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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_73/2019  
 
 
Urteil vom 12. Februar 2019  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichterin Jametti, 
Gerichtsschreiberin Schär. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, 
Bahnhofplatz 16, 4410 Liestal. 
 
Gegenstand 
Kostenerlassgesuch, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des 
Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, 
vom 20. Dezember 2018 (490 18 243). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Gesuch vom 10. Juli 2018 beantragte X.________ beim Kantonsgericht Basel-Landschaft den Erlass der Verfahrenskosten, welche ihm dieses mit Entscheid vom 5. September 2017 auferlegt hatte. 
 
B.  
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft wies das Kostenerlassgesuch am 20. Dezember 2018 ab. 
 
C.  
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und sein Kostenerlassgesuch gutzuheissen. Sinngemäss beantragt X.________, ihm sei für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Forderungen aus Verfahrenskosten können von den Strafbehörden gestundet oder unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person herabgesetzt oder erlassen werden (Art. 425 StPO). Mit der Konzipierung von Art. 425 StPO als Kann-Bestimmung belässt der Gesetzgeber der Strafbehörde beim Kostenentscheid einen grossen Ermessens- und Beurteilungsspielraum, in welchen das Bundesgericht nur mit Zurückhaltung eingreift. Die konkrete Ausgestaltung der Voraussetzungen von Stundung oder Erlass überlässt das Bundesrecht zudem weitgehend der kantonalen Ausführungsgesetzgebung. Diese Rechtslage hat zur Folge, dass das Bundesgericht eine Stundung oder den Erlass von Verfahrenskosten durchwegs unter Willkürgesichtspunkten prüft, und zwar nicht nur hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, sondern auch der massgebenden Kriterien in den kantonalrechtlichen Ausführungsgesetzgebungen (etwa Härte oder Mittellosigkeit; vgl. Urteil 6B_814/2018 vom 13. November 2018 E. 3 mit Hinweisen).  
 
1.2. Die Vorinstanz erwägt, Art. 425 StPO werde im Kanton Basel-Landschaft durch § 5 der Verordnung des Kantons Basel-Landschaft über die Gebühren der Gerichte vom 15. November 2011 (Gebührentarif, GebT/BL; SGS 170.31) konkretisiert. Gemäss § 5 Abs. 1 GebT/BL könnten in Härtefällen bereits festgesetzte und einer Partei auferlegte Verfahrenskosten auf begründetes Gesuch hin ganz oder teilweise erlassen oder gestundet werden. Ein Härtefall liege laut § 5 Abs. 2 GebT/BL vor, wenn die gesuchstellende Person ihre Bedürftigkeit nachweise und im Zeitpunkt des Kostenerlassgesuchs bereits feststehe, dass diese nicht von bloss vorübergehender Natur sei. Die Bedürftigkeit richte sich nach den Kriterien, die zur Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Zivilprozess relevant seien. Demzufolge gelte eine Person als bedürftig, wenn sie die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermöge, ohne jene Mittel anzugreifen, die für die Deckung des eigenen notwendigen Lebensunterhalts und desjenigen ihrer Familie erforderlich seien. Nach der basellandschaftlichen Gerichtspraxis gelte eine Partei hingegen nicht als bedürftig, wenn ihr Einkommen grösser sei als das um 15 % des Grundbetrags und die laufende Steuerbelastung erweiterte betreibungsrechtliche Existenzminimum.  
 
1.3. Gemäss Vorinstanz verfügt der Beschwerdeführer über monatliche Einkünfte von total Fr. 3'101.-- (Invalidenrente Fr. 1'567.--, Ergänzungsleistungen Fr. 1'063.-- und Prämienverbilligung Fr. 471.--). Der monatliche Notbedarf belaufe sich auf Fr. 2'600.20 (Grundbetrag Fr. 1'200.--, Zuschlag Grundbetrag [15 %] Fr. 180.--, Wohnkosten Fr. 695.--, Krankenkassenprämie KVG Fr. 457.30, Krankenkassenprämie VVG Fr. 67.90). Der Beschwerdeführer generiere somit einen Einkommensüberschuss von Fr. 500.80 monatlich, womit die Voraussetzungen für einen Kostenerlass mangels Bedürftigkeit nicht gegeben seien. Die Vorinstanz bewilligte dem Beschwerdeführer jedoch die Ratenzahlung.  
 
1.4. Der Beschwerdeführer macht geltend, bei der Ermittlung seines betreibungsrechtlichen Existenzminimums seien verschiedene Posten zu Unrecht nicht berücksichtigt worden.  
 
1.4.1. In seiner Bedarfsrechnung listet der Beschwerdeführer Wohnnebenkosten in der Höhe von Fr. 285.-- auf. Die Vorinstanz gewährte für die Wohnnebenkosten keinen Zuschlag mit der Begründung, diese seien im Grundbetrag enthalten. Gemäss den Richtlinien des Kantons Basel-Landschaft für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Notbedarf) nach Art. 93 SchKG (nachfolgend: betreibungsrechtliche Richtlinien), welche gemäss der basellandschaftlichen Praxis zur Prüfung des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege im Zivilprozess herangezogen werden (vgl. z.B. Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 5. Dezember 2017 [410 17 313]) und worauf auch die Vorinstanz Bezug nimmt, ist für Heiz- und Nebenkosten ein Zuschlag zum Grundbetrag zu gewähren. Der Beschwerdeführer belegte die Wohnnebenkosten in der Höhe von Fr. 285.-- im vorinstanzlichen Verfahren mit dem eingereichten Mietvertrag. Die Nichtgewährung des Zuschlags für die Nebenkosten steht in offensichtlichem Widerspruch zu den betreibungsrechtlichen Richtlinien des Kantons Basel-Landschaft und ist insofern willkürlich, als die Vorinstanz sich explizit auf die genannten Richtlinien bezieht. Gleiches gilt hinsichtlich der Beiträge, welche der Beschwerdeführer als Nichterwerbstätiger an die AHV zu leisten hat. Auch dafür ist gemäss den betreibungsrechtlichen Richtlinien ein Zuschlag zu gewähren. Der Beschwerdeführer belegte die Ausgaben im vorinstanzlichen Verfahren mittels einer Verfügung der Ausgleichskasse, weshalb auch diese zu berücksichtigen gewesen wären.  
 
1.4.2. Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, er sei auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, um seine zahlreichen Arzttermine, welche teilweise gerichtlich verordnet seien, wahrnehmen zu können. Beim Bedarf müssten daher die Kosten des Generalabonnements berücksichtigt werden. Der Einwand des Beschwerdeführers ist berechtigt. Die vorinstanzlichen Erwägungen, wonach der Beschwerdeführer nicht erwerbstätig sei, weshalb es sich beim Generalabonnement nicht um unumgängliche Berufsauslagen handle, sind zwar grundsätzlich zutreffend. Allerdings wurde dem Beschwerdeführer mit Urteil des Strafgerichts vom 2. Dezember 2015 (bestätigt mit Urteil des Kantonsgerichts vom 5. September 2017) für die Dauer der Probezeit die Weisung erteilt, sich bei Dr. med. A.________ in U.________ behandeln zu lassen. In Zusammenhang mit den (gerichtlich verordneten) Arztbesuchen wäre daher zu prüfen gewesen, ob bzw. in welchem Umfang unter dem Titel "Verschiedene Auslagen" (betreibungsrechtliche Richtlinien Ziff. II.) ein Zuschlag für Mobilitätskosten zu gewähren ist.  
 
1.4.3. Die übrigen Einwände des Beschwerdeführers sind unbegründet, soweit überhaupt auf sie einzutreten ist. Dies gilt beispielsweise bezüglich der Nichtberücksichtigung der Ratenzahlungen zu Gunsten des Justiz- und Sicherheitsdepartements. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die Ratenzahlungen seien durch die Ratenzahlungsvereinbarung belegt. Andernfalls hätte die Vorinstanz ihn dazu auffordern müssen, weitere Unterlagen, insbesondere Zahlungsbelege, einzureichen. Diesbezüglich erwägt die Vorinstanz, die behaupteten Tilgungsraten müssten unberücksichtigt bleiben, da deren regelmässige Zahlung mit den eingereichten Unterlagen weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sei. Diese vorinstanzlichen Erwägungen sind nicht zu beanstanden, nachdem sich der Schuldner gemäss den betreibungsrechtlichen Richtlinien grundsätzlich über Ratenzahlungen auszuweisen hat und es an der gesuchstellenden Person liegt, ihre Bedürftigkeit zu belegen. Der Beschwerdeführer reicht im Übrigen auch vor Bundesgericht keine Belege ein, welche die Zahlung der vereinbarten Raten belegen würden. Gleiches gilt für den Selbstbehalt bezüglich orthopädischer Spezialschuhe.  
Schliesslich reicht der Beschwerdeführer verschiedene Belege bezüglich weiterer Ausgaben ein, die bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen seien. Soweit ersichtlich, reicht der Beschwerdeführer den Kostenvoranschlag betreffend eine kieferorthopädische Behandlung, die Rechnung für die psychotherapeutische Behandlung, die Bestätigung über die Verkehrstherapie und den neuen Mietvertrag erstmals vor Bundesgericht ein. Dabei handelt es sich um Noven. Als solche dürfen sie vor Bundesgericht nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Inwiefern erst der vorinstanzliche Entscheid Anlass zur Einreichung der erwähnten Unterlagen gegeben haben soll, ist weder dargelegt noch ersichtlich. 
 
1.5. Der Beschwerdeführer führt aus, mit Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 5. September 2017 sei die Einziehung und Verwertung seines Fahrzeugs angeordnet worden. Mittlerweile sei dieses gemäss Auskunft des Kantonsgerichts verwertet worden. Der Verwertungserlös von Fr. 4'500.-- müsse an die Verfahrenskosten angerechnet werden. Stattdessen sei ihm mitgeteilt worden, dass der Verwertungserlös zur Tilgung der Standplatzkosten verwendet werde. Er sei jedoch im Urteil vom 5. September 2017 nicht zur Bezahlung von Standplatzkosten verpflichtet worden.  
Die Frage der Anrechenbarkeit der Standplatzkosten auf die geschuldeten Verfahrenskosten bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Insofern kann sie grundsätzlich nicht überprüft werden. Zudem liegen bezüglich der Verwertung keinerlei Unterlagen vor. Auch lässt sich den vorhandenen Unterlagen nicht entnehmen, ob der Verwertungserlös tatsächlich zur Tilgung von Standplatzkosten verwendet wurde. Grundsätzlich kann aber festgehalten werden, dass der Verwertungserlös gemäss Urteil des Kantonsgerichts vom 5. September 2017 mit den Verfahrenskosten verrechnet wird. Ein allfälliger Verwertungserlös kann daher nur dann zur Deckung von Standplatzkosten verwendet werden, wenn diese bereits im Urteil enthalten waren und dem Beschwerdeführer auferlegt wurden. Mangels einer detaillierten Auflistung der Verfahrenskosten lässt sich dies vorliegend nicht verifizieren. 
 
2.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Auf die Einholung einer Vernehmlassungung der Vorinstanz kann verzichtet werden, da dies einem Leerlauf gleichkäme. Der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 20. Dezember 2018 ist aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. Der Beschwerdeführer liess sich nicht anwaltlich vertreten, weshalb er keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung hat. Es sind auch keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine Entschädigung rechtfertigen würden. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 20. Dezember 2018 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. Februar 2019 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Schär