Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B_506/2024
Urteil vom 11. September 2024
I. strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
Bundesrichter Denys,
Bundesrichter Muschietti,
Gerichtsschreiberin Andres.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Fürsprecher Sararard Arquint,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Maurerstrasse 8, 8510 Frauenfeld,
2. B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Strehler,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Versuchte vorsätzliche Tötung, schwerer Raub; Verwertbarkeit,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 18. Dezember 2023 (SBR.2023.23).
Sachverhalt:
A.
Das Bezirksgericht Münchwilen verurteilte A.________ am 1. November 2022 wegen versuchten Mordes, bandenmässigen Raubes, mehrfachen bandenmässigen Diebstahls, mehrfachen gewerbsmässigen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung, mehrfachen Hausfriedensbruchs, Widerhandlung gegen das Waffengesetz und mehrfach versuchter Drohung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren und einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 30.--. Es verwies ihn für 15 Jahren des Landes und ordnete die Ausschreibung der Landesverweisung im SIS an. Ferner verpflichtete es ihn, B.________ eine zu verzinsende Genugtuung von Fr. 30'000.-- zu bezahlen sowie diesen - in solidarischer Haftung mit den beiden Mittätern - mit Fr. 12'629.-- zu entschädigen.
A.________ führte gegen dieses Urteil Berufung, die Staatsanwaltschaft Frauenfeld und B.________ erhoben Anschlussberufung.
B.
Das Obergericht des Kantons Thurgau sprach A.________ am 18. Dezember 2023 des schweren Raubes, der versuchten vorsätzlichen Tötung, des mehrfachen bandenmässigen Diebstahls, des gewerbsmässigen Diebstahls, des mehrfachen Hausfriedensbruchs, der mehrfachen Sachbeschädigung, der Widerhandlung gegen das Waffengesetz und der mehrfach versuchten Drohung schuldig (Dispositiv-Ziff. 6). Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je Fr. 30.-- (Dispositiv-Ziff. 7), verwies ihn für 15 Jahre des Landes und ordnete die Ausschreibung der Landesverweisung im SIS an (Dispositiv-Ziff. 8). Ferner verpflichtete es ihn, B.________ eine zu verzinsende Genugtuung von Fr. 30'000.-- (Dispositiv-Ziff. 17) sowie - gemeinsam mit den beiden Mittätern - eine Entschädigung von Fr. 12'629.-- zu bezahlen (Dispositiv-Ziff. 23). Schliesslich regelte es die Kosten- und Entschädigungsfolgen (Dispositiv-Ziff. 20).
Hinsichtlich der Schuldsprüche wegen schweren Raubes und versuchter vorsätzlicher Tötung erachtet die Vorinstanz folgenden Sachverhalt als erstellt:
Am 31. Oktober 2018 drang A.________ mit einer weiteren Person in die Wohnung von B.________ ein. Sie versuchten den dort aufgefundenen Tresor mit verschiedenen Werkzeugen zu öffnen. Als B.________ überraschend nach Hause kam, erteilte A.________ diesem zunächst zwei bis drei Boxschläge gegen dessen Gesicht und stach ihm danach mit einem dem Schraubenzieher vergleichbaren Werkzeug mit voller Wucht gegen die Brust- und Herzgegend. B.________ erlitt verschiedene Verletzungen und schwebte dadurch in Lebensgefahr.
C.
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, die Dispositiv-Ziff. 6, 7, 8, 17 und 20a) und 20d) des obergerichtlichen Urteils seien aufzuheben, er sei vom Vorwurf des schweren Raubes und der versuchten vorsätzlichen Tötung freizusprechen, mit einer Freiheitsstrafe von 64 Monaten zu bestrafen und für acht Jahre des Landes zu verweisen, wobei die Landesverweisung im SIS auszuschreiben sei. Ferner sei die Genugtuungsforderung von B.________ abzuweisen, und die Kostenfolgen des Berufungsverfahrens sowie die Rückerstattungspflicht seien neu festzulegen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.
Erwägungen:
1.
1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet, den Beschwerdegegner anlässlich des Einbruchsdiebstahls vom 31. Oktober 2018 geschlagen, mit einem spitzen Gegenstand in den Brustbereich gestochen und schwer verletzt zu haben. Er rügt, die Vorinstanz verletze sein Recht auf Verteidigung (Art. 130 StPO), die Teilnahmerechte (Art. 147 StPO) sowie Art. 146 StPO und stelle bei der Beweiswürdigung auf absolut unverwertbare Beweismittel ab. Er macht zusammengefasst geltend, die in Frage stehende Tat sei von Beginn an klar ein Fall einer notwendigen Verteidigung gewesen. Das Strafverfahren sei formell mit Verfügung vom 20. Dezember 2018 eröffnet worden. Demgegenüber sei die Verteidigung erst am 17. August 2020, am Tag seiner Auslieferung aus Österreich, bestellt worden, obwohl den Strafverfolgungsbehörden sein Aufenthaltsort (Haft in Österreich) spätestens am 22. Januar 2019 bekannt gewesen sei. Spätestens bei der zweiten Einvernahme des Beschwerdegegners am 28. Mai 2019, bei der auch eine Fotokonfrontation durchgeführt und der Beschwerdegegner gefragt worden sei, wer ihn geschlagen und gestochen habe, hätte er (der Beschwerdeführer) notwendig verteidigt sein müssen, und ihm hätten seine Teilnahmerechte gewährt werden müssen. Die Durchführung der Einvernahme des Beschwerdegegners vom 28. Mai 2019 ohne Bestellung und Beizug einer Verteidigung verletze Art. 130 sowie Art. 146 Abs. 2 i.V.m. Art. 147 StPO und sei nicht verwertbar. Obwohl er die entsprechende Verwertungsproblematik der Vorinstanz als Vorfrage unterbreitet habe, habe diese darüber nicht im Vorfeld des Beweisverfahrens entschieden und schliesslich die Fotokonfrontation vom 28. Mai 2019 und die persönliche Gegenüberstellung vom 27. April 2021 relevant in die Beweiswürdigung einfliessen lassen. Ferner entspreche die Fotokonfrontation nicht den formellen Vorgaben von Art. 146 StPO, womit die Identifikation fehlerhaft durchgeführt worden sei.
1.2.
1.2.1. Art. 130 und 131 StPO regeln die notwendige Verteidigung. Gemäss Art. 130 lit. b StPO besteht insbesondere dann ein gesetzlicher Anspruch auf notwendige Verteidigung, wenn der beschuldigten Person eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr, eine freiheitsentziehende Massnahme oder eine Landesverweisung droht (Art. 130 lit. b StPO). Die notwendige Verteidigung dient dem Zweck, der beschuldigten Person einen fairen Prozess zu sichern, und garantiert das Prinzip der Waffengleichheit. Liegt ein Fall notwendiger Verteidigung vor, so achtet die Verfahrensleitung darauf, dass unverzüglich eine Verteidigung bestellt wird (Art. 131 Abs. 1 StPO; BGE 145 IV 407 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Sie hat von Amtes wegen die Voraussetzungen zu prüfen und über die notwendige Verteidigung zu entscheiden. Notwendige Verteidigung im strafprozessualen Sinn bedeutet, dass der Betroffene in Anbetracht der rechtlichen und tatsächlichen Umstände in den verschiedenen Stadien des Strafverfahrens zwingend und ohne entsprechendes Ersuchen vertreten sein muss und dass er darauf auch mit einer persönlichen Verteidigung durch ihn selbst nicht verzichten kann (BGE 143 I 164 E. 2.2; 131 I 350 E. 2.1 mit Hinweisen; Urteile 1B_413/2020 vom 21. Januar 2021 E. 4.5; 1B_418/2018 vom 6. Dezember 2018 E. 2.1; 6B_826/2018 vom 7. November 2018 E. 3.2).
Sind die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung bei Einleitung des Verfahrens erfüllt, so ist die Verteidigung nach der ersten Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft, jedenfalls aber vor Eröffnung der Untersuchung sicherzustellen (aArt. 131 Abs. 2 StPO in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung). In Fällen, in denen die Verteidigung erkennbar notwendig gewesen wäre und bei denen Beweise erhoben wurden, bevor eine Verteidigerin oder ein Verteidiger bestellt worden ist, gilt die Beweiserhebung nur als gültig, wenn die beschuldigte Person auf ihre Wiederholung verzichtet (aArt. 131 Abs. 3 StPO in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung; vgl. zum uneinheitlichen Wortlaut der verschiedenen Sprachfassungen und zu der per 1. Januar 2024 erfolgten Anpassung: Urteile 6B_452/2023 vom 20. Oktober 2023 E. 1.3.3; 6B_622/2023 vom 20. September 2023 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Bei notwendiger Verteidigung ordnet die Verfahrensleitung eine amtliche Verteidigung an, wenn die beschuldigte Person trotz Aufforderung der Verfahrensleitung keine Wahlverteidigung bestimmt oder der Wahlverteidigung das Mandat entzogen wurde oder sie es niedergelegt hat und die beschuldigte Person nicht innert Frist eine neue Wahlverteidigung bestimmt (Art. 132 Abs. 1 lit. a StPO; vgl. zum Ganzen: Urteil 6B_563/2021 vom 22. Dezember 2022 E. 2.3.1).
1.2.2. Gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO haben die Parteien das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Dieses spezifische Teilnahme- und Mitwirkungsrecht fliesst aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 107 Abs. 1 lit. b StPO). Es darf nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen eingeschränkt werden (Art. 108, Art. 146 Abs. 4 und Art. 149 Abs. 2 lit. b StPO ; siehe auch Art. 101 Abs. 1 StPO; BGE 143 IV 397 E. 3.3.1; 141 IV 220 E. 4.4; 139 IV 25 E. 4.2 mit Hinweis; Urteil 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 E. 1.6.3.1 mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen). Nach Art. 147 Abs. 4 StPO dürfen Beweise, die in Verletzung der Bestimmungen von Art. 147 StPO erhoben worden sind, nicht zulasten der Partei verwendet werden, die nicht anwesend war (BGE 143 IV 397 E. 3.3.1, 457 E. 1.6.1; 139 IV 25 E. 4.2 und 5.4.1; Urteil 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 E. 1.6.3.1, zur Publikation vorgesehen; je mit Hinweisen).
Vor Eröffnung einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft besteht der Anspruch auf Parteiöffentlichkeit nicht. Bei Beweiserhebungen durch die Polizei, etwa bei polizeilichen Einvernahmen von Auskunftspersonen gestützt auf Art. 306 Abs. 2 lit. b StPO, sind die Parteien mit anderen Worten nicht zur Teilnahme berechtigt (Art. 147 Abs. 1 StPO e contrario; BGE 143 IV 397 E. 3.3.2; 139 IV 25 E. 5.4.3; Urteile 6B_426/2023 vom 16. August 2023 E. 2.1.1; 6B_1078/2020 vom 26. Oktober 2022 E. 2.4.2; 6B_780/2021 vom 16. Dezember 2021 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 148 IV 145; je mit Hinweisen). Soweit die Polizei nach Eröffnung der Untersuchung Einvernahmen im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchführt, stehen den Verfahrensbeteiligten die Verfahrensrechte zu, die ihnen bei Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft zukommen (Art. 312 Abs. 2 StPO). Daraus folgt, dass die Parteien das Recht haben, bei Einvernahmen, welche die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft während deren Untersuchung durchführt, anwesend zu sein und Fragen zu stellen (BGE 143 IV 397 E. 3.3.2; Urteil 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 E. 1.6.3.1, zur Publikation vorgesehen; je mit Hinweisen).
Das Bundesgericht hat in einem kürzlich ergangen Urteil seine Rechtsprechung bezüglich Art. 147 Abs. 1 i.V.m. Art. 147 Abs. 4 StPO angepasst und zusammenfassend festgehalten, dass eine Einvernahme, an der das Teilnahmerecht der beschuldigten Person gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO unzulässigerweise nicht gewährleistet war und die daher gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO nicht zulasten der nicht anwesenden beschuldigten Person verwertet werden darf, auch nach einer Wiederholung der Einvernahme unter Wahrung des Teilnahmerechts weiterhin unverwertbar im Sinne von Art. 147 Abs. 4 StPO bleibt. Eine spätere Einräumung des Teilnahmerechts führt nicht zur Verwertbarkeit von nach Art. 147 Abs. 4 StPO unverwertbaren Einvernahmen (Urteil 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024 E. 1.6.7.4, zur Publikation vorgesehen; vgl. zur ausführlichen Begründung auch die E. 1.6.3.1 und 1.6.7.1 ff. des vorgenannten Urteils mit Hinweisen).
1.2.3. Gemäss Abs. 2 von Art. 146 StPO, welcher unter dem Titel "Einvernahmen mehrerer Personen und Gegenüberstellungen" steht, können die Strafbehörden Personen einander gegenüberstellen. Bei der Foto (wahl) konfrontation handelt es sich um einen Unterfall einer Identifizierungsgegenüberstellung, welche wiederum eine Sonderform von Einvernahme und Augenschein darstellt. Dabei werden dem Zeugen Fotos von Personen vorgelegt, und dieser soll sich dazu äussern, ob er den mutmasslichen Täter auf einem der Fotos wiedererkennt. Der gesamte Vorgang ist zu protokollieren und die zur Identifikation unterbreiteten Fotos sind zu den Akten zu nehmen. Da es sich um eine Beweisabnahme handelt, ist nach eröffneter Untersuchung der bereits bestellten Verteidigung ein Teilnahmerecht an der Foto (wahl) konfrontation einzuräumen. Gleiches muss zumindest auch für die (noch) unverteidigte beschuldigte Person gelten, will diese ihr Teilnahmerecht - einschliesslich Fragerecht - wahrnehmen und ausüben, geht es beim Teilnahmerecht doch gerade darum, theoretisch durch "mitwirkende Teilnahme" Einfluss auf die Beweiserhebung und schliesslich auch auf das Ergebnis nehmen zu können. Das Teilnahmerecht des (unverteidigten) Tatverdächtigen an der Einvernahme der Auskunftsperson oder des Zeugen kann etwa mittels Videoübertragung in ein Nebenzimmer gewährleistet werden, ohne dass das Ergebnis der Foto (wahl) konfrontation dadurch möglicherweise verfälscht würde (Urteil 6B_1078/2020 vom 26. Oktober 2022 E. 4.3.2.1 mit zahlreichen Hinweisen).
1.2.4. Gemäss Art. 141 Abs. 1 StPO sind Beweise, die in Verletzung von Art. 140 StPO erhoben wurden, in keinem Fall verwertbar. Dasselbe gilt, wenn die StPO einen Beweis als unverwertbar bezeichnet. Nach Art. 141 Abs. 2 StPO dürfen Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. Die Bestimmung beinhaltet eine Interessenabwägung. Je schwerer die zu beurteilende Straftat ist, umso eher überwiegt das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung das private Interesse der beschuldigten Person daran, dass der fragliche Beweis unverwertet bleibt (BGE 149 IV 352 E. 1.3.3; 147 IV 9 E. 1.4.2; 146 I 11 E. 4.2; 131 I 272 E. 4.1.2; je mit Hinweisen). Beweise, bei deren Erhebung Ordnungsvorschriften verletzt worden sind, sind gemäss Art. 141 Abs. 3 StPO verwertbar. Ermöglichte ein Beweis, der nach Absatz 2 nicht verwertet werden darf, die Erhebung eines weiteren Beweises, so ist dieser nicht verwertbar, wenn er ohne die vorhergehende Beweiserhebung nicht möglich gewesen wäre (Art. 141 Abs. 4 StPO in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung), das heisst, der erste Beweis "conditio sine qua non" des zweiten ist (BGE 138 IV 169 E. 3.1 mit Hinweisen). Eine Fernwirkung gemäss Art. 141 Abs. 4 StPO ist zu verneinen, wenn der Folgebeweis im Sinne eines hypothetischen Ermittlungsverlaufs zumindest mit einer grossen Wahrscheinlichkeit auch ohne den illegalen ersten Beweis erlangt worden wäre. Entscheidend sind die konkreten Umstände des Einzelfalls (BGE 138 IV 169 E. 3.3.3 mit Hinweisen; Urteile 7B_257/2022 vom 4. Dezember 2023 E. 3.2.4; 6B_224/2023 vom 26. Oktober 2023 E. 3.4.1). In BGE 138 IV 169 konnte die in der Lehre umstrittene Frage, ob aArt. 141 Abs. 4 StPO entgegen seinem Wortlaut auch für absolute Beweisverwertungsverbote (Art. 141 Abs. 1 StPO) gelten muss, offengelassen werden (BGE 138 IV 169 E. 3.2 mit Hinweisen). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum alten Verfahrensrecht unterschied für die Frage der Verwertbarkeit von Folgebeweisen nicht danach, ob der Grund für die Unverwertbarkeit des Primärbeweises ein absolutes oder ein relatives Beweisverwertungsverbot ist (BGE 138 IV 169 E. 3.2; Urteile 6B_654/2019 vom 12. März 2020 E. 3.2.2; 6B_976/2015 vom 27. September 2016 E. 6.3.2; je mit Hinweisen). Das Bundesgericht hielt in einem kürzlich ergangenen Urteil fest, diese Rechtsprechung gelte im Hinblick auf die seit dem 1. Januar 2024 in Kraft stehende Fassung von Art. 141 Abs. 4 StPO, welche nun ausdrücklich neben dem Abs. 2 auch den Abs. 1 von Art. 141 StPO einbezieht, weiterhin (Urteil 7B_257/2022 vom 4. Dezember 2023 E. 3.2.4).
1.2.5. Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, müssen unter anderem die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art enthalten (Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG). Der vorinstanzliche Entscheid hat eindeutig aufzuzeigen, auf welchem festgestellten Sachverhalt und auf welchen rechtlichen Überlegungen er beruht (BGE 141 IV 244 E. 1.2.1 mit Hinweisen). Die Begründung ist insbesondere mangelhaft, wenn der angefochtene Entscheid jene tatsächlichen Feststellungen nicht trifft, die zur Überprüfung des eidgenössischen Rechts notwendig sind, oder wenn die rechtliche Begründung des angefochtenen Entscheids so lückenhaft oder unvollständig ist, dass nicht geprüft werden kann, wie das eidgenössische Recht angewendet wurde (BGE 135 II 145 E. 8.2; 119 IV 284 E. 5b; je mit Hinweisen). Genügt ein Entscheid diesen Anforderungen nicht, so kann das Bundesgericht ihn in Anwendung von Art. 112 Abs. 3 BGG an die kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben. Hingegen steht es ihm nicht zu, sich an die Stelle der Vorinstanz zu setzen, die ihrer Aufgabe nicht nachgekommen ist (BGE 141 IV 244 E. 1.2.1; zum Ganzen: Urteile 6B_991/2023 vom 10. Juli 2024 E. 2.3.6; 6B_919/2023 vom 10. Juli 2023 E. 4.3.5; je mit Hinweisen).
1.3.
1.3.1. Aus der Beschwerde und dem Protokoll der Berufungsverhandlung ergibt sich, dass der Beschwerdeführer die Verwertungsproblematik in Zusammenhang mit den Einvernahmen des Beschwerdegegners sowohl hinsichtlich der notwendigen Verteidigung als auch bezüglich der (Nicht-) Gewährung der Teilnahmerechte bereits vor der Vorinstanz thematisiert hat (Beschwerde S. 6; Akten Vorinstanz, act. 2 f. und 32 ff.). Die Vorinstanz prüft - soweit ersichtlich - einzig die Verwertbarkeit der ersten Einvernahme des Beschwerdegegners vom 5. November 2018 und gelangt zum Schluss, diese sei verwertbar, weil zum Zeitpunkt der Einvernahme weder ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Einsetzung einer notwendigen Verteidigung noch ein Teilnahmerecht an den Beweiserhebungen bestanden habe, da noch kein konkreter Tatverdacht gegen ihn vorgelegen habe (Urteil S. 36 f.). Da sich der Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht mehr ausdrücklich gegen die Verwertbarkeit der ersten Einvernahme des Beschwerdegegners vom 5. November 2018 wendet und sich entsprechend auch nicht mit den diesbezüglichen vorinstanzlichen Erwägungen auseinandersetzt, ist auf die Frage grundsätzlich nicht weiter einzugehen. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der vorinstanzliche Schluss, die Einvernahme sei verwertbar, Bundesrecht verletzt.
1.3.2. Hingegen äussert sich die Vorinstanz nicht zu der Verwertbarkeit der delegierten polizeilichen Einvernahme des Beschwerdegegners vom 28. Mai 2019, bei der dieser anhand von zwei Fotowahlbögen mehrere Personen bezeichnete und auch angab, wer ihn wahrscheinlich geschlagen habe (Akten Staatsanwaltschaft, act. D15 ff.). In Berücksichtigung der Vorbringen des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren sowie des Umstands, dass er trotz des bereits am 20. Dezember 2018 gegen ihn eröffneten Verfahrens betreffend versuchter Tötung, schwerer Körperverletzung, qualifizierten Raubes, Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung (Akten Staatsanwaltschaft, act. A01) zum Zeitpunkt der Einvernahme des Beschwerdegegners vom 28. Mai 2019 weder notwendig (amtlich) verteidigt war noch er und/oder ein allfälliger Verteidiger an der Einvernahme teilnahmen (Akten Staatsanwaltschaft, act. D15 ff.), hätte die Vorinstanz die Frage der Verwertbarkeit der genannten Einvernahme und - falls die Einvernahme unverwertbar wäre - allfälliger Folgebeweise prüfen müssen. Indem sie dies unterlässt, kommt sie ihrer Begründungspflicht i.S.v. Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG (und Art. 29 Abs. 2 BV) nicht nach. Weder den Parteien noch dem Bundesgericht ist es zum jetzigen Zeitpunkt möglich, das vorinstanzliche Urteil auf dessen Rechtmässigkeit hin zu prüfen, zumal es auch an relevanten tatsächlichen Feststellungen fehlt. Die Vorinstanz wird sich in ihrem neuen Urteil mit den Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandersetzen und die Verwertbarkeit der Beweismittel, insbesondere der Einvernahmen des Beschwerdegegners prüfen müssen. Gestützt darauf wird sie die Beweismittel allenfalls neu würdigen und den massgebenden Sachverhalt feststellen müssen. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die Kritik des Beschwerdeführers an der vorinstanzlichen Aussagewürdigung und Sachverhaltsfeststellung einzugehen.
2.
Die Beschwerde ist gutzuheissen, das obergerichtliche Urteil teilweise aufzuheben und die Sache zur Prüfung der Verwertbarkeit der erhobenen Beweise und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Rückweisung an die Vorinstanz erfolgt prozessualiter mangels hinreichender Begründung des vorinstanzlichen Urteils im Sinne von Art. 112 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 3 BGG. Die Sache wird damit nicht präjudiziert, sodass auf die Einholung von Vernehmlassungen verzichtet werden kann (vgl. Urteile 6B_387/2023 vom 21. Juni 2023 E. 5.1; 6B_1144/2021 vom 24. April 2023 E. 2.2 mit Hinweis).
Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Bei Rückweisungen nach Art. 112 Abs. 3 BGG werden die Kosten formell nicht nach dem Ausgang des Verfahrens, sondern nach dem Verursacherprinzip verlegt (Urteile 6B_1115/2023 vom 10. Juli 2024 E. 4.3; 6B_356/2022 vom 23. Juni 2023 E. 3.2; je mit Hinweis). Der Kanton Thurgau trägt keine Gerichtskosten (vgl. Art. 66 Abs. 4 BGG), jedoch hat er den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ). Die Entschädigung ist praxisgemäss seinem Rechtsvertreter auszurichten. Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gegenstandslos. Der Beschwerdegegner hat keine Kosten zu tragen. Es ist ihm zudem kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, die Dispositiv-Ziff. 6, 7, 8, 17, 20a) und 20d) des Urteils des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 18. Dezember 2023 werden aufgehoben und die Sache wird zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Thurgau hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Fürsprecher Sararard Arquint, mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. September 2024
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
Die Gerichtsschreiberin: Andres