Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1F_31/2022
Urteil vom 11.November 2022
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Chaix, Merz,
Gerichtsschreiber Störi.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Gesuchstellerin,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, II. Abteilung,
An der Aa 4, 6300 Zug,
Obergericht des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung,
Kirchenstrasse 6, 6300 Zug.
Gegenstand
Revisionsgesuch gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 4. August 2022
(1B_344/2022 (Beschluss BS 2022 18)).
Sachverhalt:
A.
Mit Urteil 1B_344/2022 vom 4. August 2022 trat das Bundesgericht auf eine Beschwerde von A.________ gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zug vom 17. Mai 2022 betreffend Wechsel des amtlichen Verteidigers nicht ein mit der Begründung, sie habe dem Bundesgericht unter Verletzung von Art. 39 BGG weder ihren Aufenthalts- noch ihren Wohnort noch eine postalische Zustelladresse bekannt gegeben und auf eine Mail an die von ihr verwendete elektronische Adresse nicht reagiert.
B.
Nach verschiedenen Mails, in denen sie das Urteil 1B_344/2022 kritisierte und eine Zustelladresse in der Schweiz bekannt gab, stellte A.________ am 26. September 2022 dem Bundesgericht auf postalischem Weg einen "Antrag auf eine Überarbeitung oder Korrektur des Gerichtsurteils" zu.
C.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
1.1. Urteile des Bundesgerichts treten am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61 BGG) und können nur auf dem Wege der Revision nach den Art. 121 ff. BGG nachträglich abgeändert werden. Dies gilt uneingeschränkt, soweit die Verletzung von Verfahrensvorschriften oder der EMRK geltend gemacht wird ( Art. 121 und 122 BGG ) oder durch ein Verbrechen oder Vergehen auf den Entscheid eingewirkt wurde (Art. 123 Abs. 1 BGG).
1.2. In Zivilsachen und öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann die Revision zusätzlich aus "anderen Gründen" verlangt werden, nämlich wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind (Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG). In Strafsachen ist die Revision diesfalls unter den Voraussetzungen von Art. 410 Abs. 1 lit. a und b sowie Abs. 2 StPO zulässig (Art. 123 Abs. 2 lit. b BGG). Nach diesem Verweis unterliegen in Strafverfahren einzig Endentscheide - rechtskräftige Strafurteile, Strafbefehle, nachträgliche richterliche Entscheide und Entscheide in selbständigen Massnahmenverfahren - der Revision aus anderen Gründen gemäss Art. 123 Abs. 2 BGG, nicht aber strafprozessuale Zwischenentscheide (Art. 410 Abs. 1 StPO; NIKLAUS SCHMID/DANIEL JOSITSCH, Handbuch des Schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich/St. Gallen, 3. Aufl. 2017, N. 1587 S. 710; THOMAS FINGERHUTH in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Zürich, 3. Aufl. 2020, N. 17 zu Art. 410).
1.3. Im Urteil 1B_344/2022 hat das Bundesgericht eine gegen den Beschluss des Zuger Obergerichts betreffend Wechsels des amtlichen Verteidigers, mithin gegen einen strafprozessualen Zwischenentscheid gerichtete Beschwerde beurteilt. Dessen Revision kann damit nur aus den in Art. 121, 122 und 123 Abs. 1 BGG angeführten Gründen verlangt werden. Eine Revision aus "anderen Gründen" gemäss Art. 123 Abs. 2 lit. b BGG i.V.m. Art. 410 Abs. 1 lit. a und b sowie Abs. 2 StPO ist unzulässig.
2.
Die Gesuchstellerin macht geltend, das Bundesgericht habe sein Urteil irrtümlich auf ein "falsches Rechtsdokument" gestützt. Es sei davon ausgegangen, ihre Berufung sei handschriftlich erfolgt und von einer in Belize City wohnhaften Frau der Schweizerischen Botschaft in Mexiko zugesandt worden. Ihre Berufung sei indessen ein mehrseitiges, auf einem Computer verfasstes und persönlich bei der Botschaft zu Handen des Bundesgerichts abgegebenes Dossier.
Die Gesuchstellerin rügt damit, das Bundesgericht habe aus Versehen ihre Beschwerdeschrift nicht berücksichtigt. Sie beruft sich damit auf einen Revisionsgrund im Sinn von Art. 121 BGG, was zulässig ist.
Dem Bundesgericht war die ihm von der Schweizerischen Botschaft in Mexiko überwiesene Berufungsschrift der Gesuchstellerin - ein von ihr unterschriebenes, aus einem Computer ausgedrucktes Dokument von 8 Seiten in der deutschen und 7 Seiten in der englischen Fassung - indessen bekannt; ob sie diese der Botschaft in Mexiko persönlich überbrachte oder über eine Drittperson zustellen liess, ist im Ergebnis unerheblich. "Eigenhändig" bedeutet im Übrigen nicht "handschriftlich", sondern dass die Eingabe von der Gesuchstellerin selber, nicht von einem Rechtsvertreter verfasst wurde. Die Rüge, das Bundesgericht habe sein Urteil versehentlich nicht auf die rechtserhebliche, von der Gesuchstellerin verfasste und unterschriebene Rechtsschrift gestützt, ist unbegründet.
3.
Die Gesuchstellerin legt eine ihr von Rechtsanwalt Münch am 4. Juli 2022 zugestellte Mail ins Recht mit der Mitteilung, er sei jedenfalls zur Zeit nicht ihr Anwalt, werde dem Bundesgericht aber mitteilen, dass er ihr gerichtliche Zustellungen weiterleiten werde. Sie habe gestützt darauf davon ausgehen können, dass sie über eine Zustelladresse in der Schweiz verfüge. Damit macht sie einen "anderen" Revisionsgrund im Sinn von Art. 123 Abs. 2 BGG geltend, was unzulässig ist.
Das schadet der Gesuchstellerin insofern nicht, als die Rüge ohnehin unbegründet ist. Aus welchem Grund sich Rechtsanwalt Münch gegenüber dem Bundesgericht nicht als Zustelladresse für die Gesuchstellerin zur Verfügung stellte, ist unbekannt und vor allem unerheblich, weil sich die Gesuchstellerin ein allfälliges Versäumnis von Rechtsanwalt Münch anrechnen lassen müsste. Die Mail ist damit kein entscheidendes Beweismittel im Sinn von Art. 123 Abs. 2 BGG.
In dieser Mail hat Rechtsanwalt Münch der Gesuchstellerin zudem mitgeteilt, dass ihr vom Bundesgericht unter der Androhung, bei Säumnis auf die Beschwerde nicht einzutreten, eine Frist bis zum 17. August 2022 angesetzt worden war, um einen Kostenvorschuss von Fr. 2'000.-- zu leisten. Da sie somit die Frist für die Bezahlung des Kostenvorschusses in Kenntnis der angedrohten Folgen unbenutzt verstreichen liess, wäre auf ihre Beschwerde auch aus diesem Grund nicht einzutreten gewesen.
4.
Das Revisionsgesuch ist damit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der Gesuchstellerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie wird zudem darauf hingewiesen, dass allfällige weitere Eingaben, die den Anforderungen von Art. 39 BGG nicht genügen oder keine zulässigen Revisionsgründe nennen, ohne Weiterungen abgelegt würden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Gesuchstellerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Gesuchstellerin, der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, II. Abteilung, und dem Obergericht des Kantons Zug, I. Beschwerdeabteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. November 2022
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kneubühler
Der Gerichtsschreiber: Störi