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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_345/2012 
 
Urteil vom 12. Juni 2012 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
L.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Rainer Deecke, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Zug, Baarerstrasse 11, 6300 Zug, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 15. März 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Mit Verfügung vom 24. August 2010 lehnte die IV-Stelle des Kantons Zug ein erstes Gesuch der 1953 geborenen L.________ um Zusprechung einer Invalidenrente ab, wobei sie annahm, dass die Versicherte ohne Invalidität zu 10 % ausser Haus und zu 90 % als Hausfrau arbeiten würde. Am 12. November 2010 meldete sich L.________ erneut bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Nach Beizug von Arztberichten und eines Abklärungsberichts Haushalt (vom 25. Februar 2011) gelangte die IV-Stelle zum Schluss, dass die Versicherte nunmehr in einem Pensum von 50 % erwerbstätig wäre. Dementsprechend wandte sie für die Invaliditätsbemessung die gemischte Methode mit Anteilen von je 50 % Erwerbs- und Hausarbeit an. Gesamthaft ergab sich ein Invaliditätsgrad von 12 %, worauf die IV-Stelle das Rentengesuch am 28. Juli 2011 wiederum verfügungsweise ablehnte. 
 
B. 
L.________ liess Beschwerde führen mit dem Antrag, unter Aufhebung der Verfügung vom 28. Juli 2011 sei ihr eine Invalidenrente zuzusprechen. Mit Entscheid vom 15. März 2012 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug die Beschwerde ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt L.________ das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
1.2 Streitig und für die Invaliditätsbemessung nach der gemischten Methode zu prüfen ist zunächst, in welchem Ausmass die Beschwerdeführerin ohne gesundheitliche Einschränkung erwerbstätig wäre. Während das kantonale Gericht von hälftiger Erwerbstätigkeit ausgeht, macht die Versicherte geltend, sie würde ohne Gesundheitsschaden zu 100 % ausser Haus arbeiten. 
 
1.3 Die Frage, in welchem Ausmass die versicherte Person ohne gesundheitliche Beeinträchtigung erwerbstätig wäre, ist mit Rücksicht auf die gesamten Umstände, so die persönlichen, familiären, sozialen und erwerblichen Verhältnisse, zu beantworten (BGE 130 V 396 E. 3.3, 125 V 150 E. 2c mit Hinweisen). Dabei handelt es sich zwangsläufig um eine hypothetische Beurteilung, die auch hypothetische Willensentscheidungen der versicherten Person berücksichtigen muss, welche indessen als innere Tatsachen einer direkten Beweisführung nicht zugänglich sind und in aller Regel aus äusseren Indizien erschlossen werden müssen. Die Beurteilung hypothetischer Geschehensabläufe ist eine Tatfrage, soweit sie auf Beweiswürdigung beruht, selbst wenn darin auch Schlussfolgerungen aus der allgemeinen Lebenserfahrung mitberücksichtigt werden (BGE 115 II 448 E. 5b; nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts in Sachen M. AG in Nachlassliquidation gegen S. vom 21. Mai 1991, 4C.213/1990, E. 3b). Ebenso sind Feststellungen über innere oder psychische Tatsachen Tatfragen, wie beispielsweise was jemand wollte oder wusste (BGE 130 IV 62 E. 8.5, 125 III 436 E. 2a/aa, 124 III 184 oben; Fabienne Hohl, Procédure civile, Band II, Bern 2002, S. 295 Rz. 3219). Rechtsfragen sind hingegen Folgerungen, die ausschliesslich - losgelöst vom konkreten Sachverhalt - auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt werden (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399), oder die Frage, ob aus festgestellten Indizien mit Recht auf bestimmte Rechtsfolgen geschlossen worden ist (z.B. auf Rechtsmissbrauch, vgl. Urteil des Bundesgerichts in Sachen S. gegen Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich vom 31. Januar 2000, 2A.545/1999, E. 2b). 
 
Nach diesen Grundsätzen ist die auf eine Würdigung konkreter Umstände gestützte Festsetzung des hypothetischen Umfanges der Erwerbstätigkeit eine Tatfrage, welche das Bundesgericht nur in den genannten Schranken (E. 1.1 hiervor) überprüft. Eine Rechtsfrage läge hingegen vor, wenn die Vorinstanz ihre Folgerung, die Beschwerdeführerin wäre im Gesundheitsfall zu 50 % erwerbstätig, ausschliesslich auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt hätte (Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 708/06 vom 23. November 2006 und I 693/06 vom 20. Dezember 2006). 
 
