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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.111/2005 /ggs 
 
Urteil vom 12. April 2005 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiberin Scherrer. 
 
Parteien 
X.________, 
Y.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Untersuchungsrichterin 2 des Kantonalen Untersuchungsrichteramtes, Abteilung Wirtschaftskriminalität, Amthaus, Speichergasse 12, 3011 Bern, 
Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Kantonaler Prokurator 1, Hochschulstrasse 17, 3012 Bern, 
Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Ablehnung, 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss der Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern vom 13. Januar 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Y.________ und X.________ reichten in den Jahren 2003 und 2004 gegen verschiedene Personen diverse Strafanzeigen wegen Ehrverletzungsdelikten, Teilnahme an Betrug, Widerhandlungen gegen das URG und das UWG, unbefugter Datenbeschaffung, Diebstahls und weiterer Straftaten ein. Unter anderem machten die beiden als Vertreter der inzwischen in Konkurs gefallenen Z.________ AG in ihren Anzeigen vom 18. März und 7. April 2004 geltend, sie seien Opfer einer gezielten Computervirenattacke geworden, welche entweder aus der Firma A.________ oder deren Umfeld gestartet worden sei. Diese Angriffe seien am 17. März respektive am 5. April 2004 verübt worden. 
B. 
Am 1. Dezember 2004 beantragte die Untersuchungsrichterin 2 dem zuständigen Prokurator 1, die eröffnete Strafverfolgung gegen unbekannte Täterschaft wegen Datenbeschädigung (Art. 144bis StGB) und Versuchs dazu gestützt auf Art. 235 des Gesetzes des Kantons Bern über das Strafverfahren vom 15. März 1995 (StrV; BSG 321.1) bis zur Ermittlung der Täterschaft einzustellen. Diesem Antrag stimmte der Staatsanwalt am 2. Dezember 2004 zu. Dagegen gelangten die beiden Anzeigeerstatter an die Anklagekammer des bernischen Obergerichtes. Sie beantragten die Aufhebung des Einstellungsbeschlusses sowie eine Untersuchung, ob ihnen und ihren Rechtsnachfolgern in der Z.________ AG nicht wiedergutzumachende Nachteile wegen Rechtsverweigerung entstanden seien. Weiter stellten sie ein Ablehnungsbegehren gegen die Untersuchungsrichterin und den Prokurator und machten eine offensichtliche Rechtsverletzung, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, geltend. 
 
Das Obergericht wies sowohl die Beschwerde wie auch das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 13. Januar 2005 ab, soweit es überhaupt darauf eintrat. 
C. 
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 13. Februar 2005 gelangen Y.________ und X.________ ans Bundesgericht. Sie beantragen die Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens durch ein unabhängiges Untersuchungs- bzw. Richtergremium. Gegen die Untersuchungsrichterin 2, den Prokurator 1 und weitere an der Strafuntersuchung direkt beteiligte Personen seien von Amtes wegen Ermittlungen einzuleiten "wegen gezielter, allenfalls gemeinsam verübter Willkür, mehrfacher grober Fehlentscheidungen, klarer Rechtsbeugung, respektive allenfalls Urkundenfälschung oder gezielter Datenmanipulation" und "Verstössen gegen Art. 328 StrV". 
 
Das Bundesgericht verzichtet auf die Einholung von Vernehmlassungen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Nach der Praxis des Bundesgerichts ist der durch eine angeblich strafbare Handlung Geschädigte grundsätzlich nicht legitimiert, gegen die Nichteröffnung oder Einstellung eines Strafverfahrens oder gegen ein freisprechendes Urteil staatsrechtliche Beschwerde zu erheben. Der Geschädigte hat an der Verfolgung und Bestrafung des Täters nur ein tatsächliches oder mittelbares Interesse im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 88 OG. Der Strafanspruch, um den es im Strafverfahren geht, steht ausschliesslich dem Staat zu, und zwar unabhängig davon, ob der Geschädigte als Privatstrafkläger auftritt oder die eingeklagte Handlung auf seinen Antrag hin verfolgt wird (BGE 120 Ia 101 E. 1a S. 102). Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst ist der Geschädigte aber befugt, mit staatsrechtlicher Beschwerde die Verletzung von Verfahrensrechten geltend zu machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das nach Art. 88 OG erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls nicht aus einer Berechtigung in der Sache, sondern aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Ist der Beschwerdeführer in diesem Sinne nach kantonalem Recht Partei, kann er die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund der Bundesverfassung zustehen. Er kann beispielsweise geltend machen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht eingetreten worden, er sei nicht angehört worden, habe keine Gelegenheit erhalten, Beweisanträge zu stellen, oder habe nicht Akteneinsicht nehmen können (vgl. BGE 128 I 218 E. 1.1 S. 219 f.). Hingegen kann er weder die Würdigung der beantragten Beweise noch die Tatsache rügen, dass seine Anträge wegen Unerheblichkeit oder aufgrund antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt wurden. Die Beurteilung dieser Fragen kann von der Prüfung der materiellen Sache nicht getrennt werden. Auf eine solche hat der in der Sache selbst nicht Legitimierte jedoch keinen Anspruch (BGE 120 Ia 157 E. 2a/bb S. 160 mit Hinweisen). Etwas anderes gilt für das Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG (vgl. BGE 120 Ia 157 E. 2c S. 161 f.). Die Beschwerdeführer sind indes durch den umstrittenen Vorfall nicht derart in ihrer Integrität beeinträchtigt, dass ihnen eine Opferstellung im Sinne der zitierten Rechtsprechung zukäme. Machen die Beschwerdeführer geltend, die kantonalen Behörden seien befangen gewesen, ist darauf unter Vorbehalt von E. 1.2 hiernach einzutreten. Gleiches gilt für den Vorhalt, das rechtliche Gehör sei verletzt worden. Lasten die Beschwerdeführer dem Obergericht jedoch sinngemäss eine (angeblich) falsche Sachverhaltsfeststellung und willkürliche Beweiswürdigung an und äussern sich seitenlang zum Verfahrensablauf sowie zu den von ihnen behaupteten Verstössen gegen strafrechtliche Normen, ist darauf nicht einzutreten; diese Vorwürfe können nicht getrennt von der materiellen Prüfung in der Sache selbst beurteilt werden. 
1.2 Rechtsgenüglich begründete selbständige Rügen wegen formeller Rechtsverweigerung liegen im Übrigen keine vor: Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss eine staatsrechtliche Beschwerde die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind (BGE 127 I 38 E. 3c S. 43 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer legen in erster Linie ihre Sicht des Sachverhaltes dar und nehmen zum Teil Bezug auf andere kantonale Verfahren, die nicht Gegenstand des obergerichtlichen Entscheides waren. Ihre Ausführungen erschöpfen sich weitgehend in appellatorischer Kritik. Darauf ist nicht einzutreten (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.; 129 I 185 E. 1.6 S. 189; 127 I 38 E. 3c und 4 S. 43). Soweit die Beschwerdeführer auf ihre Eingaben im kantonalen Verfahren verweisen, kann darauf mangels hinreichender Begründung ebenfalls nicht eingetreten werden. 
1.3 Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischer Natur (BGE 129 I 173 E. 1.5 S. 176 mit Hinweis). Auf die Begehren der Beschwerdeführer, wonach Ermittlungen gegen diverse Personen einzuleiten seien, sowie auf die "noch näher zu beziffernden Schadenersatzansprüche" ist demnach nicht einzutreten. 
2. 
Die Beschwerdeführer machen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Sie erachten insbesondere die Untersuchungshandlungen der kantonalen Behörden als unzureichend ("eigentlich inexistent"), dies obwohl die Beschwerdeführer umfassend Beweise geliefert und mögliche Motive der wahrscheinlichen Täterschaft genannt hätten. 
2.1 Aus dem Gebot der Gewährung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BV folgt der Anspruch der Parteien, mit rechtzeitig und formgültig angebotenen Beweisanträgen und Vorbringen gehört zu werden, soweit diese erhebliche Tatsachen betreffen und nicht offensichtlich beweisuntauglich sind (BGE 120 Ib 379 E. 3b S. 383; 106 la 161 E. 2b S. 162, je mit Hinweisen). Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn eine Behörde auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil sie aufgrund der bereits abgenommenen Beweise ihre Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass ihre Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 124 I 208 E. 4a S. 211; 122 II 464 E. 4a S. 469, je mit Hinweisen). 
2.2 Die Beschwerdeführer legen ausführlichst dar, weshalb ihrer Meinung nach die von ihnen gerügten Straftatbestände erfüllt sein sollen. Einzig aus dem Umstand, dass die kantonalen Behörden den Sachverhalt anders gewürdigt haben, ist jedoch noch nicht auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu schliessen. Die Untersuchungsrichterin 2 stützte sich bei ihrem Einstellungsantrag auf den Fachbericht der IT-Fachstelle der Stadtpolizei und auf einen sogenannten EnCase Computer Analysis Report. Wie das Obergericht im angefochtenen Urteil ausführt, schloss die Untersuchungsrichterin 2 aus diesen Unterlagen, dass die Computer der Beschwerdeführer nicht gezielt durch Viren infiziert worden seien; diese Viren würden sich selber weiter versenden, sobald sie ins Netz gestellt würden. Offensichtlich hätten die Computersysteme über keinen oder jedenfalls keinen genügenden Virenschutz verfügt. Mit dem Obergericht ist festzustellen, dass die Beschwerdeführer dagegen trotz detaillierter Erörterungen zum Sachverhalt und zahlreichen Hinweisen zur möglichen Motivlage keine substantiellen Behauptungen vorbringen, welche weitere Beweiserhebungen als notwendig erscheinen lassen würden. Die antizipierte Beweiswürdigung der kantonalen Behörden erscheint - soweit darauf überhaupt eingegangen werden kann - nicht willkürlich und stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. 
3. 
Die Beschwerdeführer unterstellen den kantonalen Behörden sinngemäss geheime Absprachen und Intrigen. Es sei offensichtlich, dass das Obergericht und die kantonalen Instanzen gegenüber den zum Teil bestens bekannten Angeschuldigten befangen seien und diese Verfahren aus persönlichen Gründen nicht führen wollten und könnten. 
3.1 Nach der in Art. 30 Abs. 1 BV und in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltenen Garantie des verfassungsmässigen Richters hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Liegen bei objektiver Betrachtungsweise Gegebenheiten vor, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, so ist die verfassungsmässige Garantie verletzt (BGE 125 I 209 E. 8a S. 217; 120 Ia 184 E. 2b S. 187). Befangenheit ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters zu erwecken. Solche Umstände können entweder in einem bestimmten persönlichen Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen funktionellen und organisatorischen Gegebenheiten begründet sein. In beiden Fällen wird aber nicht verlangt, dass der Richter deswegen tatsächlich befangen ist. Es genügt, dass Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtungsweise geeignet sind, den Anschein der Befangenheit zu begründen (BGE 124 I 121 E. 3a S. 123). 
3.2 Vorliegend ist weder ersichtlich noch rechtsgenüglich dargetan, inwiefern die kantonale Untersuchungsrichterin 2, der Prokurator 1 oder die am angefochtenen Urteil beteiligten Oberrichter befangen gewesen wären. Soweit die Beschwerde den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG in dieser Hinsicht überhaupt zu genügen vermag, zeigt sie keine Umstände auf, die den Anschein der Befangenheit vermitteln würden. Weil dem Einstellungsbeschluss des Staatsanwaltes und dem Urteil des Obergerichts eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt als ihre eigene, erscheinen die beteiligten Personen den Beschwerdeführern als befangen. Diese Betrachtungsweise vermag jedoch mitnichten eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu belegen. Die Vorwürfe hinsichtlich irgendwelcher Absprachen, "Vertuschungsaktionen" und Verleumdungen entbehren jeglicher Grundlage. 
4. 
Demzufolge ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend, haben die Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Parteientschädigungen sind keine zuzusprechen (Art.159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
3. 
Parteientschädigungen werden keine zugesprochen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Untersuchungsrichterin 2 des Kantonalen Untersuchungsrichteramtes, Abteilung Wirtschaftskriminalität, der Staatsanwaltschaft, Kantonaler Prokurator 1, und der Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 12. April 2005 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: