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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_131/2008/sst 
 
Urteil vom 12. August 2008 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Favre, Zünd, 
nebenamtliche Bundesrichterin Brahier Franchetti, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Roger Gebhard, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen, Herrenacker 26, 8200 Schaffhausen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Mehrfache sexuelle Handlungen mit Kind, Drohung etc.; Strafzumessung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 18. Januar 2008. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Auf Berufung von X.________ im Strafpunkt gegen das Urteil des Kantonsgerichts Schaffhausen vom 21. Juni 2006 stellte das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Urteil vom 18. Januar 2008 das Verfahren wegen mehrfacher Übertretung von Art. 19a Ziff. 1 BetmG in einzelnen Anklagepunkten zufolge Verjährung ein und bestätigte im Übrigen die Schuldsprüche wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind (Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB), Drohung, mehrfacher Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 1 BetmG und mehrfacher Übertretung von Art. 19a Ziff. 1 BetmG sowie wegen Übertretung des Transportgesetzes. Es verurteilte ihn zu 12 Monaten Freiheitsstrafe (unter Anrechnung von 5 Tagen Untersuchungshaft) und zu einer Busse von Fr. 90.--. Es schob den Vollzug der Freiheitsstrafe mit einer Probezeit von 5 Jahren auf und erteilte die Weisung, sich während der Probezeit einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen (Art. 63 StGB). Es stellte fest, dass der Vollzug der mit Strafbefehl vom 6. Dez. 2000 ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 21 Tagen nicht mehr angeordnet werden kann (Art. 46 Abs. 5 StGB). 
 
B. 
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei reformatorischem Entscheid sei er mit einer Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen zu Fr. 30.-- sowie einer Busse von Fr. 90.-- zu bestrafen (mit bedingtem Vollzug und Anrechnung der Untersuchungshaft). Die Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens seien dem Kanton Schaffhausen aufzuerlegen. Es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
 
C. 
Das Obergericht verzichtet auf Vernehmlassung. Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde und verzichtet im Übrigen auf Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der Beschwerdeführer richtet sich gegen die in Ziff. 3a des Urteilsdispositivs ausgesprochene zwölfmonatige Freiheitsstrafe. Er rügt deren Höhe wie auch die Wahl der Strafart. 
 
1.1 Er macht eine Verletzung von Art. 47 und 50 StGB geltend, weil die Vorinstanz nicht entlastend berücksichtigt habe, dass das vierzehneinhalbjährige Mädchen sexuell erfahren gewesen sei, dass er dessen Minderjährigkeit zunächst nicht gekannt habe und dass er nicht den Kontakt zu einem unter sechzehnjährigen Mädchen gesucht habe, dass bei der Kenntnisnahme des wahren Alters bereits eine Liebesbeziehung bestanden habe, dass es in sämtliche Handlungen eingewilligt habe und dass er die von diesem gesetzten Grenzen akzeptiert und nie irgendwelchen Druck ausgeübt habe. Ferner sei das Doppelverwertungsverbot verletzt, wenn ihm bei der Strafzumessung vorgeworfen werde, er habe seinen Trieb nach Kenntnisnahme des wahren Alters des Mädchens nicht zurückhalten können. 
 
1.2 Die Vorinstanz nimmt mit der Erstinstanz an, das Verschulden wiege nicht leicht. Der Beschwerdeführer, der das Opfer während eines Ferienaufenthalts in Jamaika kennen gelernt hatte, habe das jugendliche Alter, die schlechte finanzielle Lage und das damit zusammenhängende Streben nach dem vermeintlich leichten Geld schamlos ausgenützt. Daran ändere nichts, dass das Opfer offenbar seit einiger Zeit der Prostitution nachgegangen sei. Es entlaste ihn nicht, dass er anfänglich das Alter nicht kannte, vielmehr sei ihm vorzuwerfen, dass er, obwohl er mittlerweile über das Alter orientiert worden sei, seinen Trieb nicht zurückgehalten und das Opfer zum Zweck des Geschlechtsverkehrs in die Schweiz eingeladen habe. Es entlaste ihn auch nicht, dass er keinen Zwang angewandt habe. 
 
1.3 Das neue Recht hat die bisher geltenden Strafzumessungsgrundsätze in Art. 47 StGB beibehalten. Danach misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die Bewertung des Verschuldens wird dahingehend präzisiert, dass dieses nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und den Zielen des Täters sowie danach bestimmt wird, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden (vgl. BGE 134 IV 17 E. 2.1; 129 IV 6 E. 6.1; 127 IV 101 E. 2a). Es liegt im Ermessen der Vorinstanz, in welchem Umfang sie die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 134 IV 17 E. 2.1). 
 
Die Begründungspflicht gemäss Art. 50 StGB entspricht der Rechtsprechung zum bisherigen Recht, wonach das Gericht seine Überlegungen in den Grundzügen wiedergeben muss, so dass die Strafzumessung nachvollziehbar ist (BGE 134 IV 17 E. 2.1). 
 
1.4 Der Beschwerdeführer anerkennt, dass eine allfällige Einwilligung des Kindes in sexuelle Handlungen diese nicht rechtfertigen und für die Erfüllung des Straftatbestandes von Art. 187 StGB ohne Bedeutung ist (vgl. BGE 120 IV 6 E. 2c/aa). Er weist indessen zutreffend darauf hin, dass es für die Strafzumessung auf die gesamten Umstände der Tat ankommt und dass damit auch das Verhalten des Opfers nicht belanglos ist (Urteil 6S.148/2004 vom 28. Juli 2004, E. 1.3). 
 
Die teils dem erwähnten Urteil 6S.148/2004 entsprechenden und im angefochtenen Urteil so nicht festgestellten Vorbringen des Beschwerdeführers sind unbehelflich. Die sexuellen Kontakte vor der Offenbarung des wahren Alters waren gar nicht Gegenstand der Anklage (Urteil der Erstinstanz, kantonale Akten, act. 395). Nach den massgeblichen tatsächlichen Feststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG) nützte er die Lage des Opfers vielmehr schamlos aus. Indem die Vorinstanz das Verschulden als "nicht leicht" qualifiziert, trägt sie aber offenkundig auch weniger gravierenden Umständen Rechnung, wobei sie festhält, dass sie wegen des Verschlechterungsverbots nicht eine höhere Strafe aussprechen darf. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er habe nie irgendwelchen Druck ausgeübt bzw. immer die gesetzten Grenzen beachtet, ist er immerhin auf Art. 189 und Art. 190 StGB hinzuweisen (vgl. BGE 124 IV 154). Und soweit er schliesslich eine Verletzung des Doppelverwertungsverbots geltend macht, weil er seinen "Trieb" nicht habe zurückhalten können, denn dies sei dem "Straftatbestand an sich schon immanent", ist auf die angefochtene Begründung zu verweisen. Dass er nämlich das Opfer auch noch in die Schweiz einlud, um den Geschlechtsverkehr zu vollziehen, belegt eine zusätzliche Willensintensität, die straferhöhend zu berücksichtigen ist (neben der Strafschärfung gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB). 
 
1.5 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz nehme willkürlich an, dass er seine Taten stark verharmlose und beschönige. 
 
Die Vorinstanz verweist in ihrer Begründung (angefochtenes Urteil S. 10) auf das Urteil der Erstinstanz (act. 398 f.). Diese stützte sich zunächst auf act. 357 ff. Der Beschwerdeführer beruft sich aber lediglich auf act. 358 ff. (Beschwerde S. 11) und nicht wie die Erstinstanz auch auf act. 357 und damit auf Aussagen des Beschwerdeführers, mit denen sich willkürfrei eine verharmlosende und beschönigende Haltung begründen lässt. Die Erstinstanz führte sodann aus, der Eindruck mangelnder Einsicht werde verstärkt durch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer die Handlungen unmittelbar nach Beginn einer (einschlägigen) psychotherapeutischen Behandlung begangen habe. Das bestreitet der Beschwerdeführer nicht. Somit übergeht er zwei wesentliche Argumente der Vorinstanzen. Willkür ist damit nicht nachgewiesen. 
 
1.6 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 19 Abs. 2 und Art. 50 StGB, weil sich aus dem Urteil nicht schliessen lasse, ob die Vorinstanz der verminderten Zurechnungsfähigkeit im ganzen Ausmass Rechnung getragen habe. 
 