2. 
2.1 Die Vorinstanz hat die Frage, in welchem Ausmass die Beschwerdeführerin ohne Gesundheitsschaden erwerbstätig wäre, auf Grund einer Beweiswürdigung beantwortet, wobei sie auch die Lebenserfahrung in die Entscheidfindung hat einfliessen lassen. Dabei berücksichtigte sie u.a., dass die Versicherte die vorgängige Verfügung vom 24. August 2010, in welcher von einer Teilerwerbstätigkeit von lediglich 10 % ausgegangen worden war, nicht angefochten habe. Weiter hielt sie fest, eine derart erhebliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, dass knapp ein Jahr später, bei Erlass der Verfügung vom 28. Juli 2011, nunmehr ohne Invalidität eine volle Erwerbstätigkeit angenommen werden müsste, sei nicht ausgewiesen. Aus den Akten, namentlich den Auszügen aus dem individuellen Konto, ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin ab 1997 nicht mehr in wesentlichem Ausmass erwerbstätig war, obwohl gesundheitliche Probleme mit relevanten Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit erst seit Mitte 2007 vorlägen. Auch die Trennung von ihrem Ehemann habe trotz finanzieller Notwendigkeit nicht zu einer Steigerung ihres Arbeitspensums geführt. Wenn das kantonale Gericht unter Berücksichtigung dieser Umstände zum Ergebnis gekommen ist, die Versicherte wäre ohne Invalidität zur Hälfte erwerblich und zur Hälfte im Haushalt tätig, im Vergleich zur ersten Verfügung vom 24. August 2010 somit zwar eine Veränderung in der Aufteilung der Aufgabenbereiche eingetreten sei, die hypothetische Ausübung einer vollzeitlichen Erwerbstätigkeit aber verneint hat, lässt sich diese Sachverhaltsfeststellung nicht als offensichtlich unrichtig bezeichnen. Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, die Vorinstanz habe das Arbeitspensum der Versicherten willkürlich auf 50 % festgesetzt, ist unbegründet. 
 
2.2 Ebenso wenig liegt der Sachverhaltsermittlung eine anderweitige Bundesrechtsverletzung zu Grunde (vgl. E. 1.1 hievor). Die Tätigkeit der Versicherten im Rahmen eines Arbeitsprojektes in der Werkstatt X.________ hat die Vorinstanz bei der Feststellung der hypothetischen Erwerbstätigkeit nicht berücksichtigt; es handelt sich dabei indessen nicht um ein Arbeitsverhältnis, aus der Tätigkeit entstehen keine finanziellen Ansprüche, und die Entschädigung wird vom zuständigen Sozialdienst ausgerichtet (Teilnahmevereinbarung vom 10. August 2009). Die Tätigkeit im Arbeitsprojekt kann somit nicht der Ausübung einer Erwerbsarbeit gleichgesetzt werden. Indem das kantonale Gericht sodann davon abgesehen hat, die Abklärungsperson der IV-Stelle, Frau Y.________, als Zeugin einzuvernehmen, hat sie den Anspruch der Versicherten auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Vielmehr durfte die Vorinstanz im Rahmen antizipierter Beweiswürdigung auf die Befragung der Abklärungsperson verzichten, waren hievon doch keine neuen Erkenntnisse bezüglich der hypothetischen Tätigkeit der Versicherten ohne Invalidität zu erwarten. 
Die weiteren Ausführungen in der Beschwerde sind, soweit erheblich, ebenfalls nicht geeignet, eine Verletzung von Bundesrecht durch das Verwaltungsgericht zu begründen. Insbesondere die Vorbringen zur unterbliebenen Anfechtung der ersten Verwaltungsverfügung vom 24. August 2010 sind hier ohne Belang. Im vorliegenden Verfahren ist die Frage zu prüfen, ob seit der ursprünglichen Ablehnung des Rentengesuchs eine bezüglich des Invalidenrentenanspruchs erhebliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist, welche eine rentenbegründende Invalidität bewirkt. Diese Prüfung hat die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid mit einlässlicher Begründung, welcher beizupflichten ist, vorgenommen. Der Invaliditätsgrad von 12 %, den das kantonale Gericht in Anwendung der gemischten Bemessungsmethode ermittelt hat, wird in der Beschwerde zu Recht nicht in Frage gestellt. 
 
3. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art.66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 12. Juni 2012 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer