Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.102/2006 /bru 
 
Urteil vom 12. Juli 2006 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber von Roten. 
 
Parteien 
B._______, 
Gesuchsteller, 
 
gegen 
 
K._______, 
Gesuchsgegner, 
vertreten durch Advokat Prof. Dr. Pascal Simonius, 
 
Gegenstand 
Revision des bundesgerichtlichen Urteils vom 6. Februar 2006 (5C.121/2005), 
 
Sachverhalt: 
A. 
Zwischen B._______ (hiernach: Gesuchsteller) und K._______ (im Folgenden: Gesuchsgegner) war bis am 6. Februar 2006 eine Erbrechtsstreitigkeit um den Nachlass der am 9. Juli 1995 verstorbenen E._______ (fortan: Erblasserin) rechtshängig. In letzter kantonaler Instanz stellte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt auf Klage des Gesuchsgegners hin fest, dass der Gesuchsteller gegenüber der Erblasserin erbunwürdig sowie unfähig sei, das Amt des Willensvollstreckers auszuüben (Urteil vom 22. Dezember 2004). Der Gesuchsteller erhob dagegen staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Berufung. Die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts wies beide Rechtsmittel ab, soweit darauf eingetreten werden konnte (Urteile 5P.161/2005 und 5C.121/2005 vom 6. Februar 2006). 
B. 
Der Gesuchsteller hat gegenüber beiden Bundesgerichtsurteilen die Revision verlangt. In seinem Gesuch gegen das Berufungsurteil beantragt er, das Urteil aufzuheben und in einer allfälligen neuen Entscheidung die Klage des Gesuchsgegners abzuweisen, eventuell das Berufungsverfahren als gegenstandslos abzuschreiben, sollte das Revisionsgesuch gegen das Beschwerdeurteil gutgeheissen werden. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragt der Gesuchsteller die aufschiebende Wirkung und die Anweisung an die kantonalen Gerichte, alle im Zusammenhang mit dem Nachlass der Erblasserin stehenden Verfahren zu sistieren. Das Appellationsgericht hat auf eine Vernehmlassung zum Gesuch um aufschiebende Wirkung verzichtet und betreffend Sistierung der kantonalen Verfahren auf seine eigene Verfügung hingewiesen. Der Gesuchsgegner verlangt, das Gesuch um aufschiebende Wirkung abzuweisen und auf dasjenige um Sistierung der kantonalen Verfahren nicht einzutreten, eventuell das Gesuch ebenfalls abzuweisen. In der Sache sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. 
C. 
Das präsidierende Mitglied der II. Zivilabteilung des Bundesgerichts hat die Verfahrensanträge des Gesuchstellers abgewiesen (Verfügung vom 19. Mai 2006). Mit Urteil vom heutigen Tag hat die II. Zivilabteilung das gleichzeitig gegen das Beschwerdeurteil gerichtete Revisionsgesuch abgewiesen (5P.157/2006). 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Der Gesuchsteller beruft sich einzig auf den Revisionsgrund gemäss Art. 136 lit. d OG. Danach ist die Revision eines bundesgerichtlichen Entscheids zulässig, wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat. 
 
Der Revisionsgrund setzt unter anderem ein auf "Tatsachen" bezogenes "Versehen" voraus. Das Bundesgericht muss eine bestimmte Aktenstelle übersehen oder unrichtig - nicht in ihrer wahren Gestalt, insbesondere nicht mit ihrem wirklichen Wortlaut - wahrgenommen haben. Der Begriff entspricht dem "Versehen", das gemäss Art. 63 Abs. 2 OG im Berufungsverfahren gegenüber Tatsachenfeststellungen der letzten kantonalen Instanz gerügt werden kann. Hier wie dort versagt die Versehensrüge, wo gerichtliche Bewertung von Tatsachen bzw. gerichtliche Beweiswürdigung vorliegt (BGE 96 I 279 E. 3 S. 280; 122 II 17 E. 3 S. 18 f.; vgl. auch BGE 131 I 45 E. 3.6-3.9 S. 49 ff.). Betrifft das gerügte Versehen nur einen Ausschnitt aus der Beweiswürdigung, beispielsweise ein Indiz aus einer Vielzahl von Indizien oder eine von mehreren Zeugenaussagen, die die Feststellung der streitigen Tatsache erlaubt haben, ist eine Berichtigung weder im Berufungsverfahren nach Art. 63 Abs. 2 OG noch in Gutheissung der Revision gemäss Art. 136 lit. d OG möglich. Die Zulassung der Versehensrüge gegen einzelne Teile oder Elemente der Beweiswürdigung hätte zur Folge, dass die Beweiswürdigung gestützt auf die unangefochtenen Teile und Elemente entweder aufrecht erhalten bleiben könnte oder als nicht mehr vertretbar erschiene, in beiden Fällen also zwangsläufig überprüft werden müsste, was die Bundesrechtsmittel der Berufung und der Revision indessen nicht bezwecken, geschweige denn der Wortlaut der einschlägigen Gesetzesvorschriften gestattet (vgl. Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich 1992, S. 49 in Anm. 29 und S. 138 bei/in Anm. 8; Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, II, Bern 1990, N. 5.4 zu Art. 63, und V, Bern 1992, N. 5 und N. 5.4 zu Art. 136 OG; für die Berufung: BGE 81 II 86 Nr. 15; für die Revision: Forni, Svista manifesta, fatti nuovi e prove nuove nella procedura di revisione davanti al Tribunale federale, FS Guldener, Zürich 1973, S. 83 ff., S. 91 f. mit Hinweisen; vgl. BGE 98 Ia 568 E. 5b S. 572 f.). 
 
Zu beachten ist ferner, dass das Bundesgericht im Berufungsverfahren an die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden ist, ausser sie beruhten offensichtlich auf Versehen, wären unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen (Art. 63 Abs. 2 OG) oder zu ergänzen (Art. 64 OG). Das Vorbringen neuer Tatsachen ist in der Berufung unzulässig (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Wer ein Verfahren nach Art. 64 OG verlangt, hat aufzuzeigen und mit Aktenhinweisen zu belegen, dass er im kantonalen Verfahren die Tatsachen, die zu Unrecht für unerheblich erklärt worden sein sollen, wirklich vorgebracht und zu deren Beweis form- und fristgerecht Anträge gestellt hat, und wer ein Versehen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG behauptet, hat die beanstandete Feststellung und die Aktenstelle, mit der sie im Widerspruch steht, genau anzugeben (Art. 55 Abs. 1 lit. d OG). Der Berufungskläger, der es unterlassen hat, ein offensichtliches Versehen geltend zu machen oder formell genügend zu begründen, kann dieses Versäumnis nicht auf dem Weg eines Revisionsgesuchs beheben, namentlich nicht mit der Rüge, das Bundesgericht habe eine Tatsachenfeststellung der letzten kantonalen Instanz nicht von Amtes wegen berichtigt, obschon diese Feststellung offensichtlich auf Versehen beruht habe (BGE 115 II 399 E. 2a S. 400; vgl. Poudret/Sandoz-Monod, a.a.O., N. 5.4 zu Art. 136 OG, S. 19 Mitte; Escher, Revision und Erläuterung, in: Prozessieren vor Bundesgericht, 2.A. Basel 1998, N. 8.17 S. 278). 
2. 
Nach Abweisung der Willkürbeschwerde, die der Gesuchsteller gegen die Beweiswürdigung erhoben hatte, musste das Bundesgericht als Berufungsinstanz in tatsächlicher Hinsicht davon ausgehen, der Gesuchsteller habe grossen Einfluss auf die Erblasserin gehabt, die Erblasserin sei nicht bloss in einem Vertrauensverhältnis zum Gesuchsteller gestanden, sondern weitergehend in einem eigentlichen Abhängigkeitsverhältnis und der Gesuchsteller sei beinahe die einzige Bezugsperson der Erblasserin gewesen und habe sich bemüht, seine Einflussmöglichkeiten und die Bindung der Erblasserin, die in dieser Intensität zu keiner anderen Person als ihm bestanden habe, sicherzustellen und von Seiten Dritter nicht stören zu lassen (E. 4.2 S. 10). Weiter ist für das Bundesgericht als Berufungsinstanz verbindlich festgestanden, der Gesuchsteller habe mit Bereicherungsabsicht gehandelt und seine wahren Absichten seien der Erblasserin verborgen geblieben (E. 4.3 S. 10 des Berufungsurteils). 
 
Mit seiner Revision wendet sich der Gesuchsteller gegen die tatsächliche Beurteilung des Verhältnisses zwischen ihm und der Erblasserin und listet zu dieser Frage Zeugenaussagen und weitere Belege auf (Ziff. 3.1 S. 7 f.). Zur festgestellten Bereicherungsabsicht zitiert der Gesuchsteller aus Vorbringen im kantonalen Verfahren und aus Protokollen über eigene Aussagen und Zeugenaussagen (Ziff. 3.2 S. 8 ff.). Aus alledem schliesst der Gesuchsteller, dass zwischen ihm und der Erblasserin ein Vertrauensverhältnis und eine enge Freundschaft, aber niemals ein Abhängigkeitsverhältnis bestanden habe und dass er die Erblasserin nicht habe beeinflussen können (Ziff. 4.1 S. 11 ff. und Ziff. 4.4 S. 16). Er bestreitet seine Bereicherungsabsicht (Ziff. 4.2 S. 13 ff.) und die Feststellung, wonach der Erblasserin seine wahren Absichten verborgen geblieben seien (Ziff. 4.3 S. 15 f. des Revisionsgesuchs). 
 