Die Strafe muss grundsätzlich im vollen Ausmass der Verminderung der Schuldfähigkeit reduziert werden (eingehend BGE 134 IV 132 E. 6). 
 
Die Vorinstanz hält fest, die Erstinstanz habe eine leichte bis mittlere Verminderung der Zurechnungsfähigkeit angenommen und dies in genügender Form strafmildernd entsprechend dem Gutachten berücksichtigt (angefochtenes Urteil S. 9). Es ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, dass damit die Strafmilderung nicht näher begründet wurde. Wie sich aber dem Strafmass entnehmen lässt, wurde die Strafe offenkundig erheblich gemildert. Einzig der Begründung wegen ist das Urteil nicht aufzuheben. 
 
1.7 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Drohung gegenüber der Telefonistin des Kantonalen Arbeitsamts sei als eventualvorsätzlich zu qualifizieren, und das sei bei der Strafzumessung zwingend zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. 
 
Der Beschwerdeführer hatte die Telefonistin tatsächlich in Angst und Schrecken versetzt und damit den Tatbestand der Drohung objektiv und subjektiv vollendet. Dass er anschliessend die Drohung abgeschwächt haben will, wie er geltend macht, ändert an der Vollendung des Tatbestands nichts. Die Vorinstanzen gehen von einer vorsätzlichen Begehung aus. Der Beschwerdeführer hat diesen Schuldspruch (Urteil der Erstinstanz, act. 395) bei der Vorinstanz nicht angefochten, sondern dessen Bestätigung beantragt (angefochtenes Urteil S. 5 und 6), so dass er ihn vor Bundesgericht nicht mehr in Frage stellen kann. Verschuldensmässig gewichtet die Vorinstanz diese Tat mit der Erstinstanz (act. 399) als "keineswegs leicht", was weder Art. 47 noch Art. 50 StGB verletzt. 
 
1.8 Ferner bringt er vor, die Vorinstanz hätte die Übertretung des Transportgesetzes bei der Freiheitsstrafe nicht berücksichtigen dürfen. 
Aus dem angefochtenen Urteil (S. 9) lässt sich dieser Vorwurf nicht begründen. Die Vorinstanz übernimmt die erstinstanzliche Entscheidung, dass die Widerhandlung gegen das Transportgesetz "weniger ins Gewicht" fällt, und setzt wie diese (act. 400) eine Busse fest. 
 
1.9 Schliesslich macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 34 und Art. 50 StGB geltend, weil die Vorinstanz eine Freiheitsstrafe statt der möglichen Geldstrafe von 360 Tagessätzen ausgesprochen habe, ohne die Wahl dieser Strafart zu begründen. 
 
Für Strafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr sieht das Gesetz Geldstrafe oder Freiheitsstrafe vor. Im Vordergrund steht dabei die Geldstrafe. Das ergibt sich aus dem Prinzip der Verhältnismässigkeit, wonach bei alternativ zur Verfügung stehenden Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden soll, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift bzw. die ihn am wenigsten hart trifft. Bei der Wahl der Sanktionsart sind als wichtige Kriterien die Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen (BGE 134 IV 82 E. 4.1, 97 E. 4.2.2). 
 
Die Vorinstanz begründet die Wahl der Strafart nicht. Das verletzt Bundesrecht. Die Wahl der Strafart ist ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Strafzumessung und muss wegen der einscheidenden Konsequenzen für den Betroffenen begründet werden. 
 
2. 
Die Beschwerde ist in einem Punkt (E. 1.9) gutzuheissen und im Übrigen abzuweisen. Die Sache ist wegen fehlender Begründung (Art. 50 StGB) zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 107 Abs. 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist insoweit gegenstandslos geworden und im Übrigen wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der Kanton Schaffhausen hat dem Beschwerdeführer nach Massgabe seines Obsiegens eine herabgesetzte Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer unterliegt in tatsächlicher und überwiegend auch in rechtlicher Hinsicht. Angesichts seiner finanziellen Lage sind die ihm aufzuerlegenden Gerichtskosten herabzusetzen (Art. 65 Abs. 2 und Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und im Übrigen abgewiesen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 18. Januar 2008 wird aufgehoben und zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Der Kanton Schaffhausen hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- auszurichten. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 12. August 2008 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Schneider Briw