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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_231/2010 
 
Urteil vom 12. Juli 2010 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard, 
Gerichtsschreiber Kathriner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
M.________, 
vertreten durch Rechtsdienst Integration Handicap, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 4. Februar 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a Die 1956 geborene M.________ meldete sich im Oktober 2001 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Einholung verschiedener medizinischer Abklärungen und eines Haushaltabklärungsberichtes vom 18. Dezember 2003 verneinte die IV-Stelle Bern mit Verfügung vom 18. Mai 2004 und Einspracheentscheid vom 12. Oktober 2004 einen Anspruch auf Invalidenrente. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hob mit Entscheid vom 1. April 2005 den Einspracheentscheid auf und wies die Sache zur Vornahme weiterer Abklärungen an die IV-Stelle zurück. 
A.b Nach Einholung eines polydisziplinären Gutachtens des medizinischen Instituts X.________ vom 11. April 2007 und eines zusätzlichen Haushaltabklärungsberichtes vom 27. Juni 2007 verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 27. September 2007 erneut einen Rentenanspruch. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 9. April 2008 wiederum gut und wies die Sache zur Vornahme weiterer Abklärungen an die IV-Stelle zurück. 
A.c Am 2. Juni 2008 holte die IV-Stelle einen ergänzenden Bericht des medizinischen Instituts X.________ ein und veranlasste am 27. August 2008 einen weiteren Haushaltsabklärungsbericht. Dr. med. W.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD), erstattete am 22. Juni 2009 einen Untersuchungsbericht und nahm am 9. Juli 2009 abschliessend zu den medizinischen Befunden Stellung. Mit Verfügung vom 21. August 2009 verneinte die IV-Stelle einen Anspruch auf Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 37 %. 
 
B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 4. Februar 2010 ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde lässt M.________ die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und eine korrekte Berechnung des Invalideneinkommens beantragen. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr aufgegriffen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). 
 
2. 
2.1 Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Beurteilung des Invalideneinkommens. Die Beschwerdeführerin rügt den hypothetischen Umfang der Erwerbstätigkeit im Gesundheitsfall (sog. Statusfrage), von welchem das kantonale Gericht ausgegangen ist. Es müsse eine Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin von 100 % als Gesunde angenommen werden. 
 
2.2 Das kantonale Gericht kam hingegen, wie zuvor schon die Verwaltung, zum Schluss, die Beschwerdeführerin würde ohne gesundheitliche Beeinträchtigung zu 20 % der Besorgung des Haushaltes und daneben einer Teilerwerbstätigkeit von 80 % nachgehen. Es wendete zur Ermittlung des Invalideneinkommens daher die gemischte Methode der Invaliditätsbemessung an (BGE 130 V 393 und 125 V 146, je mit Hinweisen; vgl. BGE 134 V 9). 
 
2.3 Aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit einer von ihr beantragten Arbeitsvermittlung, wonach sie eine 100 %-Stelle in einem nicht so hektischen Betrieb suche, kann nichts zur Statusfrage abgeleitet werden. Hierbei handelte es sich gerade nicht um eine Aussage zur Erwerbstätigkeit im Gesundheitsfall. Die erste Aussage der Beschwerdeführerin zur Statusfrage findet sich als Antwort auf die schriftliche Anfrage der Beschwerdegegnerin vom 8. November 2001 in den Akten. Die Beschwerdeführerin gab an, im Gesundheitsfall würde sie als getrennt Lebende im Umfang von ca. 80-90 % und als Verheiratete ca. 60 % einer ausserhäuslichen Erwerbstätigkeit nachgehen. Diese Antwort steht im Einklang mit ihrer späteren Präzisierung auf 80 % im ersten Haushaltsabklärungsbericht vom 18. Dezember 2003, auf den die Vorinstanz verwies. Bei dieser Haushaltsabklärung führte die Beschwerdeführerin aus, bei guter Gesundheit würde sie nach wie vor in der Firma Y.________ arbeiten. Sie stelle sich einen Beschäftigungsgrad von 80 % vor, bevorzugt als Kassiererin. Auf diese Aussagen zur Statusfrage bei der ersten Haushaltsabklärung wurde in den folgenden Haushaltsabklärungsberichten zu Recht ebenfalls abgestellt. Aus dem Umstand, dass die Sache zunächst an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen wurde, weil die erste Haushaltsabklärung zu weit zurücklag und in den neuen Abklärungsberichten gewisse Bereiche in der Beurteilung nicht aktualisiert worden waren, kann nicht gefolgert werden, dem Abklärungsbericht vom 18. Dezember 2003 komme auch in Bezug auf die Statusfrage kein Beweiswert zu. Praxisgemäss sind die erstmalig gemachten Aussagen zur hypothetischen Frage der Erwerbsfähigkeit im Gesundheitsfall stärker zu gewichten als spätere, anderslautende Erklärungen, welche von Überlegungen sozialversicherungsrechtlicher Natur beeinflusst sein können (Urteil 8C_352/2008 vom 9. Oktober 2008 E. 3.2.2 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 121 V 45 E. 2a S. 47). In den persönlichen und familiären Verhältnissen sind seit 2003 keine relevanten Veränderungen eingetreten, wie der Abklärungsdienst der Beschwerdegegnerin im Haushaltsabklärungsbericht vom 27. August 2008 und in der Stellungnahme vom 1. Dezember 2008 festhielt. Damit ist das Abstellen auf die erstmalig gemachten Aussagen nicht zu beanstanden. In Übereinstimmung mit dieser Aussage stehen sodann die effektiv ausgeübten verschiedenen Teilzeiterwerbstätigkeiten der Beschwerdeführerin, die sie nach dem Arbeitsunterbruch durch Heirat und Kinderbetreuung zwischen 1990 und vor Eintritt des Gesundheitsschadens ausübte. Auch diesen Umstand würdigte die Vorinstanz zu Recht. 
Die von der Vorinstanz angenommene Erwerbstätigkeit von 80 % im Gesundheitsfall erweist sich daher in Würdigung dieser Gegebenheiten nicht als bundesrechtswidrig. 
 
3. 
Weiter macht die Beschwerdeführerin geltend, ihre verbliebene Arbeitsfähigkeit sei auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nicht verwertbar, sondern nur noch in einem geschützten Rahmen. 
 
3.1 Der ausgeglichene Arbeitsmarkt ist gekennzeichnet durch ein gewisses Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften und weist einen Fächer verschiedenster Tätigkeiten auf (BGE 110 V 273 E. 4b S. 276). Das gilt sowohl bezüglich der dafür verlangten beruflichen und intellektuellen Voraussetzungen wie auch hinsichtlich des körperlichen Einsatzes. Dabei ist nicht von realitätsfremden Einsatzmöglichkeiten auszugehen. Es können nur Vorkehren verlangt werden, die unter Berücksichtigung der gesamten objektiven und subjektiven Gegebenheiten des Einzelfalles zumutbar sind. An die Konkretisierung von Arbeitsgelegenheiten und Verdienstaussichten sind jedoch rechtsprechungsgemäss keine übermässigen Anforderungen zu stellen (SVR 2008 IV Nr. 62 S. 203, 9C_830/2007 E. 5.1 mit Hinweis). Für die Invaliditätsbemessung ist nicht massgeblich, ob eine invalide Person unter den konkreten Arbeitsmarktverhältnissen vermittelt werden kann, sondern einzig, ob sie die ihr verbliebene Arbeitskraft noch wirtschaftlich nutzen könnte, wenn die verfügbaren Arbeitsplätze dem Angebot an Arbeitskräften entsprechen würden (AHI 1998 S. 287 E. 3b S. 290 f., I 198/97). Der ausgeglichene Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG) umfasst auch sogenannte Nischenarbeitsplätze, also Stellen- und Arbeitsangebote, bei welchen Behinderte mit einem sozialen Entgegenkommen vonseiten des Arbeitgebers rechnen können (Urteil 9C_95/2007 vom 29. August 2007 E. 4.3 mit Hinweisen). Von einer Arbeitsgelegenheit kann nicht mehr gesprochen werden, wenn die zumutbare Tätigkeit nurmehr in so eingeschränkter Form möglich ist, dass sie der ausgeglichene Arbeitsmarkt praktisch nicht kennt oder sie nur unter nicht realistischem Entgegenkommen eines durchschnittlichen Arbeitgebers möglich wäre und das Finden einer entsprechenden Stelle daher von vornherein als ausgeschlossen erscheint (z.B. Urteil 8C_1050/2009 vom 28. April 2010 E. 3.3 mit Hinweisen). 
 
3.2 Nach der unbestrittenen medizinischen Beurteilung von Dr. med. W.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 22. Juni und 9. Juli 2009 ist der Beschwerdeführerin eine 50 %-Tätigkeit zumutbar, in definiertem Rahmen mit selbständiger Übernahme einer einfachen Tätigkeit z.B. Zeitungen austragen, ohne Zeitdruck und ohne Einbindung in ein Team. Die Versicherte benötige einen wohlwollenden Vorgesetzten, der auch mit unberechenbar auftretenden Ereignissen umgehen könne. Die Vorinstanz erwog hierzu, es sei richtig, dass vorliegend gewisse Einschränkungen zu beachten seien. Der massgebende ausgeglichene Arbeitsmarkt biete jedoch aufgrund seiner Vielfalt dem Zumutbarkeitsprofil entsprechende Stellen an, weshalb die verbleibende Arbeitsfähigkeit verwertbar sei. 
Diese Annahme ist nicht zu beanstanden. Es gibt verschiedene einfache Hilfstätigkeiten, die den von Dr. med. W.________ vorausgesetzten medizinischen Anforderungen genügen (z.B. Kontroll-, Sortier- oder Verpackungsarbeiten, Zeitschriften austragen usw.). Dass ein soziales Entgegenkommen des Arbeitgebers medizinisch vorausgesetzt wird, spricht noch nicht gegen die Verwertbarkeit der Arbeitsfähigkeit (vgl. E. 3.1 hievor). Ein solches soziales Entgegenkommen ist vorliegend mit Blick auf die psychisch bedingten Limitierungen der Beschwerdeführerin nicht als unrealistisch zu bezeichnen. Neben den psychischen Beeinträchtigungen liegen zudem keine organisch bedingten Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit vor. Die Beurteilung des Invalideneinkommens und damit die Verneinung eines Rentenanspruchs ist daher nicht zu beanstanden. Dies führt zur Abweisung der Beschwerde. 
 
4. 
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 12. Juli 2010 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Ursprung Kathriner