Der Gesuchsteller ficht damit die Beweiswürdigung an und macht kein auf Tatsachen bezogenes Versehen geltend. Die Beurteilung seines Verhältnisses zur Erblasserin und seiner Absichten haben auf einer Vielzahl von Aussagen und Indizien beruht, so dass der Revisionsgrund gemäss Art. 136 lit. d OG selbst dann nicht bejaht werden könnte, wenn eine Aktenstelle nicht richtig im Sinne eines Versehens berücksichtigt worden sein sollte. Es kommt hinzu, dass der Gesuchsteller im Berufungsverfahren die heute aufgegriffenen Punkte nicht oder in keiner den formellen Anforderungen genügenden Weise aufgegriffen hat. Versäumtes kann im Revisionsverfahren indessen nicht nachgeholt werden. Da unrichtige Beweiswürdigung nach dem Gesagten (E. 1 hiervor) kein Revisionsgrund im Sinne von Art. 136 lit. d OG ist, muss das Revisionsgesuch abgewiesen werden. 
3. 
Einen Revisionsgrund gemäss Art. 136 lit. d OG erblickt der Gesuchsteller ferner in der versehentlichen Nichtberücksichtigung der in den Gutachten vom 29. April 2005 und vom 26. April 2005 enthaltenen tatsächlichen Feststellungen (Ziff. 4.5 S. 16 f. des Revisionsgesuchs). Das Bundesgericht hat den Verweis auf die Rechtsgutachten als Teil der Berufungsbegründung für zulässig erklärt (E. 1 Abs. 1 S. 5) und festgehalten, das Vorbringen neuer Tatsachen sei in der Berufung unzulässig (E. 1 Abs. 2 S. 5 des Berufungsurteils). Damit ist auch alles für den Fall gesagt, dass in den Rechtsgutachten eigenständige Tatsachenfeststellungen enthalten gewesen sein sollten. Da allfällige Tatsachenfeststellungen erst am 29. bzw. 26. April 2005 und damit nach Ergehen des angefochtenen Urteils vom 22. Dezember 2004 getroffen worden sein könnten, hätten sie als neu und damit im Berufungsverfahren als unzulässig gelten müssen und vom Bundesgericht als Berufungsinstanz gar nicht berücksichtigt werden dürfen (ausführlich: Poudret/Sandoz-Monod, a.a.O., N. 1.5.3.2 zu Art. 55 OG, mit Hinweisen, und N. 5.2 zu Art. 136 OG). Ein Versehen liegt nicht vor. 
4. 
Das Revisionsgesuch erweist sich insgesamt als unbegründet. Die Vorstellung trifft nach dem Gesagten nicht zu, über die Revision gemäss Art. 136 lit. d OG könnte das Bundesgericht veranlasst werden, die kantonale Beweiswürdigung einer freien Überprüfung zu unterziehen, die ihr im Falle der Anfechtung mit staatsrechtlicher Beschwerde nicht zusteht. Sein Ziel, das von ihm gezeichnete Bild zu widerlegen (S. 19 f. des Revisionsgesuchs), kann der Gesuchsteller deshalb mit der Revision nicht erreichen. Soweit er im Zusammenhang mit beinahe jedem einzelnen Sachverhaltsmoment unterstellt, daraus habe das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht auf Erbunwürdigkeit geschlossen, und in seinem "Fazit" die rechtliche Beurteilung des Bundesgerichts als unzutreffend beanstandet (S. 18 f. des Revisionsgesuchs), muss er darauf hingewiesen werden, dass die rechtliche Würdigung von Tatsachen kein Revisionsgrund gemäss Art. 136 lit. d OG ist (BGE 96 I 279 E. 3 S. 280; 122 II 17 E. 3 S. 18 f.). 
5. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Gesuchsteller kostenpflichtig und hat den Gesuchsgegner für die Vernehmlassung zu den abgewiesenen Verfahrensanträgen zu entschädigen (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). Da das Revisionsbegehren darauf gerichtet war, einen gegenteiligen Entscheid in der Sache zu bewirken, ist bei der Bemessung der Gerichts- und Parteikosten auf den Streitwert in der Hauptsache abzustellen. Dabei ist dem im Vergleich zum Entscheid in der Hauptsache geringeren Aufwand Rechnung zu tragen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 20'000.-- wird dem Gesuchsteller auferlegt. 
3. 
Der Gesuchsteller hat den Gesuchsgegner für seine Stellungnahme zu den Verfahrensanträgen mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 12. Juli 2006 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: