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«AZA» 
I 236/99 Vr 
 
III. Kammer 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; Gerichtsschreiber Grünvogel 
 
 
Urteil vom 12. Januar 2000 
 
in Sachen 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, St. Gallen, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
P.________, 1947, Beschwerdegegner, vertreten durch den Verband X.________, 
und 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
 
A.- Der 1947 geborene P.________ erlitt am 3. April 1991 bei einem bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) versicherten Ereignis eine Kontusion des linken Handgelenkes, der Finger und des Handrückens, was eine Arthrodese in der Chirurgie Y.________ erforderlich machte. Es folgten insgesamt drei weitere Operationen, ehe die SUVA die medizinische Behandlung auf Ende 1995 rechtskräftig abschloss und P.________ wegen chronischer Handgelenksbeschwerden rechts mit zunehmendem carpalem Kollaps neben einer Integritätsentschädigung eine Invalidenrente auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von einem Drittel zusprach (Verfügung vom 10. Januar 1996). 
Am 8. Juli 1992 hatte sich P.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet. Nach durchgeführten Abklärungen und einem gescheiterten Arbeitsversuch im Juni und Juli 1994 als Schlosser gewährte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen dem Versicherten schliesslich gestützt auf einen Bericht ihres Berufsberaters vom 21. Dezember 1995 eine vom 22. Januar 1996 bis 17. Januar 1997 dauernde und von einem halbtägigen Intensivdeutschkurs begleitete Umschulung im Bereich Möbelverkauf und -handel bei der Firma R.________, Internationale Möbelvertretung. Weitere berufliche Massnahmen lehnte die IV-Stelle mit Verfügung vom 27. Februar 1997 ab. 
 
B.- Eine dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 21. Januar 1999 gut und wies die Angelegenheit im Sinne der Erwägungen zu weiteren Abklärungen und neuer Verfügung an die Verwaltung zurück. 
 
C.- Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Angelegenheit sei an das kantonale Gericht zur weiteren Sachverhaltsabklärung zurückzuweisen. 
Während P.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, hat sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen lassen. 
 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Streitig und zu prüfen ist, ob dem Versicherten weitere Umschulungsmassnahmen zustehen, nachdem er entsprechende Leistungen bereits ein Jahr lang bezogen hat und in dieser Zeit eine von einem Deutschkurs begleitete einjährige Einarbeitung im Bereich Möbelverkauf und -handel absolvieren konnte. 
 
2.- Das kantonale Gericht hat die vorliegend mass- gebliche gesetzliche Bestimmung über den Anspruch auf Umschulung als berufliche Massnahme (Art. 17 Abs. 1 IVG) unter Hinweis auf die Rechtsprechung (BGE 124 V 108, 122 V 77, 121 V 260 Erw. 2c; AHI 1997 S. 85 Erw. 2) zutreffend dargelegt. Zu ergänzen ist, dass in der Regel nur Anspruch auf die dem jeweiligen Eingliederungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen besteht, nicht aber auf die nach den gegebenen Umständen bestmöglichen Vorkehren (BGE 110 V 102; ZAK 1984 S. 279 Erw. 2). Denn das Gesetz will die Eingliederung lediglich so weit sicherstellen, als diese im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist (ZAK 1988 S. 468 Erw. 2a). Weiter steht nach der Rechtsprechung einem Versicherten, der zu Lasten der Invalidenversicherung eine Umschulung absolviert hat, ein Anspruch auf ergänzende Massnahmen zu, wenn die durchgeführte Umschulung dem Versicherten kein angemessenes Einkommen zu verschaffen vermag, und wenn dieser nur mit ergänzenden Massnahmen in die Lage versetzt werden kann, einen Verdienst zu erzielen, der sich mit demjenigen vergleichen lässt, den er ohne Invalidität bei der früheren Tätigkeit erreichen würde. Dabei hängt der Anspruch auf solche ergänzende Massnahmen nicht davon ab, ob die für den Umschulungsanspruch geforderte Erheblichkeitsschwelle (Erwerbseinbusse von 20 %: BGE 124 V 110 Erw. 2b) erreicht ist (EVGE 1967 S. 108; ZAK 1978 S. 516). Ergänzende Massnahmen sind unter Wahrung der Verhältnismässigkeit zu gewähren, sofern nach den Umständen, insbesondere dem Zustand und den Fähigkeiten des Versicherten, weitere Umschulungsmassnahmen noch eine erhebliche Lohnverbesserung vermuten lassen (vgl. Ulrich Meyer, Zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, Diss. Bern 1985, S. 187, mit Hinweis auf das nicht veröffentlichte Urteil G. vom 5. September 1977). 
 
3.- Die Vorinstanz bezeichnet den Umschulungsplan der IV-Stelle, wonach der Versicherte halbtags während eines Jahres im Bereich Möbelverkauf und -handel eingearbeitet werden und in der anderen Tageshälfte einen Deutschsprachkurs absolvieren sollte, als ungenügend. Dies in erster Linie unter Hinweis auf die fehlende qualitative Gleichwertigkeit der Berufsausbildung des Versicherten im angestammten Bereich eines Sanitärinstallateurs und der gewährten Einarbeitung. Entsprechend bejahte das kantonale Gericht ein Fortbestehen des Anspruchs auf Umschulungsmassnahmen, ohne dass es den von der IV-Stelle bestrittenen Einwand des Versicherten, eine Verlängerung der beruflichen Massnahmen sei auch deshalb angezeigt, weil die vorgenommene Umschulung zum Möbelverkäufer und -händler nicht im ursprünglich vorgesehen Ausmass habe absolviert werden können, näher zu prüfen brauchte. 
Die IV-Stelle bemängelt, die Vorinstanz habe den Umfang und Inhalt der Sanitärinstallateur-Ausbildung nicht genügend abgeklärt, was sie nachzuholen habe. 
 
a) Zwar verfügt der Beschwerdegegner über eine nach der Grundschule in Italien besuchte Ausbildung zum Sanitärinstallateur. Wie er in seiner Vernehmlassung vom 5. Juli 1999 selber ausführt, dauerte diese drei und nicht - wie von der Vorinstanz angenommen - vier Jahre. Ein Fähigkeitszeugnis erwarb er dabei nicht, ehe er im Alter von 18 Jahren in die Schweiz einreiste, um danach während lediglich vier Jahren - von 1965 bis 1969 - in diesem Beruf zu arbeiten. Danach übte er die Tätigkeit eines Schlossers und seit 1982 bis zur Arbeitslosigkeit im Jahre 1992 jene eines Spenglers aus; beides Arbeiten, in denen er seine in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse nur sehr beschränkt (vor allem Materialkunde) einbringen konnte. Für die Beurteilung der invaliditätsbedingten Notwendigkeit der hier zur Diskussion stehenden beruflichen Massnahme ist daher die Arbeit als Spengler oder als Schlosser ohne Berufsausbildung massgebend und nicht etwa der über 25 Jahre nicht mehr und seinerzeit bloss während vier Jahren ausgeübte Beruf als Sanitärinstallateur, was sowohl von der Vorinstanz als auch der Beschwerdeführerin übersehen wird. Entsprechend erübrigen sich die von der IV-Stelle beantragten zusätzlichen Abklärungen über den genaueren Inhalt der in Italien genossenen Ausbildung, weshalb auf die beantragte Rückweisung zu verzichten ist. 
 
b) Die von der Verwaltung bewilligte und von deren Berufsberater im Bericht vom 21. Dezember 1995 näher als Einarbeitung in den Bereichen Kundenempfang, Verkaufsgespräche, Beratertätigkeit am Telefon, Terminvereinbarungen mit Kunden und Liefertermine, einfachere Büroarbeiten, usw., umschriebene und von einem Deutschkurs begleitete Umschulung im Bereich Möbelverkauf und -handel erscheint in qualitativer Hinsicht als annähernd gleichwertig zur früheren Tätigkeit als Spengler oder Schlosser ohne Berufsausbildung, zumal auch die künftige Entwicklung der erwerblichen Möglichkeiten zwischen der alten und neuen Tätigkeit vergleichbar sein dürfte. Daran ändert der vom Beschwerdegegner geltend gemachte Umstand der langjährigen Berufserfahrung in seiner früheren Tätigkeit nichts. 
Auch stehen die Tauglichkeit des Versicherten zum Beruf des (angelernten) Möbelverkäufers und -händlers sowie die Eignung einer einjährigen Einarbeitung des Beschwerdegegners bei einem Möbelgeschäft in der vorgesehenen Form, die ihm die fachlichen Grundlagen und Erfahrungen für das Berufsziel vermitteln können, ausser Frage. Unter diesem Blickwinkel erscheinen keine weiteren beruflichen Massnahmen angezeigt. 
 
c) Indessen wurden dem Versicherten die vom Berufsberater näher umschriebenen Inhalte der Anlehre zum Möbelverkäufer und -händler bei der Firma R.________ tatsächlich nur beschränkt vermittelt. Nach schriftlichen und seitens der IV-Stelle unwidersprochen gebliebenen Angaben der Firma (vom 21. März 1997) erhielt der Beschwerdegegner nur ausnahmsweise die Gelegenheit geboten, selber Kunden zu beraten und damit auch Verkaufsgespräche zu führen. Derartige Tätigkeiten sind jedoch zum unverzichtbaren Kernbereich einer jeden Anlehre zum (Möbel-)Verkäufer und (-)Händler zu zählen, wogegen die vom Versicherten laut Auskunft der besagten Firma zur Hauptsache ausgeführten Arbeiten des Telefonbedienens und der Posterledigung nur von untergeordneter Bedeutung sind. Folglich sind die bisher tatsächlich gewährten beruflichen Massnahmen als unzureichend zu bezeichnen, weshalb sich der vorinstanzliche Rückweisungsentscheid im Ergebnis als rechtens erweist. Es wird Aufgabe der Verwaltung sein, die zur Erreichung dieses Ziels noch erforderlichen Massnahmen abzuklären und über den Umschulungsanspruch neu zu verfügen. 
 
d) Daran ändert nichts, dass sich der Versicherte anlässlich einer Besprechung vom 19. Dezember 1996 mit dem Berufsberater als fähig bezeichnete, "allen etwas zu verkaufen". Diese persönliche Einschätzung vermag die praktische Tätigkeit und damit die Erfahrung nicht zu ersetzen. 
Eine andere Frage ist, ob über die von der IV-Stelle 
geplante, aber bisher noch nicht erfolgreich beendigte Anlehre zum Möbelverkäufer und -händler hinaus ergänzende Massnahmen angezeigt sind. Diesbezüglich wird die Verwaltung zum massgebenden Zeitpunkt zu befinden haben (vgl. Erw. 2 in fine hievor). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der 
Erwägungen abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Die IV-Stelle St. Gallen hat dem Beschwerdegegner für 
das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsge- 
richt eine Parteientschädigung von Fr. 1000.- zu be- 
zahlen. 
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsge- 
richt des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse des 
Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialver- 
sicherung zugestellt. 
Luzern, 12. Januar 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: 
 
 
 
 
Der Gerichtsschreiber: