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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_1112/2017  
 
 
Urteil vom 12. März 2018  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Matt. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unentschuldigtes Fernbleiben von der mündlichen Berufungsverhandlung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 23. August 2017 (SBR.2017.23). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Bezirksgericht Arbon verurteilte X.________ am 23. März 2017 wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 110.-- sowie zu einer Busse von Fr. 800.--. 
 
B.   
Dagegen meldete X.________ Berufung an, worauf ihm das Bezirksgericht das schriftlich begründete Urteil zustellte. In der Folge erklärte X.________ Berufung. 
Die Verfahrensleitung des Obergerichts stellte fest, dass die Anmeldung und Erklärung der Berufung fristgerecht erfolgt seien, worauf X.________ mit Gerichtsurkunde zur mündlichen Berufungsverhandlung vorgeladen wurde. Weil ihm die Sendung nicht ausgehändigt werden konnte, hinterlegte die Post einen Abholungsschein. Nachdem die Abholfrist unbenutzt verstrichen war, wurde die Sendung retourniert. 
Nachdem X.________ nicht zur Berufungsverhandlung erschienen war, wurde das Berufungsverfahren vom Obergericht des Kantons Thurgau am 23. August 2017 «zufolge Rückzugs der Berufung als erledigt abgeschrieben». 
 
C.   
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________ sinngemäss, der obergerichtliche Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Durchführung eines Berufungsverfahrens an das Obergericht zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die Vorinstanz erwägt, nachdem der Beschwerdeführer Berufung erklärt habe, habe er mit Zustellungen des Berufungsgerichts rechnen müssen, weshalb er rechtsgültig zur Berufungsverhandlung vorgeladen worden sei. Der Beschwerdeführer sei der Berufungsverhandlung unentschuldigt ferngeblieben und habe sich auch nicht vertreten lassen. Damit gelte die Berufung als zurückgezogen und der Beschwerdeführer habe die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.  
 
1.2.   
 
1.2.1. Gemäss Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO gilt die Berufung oder Anschlussberufung als zurückgezogen, wenn die Partei, die sie erklärt hat, der mündlichen Berufungsverhandlung unentschuldigt fernbleibt und sich auch nicht vertreten lässt. Indes liegt keine unentschuldigte Abwesenheit vor, wenn die Partei nicht ordnungsgemäss vorgeladen wurde (Urteil 6B_876/2013 vom 6. März 2014 E. 2.3.1; MARLÈNE KISTLER VIANIN, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 3 zu Art. 407 StPO; HUG/SCHEIDEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 407 StPO; LUZIUS EUGSTER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 407 StPO; SCHMID/JOSITSCH, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 3 zu Art. 407 StPO).  
 
1.2.2. Gemäss Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO gilt die Zustellung der Mitteilung einer Strafbehörde bei einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt worden ist, am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste.  
 
1.3.   
 
1.3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorladung für die Berufungsverhandlung habe ihn nicht erreicht, weil die Post sie im Briefkasten seines Sohns deponiert habe.  
 
1.3.2. Der Beschwerdeführer wohnt an derselben Adresse wie sein Sohn. Dementsprechend wird im Rubrum des erstinstanzlichen Urteils als Anschrift «c/o D.________, A.________strasse 19, xxxx B.________» aufgeführt. Auch in seiner selbst verfassten Beschwerde an das Bundesgericht führt der Beschwerdeführer als Adresse «A.________strasse 19, xxxx B.________» auf. An diese Adresse versandte die Vorinstanz die Vorladung. Daher erfolgte ein gültiger Zustellungsversuch im Sinne von Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO, weshalb die Vorladung seit dem siebten Tag nach diesem erfolglosen Versuch als zugestellt gilt. Dass der Beschwerdeführer mit einer Zustellung rechnen musste, bestreitet er zu Recht nicht.  
 
1.4.  
 
1.4.1. Der Beschwerdeführer behauptet, nachdem ihm sein Sohn die Abholungseinladung übergeben habe, habe er sich bei der Kanzlei der Vorinstanz gemeldet, wo man ihm gesagt habe, er werde nochmals eine Vorladung erhalten.  
 
1.4.2. Daraus kann der Beschwerdeführer nichts ableiten. Vielmehr anerkennt er, dass er spätestens nach seinem Anruf bei der Kanzlei wusste, dass er zur Berufungsverhandlung vorgeladen war. Weiter ist aktenkundig, dass ihm die Vorladung zur Berufungsverhandlung tatsächlich nochmals als Gerichtsurkunde und mit A-Post zugestellt wurde. Auch diese Gerichtsurkunde wurde als nicht abgeholt retourniert. Dazu äussert sich der Beschwerdeführer mit keinem Wort.  
 
2.   
 
2.1. Der Beschwerdeführer trägt vor, am Tag der Berufungsverhandlung sei er als Notfall im Kantonsspital in C.________ gelegen mit einer arteriellen Blutung, die nur durch den Arzt habe gestoppt werden können. Deshalb sei ihm eine persönliche Teilnahme an der Verhandlung nicht möglich gewesen. Er reicht dem Bundesgericht einen Spitalbericht ein, worin bestätigt wird, dass er am Vortag der Berufungsverhandlung mit Nasenbluten zur stationären Behandlung in das Kantonsspital C.________ eingewiesen worden war. Gemäss diesem Bericht konnten die Nasentamponaden nach zwei Tagen entfernt werden und eine erneute Blutung trat nicht auf.  
 
2.2. Eine Partei ist säumig, wenn sie eine Verfahrenshandlung nicht fristgerecht vornimmt oder zu einem Termin nicht erscheint (Art. 93 StPO). Würde ihr aus der Säumnis ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen, kann sie nach Art. 94 Abs. 1 StPO die Wiederherstellung der Frist verlangen, wobei sie glaubhaft zu machen hat, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft. Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung ist das Gesuch innert 30 Tagen nach Wegfall des Säumnisgrundes schriftlich und begründet bei der Behörde zu stellen, bei welcher die versäumte Verfahrenshandlung hätte vorgenommen werden sollen. Bei einem versäumten Termin setzt die Verfahrensleitung einen neuen Termin fest, wenn die Wiederherstellung bewilligt wird (vgl. Art. 94 Abs. 5 StPO).  
 
2.3. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf noch ist ersichtlich, dass er die Vorinstanz um die Ansetzung einer neuen Berufungsverhandlung ersuchte.  
 
2.4.   
 
2.4.1. Von Amtes wegen ist zu prüfen, ob die Eingabe des Beschwerdeführers an das Bundesgericht als Gesuch um Wiederherstellung entgegengenommen und zur Behandlung an die Vorinstanz weitergeleitet werden kann. Denn nach Art. 91 Abs. 4 StPO gilt eine Frist auch dann als gewahrt, wenn die Eingabe spätestens am letzten Tag der Frist bei einer nicht zuständigen schweizerischen Behörde eingeht; diese leitet die Eingabe unverzüglich an die zuständige Strafbehörde weiter.  
 
2.4.2. Die mündliche Berufungsverhandlung war auf den 23. August 2017 angesetzt. Der Beschwerdeführer wurde gemäss Spitalbericht am 25. August 2017 «in stabilem Allgemeinzustand» aus dem Spital entlassen. Spätestens an diesem Tag war der Säumnisgrund entfallen. Somit hätte das Gesuch um Wiederherstellung bis am 25. September 2017 gestellt werden müssen (Art. 90 StPO). Da die Eingabe des Beschwerdeführers an das Bundesgericht erst am 27. September 2017 bei der Post in E.________ aufgegeben worden ist, erfolgte sie jedenfalls verspätet, weshalb eine Weiterleitung an die Vorinstanz von vornherein ausser Frage steht.  
 
3.   
Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Qualifikation der Geschwindigkeitsübertretung, die Auslegung des Gutachtens und das daraus resultierende Strafmass wendet, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, da diese Rügen an der Berufungsverhandlung hätten vorgetragen werden müssen. 
 
4.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 12. März 2018 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Matt