewünscht habe. Davon zu unterscheiden ist die Erwägung der Vorinstanz, wonach der Beschwerdeführer den Austausch von Nachrichten mit der anderen Frau unbeirrt fortgesetzt und sogar einen Ausflug nach Lugano vorgeschlagen habe, während seine Ehefrau gegen den Vergiftungstod gekämpft habe. Gleiches gilt für das Gebaren des Beschwerdeführers nach dem Tod der Ehefrau. Diese Verhaltensweisen sind im Vorwurf des Eliminationsmordes nicht enthalten, sondern gehen in ihrer Verwerflichkeit darüber hinaus. Von einer Verletzung des Doppelverwertungsverbots kann keine Rede sein.
4.2. Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, die Vorinstanz habe bei der Strafzumessung wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen, indem sie auf eine Strafreduktion wegen aufrichtiger Reue verzichtet habe.
4.2.1. Konkret rügt der Beschwerdeführer die vorinstanzliche Erwägung, wonach nichts zu seinen Gunsten abgeleitet werden könne, nur weil er den Zivilpunkt bereits umgesetzt habe. Denn dies habe erwartet werden dürfen, nachdem der Schuldspruch wegen Mordes und die Zivilforderungen in Rechtskraft erwachsen seien.
4.2.2. Die Rüge ist unbegründet. Entgegen dem Beschwerdeführer kann nicht gesagt werden, die Vorinstanz habe übersehen, dass er die rechtskräftigen Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen beglichen hat. Sie leitet daraus bloss keine aufrichtige Reue ab. Zu diesem Schluss durfte sie kommen, ohne Bundesrecht zu verletzen. Denn sie setzt sich ausführlich mit dem Verhalten des Beschwerdeführers nach der Tat und im Strafverfahren auseinander. Dabei hält sie unter anderem fest, er habe während der Strafuntersuchung ein Lügengebäude konstruiert. Dabei habe er die ermordete Ehefrau verunglimpft und ihr die Schuld an ihrem Tod zugeschoben. Weiter habe er zahlreiche falsche Fährten gelegt und den Bruder der ermordeten Ehefrau zu beeinflussen versucht, bevor dieser von der Polizei einvernommen worden sei. Noch während des Todeskampfs der Ehefrau habe er sein neues Leben geplant. Gleichzeitig habe er den trauernden Witwer gespielt. Diese überzeugenden Erwägungen übergeht der Beschwerdeführer.
4.3. Schliesslich wirft der Beschwerdeführer der Vorinstanz vor, sie habe bei der Strafzumessung den Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare" verletzt.
4.3.1. Die beschuldigte Person muss sich nicht selbst belasten. Sie hat namentlich das Recht, die Aussage und ihre Mitwirkung im Strafverfahren zu verweigern ( Art. 113 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO ). Dieses strafprozessuale Selbstbegünstigungsprivileg ("nemo tenetur se ipsum accusare") folgt aus dem in Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 3 StPO verankerten Grundsatz des "fair trial" und steht in engem Zusammenhang mit der Unschuldsvermutung (Art. 6 Ziff. 2 EMRK, Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 10 Abs. 1 StPO).
4.3.2. Im Einzelnen trägt der Beschwerdeführer vor, die Vorinstanz berücksichtige sein Verhalten straferhöhend, obwohl es vor dem Hintergrund des Selbstbegünstigungsprivilegs zulässig gewesen sei. Es dürfe nicht straferhöhend berücksichtigt werden, dass er besonders grausam gehandelt habe, indem er während des Todeskampfs der Ehefrau den Grund für deren Leiden verschwiegen und damit palliative Massnahmen verhindert habe.
4.3.3. Die Rüge ist unbegründet. Die Vorinstanz hält in den vom Beschwerdeführer kritisierten Erwägungen fest, auch nach der Verabreichung des Colchicins habe sich dieser besonders gefühlskalt gezeigt. Er habe hautnah miterlebt, wie seine Ehefrau gelitten habe. Dennoch habe er den Grund für deren Leiden für sich behalten. Selbst nach der Verlegung seiner Ehefrau auf die Intensivstation habe er sich über die Verabreichung von Colchicin ausgeschwiegen. Er habe sogar falsche Fährten gelegt, indem er die Ärzteschaft auf einen bereits seit Jahren beendeten Drogenkonsum und eine Depression aufmerksam gemacht habe. Die Vorinstanz weist ausdrücklich darauf hin, dass der Beschwerdeführer weder zu einem Geständnis noch zu einer Kooperation verpflichtet gewesen sei. Dies hinderte sie nicht daran, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer kaltblütig zusah, wie seine Ehefrau qualvoll verendete, während die Ärzteschaft verzweifelt nach der Ursache ihrer Leiden suchte.
4.4. Nach dem Gesagten hält die vorinstanzlich ausgesprochene Freiheitsstrafe von 18 Jahren der bundesgerichtlichen Überprüfung stand.
5.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 3'000.--.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. September 2024
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
Der Gerichtsschreiber: Gross