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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_258/2022  
 
 
Urteil vom 12. Januar 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Muschietti 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiberin Meier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Maurerstrasse 2, 8510 Frauenfeld, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Nichtanhandnahme (Sachbeschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 16. Dezember 2021 (SW.2021.128). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ erstattete am 16. September 2021 gegen B.________ Strafanzeige wegen eines geringfügigen Vermögensdelikts (Sachbeschädigung). 
 
B.  
Mit Verfügung vom 11. November 2021 nahm die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen die Strafuntersuchung wegen eines geringfügigen Vermögensdelikts (Sachbeschädigung) nicht an die Hand. Eine dagegen erhobene Beschwerde von A.________ wies das Obergericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 16. Dezember 2021 ab. 
Dem Entscheid lag folgender Sachverhalt zugrunde: 
B.________ habe die Rebe von A.________ geschnitten, wodurch Trauben vertrocknet seien und ein Schaden von Fr. 20.-- entstanden sei. 
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 18. Dezember 2021 [recte: 16. Dezember 2021] sei aufzuheben und zur Neubeurteilung an die untere Instanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Die Privatklägerschaft ist zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG).  
Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO). Durch eine Straftat unmittelbar verletzt und damit Geschädigter im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO ist nach ständiger Rechtsprechung, wer Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsgutes ist (BGE 147 IV 269 E. 3.1; 145 IV 491 E. 2.3; 143 IV 77 E. 2.2; je mit Hinweisen). 
Bei den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG geht es in erster Linie um Ansprüche aus der Straftat auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff. OR, die üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden müssen (BGE 146 IV 76 E. 3.1; 141 IV 1 E. 1.1). Die Privatklägerschaft muss im Verfahren vor Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderung es geht (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen). 
 
1.2. Der Beschwerdeführer macht zur Beschwerdelegitimation keine Ausführungen. Er zeigt nicht auf, inwiefern sich das B.________ vorgeworfene Verhalten auf eine aus eben diesem Verhalten resultierende Zivilforderung auswirken soll, die er als Privatkläger adhäsionsweise im Strafverfahren gegen B.________ verfolgen möchte. Die Frage der Beschwerdelegitimation kann angesichts des Verfahrensausgangs offen bleiben.  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerde hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). Gemäss Art. 107 BGG darf das Bundesgericht nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (Abs. 1). Heisst es die Beschwerde gut, so entscheidet es in der Sache selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück (Abs. 2). Der Beschwerdeführer darf sich grundsätzlich nicht darauf beschränken, die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beantragen, sondern muss einen Antrag in der Sache stellen. Da die Beschwerdebegründung zur Interpretation des Rechtsbegehrens beigezogen werden kann, genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ein Begehren ohne einen Antrag in der Sache, wenn sich aus der Begründung zweifelsfrei ergibt, was mit der Beschwerde angestrebt wird (BGE 137 II 313 E. 1.3; 136 V 131 E. 1.2; Urteil 6B_889/2022 vom 2. November 2022 E. 1 mit Hinweisen).  
 
2.2. Aus dem Rechtsbegehren und der Begründung der Beschwerde kann gefolgert werden, dass der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie eine neue Beurteilung fordert und in der Sache die Eröffnung eines Strafverfahrens anstrebt. Damit ist dem Erfordernis eines Sachantrags Genüge getan.  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer rügt sowohl die Verletzung von Art. 687 ZGB als auch von Art. 52 StGB. Konkret macht er geltend, die Vorinstanz befasse sich mit zwei Einschränkungen von Art. 687 ZGB nicht: der Aufforderung mit Fristansetzung sowie dem Beweis einer Schädigung des Eigentums. Die Auffassung der Vorinstanz, es sei kein Schaden entstanden, weil das Kapprecht greife, sei ein Zirkelschluss in sich. Sodann sei die Strafanzeige wegen Sachbeschädigung als geringfügiges Vermögensdelikt eingereicht worden, wobei gemäss Art. 172 StGB [recte: Art. 172ter StGB] wegen Geringfügigkeit keine Strafbefreiung vorgesehen sei.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (Art. 144 Abs. 1 StGB). Der Tatbestand der Sachbeschädigung dient dem Schutz des Berechtigten vor jeder mehr als nur belanglosen Beeinträchtigung seiner Sache. Als beeinträchtigt bzw. beschädigt gilt eine Sache unter anderem, wenn in ihr äusseres Erscheinungsbild eingegriffen bzw. ihre Ansehnlichkeit herabgesetzt wird (Urteil 6S.388/2003 vom 3. Februar 2004 mit Hinweis).  
Richtet sich die Tat nur auf einen geringen Vermögenswert oder auf einen geringen Schaden, so wird der Täter, auf Antrag, mit Busse bestraft (Art. 172ter Abs. 1 StGB). 
 
3.2.2. Die zuständige Behörde sieht von einer Strafverfolgung, einer Überweisung an das Gericht oder einer Bestrafung ab, wenn Schuld und Tatfolgen geringfügig sind (Art. 52 StGB).  
 
3.2.3. Die Staatsanwaltschaft verfügt die Nichtanhandnahme, sobald aufgrund der Strafanzeige oder des Polizeirapports feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände oder die Prozessvoraussetzungen eindeutig nicht erfüllt sind (Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO). Sie eröffnet demgegenüber eine Strafuntersuchung, wenn sich aus den Informationen und Berichten der Polizei, aus der Strafanzeige oder aus ihren eigenen Feststellungen ein hinreichender Tatverdacht ergibt (Art. 309 Abs. 1 lit. a StPO). Die Frage, ob die Strafverfolgungsbehörde ein Strafverfahren durch Nichtanhandnahme erledigen kann, beurteilt sich nach dem aus dem strafprozessualen Legalitätsprinzip abgeleiteten Grundsatz "in dubio pro duriore". Danach darf die Nichtanhandnahme gestützt auf Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO nur in sachverhaltsmässig und rechtlich klaren Fällen ergehen (BGE 143 IV 241 E. 2.3.2; 138 IV 86 E. 4.1.1; Urteil 6B_1282/2020 vom 8. Juli 2021 E. 3; je mit Hinweisen).  
Das Bundesgericht prüft im Rahmen einer Beschwerde gegen die Nichtanhandnahme nach Art. 310 Abs. 1 StPO nicht wie beispielsweise bei einem Schuldspruch, ob die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen willkürlich sind (Art. 97 Abs. 1 BGG), sondern nur, ob die Vorinstanz willkürlich von einer "klaren Beweislage" ausgegangen ist oder gewisse Tatsachen willkürlich für "klar erstellt" angenommen hat. Dies ist der Fall, wenn offensichtlich nicht gesagt werden kann, es liege ein klarer Sachverhalt vor bzw. wenn ein solcher Schluss schlechterdings unhaltbar ist (BGE 143 IV 241 E. 2.3.2; Urteil 6B_1282/2020 vom 8. Juli 2021 E. 3; je mit Hinweisen). 
 
3.2.4. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zu begründen (Art. 42 Abs. 1 BGG). In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die beschwerdeführende Partei hat mit ihrer Kritik bei der als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägung der Vorinstanz anzusetzen (BGE 146 IV 297 E. 1.2). Die Begründung muss sachbezogen sein und erkennen lassen, dass und weshalb nach Auffassung der beschwerdeführenden Partei Recht im Sinne von Art. 95 BGG verletzt ist (BGE 142 I 99 E. 1.7.1; 140 III 86 E. 2; 139 I 306 E. 1.2). Auf ungenügend begründete Rügen am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1, 88 E. 1.3.1).  
 
3.3. Die Vorinstanz erwägt, die Staatsanwaltschaft habe, auch wenn Aussage gegen Aussage gestanden sei, das Verfahren nicht anhand nehmen dürfen. Zu Recht habe sie erwogen, es sei kein tatsächlicher Schaden bewiesen, habe doch B.________ auch die reifen Trauben im Sinne des Anriesrechts gemäss Art. 687 Abs. 2 ZGB ernten können; am Rebstock sei zudem kein Schaden entstanden. Es habe sich um einjährige Triebe gehandelt. Es könne offen bleiben, ob die Sachbeschädigung nicht bewiesen werden könne, d.h. insbesondere, ob B.________ den Beschwerdeführer zuerst aufgefordert habe, die Triebe zurückzuschneiden.  
Selbst wenn B.________ ohne vorangehende Aufforderung an den Beschwerdeführer, die überragenden Äste abzuschneiden, diese selber geschnitten habe und ein Schaden von Fr. 20.-- entstanden sei, handle es sich um einen Anwendungsfall von Art. 52 StGB, weil bei einer solchen Bagatelle eindeutig kein strafrechtliches Verfolgungs- und Bestrafungsbedürfnis vorhanden sei. Es könne dazu auf die zutreffenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft verwiesen werden. 
 
3.4.  
 
3.4.1. Soweit der Beschwerdeführer sich mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids überhaupt auseinandersetzt, beschränkt er sich im Wesentlichen darauf, seine Sicht der Dinge darzutun und appellatorische Kritik auszuüben.  
 
3.4.2. Weder die Staatsanwaltschaft in ihrer Nichtanhandnahmeverfügung noch die Vorinstanz stellen eine nicht mehr nur belanglose Beeinträchtigung durch das Kappen der überragenden, einjährigen Triebe der Rebe fest. Der Beschwerdeführer macht solches auch nicht geltend und äussert sich generell zur vorliegend vorgeworfenen Sachbeschädigung nicht (vgl. oben E. 3.2.4). Somit geht sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Vorinstanz nicht willkürlich von einer klaren Beweislage aus und ist es nicht zu beanstanden, den Tatbestand der Sachbeschädigung als nicht erfüllt zu qualifizieren. Es erübrigt sich, auf die Frage des Schadens weiter einzugehen. Ob das Vorgehen von B.________ gestützt auf das Kapprecht im Sinne von Art. 687 ZGB gerechtfertigt wäre und eine Strafbefreiung im Sinne von Art. 52 StGB in Frage käme, kann mangels erfülltem Tatbestand offen bleiben. Diesbezügliche Rügen sind deshalb nicht zu behandeln. Eine Verletzung von Bundesrecht liegt nicht vor.  
 
4.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. Januar 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Meier