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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_91/2024  
 
 
Urteil vom 11. November 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Métral, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Estermann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Rechtsabteilung, Fluhmattstrasse 1, 6002 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente, Invalideneinkommen), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 8. Januar 2024 (5V 22 304). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geboren 1965, war bei der B.________ AG als Maschinenführer beschäftigt und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 14. September 2020 kam es bei der Arbeit durch einen Fehltritt zu einer Verletzung des rechten Fusses. Es wurde eine Fraktur des Metatarsale V diagnostiziert, die nach erfolgloser konservativer Therapie am 23. März 2021 operativ versorgt wurde. Mit Verfügung vom 22. März 2022 und Einspracheentscheid vom 14. Juli 2022 sprach die Suva A.________ gestützt auf die kreisärztliche Einschätzung ab 1. April 2022 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 15 % sowie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 12,5 % zu. 
 
B.  
Die dagegen von A.________ erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 8. Januar 2024 insoweit teilweise gut, als es ihm ab 1. April 2022 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 16 % zusprach. Im Übrigen, insbesondere auch bezüglich der beantragten höheren Integritätsentschädigung, wies es die Beschwerde ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sei die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen beziehungsweise sei ihm eine höhere Invalidenrente zuzusprechen.  
 
Nach Beizug der vorinstanzlichen Akten verzichtet das Bundesgericht auf einen Schriftenwechsel. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.  
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie dem Beschwerdeführer eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von lediglich 16 % statt der beantragten höheren Rente zusprach. Zur Frage stehen einzig die erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung und dabei die Gewährung eines leidensbedingten Abzugs von dem auf statistischer Basis ermittelten Verdienst, den der Beschwerdeführer nach Eintritt der Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch zu erzielen vermöchte (Invalideneinkommen). 
 
3.  
Das kantonale Gericht hat die im Rahmen der Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) massgebliche Rechtsprechung zum behinderungs- beziehungsweise leidensbedingten Abzug (BGE 148 V 174; 135 V 297 E. 5.2; 126 V 75 E. 5) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der Sonderregelung von Art. 28 Abs. 4 UVV, die hier schon wegen des Alters des Beschwerdeführers von erst 56 Jahren zum Zeitpunkt des Rentenbeginns nicht zur Anwendung gelangt (BGE 148 V 419 E. 7.2; 122 V 418 E. 4c; Urteil 8C_507/2022 vom 28. November 2022 E. 5.1.3). Es wird darauf verwiesen.  
 
4.  
 
4.1. Gemäss Vorinstanz verblieb nach dem Unfall vom 14. September 2020 eine Pseudarthrose am Metatarsale V rechts nach operativer Revision mit Ausräumung, Dekortikation sowie Spongiosaplastik und Plattenosteosynthese im März 2021 mit belastungsabhängigen Schmerzen am rechten Fussrand. Eine Beeinträchtigung der physiologischen Funktionen beider Beine sei nicht unfall-, sondern durch arthrotische Veränderungen an beiden Hüft- und Kniegelenken bedingt, ein rechtsbetont hinkendes Gangbild nur teilweise auf den Unfall zurückzuführen. Der Beschwerdeführer sei mit Rücksicht darauf in leichten bis mittelschweren Tätigkeiten zu 100 % arbeitsfähig, dies ohne permanentes Arbeiten in der Höhe beziehungsweise auf Dächern, Leitern, Gerüsten und Ähnlichem, ohne permanentes Treppab- und Treppaufgehen, ohne Arbeiten auf unebenem Gelände oder unter Einfluss von Stössen und Vibrationen.  
 
Das kantonale Gericht ermittelte als hypothetischen Lohn im Gesundheitsfall ein (Validen-) Einkommen von Fr. 81'259.-. Beim Invalideneinkommen stellte es auf die Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik (LSE) ab und errechnete für das noch zumutbare 100 %-Pensum im Rahmen einfacher Hilfsarbeitertätigkeiten (Kompetenzniveau 1) unter leichter Abweichung von der Beschwerdegegnerin einen Verdienst von Fr. 68'434.-. Ein leidensbedingter Abzug rechtfertigte sich nach der Vorinstanz nicht. Die Gegenüberstellung der Vergleichseinkommen ergab einen Invaliditätsgrad von 16 %.  
 
4.2. Der Beschwerdeführer macht sinngemäss im Wesentlichen geltend, dass die statistischen Einkommen gemäss seit 2022 geltender Neuerung im Invalidenversicherungsrecht grundsätzlich pauschal um 10 % zu kürzen seien, was auch im Bereich der Unfallversicherung gelten müsse. Zusätzlich zu berücksichtigen sei sein fortgeschrittenes Alter und dass ihm keine Schwerarbeit mehr zuzumuten sei. Insgesamt rechtfertige sich ein Abzug von 20 %.  
 
5.  
 
5.1. Zu den Neuerungen im Bereich der Invalidenversicherung per 1. Januar 2022 hat sich das Bundesgericht in dem zur Publikation vorgesehenen Urteil 8C_823/2023 vom 8. Juli 2024 eingehend geäussert (E. 9). Nach Auslegung der Bestimmungen von Art. 28a Abs. 1 (Satz 2) IVG und Art. 26bis Abs. 3IVV erwog es insbesondere auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien, es könne grundsätzlich kein Zweifel daran bestehen, dass mit den Änderungen im Wesentlichen die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts rezipiert werden sollte (E. 9.4.2). Es hob das mit der Invaliditätsbemessung verfolgte und in der Rechtsprechung zu Art. 16 ATSG abgebildete, auch nach der jüngsten Revision des IVG weiterhin geltende Bemühen um ein möglichst konkretes, fallbezogenes Ergebnis hervor. Die vom formellen Gesetzgeber bekräftigte und der bisherigen Rechtsprechung zugrunde liegende Notwendigkeit von Korrekturfaktoren stehe allseits ausser Frage (E. 10.2). Es sei mangels verfügbarer Alternative in Form berichtigter Tabellenlöhne auch weiterhin auf die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze zurückzugreifen (E. 10.6).  
 
5.2. Nach dem Verordnungsgeber ist nunmehr im Rahmen der Invalidenversicherung lediglich noch ein "Teilzeitabzug" vorgesehen, der ab einer Leistungsfähigkeit von 50 Prozent und weniger zu gewähren ist und (ab 1. Januar 2022) auf 10 Prozent begrenzt bleibt (Urteil 8C_823/2023 vom 8. Juli 2024 E. 9.4.3). Das Bundesgericht erkannte die neue Bestimmung von Art. 26bis Abs. 3 IVV als gesetzeswidrig, soweit damit die bisher bestehende Möglichkeit des Abzugs vom Tabellenlohn in weiten Teilen aufgegeben werden soll. Besteht aufgrund der gegebenen Fallumstände Bedarf an einer über den "Teilzeitabzug" hinausgehenden Korrektur, ist ergänzend auf die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze zum Abzug vom Tabellenlohn zurückzugreifen (E. 10).  
 
Die Kritik des Bundesgerichts beschlägt nicht den in der neuen Bestimmung vorgesehenen Teilzeitabzug, der bei einer Leistungsminderung von mindestens 50 % gewährt werden soll (E. 9.5.3.6.1). Entgegen dem Beschwerdeführer handelt es sich dabei indessen nicht um einen pauschalen, sondern um einen Abzug bei lediglich noch verbleibender Restarbeitsfähigkeit im Teilzeitpensum. Dabei wird im Übrigen nicht danach differenziert, ob es um eine voll- oder eine teilerwerbstätige Person geht. In beiden Fällen wird auf die Einschätzung der funktionellen Leistungsfähigkeit abgezielt und der Abzug soll bei einer Leistungsminderung von mindestens 50 % gewährt werden (E. 9.5.3.6.1; Urteil 8C_243/2023 vom 5. September 2024 E. 7.5). Da dem Beschwerdeführer weiterhin ein 100%iges Arbeitspensum mit uneingeschränkter Leistungsfähigkeit zuzumuten ist, fällt ein Abzug vom Tabellenlohn unter diesem Aspekt von vornherein ohnehin ausser Betracht. 
 
5.3. Das medizinische Anforderungs- und Belastungsprofil stellt praxisgemäss eine zum zeitlich zumutbaren Arbeitspensum hinzutretende qualitative oder quantitative Einschränkung der Arbeitsfähigkeit dar, wodurch in erster Linie das Spektrum der erwerblichen Tätigkeiten (weiter) eingegrenzt wird, welche unter Berücksichtigung der Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung der versicherten Person realistischerweise noch in Frage kommen. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob mit Bezug auf eine konkret in Betracht fallende Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage verglichen mit einem gesunden Mitbewerber nur bei Inkaufnahme einer Lohneinbusse reale Chancen für eine Anstellung bestehen. Lediglich wenn auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung solcher Einschränkungen, die personen- oder arbeitsplatzbezogen sein können, kein genügend breites Spektrum an zumutbaren Verweisungstätigkeiten mehr besteht, rechtfertigt sich allenfalls ein (zusätzlicher) Abzug vom Tabellenlohn (Urteil 8C_48/2021 vom 20. Mai 2021 E. 4.3.3). An dieser Voraussetzung ist mit Blick auf die Erwägungen des Urteils 8C_823/2023 vom 8. Juli 2024 auch weiterhin festzuhalten (Urteil 8C_243/2023 vom 5. September 2024 E. 7.6). Inwiefern sie im vorliegenden Fall bei dem vom kantonalen Gericht festgestellten Belastungsprofil gegeben sein sollte, wird beschwerdeweise nicht dargetan und ist nicht erkennbar. Anzumerken bleibt dabei, dass der Beschwerdeführer vor dem Unfall als Maschinenführer beschäftigt war. Dass er dabei eine schwerere Arbeit verrichtet haben sollte als die nunmehr immer noch zumutbaren mittelschweren Tätigkeiten, zeigt er nicht auf.  
 
5.4. Das Bundesgericht hat im erwähnten Urteil 8C_823/2023 vom 8. Juli 2024 auch die Rechtsprechung zum Faktor Alter in Erinnerung gerufen und darauf hingewiesen, dass jedenfalls ein Automatismus, wonach ab einer gewissen Altersgrenze ohne Weiteres ein Abzug zu gewähren wäre, abgelehnt wird. Entscheidend sind auch im Rahmen dieses Kriteriums stets die konkreten Fallumstände, die es in die Beurteilung einzubeziehen gilt (E. 9.5.3.4.2 mit Hinweisen). Inwiefern solche hier gegeben sein sollten, wird beschwerdeweise nicht dargetan und lässt sich nicht erkennen. Ein Abzug unter diesem Aspekt lässt sich daher nicht rechtfertigen.  
 
5.5. Dass das kantonale Gericht keinen leidensbedingten Abzug gewährt hat, lässt sich damit nicht beanstanden. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet.  
 
6.  
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 11. November 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo