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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_190/2019  
 
 
Urteil vom 12. Februar 2020  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Ehrenzeller, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 1. Februar 2019 (IV 2016/392). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Mit Verfügung vom 25. Januar 2012 verneinte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen den Anspruch des als Lastwagenchauffeur tätig gewesenen A.________ (geboren 1962) auf eine Rente der Invalidenversicherung. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 17. März 2014 ab. Mit Urteil 8C_346/2014 vom 12. Mai 2014 trat das Bundesgericht auf die dagegen geführte Beschwerde nicht ein.  
 
A.b. Am 3. Juni 2014 meldete sich A.________ erneut zum Leistungsbezug an. Nachdem er verschiedene Arztberichte eingereicht hatte, veranlasste die IV-Stelle eine polydisziplinäre Begutachtung des A.________. Gestützt auf die Expertise der Medizinischen Gutachtenszentrum Region St. Gallen GmbH (MGSG) vom 4. Mai 2016, wonach beim Versicherten in einer Verweistätigkeit eine 70%-ige Arbeitsfähigkeit bestehe, lehnte die IV-Stelle mit Verfügung vom 10. Oktober 2016 das Rentenbegehren bei einem Invaliditätsgrad von 27 % wiederum ab.  
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 1. Februar 2019 ab 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihm ab Dezember 2014 mindestens eine halbe Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen. Eventualiter sei die Angelegenheit an die Vorinstanz oder an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Rechtsfragen sind die vollständige Feststellung erheblicher Tatsachen, die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG und der Anforderungen an den Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Bei den aufgrund dieser Berichte getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um Sachverhaltsfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). 
 
2.   
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die von der IV-Stelle am 10. Oktober 2016 verfügte und vom kantonalen Gericht bestätigte Verneinung eines Rentenanspruchs des Beschwerdeführers vor Bundesrecht standhält.  
 
2.2. Die Neuanmeldung wird - wie auch das Gesuch um Leistungsrevision - nur materiell geprüft, wenn die versicherte Person glaubhaft macht, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten, rechtskräftigen Entscheidung in einem für den Rentenanspruch erheblichen Mass verändert haben (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen). Gelingt ihr dies nicht, so wird auf das Gesuch nicht eingetreten. Ist die anspruchserhebliche Änderung glaubhaft gemacht, ist die Verwaltung verpflichtet, auf das neue Leistungsbegehren einzutreten und es in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 11; SVR 2014 IV Nr. 33 S. 121, 8C_746/2013 E. 2); sie hat demnach in analoger Weise wie bei einem Revisionsfall nach Art. 17 ATSG vorzugehen (vgl. dazu BGE 130 V 71). Stellt sie fest, dass der Invaliditätsgrad oder die Hilflosigkeit seit Erlass der früheren rechtskräftigen Verfügung keine Veränderung erfahren hat, so lehnt sie das neue Gesuch ab. Andernfalls hat sie zunächst noch zu prüfen, ob die festgestellte Veränderung genügt, um nunmehr eine anspruchsbegründende Invalidität oder Hilflosigkeit zu bejahen, und hernach zu beschliessen (vgl. Urteil 8C_407/2019 vom 13. August 2019 E. 2 mit Hinweis).  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz erwog in Bezug auf den medizinischen Aspekt im Wesentlichen, es könne auf die Arbeitsfähigkeitsschätzung im polydisziplinären Gutachten der MGSG vom 4. Mai 2016 abgestellt werden. Die attestierte medizinisch-theoretische Restarbeitsfähigkeit von 70 % sei auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt noch verwertbar, weshalb sie die erwerblichen Auswirkungen der Leistungsbeeinträchtigung anhand eines Einkommensvergleichs prüfte. Aufgrund des errechneten IV-Grades von 38 % verneinte das kantonale Gericht einen Leistungsanspruch und damit implizit auch einen neuanmeldungsrechtlich erheblichen Revisionstatbestand (E. 2.2 hiervor).  
 
3.2. Letztinstanzlich bestreitet der Beschwerdeführer ausschliesslich das dem Einkommensvergleich zugrundeliegende Invalideneinkommen. Indem die Vorinstanz die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit auf dem ausgegeglichenen Arbeitsmarkt annehme, setze sie bei einem geeigneten Arbeitgeber ein erhöhtes soziales Engagement voraus. Deshalb sei es willkürlich, auf einen Zentralwert (Median) gemäss der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung (LSE) abzustellen. Da dieses Entgegenkommen des Arbeitgebers eigentlich einem Nischenarbeitsplatz entspreche, sei vom untersten Quartil des LSE-Lohnes 2012 auszugehen. Des Weiteren sei ein Leidensabzug von 10 % rechtsfehlerhaft bzw. willkürlich. Bei einem korrekt ermittelten Einkommensvergleich und unter Berücksichtigung eines 25%-igen leidensbedingten Abzugs resultiere ein Invaliditätsgrad von 51 %.  
 
4.  
 
4.1. Die 70%-ige Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit setzt gemäss Konsensbeurteilung der Experten im polydisziplinären Gutachten vom 4. Mai 2016 hauptsächlich Arbeiten ohne erhöhte emotionale Belastung, ohne erhöhten Zeitdruck, ohne erforderliche geistige Flexibilität, ohne vermehrte Kundenkontakte und ohne überdurchschnittliche Dauerbelastung voraus. Ausgehend vom Gutachten und in Einklang mit der Rechtsprechung (Urteil 9C_95/2007 vom 29. August 2007 E. 4.3 mit Hinweisen) stellte das kantonale Gericht fest, der ausgeglichene Arbeitsmarkt beinhalte auch Nischenarbeitsplätze und Arbeitsplätze, bei welchen mit dem sozialen Entgegenkommen des Arbeitgebers gerechnet werden könne. Daraus schlussfolgerte das Gericht zutreffend, das Invalideneinkommen sei unter Beizug des LSE-Medianlohns für die mit Hilfsarbeiten beschäftigten Männer zu bestimmen. Die beschwerdeweise beantragte Berücksichtigung des untersten Quartils des LSE-Lohnes 2012 für die Bestimmung des Invalideneinkommens aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen und den übrigen persönlichen und beruflichen Merkmalen sowie des regionalen Lohnniveaus findet in der Rechtsprechung keine Stütze. Im Urteil 9C_843/2015 vom 7. April 2016 hielt das Bundesgericht in E. 5.4 in Bezug auf regionale Lohntabellen fest, aufgrund des verfasssungsmässigen Gleichbehandlungsgebots seien regionale Lohnunterschiede bei der Bestimmung des Invalideneinkommens nicht zu berücksichtigen. Selbst in wirtschaftlich schwachen Regionen mit tieferen Einkommen rechtfertige sich ein Abstellen auf das unterste Quartil des Tabellenwertes nicht. Schliesslich hat die Invalidenversicherung weder für ungünstige konjunkturelle Verhältnisse einzustehen noch regionale Lohnunterschiede auszugleichen (BGE 135 V 297 E. 5.3 S. 302; Urteil I 405/06 vom 29. Mai 2007 E. 4.2 mit Hinweisen). Ebenso wenig ist gemäss gefestiger Rechtsprechung auf einen Durchschnittswert unterer Quartilbereiche abzustellen und vom Zentralwert des monatlichen Bruttolohnes (Median) abzuweichen, um behinderungsbedingte Einbussen auszugleichen (Urteile 8C_361/2011 vom 20. Juli 2011 E. 6.4.1 f.; I 324/03 vom 2. September 2003 E. 3.1 und I 237/01 vom 7. Mai 2003 E. 6.2.1 mit Hinweis u.a. auf I 170/00 vom 5. September 2000 E. 2c). Hierfür sieht die Rechtsprechung explizit den leidensbedingten Abzug von bis zu 25 % des Medianwerts vor: Bei behinderungsbedingten und invaliditätsfremden Merkmalen, die in der Person des Versicherten selbst liegen (wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad), die sich auf die Lohnhöhe auswirken können (BGE 124 V 321 E. 3b/aa S. 323) und je nach Ausprägung die versicherte Person deswegegen die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann (BGE 126 V 75 E. 5b/aa f. S. 80), soll ein Abzug vom Tabellenlohn vorgenommen werden (Urteil 8C_705/2018 vom 16. Mai 2019 E. 4.1).  
 
4.2. Die Vorinstanz begründete den getätigten Abzug von 10 % mit zusätzlichen, im medizinisch umschriebenen zumutbaren Leistungsprofil nicht berücksichtigten Einschränkungen, wonach der Beschwerdeführer seine verbleibende Arbeitsfähigkeit nur schwankend und nicht planbar erbringen könne. Die daraus entstehenden betriebswirtschaftlichen Nachteile für den Arbeitgeber könnten sich lohnmindernd auswirken, weshalb ein 10%-iger Abzug angebracht sei. Inwiefern die Vorinstanz damit ihr Ermessen rechtsfehlerhaft oder willkürlich ausgeübt hat (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72), legt der Beschwerdeführer nicht dar. Es reicht nicht aus, Merkmale aufzuzählen, die möglicherweise einen Abzug rechtfertigen, zumal bei einer attestierten Restarbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit von 70 % noch ein ansehnliches Pensum bewältigt werden kann. Was den Tabellenlohnabzug wegen Teilzeitarbeit anbelangt, ist der Beschwerdeführer, gemäss dem beweiskräftigen Gutachten der MGSG, bei voller Stundenpräsenz in seiner Leistung um 30 % eingeschränkt. Auch wenn die Vorinstanz die ganztägige Präsenzzeit nicht ausdrücklich festhielt, erachtete sie zweifellos die gutachterliche Arbeitsfähigkeitbeurteilung gesamthaft als beweiskräftig. Damit rechtfertigt sich kein Abzug vom Tabellenlohn unter dem Titel Beschäftigungsgrad (statt vieler Urteile 9C_407/2019 vom 28. August 2019 E. 4.4.1; 9C_232/2019 vom 26. Juni 2019 E. 3.1; 9C_38/2019 vom 9. Mai 2019 E. 3.5; 8C_403/2017 vom 25. August 2017 E. 4.3; je mit Hinweisen). Zudem wirken sich weder die beruflichen Fähigkeiten des Versicherten noch dessen Alter oder die lange Abwesenheit vom Arbeitsmarkt zwingend lohnsenkend auf Tätigkeiten im Bereich der Hilfsarbeiten aus (vgl. (Urteile 9C_418/2017 vom 30. Oktober 2017 E. 4.5.2; 8C_805/2016 vom 22. März 2017 E. 3.3 und 3.4.3). Demnach ist mit Blick auf die Praxis nicht als bundesrechtswidrig zu beanstanden, dass die Vorinstanz beim Invalideneinkommen keinen leidensbedingten Tabellenlohnabzug von mehr als 10 % berücksichtigt hat. Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
5.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 12. Februar 2020 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla